The Project Gutenberg EBook of Sechs Jahre in Surinam, by August Kappler

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Title: Sechs Jahre in Surinam
       Bilder aus dem militärischen Leben dieser Colonie und
              Skizzen zur Kenntniss seiner socialen und
              naturwissenschaftlichen Verhältnisse

Author: August Kappler

Release Date: October 6, 2014 [EBook #47063]

Language: German

Character set encoding: ISO-8859-1

*** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SECHS JAHRE IN SURINAM ***




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SECHS JAHRE IN SURINAM

ODER

BILDER AUS DEM MILITÄRISCHEN LEBEN
DIESER COLONIE,


UND

SKIZZEN ZUR KENNTNISS SEINER SOCIALEN UND
NATURWISSENSCHAFTLICHEN VERHÄLTNISSE


VON

A. KAPPLER,
früher in holländischen Militärdiensten.


STUTTGART.
E. SCHWEIZERBART'SCHE VERLAGSHANDLUNG UND DRUCKEREI.
1854.

MEINEM VEREHRTEN COMMANDANTEN,
DEM PENSIONIRTEN MAJOR
Herrn C. B. KRAYENHOFF VAN WICKERA
IN PARAMARIBO,
GEWIDMET.

VORWORT.

Das Interesse, welches in neuester Zeit das holländische und französische Guyana bei Manchem erregt, die verschiedenen Meinungen, welche über Sklaverei herrschen und das schlechte Prädicat hinsichtlich des Gesundheits-Zustandes beider Colonien ermuthigten mich, die Erfahrungen und Erlebnisse während eines sechsjährigen Aufenthaltes in Surinam auf diesem Wege mitzutheilen.

Diese gehören zwar nicht der jüngsten Zeit an; denn obwohl ich Surinam seit siebenzehn Jahren bewohne, so habe ich doch den militärischen Stand schon seit eilf Jahren verlassen, und meine jetzigen Verhältnisse, obwohl manches Unterhaltende darbietend, können keine weiteren Bemerkungen über die Natur und lokalen Beziehungen, welche dieselben geblieben sind, gestatten.

Es gibt manche Reisebeschreibungen über Surinam, aber keiner der Schriftsteller, Stedman etwa ausgenommen, hat sich in Lagen befunden, wie ich, hat die Hitze der Tropen und ihre Regengüsse wie ich gefühlt, von Mosquittos geplagt, lange Nächte durchgewacht oder am bescheidenen Soldatentische mitgegessen, daher bei dem reizenden Bilde, das die Natur zwischen den Wendekreisen liefert, die Schattenseite übersehen, oder wenigstens nicht aus Erfahrung beschrieben. Trotz den Berichten der Reisenden, die der Wahrheit gemäss sich über diese Colonien günstig äusserten, blieben Surinam und Cayenne verrufene Länder. Man glaubte, dass die heisse Luft in den Sümpfen Guyana's nur Mosquittos und Reptilien ausbrüte, und Epidemien und Fieber ununterbrochen aufeinander folgen, und der Ruf der Sklaverei, unter der die armen Schwarzen seufzten, wirkte noch unheimlicher auf die Phantasie, die so häufig das Wahre und Wahrscheinliche verwirft, um sich am Mährchenhaften und Unglaublichen anzuklammern. Dazu kamen noch manchmal die übertriebenen Berichte von katholischen und protestantischen Missionären, die im Interesse ihrer Congregationen die Zustände schilderten, oder ihre Leistungen ausschmückten, um fromme Seelen zum Abscheu und zu Beiträgen zu bewegen; kurz man schauderte vor beiden Colonien, nur Erbschafts-Candidaten schlossen sie in ihr Gebet ein.

Ich habe beim Niederschreiben dieser Blätter mich blos meiner und nicht anderer Erfahrungen bedient, sie sind aber genau und wahr und ich glaube den Zweck, durch diese Skizzen zur Kenntniss der socialen und naturwissenschaftlichen Verhältnisse Surinam's beizutragen, damit zu erreichen.

Stuttgart, im Juni 1853.

A. Kappler.

Erster Abschnitt.
Ursachen der Abreise. Anwerbung in Amsterdam. Ankunft und Aufenthalt in Harderwyk. Einschiffung in Hellevoetsluis. Lebensweise an Bord. Strafexecution. Abreise. Beschäftigungen während der Ueberfahrt. Seepolypen. Anblick des Landes. Einfahrt in den Surinam. Ausschiffung und Aufenthalt auf Forteress Amsterdam. Der Mangobaum.

Ohne eine vorherrschende Neigung für das eine oder andere Fach, das meine bewegliche Individualität besonders angezogen hätte, wählte ich in meinem vierzehnten Jahre das des Handelstandes, wiewohl ich ohne alles Vermögen blos die Aussicht hatte, in ewig subalterner Rolle mein Leben lang hinterm Ladentische fungiren zu müssen, wenn nicht das zweifelhafte Glück mir zur Selbstständigkeit verhülfe.

Durch den Tod meines Lehrherrn musste ich St. verlassen, und, da meine Lehrzeit noch nicht beendigt war, im Laden eines Specereihändlers in einem kleinen Landstädtchen vollends ausstudiren.

Es war auch in der That ein Studium, mir die neuen Verhältnisse eigen zu machen: kaum graute der Morgen, als man zum Verkaufe von Tabak, Zucker und Kaffee das Bett verlassen musste, und regelmässig beschien die aufgehende Sonne Haufen frisch gepappter Tüten verschiedenen Kalibers. Zimmt stossen und Pfeffer mahlen waren kleine Intermezzo's im Ciklus der täglichen Geschäfte, und mit dem Behängen der Fenster mit baumwollenen Tüchern, prächtigen Pfeifen und Rauchtabak-Etiquetten für den kommenden Sonntag schloss die Woche.

Die wenigen Stunden, welche ich des Sonntags für mich verwenden durfte, verlief ich einsam in den nahen Wäldern, oder erkletterte die uralten Thürme der Stadtmauer, um die häuslichen Einrichtungen der dort privatisirenden Eulen zu inspiciren.

Mein Principal, der die Lungenschwindsucht hatte, und desshalb nicht immer bei rosenfarbener Laune war, wünschte mich, wenn ich nicht immer den Ehrgeiz, den ein mittelloser Lehrjunge vor seinem Lehrherrn zeigen muss, zur Schau trug, oder den Tabak mit einer gewissen Nonchalance abwog, in's Pfefferland, welch' frommem Wunsche ich denn endlich auch noch nachkam.

Als meine Lehrzeit vorüber war, bekam ich als Commis eine Stelle in der bedeutenden Handelsstadt H. Hier erst zeigte sich mir der Handel von seiner ehrwürdigen und grossartigen Seite. Bedeutende Kaufleute hatten hier selbst mehrere Commis, und für Lehrjungen war H. die wahre Akademie des Handels. Aber der Widerwillen an meinem Berufe hatte schon zu tief bei mir Wurzel gefasst, als dass ich in dem erweiterten Handelskreise an merkantilischen Kenntnissen noch hätte profitiren können. Ohne ein festes Wollen und Ziel war mir die freie Natur das Liebste, nichts widerlicher als die dumpfige Ladenluft und der gellende Ton der Thürglocke.

Ich beschloss endlich, mein Glück in der weiten Welt zu suchen und in Griechenland, wohin sich in dieser Zeit jeder desperate Kopf anwerben liess, mich unter das Militär aufnehmen zu lassen. Mit diesem Vorsatze und sehr wenig Geld verliess ich am 1. März 1835 H. und sagte im Stillen meinen Oefen und Kacheln, sowie allen Ladenzöglingen der guten Stadt ein herzliches Lebewohl.

Es ist hier nicht der Platz, die Abenteuer dieser Reise zu erzählen. Ohne Pass konnte ich nicht Mitglied der griechischen Legionen werden, und musste desswegen mit hängendem Kopfe wieder in die Heimath zurückkehren.

Ich richtete nun meinen Blick auf Ostindien, dessen Gewürze ich mit so grossem Widerwillen zerstossen und zermahlen hatte, und beschloss, das Pfefferland zu suchen, wohin mich mein griesgrämiger Lehrherr gewünscht hatte.

Nichts stellte sich jetzt mehr meiner Abreise entgegen. Die Meinigen hatten einsehen lernen, dass von mir nicht viel mehr zu erwarten sey, besorgten mir einen Pass und bescheidenes Reisegeld, um in Holland mich anwerben lassen zu können, und so verliess ich abermals am 14. Juli 1835 meine Vaterstadt, um nach dem Norden zu pilgern, da man mich im Osten nicht haben wollte.

Durch die Schnelligkeit meiner Füsse und des Dampfbootes war ich bereits am zweiten Tage in der Grenzstadt Nymwegen. Wie fremd und neu war mir alles hier; wie bewunderte ich die Reinlichkeit und Eleganz selbst der kleinsten Dörfer Hollands! Welcher Unterschied zwischen den Landstädtchen und Dörfern Süddeutschlands, wo ein Misthaufen an den andern stösst, und man im Schmutze der Strassen beinahe versinkt! – Hier sieht man bei jedem Schritte den Wohlstand des Landes; dasselbe ist zwar eben und arm an malerischen Partien; aber der wohlangebaute Boden, die kolossalen Wasserwerke und gemeinnützigen Bauten, die herrlich angelegten Wege und Kanäle ersetzen dem Besuchenden reichlich den Mangel an pittoresken Scenen.

Hätte meine Börse, die mich in Holland nicht mehr sehr drückte, es zugelassen, ich hätte wahrscheinlich nicht so geeilt, unter den Commandostab der Corporale zu kommen. So aber war ich genöthigt, mich in Amsterdam anwerben zu lassen, und nach wenigen Umständen trat ich ohne Handgeld unter die holländischen Kolonialtruppen.

Das Depot dieses Corps lag in der kleinen Stadt Harderwyk, an den Ufern der Zuydersee, wohin ich mit dem Botenschiffe am 27. Juli abfuhr. Mit den wenigen Cents, welche mir übrig geblieben waren, ging ich so glücklich und zufrieden an Bord, als hätte ich eine reiche Erbschaft zu holen. Einige Juden und Fischer lagen im Raume umher und sprachen fleissig dem mitgebrachten Genever zu, oder schnarchten, bis wir um 2 Uhr des Nachts am Brückenkopfe der Stadt landeten.

Ich konnte kaum den Tag erwarten, an dem ich meine militärische Laufbahn antreten sollte, und befand mich schon frühe an den Ufern der Zuydersee, wo ich einige Haufen Menschen erblickte, die man in ihren groben, grauen Hosen und Wämsern für Zuchthauseleven zu halten nicht abgeneigt war. Es waren aber Soldaten, die ohne Waffen erst das Gehen und Stehen nach dem Takte zu erlernen hatten, und ich erfuhr, dass meiner eine eben so zierliche Kleidung harre. Die weitere Beschreibung der Lebensart dieser Colonialen war ebenso wenig einladend als ihre Kleidung, und mein Enthusiasmus für die Sache war dadurch beinahe am Sinken. Aber – tu l'as voulu, dachte ich, und liess mich beim Commandanten melden.

Der Colonel, Commandant des Depots, war ein freundlicher Mann, und ganz geschickt, den Eindruck, den die schlechte Uniform seines Corps auf die Neuankommenden machte, zu verscheuchen. Er war ein Schweizer und sprach deutsch mit mir. Nachdem er meine Papiere durchgelesen hatte, wurde ich nach der Kaserne gebracht, wo ein Haufen Neugieriger mich umringte, und aus meiner Kleidung Folgerungen machte, wer und woher ich wäre.

Der grössere Theil meiner neuen Kameraden waren Deutsche, und zwar aus allen Theilen des gemeinschaftlichen Vaterlandes: Hannoveraner, Hessen, Sachsen, von der polnischen Grenze, Preussen und Oesterreicher; man hörte alle Dialecte, und obgleich, wie ich mich eben ausdrückte, alle diese Herren der Kleidung nach genau den Sträflingen gleich sahen, so war man doch in ganz nobler Gesellschaft; denn man fand Grafen und Barone, weggelaufene Doctoren, bankerotte Kaufleute, entlassene Officiere und Schauspieler, welche kein anderes Engagement hatten finden können, ja selbst einen katholischen Geistlichen, Alle entschlossen, der Fortuna, die ihnen in Europa nicht lächeln wollte, in Ost- oder Westindien freundliche Blicke abzulocken.

Ein Landsmann, der früher Officier war und aus einer sehr angesehenen Familie Württembergs stammte, aber durch Ausschweifungen und Liebe zum Trunk genöthigt wurde, dort seine Entlassung zu nehmen, besorgte mir einen Kessel mit Suppe, der ich mit grossem Appetite zusprach. Er war vor Kurzem erst angekommen, und konnte sich in die neue Lebensweise nicht recht fügen. Ausser dem Genever fand er Alles abscheulich.

Am folgenden Tage wurde ich gekleidet, wobei sich ein Jude einfand, der meine abgelegten Kleider kaufen wollte, sie aber so nieder anschlug, dass ich ihm keine Antwort gab. Da jedoch der Fourier, der sicher jedesmal etwas profitirte, Schwierigkeit machte, das abgelegte Zeug in die Kaserne zurückzunehmen, so liess ich dem Schurken Alles für ein Spottgeld. Jetzt ging es an's Exerciren, wobei ich mir schrecklich viele Mühe gab, die sanften Erklärungen der Corporale zu begreifen, da ich der holländischen Sprache nicht mächtig war.

Unsere Lebensweise war nun folgende: des Morgens 5 Uhr schlug's Reveille, wobei durch die Corporale das Brod ausgetheilt wurde; um 6 Uhr begann das Exerciren, das bis 9 Uhr dauerte, um 10 Uhr war Apell, hernach ass man eine wohlschmeckende, kräftige Suppe, worauf von 1-4 Uhr wieder exercirt wurde. Um 4 Uhr war abermals Apell, wobei jedesmal ein geputztes Waffen- oder Kleidungsstück zur Inspection gebracht werden musste. Hierauf kam ein Gericht von Erdäpfeln, Radatoe genannt, zum Mittagsmahl. Nachdem man kaum den Löffel abgewischt hatte, rief die Trommel abermals zum Exerciren, das mit der Nacht endigte. Weiber mit Kaffee, Butter, Käse, Schweinsklauen und andern Bäckereien hatten indess ihren Einzug in den Hof der Kaserne gehalten; sie schenkten Kaffee, für 1 Cent die Tasse. Branntwein oder Liqueurs durften nicht in die Kaserne gebracht werden, desshalb waren auch unsere Soirées, in deren Mitte die Kaffeefrau mit ihren Delicatessen präsidirte, sehr friedsam und unterhaltend. Man sang, erzählte und lebte um ein paar Cents ganz köstlich, bis der Zapfenstreich dem Wohlleben ein Ende machte.

Diese neue Lebensweise war mir natürlich ungewohnt; doch fand ich mich schneller darein, als ich selber geglaubt hatte. Ich that mein Möglichstes, um exerciren zu lernen und meine Waffen und Kleider in Ordnung zu halten. An freien Tagen ging ich mit Kameraden in die Stadt, die wir aber nicht verlassen durften. Ueberall standen Schildwachen, um die Vögel im Käfige zu halten und der Desertion vorzubeugen. Dessen ungeachtet entschlüpften Manche, meistens Deutsche, welchen ihr jetziger Stand um so unerträglicher war, je weniger sie ihre früheren Verhältnisse vergessen konnten.

Die Stadt Harderwyk, früher der Sitz einer Universität, ist ein kleiner, unbedeutender Platz an der Zuydersee; sie mag etwa 5-6000 Einwohner zählen. Die Hauptbeschäftigung derselben ist der Fischfang, und eine nicht unbedeutende Quelle ist das Dépot der 1. Division Nr. 33 der Landmacht, nämlich der Sammelplatz der für die Colonien Hollands bestimmten Truppen. Der jährliche Bedarf für die Colonien ist unbestimmt; er beläuft sich zuweilen für Ostindien auf circa 1500, für Surinam und Curacao auf 150-200 Mann, und wenige für das Fort St. Georg d'Elmina in Afrika. Alle diese Glücksadspiranten verzehren ihren Sold und das Geld, welches sie mitbringen, oder von Hause erhalten, in den Geneverkrügen des Städtchens, deren es gar viele gibt, oder lassen dasselbe in den Händen von Freudenmädchen, die ebenfalls in Menge sich hier aufhalten.

Unsere Kaserne hiess Oranje Gelderland; sie vereinigte in sich alle, welche für die Colonien bestimmt waren, und welche aus denselben als unbrauchbar, oder mit Abschied zurückkamen. Der erstere Theil bestand theils aus belgischen Deserteuren oder aus entlassenen Dieben vom Zuchthause in Leyden, auch aus sogen. Strafdivisionären (Menschen, die bei keinem Regimente zu gebrauchen sind, desswegen nach den Strafdivisionen, bei welchen es Prügel regnet, übergesendet werden, und nur durch das einzige Mittel, für die Colonien sich freiwillig zu engagiren, davon loskommen), und endlich aus Deutschen aller Art, von welchen die meisten durch das eine oder andere Unglück zu diesem Schritte genöthigt waren. Sie haben zwar im Allgemeinen vor den oben erwähnten Belgiern und Holländern den Vortheil einer grösseren Bildung voraus; aber diese gewährt nicht immer den einer grösseren Moralität. Viele wissen sich durch Geschmeidigkeit und Unterwürfigkeit beliebt zu machen, und machen ihr Glück. Klagen über schlechte Behandlung sind selten gerecht. Man findet in der ganzen Armee sehr viele Deutsche, die sehr ansehnliche Chargen bekleiden, und man muss sich im Gegentheil wundern, dass man Fremdlinge nicht zurücksetzt, da man mit einheimischen Cadetten und Adspiranten selbst überladen ist.

So wenig Anziehendes der Charakter der nach den Colonien abgehenden Truppen im Allgemeinen auch hat, so ist er doch in moralischer Hinsicht unendlich besser als derjenigen, welche aus den Colonien zurückkommen. An Körper häufig Krüppel, und durch den Genuss des Branntweins an Geist so geschwächt, dass man gar keine gute Eigenschaft mehr hoffen kann, warten diese Leute auf ihren Abschied, ihre Pension oder Gnadengelder, womit sie in wohlfeilen Plätzen Hollands sich bei Bauern in Kost und Wohnung begeben, aber selten ein hohes Alter erreichen, da Klima und Lebensweise ihrem gebrechlichen Körper nicht zusagen. Es kamen während meiner Anwesenheit in Harderwyk einige Transporte aus Ostindien. Die Meisten hatten ihre Habseligkeiten in den ersten Häfen bereits verkauft, und zitterten bei jedem rauhen Winde wie Espenlaub. Doch meine erste Rückreise aus Surinam, die ich später ausführlicher beschreiben werde, wird ein wahres Bild aller aus Ost- oder Westindien zurückkehrenden Truppen abgeben.

Es waren seit meiner Ankunft schon mehrere Transporte abgereist, und jedem hatte ich sehnsüchtig nachgeblickt; aber die Reihe sollte so schnell noch nicht an mich kommen, da man sich beeilte, die Belgier und Sträflinge zuerst auf's Wasser zu bringen.

Es nahete der Winter mit raschen Schritten, und beim Erdäpfelschälen, dem sich keiner entziehen durfte, gab es kalte Finger. Ich befürchtete jetzt sehr, die kalte Jahreszeit in Holland zubringen zu müssen. Diesem vorzubeugen, bat ich den Kapitän meiner Compagnie, einen freundlichen, wohlwollenden Mann, mich bei dem nach Surinam abgehenden Transporte einzuschreiben. Zwei Tage später, am 3. November lieferte ich meine Waffen ein und machte mich reisefertig.

Den 4. November 1835 verliessen wir Harderwyk. Es war ein heller, kalter Tag, und unser Detachement, das aus 60 Mann bestand, war im Kasernenhofe angetreten. Wir waren mit unsern Ranzen bepackt, und in den offenen Feldkessel erhielten wir beim Abmarschiren das gewöhnliche Viaticum, ein Pfund Brod und gebratenes Fleisch.

Der Chef übergab uns einem in Urlaub gewesenen und nach Surinam zurückkehrenden Officier der Artillerie. Voraus die Musik des Depots, begleitet von allen Gassenjungen und dem Pöbel Harderwyks, zogen wir wohlgemuth zum Seethor hinaus, wo eine Barke lag, die uns nach Amsterdam bringen sollte.

Dass Viele unseres Detachements betrunken waren, lässt sich denken; auch brachten Manche, obwohl zuvor scharf visitirt ward, noch Branntwein an Bord, so dass es die ganze Nacht durch Händel und Schlägereien gab, und an Schlaf nicht zu denken war. Der Lieutenant, der bei diesem wilden Haufen doch nichts machen konnte, zog sich in die Kajüte zurück. In dem kleinen Raume, in welchem wir eingepfercht waren, herrschte eine Hitze und übler Geruch zum Ersticken, so dass ich die kalte Luft des Verdecks vorzog. Bereits gegen 5 Uhr Abends sahen wir die vielen Thürme Amsterdams, blieben aber die Nacht über vor dieser Stadt liegen.

Den 5. gegen Mittag fuhren wir in einem geräumigen Schiffe, das durch Pferde gezogen wurde, über Haarlem, Rotterdam, Gouda, wo wir den 8. ankamen, und das zu unserer Ueberfahrt bestimmte Transportschiff Prinz Willem Frederik Hendrik lag. Den folgenden Tag wurden wir eingeschifft. Die Reinlichkeit, die Sorgfalt, womit jeder Raum benützt wird, ist bewundernswürdig, und es schien mir unmöglich, dass eine solche Menge Menschen darin logiren könne, ohne wie Häringe aufeinandergehäuft zu seyn. Die Matrosen, deren etwa 50 an Bord waren, befanden sich von uns abgesondert, wiewohl auf gleiche Weise eingetheilt. Man schied uns in 6 Backe, wovon je 3 auf jeder Seite des Schiffs waren. Jeder Back bestand aus 10 Mann, die zusammen eine Tafel, welche mit Tauen am Verdeck hing, zwei Bänke, eine Lampe und eine grosse Kiste, worin die tägliche Ration aufbewahrt wurde, zum Gebrauche hatten. Bei unserem Detachement befand sich bloss ein Sergeant und ein Korporal, die unter die 60 Mann vertheilt waren. Bei jedem Back wurde ein Backmeister gewählt, der für Ordnung und Reinlichkeit zu sorgen hatte, und während der ganzen Reise dieses Amt bekleidete. Ausser ihm hatte noch eine andere Person ein Amt, das die übrigen 9 Mann abwechslungsweise versahen, und zwar ein sehr lästiges, nämlich das des Essenholens, Aufwaschens, Rationvertheilens u. s. w. Der damit Geplagte hiess mit seinem Amtstitel: »Söhnchen«. Die Kost bestand des Morgens aus Grütze, die man mit Butter vermischte; voraus ging ein Schnaps (Orlam), vom Bottelier des Schiffes ausgetheilt. Um 11 Uhr genoss man abermals einen Schnaps, und um 12 Uhr Erbsen mit Speck oder gesalzenem Fleische. Das Essen wurde durch das Söhnchen in einem Back oder hölzernen Kübel geholt. Der Speck wurde durch denselben in 10 Portionen geschnitten, und durch einen, der die Augen davon abwenden musste, jedes Stück der Reihe nach ausgetheilt, um Parteilichkeit zu vermeiden. Es ass nun Jeder aus dem Backe, wobei es manchmal heftige Streitigkeiten gab, weil die einen gern Essig, die andern keinen darin haben wollten, und Teller nicht vorhanden waren, um die Erbsen zu theilen. Nach dem Essen musste das Söhnchen den Kübel und die Löffel reinigen, die Tafel und den Boden aufwaschen und alle häuslichen Geschäfte verrichten. Bei stürmischem Wetter passirte es später manchmal, dass das Söhnchen mit den Erbsen die Treppe herabfiel, und die unten Stehenden die heisse Brühe auf's Gesicht und die Kleider bekamen, wobei es dann manches Donnerwetter absetzte.

Wir waren zu unsern Dienstverrichtungen auf dem Schiffe in zwei Theile abgetheilt, nämlich in die Steuer- und Backbordseite. Es werden so die zwei Seiten des Schiffes genannt, von welchen, wenn man vom Hintertheile des Schiffes nach vornen sieht, die rechte Steuer- und die andere Backbord ist. Die eine Hälfte unserer Mannschaft war auf dieser, die andere auf jener Seite. Während der ganzen Reise musste die Mannschaft einer Seite abwechslungsweise sich auf dem Verdecke befinden. Ob es nun regnete oder stürmte, kalt oder warm war, von den dreissig Männern, welche diese Wache hatten, durfte keiner sich im Zwischendeck befinden. Die Ablösung fand je nach vier Stunden statt, welchen Zeitraum man eine Wache nannte, deren sechs ein Etmaal oder einen Tag ausmachen. Die Zeit, nach welcher man die Wachen austheilt, wird durch ½ Stundenglas dadurch angezeigt, dass man z. B. um ½1 Uhr einmal, um 1 Uhr zweimal, um ½2 Uhr dreimal, um 4 Uhr achtmal an die Glocke schlägt, was man Glasen nennt. Erhält man auf die Frage, wie spät es ist, zur Antwort: 3 Glasen, so weiss man, dass es ½2, ½6 oder ½10 Uhr ist. Das Kommando an Bord geht durch Pfeifen; jeder Unterofficier des Schiffes führt eine solche bei sich. Die Signale, welche dadurch gegeben werden, beziehen sich meist auf die Arbeiten der Matrosen; jedoch wurde auch zum Essen und zum Schnaps gepfiffen. Ausser dem gekochten Essen, das immer aus Grütze und Erbsen bestand, bekam man wöchentlich zweimal Zwieback, Käse und Butter; auch wurde jeden Abend warmes Wasser, Theewasser genannt, ausgetheilt. Dieses brauchte jeder nach Belieben; ich brockte in das meinige Zwieback, Käse, Butter und Speck, den ich vom Mittagessen übrig hatte, und Zwiebel, die man von der Frau des Schiffers kaufen konnte, und hatte somit die herrlichste Suppe, die man unter solchen Umständen bereiten konnte. Mit anbrechender Dunkelheit wurden die Lampen angezündet, und die, welche die Wache hatten, spielten Lotto oder Domino, oder vertrieben sich auf andere Weise die Zeit. Abends 8 Uhr hing man die Hängematten auf, die den Tag über in der Verschanzung aufgehoben wurden, und legte sich schlafen, während die wachthabende Hälfte ungeduldig auf dem Deck herumtrippelte, bis auch die Reihe an sie kam, in die warmen Hängematten zu liegen.

Es ist aber nichts Leichtes, in einem so engen Raume mit so vielen Menschen zu schlafen, und deren Ausdünstung, wie die von Thee, Käse und andern Ingredienzien, erträglich zu finden, dabei abgerechnet das Geräusch von etwa 60 Menschen überm Kopfe, das Geknarre der Hängematten, die immer gegen einander anstossen, das Geseufze der Masten, das Klirren der Ankerketten und das Schlagen der Wellen von aussen.

Wir blieben nach unserer Einschiffung noch 8 Tage auf der Rhede von Hellevoetsluis und segelten den 17. November ab. Kaum waren wir zwei Stunden vom Hafen entfernt, so lief das Schiff durch Unvorsichtigkeit des Lootsen auf eine Bank; das Steuerruder hackte aus und nahm noch sonstigen Schaden. Man that einige Schüsse, auf welche sogleich mehrere Kanonierboote herbeieilten, um uns beizustehen. Durch das Dampfboot Curacao wurden wir Nachmittags nach dem Hafen zurückgeschleppt. Da unser Schiff ins trockene Dock gebracht und ausgebessert werden musste, so wurden wir auf so lange in eine leerstehende Kaserne einquartirt.

Hier blieben wir nun ohne alle Beschäftigung vierzehn Tage und erhielten unser Essen vom Schiffe, an dem anhaltend gearbeitet wurde; übrigens war uns alle Freiheit gestattet. Wir durchliefen jeden Tag Hellevoetsluis und die Umgegend, wiewohl ohne Geld, da uns kein Cent Sold ausbezahlt wurde.

Viele verkauften ihre Kleider, um sich mit den Dirnen des Städtchens belustigen zu können, oder versoffen das Ihrige im Genever; Manche lagen, weil es sehr kalt war, den ganzen Tag im Bette; auch verging kein Tag, an dem nicht mörderische Prügeleien und dergl. vorgefallen wären. Der Detachements-Commandant, der seine Wohnung auf dem Schiffe hatte, wusste sich nicht zu helfen, Sergeant und Korporal wurden von dem zügellosen Volke nicht beachtet. Indessen kam vom Ministerium der Colonien, das unsere Geldlosigkeit rührte, eine Vergütung von 2 fl. 50 kr. per Mann, welche denjenigen ausbezahlt wurde, die ihre Kleidungsstücke nicht verkauft hatten. Die Andern aber waren bis zur Abreise unter Schloss und Riegel. Jetzt ging es wieder lustig her; doch in kurzer Zeit herrschte wieder Mangel, wie zuvor, und zu abermaligen Gratificationen war der hartherzige Minister nicht geneigt.

Einer unserer Kameraden hatte ein chinesisches Schattenspiel gemacht, womit er des Abends Vorstellungen gab, die von Soldaten, Matrosen und Dirnen des Städtchens fleissig besucht wurden, und wobei unter dem Publikum manche Scene vorfiel, die wohl in dichten Schatten gehüllt zu werden verdient.

Am 2. December kamen wir abermals an Bord. Zugleich wurden unter militärischer Bedeckung diejenigen unseres Transportes auf's Schiff gebracht, welche ihre Kleidungsstücke verkauft oder sonstige Fehler begangen hatten. Im Kreise der Officiere und der Equipage des Schiffes wurden uns nun die Kriegsartikel für die Marine vorgelesen, in welchen von Kielholen, Raafallen, Aufhängen u. s. w. die Rede war. Mit donnernder Stimme hielt uns der erste Officier unsere schlechte Aufführung vor; auch liess er sogleich einige, die dagegen etwas einzuwenden hatten, an die Kanonen festketten. Nachdem dieses geschehen war, wurden acht Matrosen vorgeführt, die während der Ausbesserung des Schiffes von Bord weggelaufen waren und den Schiffer beim Marinegericht in Rotterdam verklagt hatten. Dort fanden sie, wie es schien, kein Recht und wurden wieder an Bord gesendet.

Die Officiere alle und der Schiffsdoctor waren in Uniform auf dem Halbdeck, und von den Matrosen und Soldaten durfte keiner das Verdeck verlassen, wo nun ein Exempel für uns alle statuirt werden sollte. Wir Soldaten standen voll banger Erwartung da; denn man sah an dem fröhlichen Gesichte unseres Detachements-Commandanten, der immer lachte, wenn ein armer Schelm geprügelt wurde, dass tüchtig eingebrockt werden sollte. Der Schiffscommandant begann endlich den Delinquenten ihr Verbrechen vorzuhalten, und – das war der langen Rede kurzer Sinn – dass er Gnade vor Recht ergehen lassen, und sie desshalb nicht vor den Kriegsrath stellen, sondern mit einer kleinen Ermahnung abstrafen wolle. Es war bereits eine Lucke an der Wand aufgestellt, auf welche die Hauptperson des Complotts auf den Bauch gelegt und festgebunden wurde.

Der Schiffer (erster Unterofficier), den sie verklagen wollten, und der Schieman (ebenfalls ein Unterofficier), jeder mit einem fingerdicken und ellenlangen Theertau in der Hand, warteten nur auf das Zeichen des Commandanten, um der vorausgegangenen Ermahnung den gehörigen Nachdruck zu geben. Sie schlugen nun auch auf den armen Kerl, der in den rührendsten Ausdrücken um Gnade bat, so los, dass er zuletzt, seiner Sinne beraubt, wie todt dahing. Der Commandant liess den Doctor nachsehen, ob man noch etwas beifügen könne, was der menschenfreundliche Mann, nachdem er den Mund und die Augen des Schächers untersucht hatte, bejahte. Man schlug desshalb aufs Neue auf ihn los. Nachdem er sein Maas erhalten hatte, und man die Taue, womit er angebunden war, losmachte, fiel er gefühllos, wie ein Sack, zu Boden. Hierauf kam die Reihe an den zweiten und die übrigen; der erste hatte übrigens das Fett von der Suppe erhalten. Mir standen bei dieser Prügelei die Haare zu Berg, und nie hat eine derartige Scene solchen Eindruck wieder auf mich gemacht. Zwar war es mir in der ersten Zeit in Surinam unmöglich, das Peitschen und die Schläge der Neger gleichgiltig anzusehen, und kaum konnte ich mich der Thränen enthalten, wenn diese nackten Schwarzen, manchmal wegen unbedeutender Vergehen, mit den zähen Zweigen der Tamarinde so geschlagen wurden, dass ihr Blut den Boden färbte. Es empörte mich, wenn ein solcher Neger nach der Abstrafung, blutig und mit Schwielen bedeckt, noch von den Soldaten verhöhnt wurde. Wenn sich nun auch dieses Gefühl bei mir gerade nicht verlor, so ist es doch durch die Gewohnheit abgestumpft, und ich habe leider die Ueberzeugung, dass, wo Sklaverei ist, der Stock nicht fehlen darf; Mässigung aber und Menschenliebe dürfen weder dem Seeofficier noch dem Pflanzer fremd seyn, und nur im äussersten Falle wäre dieses Mittel zu gebrauchen! Wir gingen den 10. Dec. des Abends abermals unter Segel, und sahen bereits am Morgen die Kreideberge Englands vor uns liegen. Da der Wind ungünstig war, ankerte man vor der Stadt Deal. Das Wetter war kalt aber schön; Dampfschiffe und Fischerboote fuhren an uns vorüber, und eine Menge Schiffe lagen ebenfalls hier, um mit günstigem Winde den Canal zu passiren. Nach vier Tagen änderte sich der Wind, und wir kamen in den Canal. Die Seekrankheit plagte mich wenig, was vielleicht die kalte Luft verursachte. Die vielen Schiffe und Dampfboote, die uns begegneten, die herrlichen Ufer Englands mit ihren hohen, weissen Kreidebergen, waren besonders für uns Süddeutsche von besonderem Interesse.

Nach drei Tagen waren wir im atlantischen Ocean. Unser Leben war sehr einförmig, und nur an der wärmeren Luft fühlten wir, dass wir nicht mehr im kalten Norden waren. Das Eis unseres Wasserfasses verschwand und heftige Regenschauer durchnässten uns zuweilen. Es war am Christabende, als mehrere von uns sich vor einem Regenguss in die, zwischen den zwei Masten stehende, und mit einem andern Boote bedeckte Schaluppe versteckten. Da ich der Letzte war, der in dem bereits vollgepfropften Boote eine Zuflucht suchen wollte, so mussten meine Füsse, für die ich keinen Platz mehr fand, ausserhalb desselben bleiben. Ich dachte eben an die Freuden dieses Abends im Vaterlande, verglich im Stillen den Geschmack der Lebkuchen mit dem des harten Zwiebacks, an dem ich noch kurz zuvor die Zähne gewetzt hatte, und bemerkte vor lauter Rührung nicht, wie mir Jemand in der Dunkelheit meine Füsse untersuchte. Plötzlich wurde aber eine wahre Sündfluth von Seewasser unter grässlichen Flüchen über mich ausgeschüttet, so dass ich eiligst die Flucht ergriff und meine Mütze dabei verlor. Der Schieman hatte meine Füsse bemerkt, und mich in diesem unerlaubten Asyle freigebig mit einigen Eimern Seewasser traktirt. Ich war bis aufs Hemd durchnässt und zitterte die noch übrigen zwei Stunden wie ein Rohr.

Anfangs Januar hatten wir die Höhe von Madeira erreicht. Jetzt sah man (denn nach einigen Tagen hatten wir den Passatwind) fliegende Fische in Menge, von welchen bisweilen einige des Nachts auf das Verdeck niederfielen; auch trieb von Zeit zu Zeit eine prächtige rothe Polypenart an uns vorbei, welche die Matrosen Portugiesisches Kriegsschiff nannten. Das herrlichste Wetter begünstigte unsere Fahrt, und ich blieb, wie die meisten von uns, Tag und Nacht auf dem Verdecke, weil die Luft im Raume, obgleich man sie durch Windsäcke verbesserte, warm und übelriechend war. Man brachte die Tage mit Lottospielen zu, und bis in die tiefe Nacht hinein wurde gesungen und erzählt. Der Mond glänzte am wolkenlosen Himmel, und die Sterne schienen mit mehr Glanz zu funkeln. Alles ging seinen geregelten Gang, durch nichts unterbrochen, als durch kleine Strafexecutionen an Matrosen, denen der Schieman einige aufzuzählen hatte.

Bei uns Soldaten war dergleichen noch nicht vorgefallen; denn es gab keine Excesse, weil kein Branntwein zu bekommen war. Eines Tages aber bekamen einige Soldaten aus der Hefe von Hollands Pöbel Streit mit einander; sie packten sich an den Ohren, und balgten sich zwischen den Kanonen auf dem Verdecke. Der Commandant des Schiffes, der diess zufällig mit angesehen hatte, liess das ganze Detachement auf das Verdeck pfeifen. Hierauf mussten die Kampflustigen vortreten, und jeder bekam ein Tau mit der Anweisung, einander tüchtig das Fell zu gerben. Die Versicherung, dass, wenn sie ihre Sache nicht gut machen, der Schieman das Fehlende beifügen würde, wirkte; denn wie zwei erboste Hähne stürzten die Kerls aufeinander los; aber, ungewohnt mit Tauen zu fechten, warfen sie diese weg und bläuten einander mit den Fäusten durch. Das Gelächter wollte kein Ende nehmen, und an diesem Intermezzo hatte besonders unser Detachements-Commandant seine herzlichste Freude.

Ehe wir den Passat erreichten, hatten wir immer Wasser zur Genüge gehabt, und jeder durfte aus dem Wasserfasse nach Belieben trinken. Kaum waren wir aber in der wärmeren Zone, so wurde uns das Wasser in Rationen ausgetheilt. Diese bestanden auf den Tag in einer Flasche für den Mann; sie wurden zusammen in einem Fässchen aufbewahrt, aus welchem man gemeinschaftlich unter Vorsitz des Backmeisters den Durst löschte. Das Söhnchen vertheilte an jeden den Labetrunk im Deckel einer Marmitte und hatte zugleich die Aufsicht, dass keiner naschte. Wie vielen Durst litt ich da! Fleisch, Speck und Käse, was ich alles gerne ass, vertauschte ich gegen Wasser, und häufig bestürmte ich den schwarzen Koch mit Bitten um etwas Wasser, was mir auch der gutherzige Neger, wiewohl unter grässlichen Flüchen und Verwünschungen, häufig gab.

Die Hitze nahm täglich zu. Man zog die schwere Ankerkette, die, seit wir auf dem Ocean waren, im Zwischendeck aufbewahrt worden war, hervor, befestigte den Anker, und erwartete in ein paar Tagen das Land.

Des Meeres herrliches Indigoblau wurde heller und grünlich; es fielen einigemal schwere Regengüsse. Am 18. Januar 1836 sahen wir endlich die Küste von Guyana vor uns liegen, ein langer Streifen dunkler Wälder, der auf dem Wasser sich ausdehnte, und weder Berge noch Hügel bemerken liess.

Allmählig konnte man die Bäume aus der grünen Masse unterscheiden; Wohlgerüche von blühenden Gewächsen wehten uns an; Schmetterlinge kamen aufs Schiff geflogen; Schwärme von rothen Ibisen, hier Flamingos genannt, deren Gefieder vom herrlichsten Scharlachroth ist, zogen über uns hin, und von Zeit zu Zeit tauchte ein grosser Fisch aus den trüben Meereswellen, um frische Luft zu schöpfen.

Wir sahen die nationale Flagge des Postens Oranje uns entgegenwehen, und gegen 2 Uhr kamen wir in die Mündung des Surinamstroms. Jetzt erst sahen wir die für uns neue Welt näher, denn auf der See waren wir wohl 1½ Meilen vom Lande entfernt geblieben, weil bedeutende Sand- und Schlammbänke längs der Küste sich hinziehen. Alles war eben und von ungeheurem Wald bedeckt, dessen Grün sich so frisch und lebhaft ausnahm, dass selbst dasjenige der jungen Blätter der europäischen Bäume jenem an Glanz nachsteht. Zwischen diesen Waldungen lag eine freundliche Plantage, deren Zuckerfelder die Ufer begrenzten. Die weissen Häuser, die Mühlen mit ihren hohen Schornsteinen waren unter Palmen und andern uns fremden Gewächsen versteckt. Der Reichthum der üppigen Tropennatur lag vor uns ausgebreitet; wie schön erschien mir dieses Land! Im Winter hatten wir die traurigen Dünen Hollands verlassen, und jetzt waren wir im Lande des ewigen Sommers. Nie werde ich auch den Augenblick meiner ersten Landung vergessen! – Je weiter wir den Strom aufwärts fuhren, desto belebter wurde die Scene. Schöne, lebhaft gefärbte und von nackten Schwarzen geruderte Barken fuhren über den majestätischen Strom. Man ankerte bei Forteress Neu-Amsterdam, das an der Mündung des Comewyne in den Surinam liegt und die Einfahrt der Schiffe in diese beiden Ströme wehren kann. Auf der andern Seite des Surinam, dem Fort gegenüber, liegt die Redoute Puomerend und an dem Comewyne das Fort Leyden. Der Surinam ist bei Forteress Neu-Amsterdam etwa eine Viertelstunde breit, und beide Ströme sind, so weit das Auge reicht, mit den schönsten Zucker- und Caffepflanzungen eingefasst.

Wegen des gelben Fiebers, das gerade in Paramaribo herrschte, und schon viele Menschen weggerafft hatte, beschloss das Gouvernement, so nöthig man uns auch für den Garnisonsdienst in der Stadt hätte brauchen können, uns so lange in dem gesünderen Forteresse zu lassen, bis die Krankheit aufgehört hatte. Wir wurden demnach gegen 6 Uhr ausgeschifft.

Die ganze Besatzung des Forts war zusammengelaufen, uns zu empfangen. Jeder fand einen Freund, Bekannten oder Landsmann unter dem Haufen, und des Fragens und Staunens war kein Ende. Auch die ganze weibliche Einwohnerschaft des Forts versammelte sich. Schwarze und farbige hässliche Weiber mit langen, schlaffen Brüsten überhäuften uns mit Gunstbezeugungen und bezeugten Lust nach den von uns mitgebrachten Stücken Käse und Zwieback. – Man brachte uns, als es schon dunkel war, durch eine Allee von Tamarinden und Mangos in das Fort, und nach der für uns bestimmten Kaserne, welche ganz das Aussehen eines Pferdestalles hatte. Durch den ganzen Saal liefen etwa vier Fuss über dem Boden Stangen, sogenannte Klabayen, an welche man des Abends die Hängematten befestigte, die den Tag über an denselben aufgerollt waren. Fünfzig Schritte von der Kaserne entfernt war eine Schenke, wo Branntwein, Rum und Wein zu bekommen war. Dahin stürmten nun diejenigen, welche noch Geld hatten, um ihre Ankunft auf übliche Weise zu feiern, oder die sich von Bekannten traktiren liessen.

Der Lärm und der Spectakel in der Schenke waren abscheulich, endigten jedoch mit dem Zapfenstreich, mit welchem sich jeder nach seiner Hängematte zu begeben hatte. Die Besoffenen lagen unter Tischen und Bänken. An Ruhe und Stille war nicht zu denken; denn die ganze Nacht durch dauerten die Zänkereien um die schönen Damen, welche aus allzugrosser Zärtlichkeit Jedem angehören wollten, und deren Sprache keiner verstand, die Lamentationen und Misereres der Besoffenen, und die Flüche derer, welche die Köpfe an die ihnen ungewohnten Klabayen stiessen; dabei peinigte uns eine Unzahl von Mosquittos, welche vorzüglich die Neuankommenden anfallen und eben so lästig durch ihr Gesumme als durch ihre Stiche werden.

Ich sass die Hälfte der Nacht vor der Kaserne und bewunderte die Tausende von Feuerfliegen, welche viel heller sind als die in Europa, und das feuchte Gras durchschwärmen; wären auch nicht die Mosquittos die Ursache unseres Wachens gewesen, so hätten mich doch die Scenen des Tages wachend erhalten, und kaum graute der Morgen, als ich wieder ins Freie ging, wo mir Alles fremd war.

Eine herrliche Allee von Königspalmen fasste den Mittelweg des Fortes ein; ihre federbuschartigen Gipfel berührten sich beinahe und bildeten ein prachtvolles Gewölbe. Eine andere Allee bestand aus dichtbelaubten Bäumen, die grosse, eiförmige Früchte von einladendem Geruche trugen.

Obwohl ich sie nicht kannte, ass ich doch einige und fand sie vortrefflich. Es waren Mangos (Mangifera indica), die um diese Zeit reif sind und zuweilen zwei Ernten jährlich geben. Ihre Frucht hat die Grösse eines Gänseeies, ist auf der einen Seite meist etwas eingedrückt, reif gelb, und wie die Blätter des Baumes von terpentinartigem Geruche. Die Haut wird abgezogen und das gelbe faserige Fleisch vom Steine, der etwas platt, aber beinahe so lange wie die Frucht ist, abgesogen. Es schmeckt sehr süss und angenehm und lässt sich mit keiner europäischen Frucht vergleichen; die Fasern des Fleisches setzen sich gerne zwischen die Zähne. Der Mangobaum wird grösser als der grösste Apfel- oder Birnbaum und trägt von seinem vierten Jahr an Früchte, in günstigen Jahreszeiten in unglaublicher Menge. Auf den Pflanzungen, wo sich häufig ganze Alleen davon vorfinden, mästet man mit den Früchten, die auch einen feinen Branntwein geben, die Schweine.

Allmählig wurde es im Fort lebhaft. Die Neger, lauter Sclaven in Ketten, welche von ihren Plantagen wegliefen und wieder eingefangen wurden, gingen zu ihrer Arbeit. Sie müssen eine bestimmte Zeit von Jahren hier an den Festungswerken arbeiten, um nachher, wenn ihre Strafzeit aus ist, wieder auf ihre Pflanzungen zurückgeschickt zu werden. Sie gehen, wie die meisten Sclaven, beinahe nackt, woran ein Neuangekommener den meisten Anstoss nimmt. Die Kleidung aber, an welche sie nie gewöhnt sind, die ihnen auch in diesem Klima von geringem Nutzen ist, wird fast gar nicht von ihnen gebraucht, auch wenn sie eine solche haben. Ich sah diese Unglücklichen mit grossem Mitleid, und hätte sie, wäre es in dieser Zeit in meiner Macht gestanden, stante pede losgelassen.

Eine Negerin, die ebenfalls in Ketten in der Nähe unserer Kaserne arbeitete, hatte ihrem kleinen, etwa ¾ Jahr alten Kinde einen Strick um den Hals gemacht und auf dessen Ende einen Stein gelegt, dass es nicht zu weit herumkriechen konnte. Sie frug mich, als sie mein Mitleid für das arme Geschöpf sah, spasshafterweise, ob ich es kaufen wolle, und verlangte 30 fl. dafür. Mein ganzer Reichthum bestand aber blos aus 10 fl., dem während der Reise verdienten Sold, der uns am ersten Morgen ausbezahlt worden war, und so musste ich zur grossen Belustigung meiner Kameraden, die wohl wussten, dass die Negerin ihr Kind nicht verkaufen konnte, bedauern, diesen so vortheilhaften Handel aufgeben zu müssen.

Das Geld, das wir erhalten hatten, wurde von den meisten in der Schenke durchgebracht. Andere kauften Hemden und Hosen, um daran keinen Mangel zu haben.

Von den benachbarten Pflanzungen brachte man täglich die verschiedenartigsten Früchte in das Fort, und ich verwendete einen grossen Theil meiner Baarschaft daran. Da es nicht erlaubt war, aus dem Fort zu gehen, so kletterten wir über Gräben und Pallisaden, um die benachbarten Plantagen zu besuchen. Meine Neugierde kannte keine Grenzen.

Den ersten Ausflug machte ich mit einigen Kameraden auf die Zuckerpflanzung Soelen, die am Comewyne etwa eine halbe Stunde von Forteress liegt.

Bei jedem Schritte überraschte mich etwas Neues, Niegesehenes; bald waren es Krabben, die in den Löchern des Dammes ihre Schlupfwinkel hatten und ihre Scheeren drohend aufhoben, wenn man ihnen zu nahe kam, bald grosse Eidechsen, bald prächtige Schmetterlinge; besonders auch die Menge von Aasgeyern, die gar nicht scheu waren, überall herumsassen und kaum aus dem Wege gingen, oder in ungeheurer Höhe, scheinbar ohne alle Bewegung, in der blauen Luft herumkreisten.

Durch die Bananenfelder, welche die Kost für die Neger des Fortes liefern, kamen wir bald in einen schönen, breiten Waldweg, wo ein mit Blüthen übersäeter Cactus grandiflorus(?) stand, der den herrlichsten Geruch aushauchte.

In der Entfernung sah man die weissen Gebäude der Pflanzung Soelen liegen, zu der eine breite Allee von Apfelsinen und Pompelmusen führte. Diese Bäume hingen voll von reifen Früchten, und wir brachen ab, so viel wir zu tragen im Stande waren. Wir besahen das Kochhaus und die Mühle, die uns aber wenig interessirten, und verliessen, mit Früchten beladen, den Platz.

Es kann seyn, dass der häufige Genuss von Südfrüchten den Neuankommenden schädlich ist; bei mir schien diess aber nicht der Fall zu seyn; denn obschon ich zuweilen mehr als 20 Apfelsinen täglich ass, blieb ich doch stets gesund. Ich lebte während meines Aufenthaltes auf Forteress beinahe ganz von Früchten, Zucker und Eiern, während Mancher, der mir in der besten Absicht dieses abrieth, gerade an der entgegengesetzten Lebensweise unterlag.

Unsere Ausbeute von Früchten munterte unsere Kameraden zu ähnlichen Excursionen auf, bis diese endlich zu den Ohren des Kommandanten kamen und strenge verboten wurden.

Zweiter Abschnitt.
Ankunft in Paramaribo. Das Fort Zelandia. Die Stadt. Oeffentliche Gebäude. Inneres der Privathäuser. Kaufleute und Kaufläden. Gewichte, Maase, Geld. Lebensweise der Militärs und Einwohner. Die Jugend. Die Pflanzungen. Holzfällereien. Leben auf den Pflanzungen. Die Verwalter oder Direktoren. Die Blankofficiere. Die Negersklaven, ihre Arbeiten und Behandlung. Religion. Einfluss der Herrnhuter. Tänze. Krankheiten.

Den 1. Februar 1836 wurden wir in einem Matrosenpont [1] nach unserem Bestimmungsorte, dem Forte Zelandia, gebracht. Schöne Zucker- und Kaffeepflanzungen säumten auf beiden Seiten den breiten Strom, der vor der Stadt sich plötzlich südwestlich dreht und eine grosse Bucht (Hafen) bildet.

Eine Menge Landhäuser, an welche noch die letzten Pflanzungen grenzen, machen die Vorstadt Combé aus.

Auf der Ecke, welche durch die schnelle Krümmung des Flusses entsteht, steht das Fort Zelandia auf einem Muschelfelsen. Es hat nur wenige Batterien, ist unregelmässig gebaut und von der Stadt durch den Gouvernements-Platz und einen etwa 60' breiten Graben, der sein Wasser aus dem Strom erhält, geschieden. Eine grosse Kaserne von Backsteinen, das Quartier vom Bataillon Jagers Nr. 27, erinnert an die guten und reichen Tage der Colonie, in welchen man noch so solid bauen konnte. Die Officiere haben seit dem Jahr 1839, in welchem ein grosses hölzernes Gebäude, das sie gemeinschaftlich bewohnten, niedergerissen wurde, eigene, nette Häuser, die nach einer Form in demselben Jahr erbaut wurden. Im Forte selbst steht das Binnenfort, mehrere steinerne Gebäude, die, mit einer Mauer umgeben, einen kleinen Platz einschliessen, wo die verschiedenen Gefängnisse für Militär- und Civilverbrecher, sowie auch für die bösen Schuldner sind, die ihre Creditoren nicht zahlen wollen oder können. Auf dem Platze selbst werden die Neger, welche man nachdrücklich züchtigen will, durch Peitschenhiebe oder Stockschläge abgestraft.

Ausser der Kaserne für die hier garnisonirende Artillerie ist im Binnenfort das Pulvermagazin und ein Signalposten, der durch den auf der gegenüberliegenden Seite des Stromes sich befindlichen Telegraphen der Pflanzung Jagdlust mit dem Forte Amsterdam correspondirt, wodurch man die Ankunft der Schiffe in der Mündung des Stromes sogleich erfährt.

Die Stadt selbst, welche etwa 100 Schritte von der Barrière des Fortes anfängt, ist ganz ohne Mauern und besteht grösstentheils aus breiten Strassen, welche zwar ungepflastert sind, aber, da sie aus Muschelsand bestehen, auch bei den heftigsten Regengüssen nach ein paar Stunden wieder trocknen; die meisten sind auf beiden Seiten mit Orangebäumen bepflanzt.

In den längs des Stromes oder nahe bei demselben laufenden Strassen sind die Häuser enge bei einander, und nur selten durch Gärten von einander geschieden. Mit Ausnahme weniger, von Backsteinen aufgeführter Häuser sind alle von Holz; sie ruhen auf einem 1-2' hohen, von Backsteinen aufgeführten Gemäuer. Läden und Thüren werden grün bemalt, das andere aber ist perlenfarbig angestrichen. Sie sind mit Schindeln (Singels) aus inländischem, hartem Holze bedeckt; jedoch muss seit dem grossen Brande im Jahr 1832 jedes neue Haus mit Ziegeln oder Schiefer bedeckt werden. Glasfenster sind wegen der Hitze wenig im Gebrauche; man hat dafür Jalousien oder Sassineten von Gaze.

In den entfernteren Stadttheilen ist beinahe bei jedem Hause ein Garten, von dem man aber meistens wenig Gebrauch macht; diese Gärten sind mit einander durch Hecken von Limonen verbunden. – Küchen und Abtritte sind vom Wohnhause abgesonderte Gebäude; meistens befinden sich auch noch Häuser für Sclaven, sowie Magazine auf dem Hofe. Jedes Haus hat zwei Thüren an der Strasse; die eigentliche Hausthüre ist für Weisse, die andere, Negerpoort, an welche man durch den Hof gelangt, für Sclaven und ärmere Leute bestimmt.

Verschiedene Canäle, welche ihr Wasser aus dem Strom erhalten, durchschneiden die Stadt. Zwei Vorstädte heissen Combé und die Freicolonie, welche letztere meistens von freien Farbigen bewohnt wird, die, als sehr faul, auch sehr ärmlich leben.

Oeffentliche Gebäude und Privathäuser zeichnen sich mehr durch Zierlichkeit als durch imposante Bauart aus. Das Gouvernement liegt zwischen der Stadt und dem Forte an einem grossen, mit Rasen bedeckten Platze »het plein«. Es ist ein grosses, stattliches, von Holz aufgeführtes Gebäude, das eine schöne Aussicht auf den Fluss gewährt. Sein früher verwahrloster Garten ist jetzt (1850) sehr gut unterhalten und dient als Probeschule für tropische Pflanzen. Eine herrliche, dreifache Allee von hohen Tamarindenbäumen zieht sich längs desselben bis an den Wallgraben des Fortes hin. Ein angenehmerer Spaziergang in der Hitze des Tages lässt sich nicht denken; dessenungeachtet macht aber Niemand Gebrauch davon.

Nahe beim Gouvernement ist das, mit grossen Kosten aus Backsteinen gebaute, im Jahr 1839 vollendete Controlgebäude, in welchem verschiedene Verwaltungs-Bureaux sich befinden. Von seinem, mit einem Uhrwerk versehenen Thurme geniesst man eine herrliche Aussicht über die ganze Stadt und die umliegenden Pflanzungen. In zwei anderen Gebäuden, welche der Schreibekunst gewidmet sind, befinden sich die Bureaux der Justiz und Waisenverwaltung.

Paramaribo hat eine lutherische und eine reformirte Kirche; beide sind hübsch und einfach, werden aber, was die gefällige Bauart betrifft, von der im Jahr 1838 vollendeten hochdeutschen Judensynagoge bei weitem übertroffen. Die katholische Kirche ist klein, doch sehr zierlich; das einfache Herrnhuter Bethaus ist mit Palmen und tropischen Gewächsen umgeben. Zwei Freimaurerlogen, ein Komödienhaus, die portugiesische Judensynagoge, das Hospital und das Zoll- oder Waaghaus mögen die Liste der öffentlichen Gebäude beschliessen.

Das Innere der Privathäuser ist fast bei allen angesehenen Familien auf gleiche Weise angeordnet. Grosse Spiegel, Kupferstiche, Hänge- und Wandlampen, und unter den Möbeln ein mit Glas, Silber und Porzellan überladenes Sideboart werden beinahe in jedem Hause angetroffen. In jedem Schlafzimmer steht ein grosses, mit Gaze umhangenes, aus kostbarem, inländischem Holze schön gedrechseltes Bett, Ledikant, auf dem Berge von Kissen aufgestapelt sind. Dieses Bett ist blos ein Prunkstück, das wenig benützt wird, weil man der Kühlung wegen auf Matten und Matrazen schläft, die den Tag über verborgen werden. Häufig bedient man sich auch feiner, baumwollener Hängematten.

Die Zimmer werden reinlich gehalten und häufig mit Orangensaft gewaschen, was bei dem vielen Ungeziefer, das sich in den Ritzen verbirgt, auch sehr nöthig ist.

Beinahe alle Häuser haben Brunnen, deren Wasser aber in den langen Trockenzeiten zuweilen brack schmeckt; nur grössere Gebäude haben Wasserbehälter.

Eigentliche Spaziergänge, oder für den öffentlichen Gebrauch eingerichtete Gärten hat die Stadt nicht; doch bieten ihre Umgebungen, die unter den schönsten Pflanzen einer tropischen Vegetation versteckten Landhäuser, prächtige Partien dar. In der Stadt befinden sich zwei Kirchhöfe und sechs ausserhalb derselben, also im Ganzen acht, die einer gleichen Anzahl von Apotheken entsprechen, somit hinsichtlich der Bevölkerung kein vortheilhaftes Zeugniss für die Gesundheit Paramaribos geben [2]. Der Markt ist unter einer Reihe von Tamarindenbäumen an der Wasserseite, wo man Fische, die an üblem Geruch mit den sie verkaufenden und schwitzenden Negerinnen wetteifern, nebst allen inländischen Lebensmitteln zum Verkaufe vorfindet. Lebensmittel und andere Waaren werden auch sonst noch an vielen Plätzen der Stadt verkauft. Alles wird unter beständigem Geschnatter feilgeboten, und der Fremdling sieht hier unter Anderem auch Leckereien, die man im Vaterlande mit Abscheu zurückweisen würde.

Zwar mehr europäisch, doch nicht weniger interessant sind die Kaufläden, deren Zahl besonders am Strome Legion ist. Da findet man kein Haus, in welchem man nicht etwas feilbietet.

Man trifft in einem Laden eine Auswahl der verschiedenartigsten Dinge, welche man in Europa nur bei 100 Künstlern, Kaufleuten oder Handwerkern bekommen könnte; denn man verkauft in demselben Laden Bücher, Schuhwichse, Bijouterie, Schinken, Parfümerien, Thee, Ziegelsteine, Mehl, Schuhe, Kleider und Uhren. Es gibt nichts, womit ein Kaufmann hier nicht handelte. Die meisten Lebensmittel kommen gesalzen oder geräuchert aus Holland und Nord-Amerika; Fleisch, Speck, Erdäpfel u. s. w. kauft man hier beim Kaufmann, bei welchem man natürlich auf grosse Sachkenntniss nicht rechnen darf. In Europa würde Niemand zum Kaufmann gehen, ohne von dessen Waaren etwas zu bedürfen. Hier ist es ganz anders. Man kommt in den Laden, liest die Zeitung, trinkt ein Gläschen Genever, das der Kaufmann präsentiren lässt, und geht dann, ohne für einen Cent gekauft zu haben. Diess lässt sich auch der Kaufmann gerne gefallen; denn diese viel besuchten Läden ziehen die andern Käufer an. Man kauft meistens auf Credit; wer innerhalb sechs Monaten bezahlt, ist ein guter Kunde. Die andern werden nach Verlauf dieser Zeit erst mündlich, dann schriftlich an ihre Schuld erinnert, endlich durch Läufer (meist Juden, welche die Taschen mit Rechnungen vollgepropft, im Dienste der Kaufleute die ganze Stadt durchrennen), dringend ersucht und wenn diess nichts hilft, verklagt.

Die letzteren Kunden sind die häufigsten; denn gar viele leben ohne zu denken, und kaufen ohne bezahlen zu können.

Der Detailhandel wird durch Krämer, hier Vetwariers oder Schmuggler genannt, getrieben; diese verkaufen im Kleinen an solche, welche keinen ganzen Schinken, kein ganzes Fässchen Fleisch oder Butter kaufen können, und also für jede Mahlzeit besonders sorgen müssen. Hier wird übrigens nichts geborgt; die Zahl dieser Krämer ist ebenfalls bedeutend. Nur wer die Gourmandise und den ungeheuren Luxus für die Tafel u. s. w. kennt, kann einigermassen begreifen, dass sich diese Masse von sogenannten Kaufleuten noch nicht unter einander aufgezehrt haben.

In den Maasen und Gewichten der Colonie herrscht grosse Unordnung. Artikel, welche aus Nord-Amerika kommen, wie: gesalzenes Fleisch, Fische, Speck, Saife, Lichter, Mehl u. s. w. werden nach amerikanischen Gewichten verkauft; tannene Bretter ebenfalls daher, nach dem englischen Maase.

Holländische Erzeugnisse berechnet man nach dem alten Amsterdamer Pfunde, dem Halb-Kilogramme, die Längenmaase nach dem rheinischen Fusse, und Flüssigkeiten nach dem englischen Gallon.

Was nach Holland verschickt und verladen wird, geht nach dem neuen holländischen Maas und Gewicht, in dem die Regierung ebenfalls ihre Bedürfnisse ausschreibt. Es kommt auf diese Weise mancher Irrthum vor.

Jede grössere Haushaltung kauft ihren Bedarf an gesalzenen oder geräucherten Lebensmitteln, an Saife, Lichter, Oel u. s. w. im Grossen, d. h. in ganzen Fässern, Kisten und dergl., die in einem stereotypen Gewicht in den Handel kommen, und daher nie nachgewogen werden. So enthält ein Fässchen Butter 14 Pfund, Speck 40 Pfund, Fleisch 180 Pfund u. s. w. und man verlässt sich dabei ganz auf die Aussage des Kaufmanns. Auf dem Markte selbst wird blos nach dem Augenmaase gekauft; die Fische nach der Frische, Grösse und Qualität; Reis, Mais, Bohnen u. s. w. in Calabasschalen zu festbestimmten Preisen und nach sehr variablen Gewichten.

In Cayenne herrscht in dieser Beziehung viel mehr Ordnung; man hat dort eine Fleisch- und Fischhalle. Alles wird nach französischem Maase und Gewicht gekauft und mit französischem Gelde bezahlt.

In Surinam rechnet man nach dem französischen Münzfusse, mit Banknoten von fl. 250.– bis auf 10 niederländische Cents.

Als kleinere Scheidemünze circuliren eine Menge Cents. Das Papiergeld, das manchmal 30% unter seinem Nominalwerth stand, ist im Jahr 1847 ganz abgeschafft und durch holländisches Silbergeld ersetzt worden. Ausserdem sind eine Menge mexikanischer Piaster, französische Fünffranken und Doublonen im Umlauf.

Ehe ich es wage, meine Meinung über die weiteren Einwohner und deren Lebensweise auszusprechen, will ich zuerst eine kleine Schilderung unseres Soldatenlebens geben, wobei ich glaube Jedermann davon überzeugen zu können, dass wir vom Luxus der übrigen Stände ausgeschlossen sind.

Des Lebens erstes Bedürfniss, die Nahrung, ist fürs heisse Clima klüglich berechnet, d. h. wenig und mager. Ausser einem Pfunde guten, weissen Brodes wird eine, aus 5/14 Pfund Reis und 3/7 Pfund gesalzenem Fleische bereitete Suppe vorgesetzt, deren Einfluss auf die Körperkräfte man nur dann beurtheilen kann, wenn man sie selbst gegessen hat.

Des Mittags sind Bananen, die vom Solde eingekauft und mit 1/14 Pfund Speckfett übergossen werden, die Hauptkost. Ueberdiess wurde jeden Morgen ein Schnaps ausgetheilt, welchen die Meisten allem Uebrigen vorzogen. Der monatliche Sold des Soldaten bestand aus circa 10 Gulden, wovon aber verschiedene Abzüge gemacht wurden, so dass wenig genug übrig blieb.

Die Dienstverrichtungen in der Garnison waren jedoch grösstentheils eben so leicht und bequem eingerichtet, als Nahrung und Kleidung spärlich berechnet waren. Die viele freie Zeit, welche der Soldat hatte, und der Mangel an anständigen Vergnügungen trug nicht wenig zu seiner Demoralisation bei. Mancher Ankömmling ergibt sich aus langer Weile oder durch schlechte Gesellschaft verleitet, dem Trunke, den man zu grösserer Bequemlichkeit im Forte haben konnte.

Leider ist die bei weitem grössere Hälfte des Corps diesem Laster ergeben, und da der Preis des Genevers für die Bedürfnisse des Soldaten zu hoch ist, so ersetzt der wohlfeile Zuckerbranntwein, hier Dram genannt, denselben. Es ist merkwürdig, zu welcher Fertigkeit es Einzelne im Trinken gebracht haben; denn es gibt Manche (auch der Civilstand hat solche Matadoren), bei welchen zwei Flaschen täglich ihre Sinne noch nicht umnebeln. Diess ist die Ursache, warum der Soldat bei allen Einwohnern der Colonie in Misscredit steht, und ungeachtet seiner weissen Farbe selbst von Negern nicht geachtet wird. Man muss zwar gestehen, dass dieses Laster nicht blos unter den Soldaten herrscht, die freilich die Folgen ihrer Excesse nie so zu verheimlichen im Stande sind, wie die Bewohner der Stadt oder der Pflanzungen, die ihren Rausch in den Hängematten à leur aise ausschlafen können; aber so viel ist sicher, dass die Hälfte der Truppen Trunkenbolde sind, wenn man der täglichen Erfahrung trauen darf. Die meisten Militärs haben Weiber; denn die Liebe und der Wein, der aber hier durch Dram ersetzt wird, spielen im Militärleben die Hauptrolle. Weiber sind es freilich, aber keine Frauen; denn man hält das Band der Ehe für zu drückend, und die Gewohnheit des Landes, unverheirathet leben zu können, ist zu verführerisch, als dass man diess für eine Schande halten würde. Sieben Achtel der ganzen älteren männlichen Bevölkerung Surinams haben solche Maitressen, und unter 25 Kindern ist kaum eines ehlich geboren. Man begreift leicht, dass der Soldat das Geldstück nicht aus der Münze bekommt, und eine surinamische Missin muss schon ziemlich abgenützt seyn, wenn sie sich von den Abfällen des dürftigen Soldatentisches nähren muss; die meisten dieser farbigen Damen sind aber schlechte Haushälterinnen.

Kinder aus solchen Verbindungen der niederen Volksklasse und der Soldaten wachsen auf, wie die Lilien auf dem Felde, d. h. es bekümmert sich kein Mensch um sie.

Bei allen obscönen Scenen gegenwärtig gilt hier von ihnen mit vollem Rechte: Il n'y a plus d'enfants; sie erhalten wenig oder keinen Unterricht, und herangewachsen bringen sie es selten zu einer ordentlichen Existenz.

Von den Officieren waren viele in alten Zeiten auf diese surinamische Weise verheirathet, und wurden von ihren quasi Frauen nach allen Posten der Colonie begleitet, wo sie die Haushaltung ihrer Männer führten. Ein Officier, obgleich sein Gehalt denjenigen seines Ranges in Holland um ein Drittel übersteigt, kann bei den theuren Lebensbedürfnissen, so sparsam er es auch anlegen mag, in Garnison wenig oder nichts für die Zukunft erübrigen. Es ist desshalb für jeden vortheilhaft, nach den Militärposten detachirt zu werden, wo man Gelegenheit hat, die Finanzen zu verbessern, da die Lebensmittel meist wohlfeiler sind, Wald und Flüsse überflüssig Wild und Fische liefern, und mancher erlaubte Vortheil sich darbietet.

Es bestand unsere ganze Macht aus einem halben Bataillon Jäger, von ungefähr 500 Mann, einer Compagnie Artillerie und einer Compagnie schwarzer Soldaten. Die Garnison zu Paramaribo betrug beinahe 250 Mann, während der Rest auf den verschiedenen Posten im Lande oder an der Seeküste detachirt war, um 45,000 Negersclaven, im Falle sie rebelliren würden, im Zaume zu halten. Dass diess noch nicht geschah, ist ein Beweis von der guten Gesinnung der Neger, und widerspricht der Meinung von der grausamen Behandlung der Sclaven durch die Holländer gänzlich.

Die Einwohner der Stadt bestehen aus Europäern, weissen Eingebornen, farbigen Freien, und einer bei weitem grösseren Anzahl Sclaven [3].

Die Reichen sind, wie meistens überall, die Angesehensten; bei ihnen wird auch auf die Farbe so genau nicht gesehen, obschon die meisten bedeutenden Aemter durch Europäer besetzt sind. Der Kastengeist, der in früheren Zeiten so manchem mittelmässigen Kopfe, wenn er nur weiss war, Ehre und Reichthum verschaffte, hat sich bedeutend vermindert, und das Interesse oder vielmehr die nicht mehr so günstigen Zeiten haben dieses Vorurtheil so ziemlich auf die Seite geschafft.

Eine grosse Anzahl von Juden, welche wohl die Hälfte der weissen Bevölkerung ausmacht, und von denen viele im Besitze ansehnlicher Pflanzungen sind, hat sich seit den frühesten Zeiten der Colonie hier eingenistet und treiben meistens Handel.

Handwerke werden beinahe ausschliesslich durch die farbige Race betrieben; Sclaven dienen dabei als Gesellen, und schlechte und langsame Arbeit muss theuer bezahlt werden.

Ueber das Leben der höheren Stände kann ich aus Erfahrung nur wenig mich aussprechen, da mir meine Verhältnisse als Militär den Zutritt nicht gestatteten. Aber so viel ist gewiss, dass unter den höheren und reicheren Ständen nicht immer grosse Bildung herrscht, und Lectüre, Literatur und feinere gesellige Vergnügungen hier nicht überall zu Hause sind.

Nach den höchsten Beamten der Colonie stehen die Administratoren der Pflanzungen in grossem Ansehen. Da die meisten Eigenthümer von Pflanzungen sich in Europa aufhalten, so werden diese durch Administratoren verwaltet. Diese wohnen in Paramaribo, und haben die Leitung von verschiedenen, manchmal wohl 30 Pflanzungen unter sich. Weil ihnen nun von allen Einkünften gewisse Procente zukommen, und erstere bei einer Pflanzung manchmal mehr als 5000 fl. betragen, so muss man sich über ein solches Einkommen wundern, dessen Erwerb immerhin ein Mittagsschläfchen von 2-3 Stunden erlaubt. Weil nun auch viele Leute von diesen Herren abhängig sind, so stehen sie überall in der höchsten Achtung.

Die Lebensweise der Bewohner Paramaribo's bietet wenig Veränderung dar, und beschränkt sich hauptsächlich auf eine gute Tafel und andere körperliche Genüsse. Ausser der Tafel, welche mit allem Köstlichen aus Surinam, Holland und Nord-Amerika besetzt ist, besteht der grösste Luxus in Sclaven; denn je mehr man deren zur Bedienung im Hause hat, desto vornehmer ist die Haushaltung; dabei ist es gleichgültig, ob dieses Gesinde arbeitet oder nicht. Eine Familie, welche 2-3 Kinder hat, kann ohne 6-8 Dienstboten nicht wohl leben, welche man für Küche, Wäsche und Bedienung als unumgänglich nothwendig erachtet. Hat man Gärten oder Pferde, so ist natürlich noch ein Gärtner und ein Stallknecht nöthig. Wenn man nun die Kost für all dieses Gesindel kaufen muss (was aber bei Plantagenbesitzern oder Administratoren nicht der Fall ist), so erfordert eine solche Haushaltung ein enormes Einkommen, da die jährlichen Ausgaben sich bald auf 6000 fl. belaufen [4].

Wie ich bereits oben bemerkte, sind Heirathen nach europäischem Begriffe hier eben nicht sehr in der Mode; denn freie Haushälterinnen oder Concubinen ersetzen beinahe überall die Hausfrauen, was durchaus keine Schande ist. Kinder aus diesen Verbindungen werden zwar nicht vor Gericht, doch sonst wie rechtmässige behandelt, und führen den Namen der Mutter.

Sparsamkeit und Ordnung sucht man in diesen Haushaltungen meistens vergeblich; denn wenn auch der Mann kein Verschwender ist, so weiss doch seine Frau das Geld so anzuwenden, dass von Glück zu sagen ist, wenn die Einkünfte die Ausgaben decken. Meistens essen diese Haushälterinnen allein oder laden Freundinnen (Maatjes) ein. Bei den mittleren und niederen, freien Ständen, die vom Handwerk oder Nichtsthun leben, ist natürlich das Wohlleben in weit geringerem Grade zu finden, und gar viele wissen am Abende nicht, wovon sie am Morgen leben sollen, obgleich die wenigen Bedürfnisse mit ein paar Stunden Arbeit gar leicht zu bestreiten sind. Aber es herrscht auch unter den Eingebornen eine wirklich diogenische Genügsamkeit, wenn kein Kaufmann mehr borgen will.

Nach dem Vorbild der Eltern bildet sich die Jugend, und nirgends wird wohl die Erziehung so vernachlässigt seyn, als hier unter den niederen Ständen. Nicht, dass es keine Schulen gäbe oder Anstalten, um arme Kinder zu unterrichten, – für beides ist gesorgt, aber den meisten Eltern ist es gleichgültig wie ihre Kinder mit der Zeit haushalten und bekümmern sich weder um ihre Spiele noch sonstigen Beschäftigungen.

Besitzt nun auch die Jugend noch so viel Beweglichkeit, um keine Mittagsruhe in den Hängematten zu halten, so wird doch die Zeit nicht besser angewendet, als um Vögel zu fangen, oder mit der Flinte in den Wald zu schlendern. Ernste und anstrengende Arbeiten sind den meisten Creolen ein Gräuel. – Da im täglichen Umgange unter den Eingebornen blos neger-englisch gesprochen wird, und ausser der Schulzeit die Kinder sich wenig mit Lesen und Schreiben beschäftigen, so findet man nur sehr Wenige, welche correct holländisch schreiben oder richtig sprechen können. Die Geographie Hollands lernen Alle vollständig und sie kennen jeden Fluss oder jeden noch so unbedeutenden Flecken dieses Landes, das die Wenigsten unter ihnen je zu sehen bekommen, aber um die Kenntniss der Producte, der Lage und sonstigen Verhältnisse ihres eigenen so reichen Vaterlandes bekümmern sie sich nicht. Diess mag wohl auch eine der Ursachen seyn, dass Landbau und Industrie so vernachlässigt sind.

Ehe ich nun zur Erzählung meines einförmigen Garnisonslebens und der kleinen Vorfälle im Laufe meiner Dienstzeit zurückkehre, will ich, um den Zusammenhang nicht zu unterbrechen, die Sitten und Gebräuche auf den Pflanzungen, soweit ich sie während meines langjährigen Aufenthalts habe kennen lernen, schildern [5].

Die Pflanzungen, welche den Reichthum des Landes hervorbringen, liegen alle längs der vielen Flüsse und Kreeken, welche die Colonie in allen Richtungen durchschneiden und den Transport der Producte erleichtern.

Da das Land, soweit die Pflanzungen reichen, überall nieder ist, und diese manchmal unterm Niveau des höchsten Wassers stehen, so war bei der Anlage derselben eine dauerhafte Eindämmung, Anlage von Schleussen u. s. w. nöthig, lauter Arbeiten, deren Kostspieligkeit und Mühe sich wohl keine anderen, als holländische Ansiedler unterzogen haben würden, und die auch in der Folgezeit durch die ungeheure Fruchtbarkeit reichlich vergütet wurden.

Das Hauptproduct war und ist jetzt noch Zucker. Die Pflanzungen hievon sind desshalb hinsichtlich der Anzahl von Negern auch die bedeutendsten, denn sie haben 100-400 Sclaven.

Ich übergehe die allgemein bekannte Anpflanzung dieses sowie der anderen Producte, und füge blos bei, dass die Arbeiten auf einer Zuckerpflanzung beschwerlicher für die Neger sind, als auf einer anderen, da besonders bei den Wassermühlen die Sclaven Tag und Nacht arbeiten müssen, weil solche Werke nur mit den Springfluthen des vollen und neuen Mondes in Gang gebracht werden können.

Die Dampfmaschinen, welche immer mehr in Gebrauch kommen, erlauben zwar den Negern ihre Nachtruhe, erfordern aber viele Mühe und Kosten, weil zur Feuerung der Maschine eine Menge Holz oder Steinkohlen nöthig ist. Erfahrene Directoren ziehen ein gutes Wasserwerk jeder Dampfmaschine vor. Das andere Product, das aber immer mehr in Abnahme kommt, ist Caffee. Auf diesen Pflanzungen sind 40-200 Sclaven, welche ein ungleich besseres Leben als die auf den Zuckerpflanzungen führen, indem ihre tägliche Nahrung, die in Bananen besteht, immer reichlich vorhanden ist.

Im Schatten dieser Bananen stehen die Caffeebäume; eine Caffeepflanzung liefert meistens Bananen nach den Zuckerpflanzungen, auf welchen diese nicht in hinreichender Menge angepflanzt werden, wesshalb das Fehlende für die Sclaven angekauft werden muss.

Das dritte bedeutende Product ist Baumwolle, welche in den Ländereien, die in der Nähe der See liegen, vortrefflich gedeiht. Auch hier hat man Pflanzungen von 300 Sclaven.

Die Zubereitung dieses Products wurde in der letzten Zeit bedeutend vervollkommnet, und das langweilige Geschäft, den Cattun von den Körnern zu scheiden, wird jetzt auf mehreren Pflanzungen durch kleine Dampfmühlen verrichtet, die im Stande sind, mit der Hülfe von fünf Personen täglich bei 2000 Pfund Baumwolle rein zu mahlen, eine Arbeit, die auf gewöhnlichem Wege eine Menge Neger beschäftigen würde.

Cacao und Indigo sind von weniger Bedeutung, da blos noch kleine Pflanzungen davon existiren.

In den höher liegenden Gegenden sind die Holzgründe, welche für den inländischen Gebrauch Balken und Bretter liefern. Es sind davon etwa 25 im Lande, welche 2400 Neger beschäftigen. Da das Holz, welches auf diesen Etablissements bearbeitet wird, nicht als Ausfuhrproduct betrachtet werden kann, und diese desshalb weniger bekannt sind, so halte ich es für nöthig, noch einige Details darüber beizufügen.

Diese Niederlassungen befinden sich, wie schon gesagt wurde, im höher liegenden Lande, wo keine Productpflanzungen mehr sind und der Urwald mit seinen colossalen Bäumen vor den Palmen- und Mangowäldern des niederen Landes vorherrscht. Sie enthalten meist nur wenige Sclaven (mit Ausnahme von zwei, welche gegen 300 zählen), aber ein desto grösseres Territorium, was natürlich bei dem langsamen Wachsthum der Bäume sich von selbst versteht. Es gibt Pflanzungen, welche 12 holländische Meilen im Umkreise haben, die jedoch noch keine 50 Sclaven zählen. Die Bearbeitung des Holzes ist für dieselben die leichteste und angenehmste Arbeit, weil ihnen diese festgesetzt ist, und sie im Stande sind, mit etwas Fleiss 1-2 Tage wöchentlich für sich selbst zu erübrigen. Häufig sind die Arbeitsplätze mehrere Stunden von der Pflanzung entfernt, und die Neger gehen jeden Montag mit Lebensmitteln für die ganze Woche dahin. Gesunde und starke Männer werden zum Sägen verwendet; andere jüngere Männer müssen den gefallenen Baum auf ein Gerüst, das man Barbacot nennt, aufsetzen; zu diesem nimmt man das Holz der Cumu-Palmen und anderer, leicht fällbarer Bäume, oder man macht ein solches aus starken Sparren, die mit Lianen dauerhaft zusammengebunden werden, und worauf nun drei oder mehr Männer, je nach der Grösse des Blockes, denselben aufsetzen. Die zum Sägen bestimmten Bäume werden im Neumond gefällt, weil man meint, dass das Holz alsdann weniger reisse. Man nimmt an, dass zwei Neger täglich 60 lange und 1' breite Bretter sägen, was auch für sie ganz leicht geht. Diese Bretter werden von Weibern auf dem Kopfe nach dem Holzgrunde oder dahin gebracht, wo eine Kreek oder ein Fluss den Weitertransport erleichtert. Viereckiges Bauholz wird von Ochsen gezogen, was aber bei den schlechten Wegen und überall hervorragenden Baumwurzeln sehr langsam von statten geht.

Die Holzetablissements, welche schon seit so vielen Jahren betrieben werden, hieben natürlich dasjenige Holz, das in der Nähe der Flüsse oder Kreeken stand, zuerst weg, und haben desshalb, je tiefer sie landeinwärts dringen, um so schwierigeren Transport. Es denkt natürlich Niemand daran, die ausgehauenen nützlichen Hölzer durch Stecklinge nachzupflanzen, was mit wenig Mühe und Kosten geschehen könnte. Man denkt eben wie überall: Après moi le déluge – und das ist eben der Grund davon, dass die edlen, feinen Holzarten so theuer und in grossen Dimensionen so mühsam zu bekommen sind. Es können diese Etablissements durchaus nicht concurriren mit dem Verkaufe des Holzes, das die Buschneger aus den noch nicht ausgegebenen Waldungen des unbewohnten Landes bringen, und zu niedrigen Preisen verkaufen. Ausserdem dass die Buschneger nicht die mindeste Abgabe an das Land bezahlen, während die Eigenthümer der Holzgründe mit Kopf- und Ackergeldern besteuert, und den Wechselfällen des Sklavenbesitzes ausgesetzt sind, fällen jene ihr Holz noch an Stellen, wo es, so zu sagen, ins Wasser fällt, so dass ihnen der Weitertransport keine Mühe macht. Es ist desshalb auch zu begreifen, dass die Eigenthümer der Holzgründe ihre Rechnung bei diesem Handel nicht finden; aber das Gesetz, dass die Neger nur mit ihrem Willen von den Pflanzungen verkauft oder versetzt werden können, und die Widerspenstigkeit, ein anderes Product anzupflanzen, das dem Eigenthümer mehr Nutzen bringen, ihnen aber mehr Mühe verursachen würde, macht die meisten Eigenthümer zu armen Leuten.

Die Neger dieser Pflanzungen haben vor allen das beste Leben; sie gebrauchen die viele freie Zeit, welche sie erübrigen, zur Anpflanzung von Erdfrüchten, die sie in Paramaribo verkaufen. Sie erhalten von ihren Eigenthümern bloss sogenannte Switti Moffo, d. i. gesalzenes Fleisch oder gesalzene Fische; es werden ihnen aber jährlich in der Trockenzeit eine gewisse Anzahl Tage freigegeben, in denen sie Wald fällen, verbrennen und den Boden reinigen, und Erdfrüchte, die meistens aus Mais, Reis, Toryers, Cassave u. s. w. bestehen, pflanzen. Sie ziehen überdiess Schweine und Federvieh und leben in mancher Hinsicht besser, als der von allen Sorgen gedrückte und ärmere europäische Landmann.

Alle Pflanzungen stehen unter der Aufsicht und Leitung eines Directors, der auf der Pflanzung wohnt und von den Eigenthümern oder Administratoren des Effektes angestellt und diesen verantwortlich ist [6].

Die Einkünfte des Directors richten sich nach der Grösse des Effektes und seiner Revenüen, und belaufen sich auf den grössten Zuckerpflanzungen manchmal auf 3000 fl. Ausser der Besoldung, die im Durchschnitt auf 1200 fl. angeschlagen werden kann, haben viele noch sichere Procente von Producten der Pflanzung, als: Zucker, Caffee, Cattun, Melassin und Dram; sie ziehen auch eine Menge Schweine und Federvieh, die von den Bananen der Pflanzung gefüttert werden. (Ich kenne Directoren, die über 1000 fl. jährlich reinen Gewinn von ihren Schweinen haben.) Sie sind auch unumschränkte Herren auf der Pflanzung. Verstehen sie nun, sich der Gunst des Administrators zu versichern, und sind sie in ihrem Fache als tüchtige Männer bekannt, so ist ein solcher Director wirklich eine beneidenswerthe Person. Geräumige Gebäude sind ihre Wohnungen, eine Menge Dienstboten führen die Haushaltung; ein Jäger, Fischer und Gärtner sorgen für die Bedürfnisse der Tafel, und alle diese fliegen auf den Wink herbei. Die Bequemlichkeit dieser Herren, besonders der farbigen Directoren, ist daher manchmal eckelerregend, so z. B. wäre es eine grosse Erniedrigung, selbst eine Pfeife anzuzünden, ein Glas Wasser einzuschenken oder die Schuhe auszuziehen. Ich kannte mehrere dieser Herren, besonders auf Holzgründen, die des Morgens um 6 Uhr aufstanden, dem Bastian der Neger ihre Befehle ertheilten, dann Caffee tranken, bis 12 Uhr nichts thaten, gut assen, nachher sogleich von den Beschwerden der Tafel in der Hängematte ausruhten, und sich da von einem hübschen Negermädchen den Kopf kratzen liessen, bis ihnen die Augen zufielen. Um 5 Uhr standen sie auf, wuschen sich, assen von 7-8 Uhr, legten sich um 9 Uhr mit ihren Concubinen in's Bett und verdienten dabei 12-1500 fl. jährlich. Dieses ist nicht übertrieben; doch kenne ich keinen Europäer, der es bis jetzt zu diesem Grade von Faulheit gebracht hatte.

Ein Director, der seinen Pflichten nachkommen will, wird aber auch nie auf solche Weise vegetiren. Die Behandlung der Neger erfordert, besonders in der jetzigen Zeit, sehr viel Umsicht und kaltes Blut, sowie eine grosse Erfahrung und eine, wenigstens auch nur oberflächliche, medicinische Kenntniss, um ihre angeblichen Krankheiten, die sie manchmal vorschützen, um sich der Arbeit zu entziehen, oder ihre wirklichen Krankheiten und Gebrechen beurtheilen zu können. Ihre mannigfaltigen Betrügereien, ihr Aberglauben und ihre Fetische können nicht immer auf eine Weise bestraft werden, wie sie es verdienen; kurz, es gehört viel dazu, sie zum Vortheil ihres Besitzers so zu behandeln, dass die Furcht, die doch hier nur den Gehorsam bedingt, unter ihnen herrscht, und ihre Fehler doch mit Nachsicht gerügt werden. Und es ist nicht allein Menschen- oder Negerkenntniss, die dem Director nicht fehlen darf, sondern er muss auch in technischer Beziehung eine gute Schule genossen haben; denn er muss seine Meinung beim Zimmern von Gebäuden, beim Mauern von Oefen, beim Schmieden im Maschinenwerk, kurz überall äussern können, weil Alles unter seiner Leitung und Aufsicht geschieht. Die Bearbeitung seines Products ist ihm ganz allein überlassen, und es liegt desshalb eine schwere Verantwortung auf ihm.

Das Leben auf der Pflanzung ist beinahe überall das gleiche.

Der Director steht um ½6 Uhr auf, kleidet sich in eine grobe leinene Hose und ein Wamms, und kommt auf die Gallerie, die auf den meisten Pflanzungen sich auf einer oder beiden Seiten des Hauses hinzieht. Bereits warten unter derselben die schwarzen Aufseher der Sclaven, Bastians, die als Zeichen ihres Ranges eine Peitsche führen. Es sind deren 2-4. Sie erstatten dem Director Bericht über die Arbeiten des vorigen Tages, bezeichnen die Faulen oder die, welche Strafe verdient haben, und vernehmen die Befehle für die Arbeiten des Tages. Die, welche Prügel verdient haben, empfangen sie nun vor der Thüre, während der Director seinen Caffee trinkt.

Sind die Arbeiten geregelt, so erscheinen die Kranken mit dem Dresneger oder Doctor. Man sieht da allerlei jämmerliche Gesichter und hört manches Aechzen, was man aber nicht immer für baare Münze annehmen darf. Die wirklich Kranken kommen ins Krankenhaus, die andern werden weggejagt und müssen an ihre Arbeit. Zu gleicher Zeit macht auch der Blank-Officier oder weisse Aufseher, der seinen Caffee in seiner bescheidenen Kammer eingeschluckt hat, seinen Rapport, erhält seine Befehle und geht in die Aecker, die Arbeit der Neger anzusehen, oder in die Mühle, wenn da gemahlen wird. Der Director geht nun, nachdem er die Befehle für seine Haushaltung (denn nur wenige sind verheirathet) gegeben hat, mit seinem Jungen (Voeteboy), der Tabak, Flinten, häufig auch eine Herzensstärkung tragen muss, versehen mit einem langen, sogenannten Tasstocke, ins Feld, wo er ebenfalls die Arbeiten besichtigt und untersucht. Der lange Stock dient ihm dazu, um über die Gräben, welche die verschiedenen Beete und Aecker absondern, zu springen. Ueber breite Gräben (Vaartrenzen), in welchen man das Product in kleinen Ponten nach den Gebäuden führt, gehen Brücken. Meistens dauert eine solche Promenade 1½-2 Stunden, von welcher man, besonders während der Regenzeit, von unten bis oben beschmutzt nach Hause kommt. Hat er sich umgekleidet, so wird ein Schnaps eingenommen, um den Appetit zur Tafel zu reizen, der aber bei einem noch nicht recht kommen will, und meistens durch mehrere aufeinander folgende geweckt werden muss.

Gegen eilf Uhr bringt die Creolen-Mamma, eine alte Negerin, welche die Aufsicht über die Kinder der Pflanzung führt, dieselben vor die Thüre. Mädchen und Knaben sind ganz nackt und kommen so eben aus dem Bade. Sie stellen sich nach der Grösse: Bengels von 13-14 Jahren oben an, und ganz kleine, mit dicken, vollgegessenen Bäuchen, unten.

Auf ein gegebenes Zeichen der Negerin strecken alle die Hände empor, klatschen und rufen: Odi Masra, Odi Missi, fai Masra dan, fai Missi dan! (Guten Tag Herr, guten Tag Frau! Wie gehts Herr? Wie gehts Frau?) und dergleichen Narrheiten, die jeder Director nach seiner eigenen Phantasie papageienartig sich vorplaudern lässt. Hierauf marschirt die Creolen-Mamma mit ihrer Heerde ab.

Um zwölf Uhr wird gegessen, wobei der Blankofficier, wenn keine Gäste da sind, allein mit dem Director isst. Es werden meistens mehrere Arten Fleisch und Fische mit Erdfrüchten und scharfen Saucen, aber wenige Gemüse aufgetragen.

Häufig findet man bei der Mittagstafel einen alten, russigen, irdenen Topf, der mit Ueberbleibseln von Fleisch und Fischen, in einer fürchterlich gepfefferten Sauce, auf einem weissen Teller den Liebhabern präsentirt wird. Man nennt diese Töpfe Pfeffertöpfe [7]; sie waren besonders früher sehr in der Mode. Nach dem Essen hält der Director eine Siesta bis gegen 4 Uhr. Ihn in dieser Ruhe zu stören, ist nur in besonders dringenden Fällen erlaubt, sonst würde er ein sehr schiefes Gesicht dazu machen. Des Abends 6 Uhr kommen wieder die Bastians und Feldneger, welche dann einen Schnaps, Dram, erhalten, vor die Thüre, und auch der Blankofficier macht mit dem Hute in der Hand seine Aufwartung. Auch er erhält seinen Schluck Genever; nachher zieht er sich, wenn ihn nicht der Director zum Gespräche zu sich einladet, was aber sehr selten geschieht, in sein Kämmerlein zurück, bis ihn gegen 8 Uhr der Voeteboy zum Abendessen abruft.

Ist der Director ein gebildeter Mann, so findet er in der vielen freien Zeit Unterhaltung in der Lectüre; denn häufig leben die Directoren der Nachbarschaft unter sich auf gespanntem Fusse, was wirklich zu verwundern ist; denn sie sind desswegen meist allein und blos auf die Gesellschaft ihrer Haushälterinnen beschränkt, die gerade nicht besonders unterhaltend sind. Diese Einsamkeit und das Bedürfniss, die Zeit zu tödten, ist die Hauptursache der unmässigen Consumtion von starken Getränken, und es ist unglaublich, welche Quantitäten von Genever, Rum und Branntwein hier jährlich verbraucht werden.

Die Gastfreundschaft auf den Pflanzungen ist sehr gross. Da keine Wege im Lande sind, so reist man überall zu Wasser in geräumigen Barken, und zwar die Flüsse aufwärts mit der Fluth, abwärts mit der Ebbe [8].

Wirthshäuser findet man nirgends. Erlaubt das Getey (Ebbe oder Fluth) nicht, weiter zu fahren, oder will man ausruhen, so hält man an der ersten besten Pflanzung und wird, sey man bekannt oder nicht, mit aller Freundlichkeit empfangen. Man erhält Zimmer, übernachtet oder zieht weiter, wie man es für gut findet. An Bezahlung ist natürlich nicht zu denken, und Trinkgelder sind gar nicht Mode.

So ist also das Leben auf den Pflanzungen mehr oder weniger gesellig, je nachdem Gäste kommen, oder die Directoren der Nachbarschaft sich gut mit einander vertragen können.

Viele Bewohner der Stadt bringen die Trockenzeiten auf den Pflanzungen zu, und mancher Pflastertreter sucht die eine oder andere heim.

Dass die Langeweile die Plantagenbewohner manchmal zu tausend Narrheiten verleitet, lässt sich denken. Pasquillen und Scherze sind immer im Umlauf und endigen manchmal auf kostspielige Weise, besonders wenn sich die Justiz darein legen muss. Mancher Director hat sich schon ein hübsches Vermögen erworben, und viele besitzen Häuser in Paramaribo; andere aber verbrauchen ihren Gehalt mit feinen Speisen und Getränken, oder in Amours und sind, wenn sie ihre Stelle verlieren, gar bemitleidenswerthe Geschöpfe. Sie leben fast alle mit Haushälterinnen, die entweder Freie (Missi) sind, oder die sie sich unter den hübschen Mädchen der Pflanzung aussuchen. Unter letzteren Verhältnissen sind die Kinder Sclaven, es sey denn, dass sie von ihrem Vater losgekauft werden, was manchmal mit vielen Schwierigkeiten und Kosten verbunden ist.

Die zweite weisse Person auf der Pflanzung ist der Blankofficier, deren grössere Effecte 2-3, kleinere nur einen haben. Ihr Gehalt ist gering und beträgt selten über 250 fl. Es sind diess meist junge Leute, die aus Europa kommen, um ihr Glück zu machen, und die, wenn sie Protection haben und sich gut betragen, in 3-4 Jahren es ebenfalls zu einer Directorstelle bringen können. Ihr Anfang ist aber schwer, denn sie werden von den meisten Directoren wie eine Art niederer Geschöpfe behandelt und selten mit einem Wort beehrt. Sie sind in ihren Freistunden ganz sich selbst überlassen und bringen in manchmal erbärmlichen Wohnungen ihre Abende zu.

Man denke sich, wie es einem gebildeten, jungen Menschen zu Muthe seyn muss, wenn er, unbekannt mit den Gebräuchen und der Negersprache, seine Lehrzeit auf einer Pflanzung beginnt, wo ihn der Director kaum eines Grusses würdigt, und ihm eine miserable Kammer angewiesen wird, in welcher er keine andere Gesellschaft findet, als Millionen von Mosquittos, oder Klumpen von Fledermäusen, die in den Dachsparren zwitschernd ihre Bemerkung über ihn zu machen scheinen.

Ich komme nun zu den Sclaven der Pflanzungen, welche die Hauptbevölkerung des Landes ausmachen.

Da seit 24 Jahren keine mehr aus Afrika eingeführt wurden, so besteht die Mehrzahl derselben aus hier Gebornen oder Creolen. Diese letzteren, welche von Jugend auf an das Effect und dessen Eigenthümer oder Verwalter gewöhnt sind, werden den Afrikanern bei weitem vorgezogen; sie bilden auch meistens grosse Familien, welche nie von der Pflanzung verkauft werden.

Man theilt die Plantagensclaven in vier Classen: 1) In Feldsclaven, die zur Cultur bestimmt sind; 2) in Haussclaven, die das Hauswesen, Tafel, Küche u. s. w. besorgen; 3) in Creolen: kleine Kinder, die noch keine Arbeit verrichten können, und 4) in Malenkers: Alte und Kranke, die zu keiner Arbeit mehr fähig sind. Wenn daher eine Pflanzung unter 200 Köpfen 75-80 Feldsclaven besitzt, so ist diess schon ein sehr vortheilhafter Staat. Die Feldsclaven haben natürlich bei weitem die schwerere Arbeit, während die Haussclaven, von denen z. B. zwei für die Küche, zwei für die Wäsche, einer zum Nähen, einer und zwei Voeteboys zum Dienste eines einzelnen Mannes angestellt sind, den grössten Theil des Tages unbeschäftigt herumliegen. Ein Jäger, ein Fischer, sowie auf manchen Pflanzungen ein Gärtner, haben mehr Arbeit.

Der Schweine- und Kühehirt, ein Weib, das für die Hühner zu sorgen hat, und ein Wächter des Kostgrundes sind meistens alte Leute, welche zu keiner andern Arbeit mehr gebraucht werden können [9].

Die Feldsclaven gehen des Morgens um 6 oder 7 Uhr in die Aecker an ihre Arbeit, und kehren des Abends, oder wenn sie das, was ihnen auf den meisten Pflanzungen vorgeschrieben wird, vollendet haben, nach Hause zurück. Des Sonntags wird nichts gearbeitet, muss es aber geschehen, wie diess häufig auf den Zuckerpflanzungen der Fall ist, so wird den Sclaven ein anderer Tag für den Sonntag gegeben.

Die Negerhäuser sind ganz in der Nähe der Mühle oder der Fabrikgebäude, und bilden, wenn die Pflanzung bedeutend ist, ganze Dörfer. Auf manchen Pflanzungen sind sie von Brettern gebaut und mit Schindeln bedeckt, auf den meisten aber mit den Latten der Pinapalme beschlagen und mit Blättern dieser Palme bedeckt. Um die Häuser, welche regelmässige Strassen bilden, pflanzen die Neger spanischen Pfeffer, Calebasbäume u. s. w.; dabei wimmelt es von Federvieh und Schweinen.

Die Nahrung erhalten die Neger auf allen Pflanzungen, die Holzgründe ausgenommen, vom Effekte selbst. Sie soll nach dem Gesetze in zwei Bündeln Bananen und 3 Pfund gesalzenen Fischen wöchentlich bestehen. Erwachsene Neger erhalten dazu noch Tabak, Pfeifen, und täglich einen Schnaps, Dram; Weiber dagegen Melassin. Bananen werden auf den Pflanzungen jeden Sonntag Morgen ausgetheilt; Fische u. s. w. aber viertel- oder halbjährlich. Es ist aber kaum möglich, ihnen das Stehlen von Bananen in den Kostäckern, von Zucker oder Melassin im Kochhause, von Producten aus den Caffee- oder Cattunlogen dieser Effekte zu verwehren. Das Gestohlene verbrauchen sie entweder selbst oder vertauschen es bei Sclaven anderer Pflanzungen, oder bringen es gelegenheitlich nach Paramaribo, wo sich stets Liebhaber dafür finden [10]. Kleidungsstücke und andere Bedürfnisse, als: Töpfe, Cassavo, Platten, Messer, Scheeren u. s. w. werden zu bestimmten Zeiten von den Eigenthümern der Pflanzungen aus Holland gesandt, oder mit deren Genehmigung hier im Lande angekauft, und es werden diese Sachen durch den Director, der für sich selbst eine Menge Küchen-, Tafelgeräthe u. s. w. erhält, familienweise ausgetheilt. Der Werth der Sendung beträgt manchmal bei 4000 fl.

Auf allen wohlgeordneten Pflanzungen ist für die Neger auf eine Weise gesorgt, die dieser Menschenrace die Sclaverei sehr erträglich macht, und ganz verschieden ist von den Vorstellungen, die man in Europa gewöhnlich vom Zustande der Sclaven sich macht.

Ihre Arbeit ist nicht übertrieben und dauert, wenn der Neger fleissig ist, nicht über neun Stunden täglich. Nahrung und Kleidung haben sie hinlänglich, und im Alter werden sie auf den Pflanzungen unterhalten. Wie ganz anders ist das Leben der ärmeren Taglöhner in Europa, die bei beschwerlicherer Arbeit zufrieden sind, wenn sie die Bedürfnisse ihrer Familie befriedigen können, und die bei Krankheit und Unglücksfällen keine andere Zuflucht haben, als den Bettelstab!

Die Religion der Neger, wenn man ein Gemisch von Aberglauben und Unsinn so nennen darf, ist die ihrer ursprünglichen Heimath, der Fetischismus. Jedes einzelne Individuum hat, so zu sagen, seine eigene Gottheit, und verpflichtet sich, dieser zu Ehren, von irgend einer Speise sich zu enthalten. Schnüre, Corallen, geschnitzte Holzstückchen, oder was ihnen gerade einfällt, werden um den Hals, Arm oder die Füsse getragen, und sind Amulette, welche sie beschützen. Man nennt diese Narrheiten Obia's. Beinahe alle Neger verehren den Seidewollenbaum und opfern demselben; schwer verbotene Tänze stehen damit in Beziehung.

Es hat auf allen Pflanzungen sogenannte Bukumann's oder Zauberer, welche die Zukunft vorher wissen, und in der Bereitung von inländischen Arzneien oder als Giftmischer sich auszeichnen. Mancher verhasste Director hat schon durch diese sein Leben eingebüsst, und man hat Beispiele, dass schon auf Pflanzungen eine Menge Sclaven hinwegstarben, die vergiftet wurden, um deren Eigenthümern Schaden zu bringen. Die Gifte sind alle aus Vegetabilien gezogen, und lassen daher wenig Spur zurück.

Die Jugend wächst natürlich auf den Pflanzungen wie das liebe Vieh auf; blos auf zwei oder drei derselben werden die Kinder unterrichtet. Beinahe alle werden von den Herrnhutern [11], welche in Paramaribo eine bedeutende Niederlassung haben, von Zeit zu Zeit besucht, und den Sclaven werden alsdann einige Kapitel der Bibel in der neger-englischen Sprache vorgelesen und ausgelegt. Will man aber, dass die Neger die Kirche besuchen sollen, so muss die Arbeit des ganzen Tages nachgelassen werden, was für die Pflanzung ein grosser Schaden ist. Die Predigten der guten Leute mögen aber nicht so fasslich seyn, so dass der Nutzen in moralischer Beziehung nicht sehr gross ist, besonders da blos alle paar Monate solche Vorlesungen gehalten werden, bei welchen meistens die Hälfte gedankenlos zuhört, und so das Gehörte sehr leicht vergisst.

Die Herrnhuter, die in Paramaribo als Schuster, Schneider, Bäcker, Kaufleute u. s. w. sich nähren, verlassen tourweise ihre Arbeit und besuchen in geräumigen Tentfahrzeugen zu obigem Zwecke die Pflanzungen, auf welchen man sie überall mit der grössten Gastfreundschaft aufnimmt und bewirthet, wiewohl die wenigsten Directoren, denen in der Regel die Arbeit mehr am Herzen liegt, als das Seelenheil ihrer Sclaven, sie gerne sehen. Haben sie die ihnen vorgeschriebene Anzahl von Pflanzungen besucht, so fahren sie wieder zur Stadt zurück und versehen ihre Geschäfte.

Die grösste Glückseligkeit nach dem Nichtsthun ist für die Neger der Tanz. Sie haben viele Tänze, die ich nicht namentlich kenne, und von welchen wieder manche in genauem Verbande mit ihrem Fetischismus stehen und von der Regierung strenge verboten sind. Es gibt häufig in den Negerhütten der Pflanzungen Sonntags kleine Tanzparthien, die gewöhnlich noch vor Mitternacht enden, und zu welchen sich blos einige Familien, jedoch nicht ohne Erlaubniss des Directors versammeln. Die Musik besteht dann blos in dem Schall einer Trommel (ein ausgehöhltes rundes Stück Holz, über welches eine Schweins- oder Hirschhaut gespannt ist), und dem Klang aus einigen alten Schaufeln oder dergleichen, auf die mit Eisenstücken taktmässig geschlagen wird.

Mit viel mehr Feierlichkeit werden die Tänze begangen, welche man an gewissen Jahrstagen zum Andenken an Verstorbene hält. Da werden Kuchen gebacken, Schweine und Hühner geschlachtet, und dem Todten wird ebenfalls ein guter Theil auf das Grab gebracht. Dabei kommen alle Kleidungsstücke, die sie sonst nie gebrauchen, zum Vorschein, und man sieht dann besonders unter den Männern groteske Gestalten. Die Haupttänze aber, zu welchen den Sclaven mehrere Tage freigegeben werden, sind am Neujahr, und zwar gewöhnlich im oder am Wohnhause des Directors, wobei die Männer mit Dram, die Weiber aber mit Wein oder schlechtem Liqueur bewirthet werden.

Gewöhnlich hat der Director Gäste bei sich, und es werden da oft Bacchanalien gehalten, dass es einem graust.

In Paramaribo finden um diese Zeit alle Abende solche Tanzparthien statt, die meistens unter Zelten bei guter Beleuchtung abgehalten werden. Die Eigenthümer von Sclaven lassen sich's um diese Zeit nicht wenig kosten, ihren Sclaven Vergnügen zu machen; Backwerk, Wein und Liqueur findet man bei diesen Parthien im Ueberfluss. Die Mädchen sind dabei nicht selten mit den Kleidern und Schmucksachen ihrer Haushälterinnen bekleidet, und es herrscht eine Pracht, dass man sich verwundert. Es haben aber auch die Haussclaven selbst gute Kleidungsstücke, die blos an diesen Tagen gebraucht werden. Es ist in der That ein prächtiger Anblick, diese in allen Farben aufgeputzte, von ächtem und falschem Gold und Juwelen glänzende, singende Masse in immerwährender Bewegung beim Scheine einer Menge Lampen, und beim Lärmen einer abominabeln Musik zu sehen, und man glaubt sich ins Morgenland versetzt. Die Tänze lassen sich freilich nicht mit unsern vergleichen, weil bei den meisten gesungen wird; es sind die Verse, die einige Dutzendmale im Chor wiederholt werden, und wegen ihres satyrischen Inhalts viel Lachen erregen. Der Tänzer oder die Tänzerin, welche solche improvisiren, tanzen um einander in immer kreisförmiger Bewegung, während der Chor sich nur auf den Füssen wiegt und mit dem Oberleibe bewegt, dabei aber nach dem Takte in die Hände klatscht oder mit Castagnetten die Musik begleitet. (Diese Castagnetten sind dreieckige, holzichte Schalen oder Nüsse einer Euphorbiacee). Häufig tanzt aber Alles, indem sich jedes einzelne Individuum kreisförmig durch den ganzen Raum dreht, ohne an den andern anzustossen. Der Anblick dieses Tanzes erregte mir stets Schwindel, und ich konnte es nie lange dabei aushalten.

Ich will nur noch kurz zum Schlusse etwas über die hier herrschenden Krankheiten beifügen, die ich freilich nur als Laie, nicht als Arzt beschreiben kann.

Die häufigsten Krankheiten, denen der Europäer wie der Creole unterworfen ist, und die unter Buschnegern und Indianern gleich stark grassiren, sind Wechselfieber, welche, wenn der Patient nicht gleich in geschickte Hände kommt, Monate und Jahre lang anhalten. Es ist gewöhnlich die erste Krankheit der Neuangekommenen oder das Aklimatisationsfieber. Gallenfieber sind ebenfalls häufig und machen ganz kurzen Prozess. Eine andere häufige Krankheit höchst beschwerlicher Art ist der sogenannte Kuk oder Kuchen, eine Anschwellung der Milz. Man fühlt sich dabei immer ermattet, hat kurzen Athem, unruhigen Schlaf und ist ausserordentlich reizbar. Dieses Unwohlsein dauert manchmal Jahre lang. Meistens befolgt man dagegen den Rath eines inländischen Quacksalbers, der stark abführende Mittel gibt. Die Wassersucht ist ebenfalls nicht selten, zeigt sich aber meist nur bei Individuen, welche dem Trunke ergeben sind.

Die Hauptkrankheit, die fürchterlichste von allen, weil sie zugleich die anstrengendste ist, ist die Lepra. Bei den von ihr Befallenen zeigen sich zuerst weissfarbige Flecken auf der Haut. Die Ohren, Nasen, Augenlieder u. s. w. schwellen auf; es zeigen sich Beulen im Gesichte und am Körper, welche manchmal aufbrechen; Finger, Zehen, Ohren, Nase oder einzelne Glieder fallen ohne Schmerzen ab; das Gesicht verzerrt sich aufs Scheusslichste und verräth nichts Menschliches mehr. Die meisten Kranken sind dabei innerlich gesund, können arbeiten und dabei selbst alt werden, während bei anderen die Krankheit schnellere Fortschritte macht.

Die damit Behafteten, seyen sie Freie oder Sclaven, werden, sobald die Behörde davon unterrichtet ist, nach einem, dem Lande gehörigen und eigens dazu bestimmten Etablissement, Batavia, abgesandt, wo sie, entfernt von der übrigen Welt, auf Kosten des Landes so lange verpflegt werden, bis der Tod sie von ihren Leiden erlöst. Noch nie ist ein Kranker von dieser Qual befreit worden, obgleich man neuerdings in Para in Brasilien Versuche mit dem Safte der Hura crepitans machte, die befriedigend ausgefallen seyn sollen. Leute von Vermögen oder höheren Ranges, welche davon befallen werden, leben einsam in ihren Häusern, oder reisen nach Europa, wo ihnen aber ebenfalls nicht geholfen werden kann.

Das Etablissement Batavia, das am Copenamstrom liegt, ist der Leitung des katholischen Präfecten anvertraut, hat eine hübsche Kirche und einen Priester, der die Kranken tröstet und lehrt, wobei er sich jeglicher Gefahr aussetzt. Die Zahl dieser Unglücklichen beläuft sich dort auf circa 700 [12].

In Paramaribo befinden sich heimlich viele Leprosen, die von ihren Familien versteckt gehalten werden, wodurch diese entsetzliche Krankheit immer mehr verbreitet wird, was auch in der Nachbar-Colonie Cayenne der Fall ist, wo viel weniger auf Absonderung gesehen wird. Eine andere Krankheit, genau mit dieser verwandt, aber nicht ansteckend, ist die Elephantiasis. Es schwellen dabei die Beine, oder oft nur ein Fuss auf fürchterliche Weise an, und erhalten ganz das Aussehen von Elephantenfüssen. Häufig kommen noch Auswüchse und Knollen dazu, und eine rauhe, chagrinartige Haut überzieht das Ganze. Die Zahl der davon Angesteckten ist sehr gross, und besonders bei der Sclavenbevölkerung, die sich nicht so gut bekleiden kann, ins Auge fallend. Man sieht häufig Kinder von zehn Jahren mit solchen Klumpfüssen, die meistens bis zum Knie eine unförmliche Dicke haben. Auch dagegen hat man kein Mittel.

Ausser den angeführten ist noch eine andere Hautkrankheit nicht selten, die Jaws, eine Art Krätze, bei welcher sich einzelne runde Flecken auf dem Leibe zeigen, die aufbrechen. Auch sie ist eine langwierige, ansteckende Krankheit, zu deren Heilung Monate erfordert werden.

Dritter Abschnitt.
Geschichtliche Bemerkungen im Allgemeinen. Ursache des Verfalles des Wohlstandes der Colonie Surinam. Beschreibung des Landes. Gränzen. Ströme: Marowyne, Comewyne, Cottica, Surinam, Saramacca, Coppename, Correntin.

Für Manchen wird es nun von Interesse seyn, hier eine kurze Geschichte der Colonie Surinam zu finden. Ich hatte zwar im Sinne, dieselbe zu übergehen, weil ich mich nicht mündlicher Ueberlieferungen oder Auszüge aus früheren Schriften bedienen, sondern mich blos auf die Erzählung meiner Erlebnisse beschränken wollte; allein ich halte nun doch für nöthig, eine oberflächliche historische Skizze des Landes zu geben, damit ich in der Folge ohne weitere Erläuterungen bei der Beschreibung meiner ferneren Abentheuer verweilen kann.

Es ist hinlänglich bekannt, dass bei der Entdeckung von America Guyana und die umliegenden Länder von verschiedenen Indianerstämmen bewohnt waren, unter denen sich die Caraïben durch ihre Menge und ihren kühnen Charakter besonders auszeichneten.

Gegen die Mitte des siebenzehnten Jahrhunderts, nachdem man das Innere des Landes fruchtlos nach Gold durchforscht hatte, setzten sich europäische Pflanzer an dem Küstenlande fest, um diejenigen Produkte anzubauen, die man auf gefährlichem Wege nur allein aus Ostindien hatte beziehen können. Durch die Fruchtbarkeit des Bodens und die leichte Fahrt ermuthigt, zogen viele unternehmende Europäer nach dem neuen Lande, und im Laufe weniger Jahrzehnte bildeten sich französische, englische und holländische Niederlassungen.

Da die Indianer zur Arbeit nicht kräftig genug waren, so entstand der Sclavenhandel, indem von den Regierungen ermächtigte Schiffe bei den kleinen Fürsten in Afrika, die in immerwährenden Zwisten miteinander lebten, für Tauschartikel die gegenseitig gemachten Kriegsgefangenen kauften und dieselben nach Amerika brachten, wo man sie zur Feldarbeit verwendete. Da der Ankauf eines Sklaven nicht viel kostete, und man sich mit dieser Waare immer versehen konnte, so lockte der Gewinn manchen unternehmenden Mann nach dem heissen und feuchten Küstenstriche, und es bildeten sich Vereinigungen (Maatschappye) von beträchtlichem Kapital, um den Unternehmern, die ihr Leben dabei wagten, kräftig beizustehen.

Surinam selbst wurde zuerst von den Engländern in Besitz genommen, die sich am Surinamstrom festsetzten und die Stadt Paramaribo anlegten. Erst im Jahre 1667 wurde die Colonie durch Vertrag an die Holländer abgetreten [1].

Bei dem Fleisse dieser Ansiedler und der grossen Fruchtbarkeit des Bodens hätte Surinam gewiss der Maatschappy grosse Vortheile abgeworfen, wenn die noch im Werden begriffene Colonie zweckmässig organisirt und gegen Eingriffe von Aussen beschützt gewesen wäre. Die vielen Kriege der Franzosen und Engländer mit den Generalstaaten, in welchen von ersteren die Colonien der Holländer überfallen, und mit kaum zu erschwingenden Contributionen beschwert wurden, so wie die Wegnahme der mit den Erzeugnissen der Kolonie geladenen Schiffe machte, dass, ungeachtet aller Bemühungen, die Vortheile des Mutterlandes sehr unbedeutend waren. Erst nach beendigten Kriegen erhob sich Surinam; sein Reichthum übertraf den jeder andern Colonie, und unterlag keinem innerlichen Zwiespalt, und keinem Aufruhr rebellischer Sclaven, wie viele Kosten auch die im Laufe des vergangenen Jahrhunderts geführten Feldzüge gegen jene verursachten. Den empfindlichsten Stoss erhielt der Wohlstand durch das Verbot der Einfuhr von Sclaven im Jahre 1824. Durch die Verminderung der Arbeitskräfte, die von Aussen nicht mehr ersetzt werden können, eilt die Colonie mit raschen Schritten ihrem Untergange entgegen. Viele einst so blühende Pflanzungen sind verlassen; ihre Zucker- und Caffeefelder, einst mit so vieler Mühe bepflanzt und unterhalten, sind jetzt mit baumhohem Gesträuche bedeckt; die schönen Alleen von Königspalmen oder hohen Tamarindenbäumen, die nach den Wohnhäusern der Pflanzungen leiteten, ragen jetzt einsam aus dem Gebüsche wildwachsender Pflanzen hervor, und der Landungsplatz, wo schön gefärbte Barken an- und abfuhren, liegt öde und verlassen.

Der grosse Landstrich, der umschlungen von den zwei grössten Flüssen Amerika's, dem Amazonenfluss und dem Orinoko, vom 0. Grade südlicher bis 9° nördlicher Breite und vom 49. bis 67° westlicher Länge von Greenwich sich ausbreitet, dessen Ost- und Nordküste der atlantische Ocean ist, der im Süden durch Brasilien, im Westen aber durch die Republik Columbia begrenzt wird, und dessen Küstenländer schon seit zwei Jahrhunderten Europa die köstlichen Erzeugnisse ihres milden Bodens zusenden, wird ins englische, holländische, französische und portugiesische Guyana eingetheilt.

Durchschnitten von grossen, schiffbaren Strömen und zahllosen, natürlichen Canälen, die untereinander in Verbindung stehen, macht es seine geographische Lage und ausserordentliche Fruchtbarkeit des Bodens zum wahren Eldorado, das seine Schätze über der Erde und mit weniger Gefahr bietet, als das in seinem Innern geträumte Goldland.

Auf seiner 7000 Quadratmeilen grossen Oberfläche leben sparsam verbreitet die Ueberreste mehrerer indianischer Stämme, die, roh und wild, die Bildung nicht mehr besitzen, die ihre Vorfahren gehabt zu haben scheinen. Viele dieser Stämme, so wie der grösste Theil des Innern, sind uns noch unbekannt, und nur durch Aussagen anderer und befreundeter Indianer, die das Binnenland bereisen, oder der Buschneger, welche mit jenen Stämmen Handelsverbindungen unterhalten, wissen wir, wie ungeräumt auch die Berichte über sie seyn mögen, dass sie existiren.

Wie schwierig und mit wie vielen Gefahren verknüpft Reisen ins Innere eines so wenig bevölkerten Landes auch sein mögen, so bleiben sie doch noch ausführbar, wenn blos Hindernisse zu besiegen sind, die die Natur in den Weg legt; wenn aber hiemit noch die Unwilligkeit und der Widerstand roher Völker sich verbindet, die den wissenschaftlichen Zweck solcher Reisen nicht verstehen, durch abergläubische Vorurtheile sich feindlich zeigen, oder ihre Handelsverbindungen mit den Völkern des Inlandes beeinträchtigt glauben, so kann man begreifen, dass, während die Welt in allen Richtungen durchreist wird, das Innere von Guyana noch grösstentheils eine terra incognita ist. Die bestbebaute, älteste und blühendste seiner Colonien, Surinam, ist in wissenschaftlicher Beziehung noch die unbekannteste. Ob nun dieses dem Materialismus, der blos die Speicher der Amsterdamer Kaufleute füllt, zuzuschreiben, oder in andern Verhältnissen zu suchen sey, wage ich nicht auseinander zu setzen.

Die Colonie Surinam liegt zwischen dem 3. und 6. Grade nördlicher Breite, und 53. bis 56° westlicher Länge von Greenwich. Im Osten grenzt es an das französische Guyana, von dem es durch den Maroni oder Marowyne getrennt ist, im Westen scheidet es der Correntin von der früheren holländischen, jetzt englischen Besitzung Berbice, im Süden, wo dessen Grenze noch nicht einmal richtig bestimmt ist, stösst es an die gebirgigen Savannen, die die Wasserscheide der in den Amazonenstrom fliessenden Flüsse und der nach Norden zu mündenden Gewässer ausmacht. Im Norden bespült der atlantische Ocean seine Küste.

Die Hauptströme sind der Maroni, Surinam, Saramacca, Coppename und Correntin, wiewohl noch eine Menge anderer Flüsse das Land bewässern, und in allen Richtungen durchschneiden.

Alle diese Flüsse stehen durch natürliche Kanäle, hier Kreeks genannt, mit einander in Verbindung, so dass man aus dem Correntin in den, 56 Stunden (in gerader Linie) östlicher gelegenen, Maroni kommen kann, ohne sich den Beschwerlichkeiten einer Seereise aussetzen zu müssen.

Die ganze Küste Surinams ist eben und angeschwemmtes Land, das, bedeckt mit Bäumen und niederem Gesträuche, mit jeder hohen Fluth unter Wasser kommt, und Veränderungen erleidet.

Durch diese niedrige Beschaffenheit des Bodens erstrecken sich die Bänke, die eigentlich blos eine Fortsetzung der Küste bilden, meilenweit in das Meer; sie bestehen aus einem weichen Schlamm, den Alluvionen der Flüsse, und sind also meist vegetabilischen Ursprungs.

Parallel mit der Seeküste ziehen sich Sandritzen oder Muschelbänke, die bisweilen sich bis an das Meer ausdehnen, und auf denen eine manchfaltige und üppige Vegetation, der des Inlandes ähnlich, herrscht. Sie sind höher, als der umliegende sumpfige Boden, von geringer Breite, aber manchmal bedeutender Länge, und scheinen die zurückgewichenen Meeresufer einer früheren Periode gewesen zu seyn. Diese Ritzen sind mit Hochwald bedeckt, in dem der Copalbaum (Hymenaea courbaril), die Weihrauchbäume, die Awara- und Cumu-Palmen und der indianische Pflaumenbaum (Spondias?) vorkommen.

Hinter diesen Ritzen dehnen sich grosse Süsswassersümpfe aus, die in den Regenzeiten beinahe undurchdringlich sind. Stundenlange Wälder der Mauritien-Palme (Mauritia flexuosa) und grosse Flächen des baumartigen Arons (Calladium arbor.) bedecken hier das Land; nur in heissen Sommern trocknen diese Sümpfe aus.

Der Seestrand selbst bietet dem Auge überall eine einförmige, traurige Scene dar: Tausende von abgestorbenen, entwurzelten und angeschwemmten Bäumen liegen in allen Richtungen umher; der Boden, ein weicher Schlamm, in dem man bis an die Kniee einsinkt, ist von Millionen Krabben durchlöchert, und in dem Gebüsche, mit welchem diese traurige Küste bewachsen ist, hausen Schwärme von Mosquittos und anderen stechenden Mücken. Schaaren von Wasservögeln aller Art finden zur Zeit der Ebbe in ungestörter Ruhe hier reichliche Nahrung, während bei der Fluthzeit Hai- und andere Raubfische in den von Wasser bedeckten Gebüschen umherirren. Eben so niedrig sind die Mündungen der Ströme, deren Ufer aber durch Waldungen von Mangrove-Bäumen, welche durch ihre Wurzeln und Schösslinge undurchdringliche Verschanzungen bilden, vor der Gewalt der Brandungen geschützt sind.

Je weiter man sich von der See entfernt, um so mehr verändert sich die Scene. Die Ufer schmücken sich mit anderen Gewächsen; grössere Bäume treten aus dem niedrigern Gebüsche hervor; die schlanke Pinapalme, das sichere Zeichen eines fruchtbaren Bodens, zeigt sich in Menge. Schling- und Schmarotzerpflanzen bedecken die Bäume und winden sich guirlandenartig von Zweig zu Zweig. Das Ufer, bewachsen mit stachlichten Papilionaceen, ist nicht sichtbar vor der Masse von Laubwerk, das bis weithinein ins Wasser hängt. Etwa 8-10 Stunden von der Meeresküste ab, da wo das Flusswasser rein, und nicht mehr vom Salze der See getrübt die schon höheren Ufer bespült, prangt der Grünhart mit seinen gelben Blumen. Die Heliconien entfalten ihre riesenartigen Blätter und die prächtige Maripapalme (Maximiliana regia) ragt aus dem dunkeln Laubgewölbe empor.

Doch ist Alles noch eben; nur selten unterbrechen kleine bewaldete Hügel die Fläche. Ueberall in allen Strömen herrscht dasselbe Bild der üppigsten Vegetation, und das klare, schwarze Wasser spiegelt die Landschaft herrlich zurück. – Nur wo Hügel den Lauf der Flüsse bestimmen, wo Felsen und Klippen diesen einengen, und den Transport von Produkten gefährden würden, ist auch die Grenze der Cultur, und die Pforte zum unbekannten Lande.

Der östliche Grenzstrom der Colonie, die Marowyne, Maroni oder indianisch Marauni, ein grosser, an seiner Mündung eine Stunde breiter Strom, ist durch die Menge von Sandbänken beinahe nicht befahrbar. Es mag diese gefährliche Einfahrt die Ursache davon seyn, dass, obwohl seine Ufer höher und ebenso fruchtbar, ja gesünder als die des Surinam sind, sie gleichwohl noch ganz unbebaut sind, und nur in der Nähe der See von Indianern, und im Innern waldiger Gebirge von den Aucaner-Buschnegern bewohnt werden. Die Mündung desselben hat nicht die einförmigen Mangrovegebüsche, wie die andern Ströme, sondern hohe Sandritzen, auf denen eine überaus üppige Vegetation von Palmen, Cactus, Weihrauch- und Copalbäumen, und Caschu's (Anacardium occidentale L.) sich längs den Ufern der See hinzieht. Ein kleiner Militärposten auf der holländischen Seite liess beim Vorübersegeln von Schiffen die holländische Flagge wehen.

Ohne Bucht oder Krümmung zieht sich der stattliche Strom in gleicher Breite drei Stunden aufwärts, wo er sich bei einer Gruppe von fünf niedrigen, mit Palmen und andern Nutzhölzern dicht bewaldeten Inseln südwestlich wendet.

Das Land auf beiden Seiten des Flusses ist meist über dem Niveau der höchsten Meeresfluth gelegen, und ein mit schwarzer Erde vermischter Sand, der dem Anbau der Maniok-Wurzel (jatropha) besonders günstig ist. Etwa eine Stunde den Fluss aufwärts, vom Posten Prinz Willem Frederik, zieht sich ein Riff von sehr eisenhaltigen Felsen weit in das Flussbett. An der Ecke des sandigen Strandes, die die Mündung des Stromes auf dem rechten Ufer bildet, findet man häufig helle krystallartige, abgerundete Steine, die sehr hart, und geschliffen wasserhell und glänzend sind; man nennt sie Marowyne-Diamanten. Sie sind aber nichts als Topase, und selten wird einer gefunden, der von einigem Werthe wäre.

Von den ersten Inseln, die von Sandbänken umringt und von untiefen Canälen durchschnitten sind, schifft man den Fluss in einer wenigstens zehn Stunden langen Bucht südwestlich hinauf. Eine Menge Inseln, theils niedrig und mit Palmen bewachsen, theils hoch und steinig, und mit Hochwald bedeckt, bilden prächtige Gruppen auf der weiten Wasserfläche. Die Ufer sind höher, an manchen Stellen hügelig und dicht bewaldet, und malerisch erheben sich an steilen Stellen kleine Indianerdörfer, deren Hütten halb versteckt sind unter Bananen und Papaia- (Carica-) Bäumen und Baumwollensträuchern. Grosse Sandbänke ragen mitten aus dem Flusse, es zeigen sich Klippen und kleine Cascaden. Das Wasser ist besonders in den trockenen Jahreszeiten krystallhell, und man kann bei zwölf Fuss Tiefe die Steine des Bodens sehen. Aus der Ferne erblickt man die hohen Gebirge des Inlandes gleich blauen Wolken. So nähert man sich, indem man bei den unmerklichen Krümmungen des Stromes stets eine Fernsicht von drei bis vier Stunden vor sich hat, dem 16 Stunden von der Mündung entfernten Militärposten Armina.

Der Fluss, der plötzlich einen Halbzirkel von Südost nach Nordwest bildet, stürzt über zahllose Cascaden, Klippen und Sandbänke braussend herab. Ungeheure Granitblöcke liegen in seinem Bette; sie sind mit stachlichten Palmen und einer wohlriechenden Guiaba (Psidium aromaticum) bewachsen. Am französischen Ufer, das eine ununterbrochene Hügelkette bildet, ergiesst sich der kleine Fluss Armina, der dem holländischen Posten seinen Namen gab, in den Strom. In den Trockenzeiten steigt die Meeresfluth bis unterhalb der ersten Fälle, wo bei einer Länge von etwa 80 Fuss der Fluss 6 Fuss hoch herabstürzt. Bis unterhalb dieser Fälle kann man mit grossen Booten kommen, doch ist bei den starken Strömungen viel Vorsicht nöthig, um nicht auf die unter dem Wasser verborgenen Klippen zu stossen. Fahren in den Trockenzeiten Buschneger oder Indianer den Fluss hinauf, so laden sie unterhalb der Fälle ihre Canots aus, und tragen ihre sieben Sachen auf dem Kopfe über die Klippen. Die leeren Canots werden mit Tauen heraufgezogen, und oben wieder eingeladen.

In den Regenzeiten aber, wo der Strom durch den ungeheuren Wasserzuwachs aus dem Innern angeschwollen ist, sind beinahe alle Klippen unter Wasser, und die Boote werden aus Leibeskräften gegen die Strömungen gerudert.

Der Unterschied zwischen dem hohen Wasserstande der Regen- und dem niedrigsten der Trockenzeit mag bei Armina wohl 20 Fuss betragen, wird aber, je höher man den Fluss hinaufsteigt, um so beträchtlicher.

Aus beiden Ufern vermehren beträchtliche Kreeken oder kleine Flüsse, die meist aus den Sümpfen des Inlandes entstehen, die Wassermasse des Flusses bedeutend. Auf der französischen Seite findet man nahe an der Mündung die grosse Waragama, oder Seekuhkreek; weiter aufwärts die Maipuribi oder Tapirkreek. Ihnen folgt die Balete; vier Stunden unterhalb Armina fliesst der Siparawinifluss in den Strom. Dieser, den man in den Regenzeiten Tage lang aufwärts fahren kann, kommt aus dem Südosten, und scheint in geringer Entfernung von der Lava zu entspringen. Indianer haben mich versichert, diesen Fluss vier Tagereisen aufwärts gefahren zu seyn, und bei Nacht in südlicher Richtung ganz deutlich den Klang von Negertrommeln und Schiessen gehört zu haben. Man kann daraus abnehmen, dass diese Indianer sich in der Nähe des Aufenthaltes von Boninegern befanden, welche die Ufer der Lava etwa unter dem dritten Breitegrad bewohnen. Auf die Siparawini folgt, unterhalb Armina, die Ruarua und auf diese die Armina. Auf der holländischen Seite sind bis Armina die Kreeken weniger bedeutend, weil das, zwischen der Marowyne und dem Cottica gelegene Land sich nach Westen zu mehr abflacht, wesswegen auch die Waldwasser und Entleerungen der Sümpfe nach Westen zu fliessen.

Drei Stunden von der Mündung der Marowyne ist am holländischen Ufer die kaum bemerkbare Wanekreek, die in einem Sumpfe entspringt, der sein Wasser gleichzeitig nach der Marowyne und dem Courmotibo sendet; da dieser in die Cottica fliesst, und diese wieder in die Comewyne mündet, so kann man in den Regenzeiten, wo die Sümpfe 4-5 Fuss Wasser haben, mit kleineren Fahrzeugen in fünf bis sechs Tagen Paramaribo erreichen. In der Trockenzeit aber sind diese Moräste ausgetrocknet, und es besteht dann keine andere Verbindung als über See. Die weiteren bedeutenderen Kreeken sind die Aramatta, Maturi und Aroarica, die man aber blos einige Stunden aufwärts fahren kann.

Die Marowyne, die durch Hügel eingeengt bei Armina blos ¼ Stunde breit ist, dehnt sich oberhalb dieses Postens bedeutend aus. Ihr Bett, mit Klippen, Sandbänken und Inseln erfüllt, zieht sich mit wenig Buchten beinahe südlich. 4-500 Fuss hohe, stark bewaldete Hügel liegen dicht am Strome. Vier Tagreisen oberhalb Armina, unter 3° 40' nördl. Breite, und etwa 25 Stunden oberhalb dieses Postens theilt sich die Marowyne, nachdem sie mehrere bedeutende Wasserfälle bildete, in zwei Arme, deren einer aus Südosten strömt und Lava heisst, während der andere, aus dem Süden kommende, Tapanahoni genannt wird. Auf der Ecke, welche durch die Vereinigung beider Ströme entsteht, wohnen die Nachkommen der im Jahre 1806 von verschiedenen Militärposten weggelaufenen Guides (Negersoldaten), die, nachdem sie zuvor ihre Officiere ermordet hatten, nach diesem unzugänglichen Felsenneste flüchteten, und mit Mädchen der Boni- und Aucaner-Buschneger sich verbanden. An diesem Platze, der durch seine natürliche Lage geschützt, mit Felsen und Klippen umgeben ist, ist ein bedeutender Wasserfall, Singa De De, und in der Lava das Ende der mehrere Stunden langen Cascaden »Itepuou«. Am Ufer der Lava wohnen die Boni-Neger, ebenfalls Abkömmlinge früher von den Pflanzungen entlaufener Sclaven, die aber mit der Regierung nicht befreundet sind, und nur durch die Aucaner-Buschneger, für welche sie Canots verfertigen, mit Geräthschaften, Tüchern u. s. w. versehen werden. Die Lava, ein breiter, aber nicht sehr tiefer Strom, steht in Verbindung mit dem Camopy, der in den Oyapok mündet, und es kommt also auch hier die merkwürdige Gabeltheilung der Gewässer vor, die sich beim Orinoco und Amazonenstrom in viel bedeutenderem Maase zeigt.

Der Tapanahoni, der viel tiefer ist, und weniger Klippen haben soll, entspringt wahrscheinlich in der Nähe des Aequators, und kann als die eigentliche Marowyne betrachtet werden [2].

Die Seeküste westwärts der Marowyne besteht bis zu dem 14 Stunden entfernten Posten Oranje beinahe ganz aus ungeheuren Morästen, die mit der Fluth unter Wasser gesetzt werden, und in denen nur Gesträuche und unbedeutende Bäume wachsen.

Millionen von Wasservögeln, als: Flamingos, rothe Ibise, weisse und blaue Reiher, Löffelgänse, Jabirus, Enten und Schnepfen finden da ihre Nahrung, und nisten theilweise. Auf den höheren Stellen findet man viele Hirsche (Cervus mexicanus) und Krebshunde (Procion cancrivorus), und nur selten verirren sich ausser dem Jaguar andere Vierfüsser dahin.

Grosse Sandritzen durchziehen diese Moräste und dienen seit undenklichen Jahren weggelaufenen Negern, die in kleinen Dörfern leben, und in dem äusserst fruchtbaren Boden alle Arten Erdfrüchte im Ueberflusse ziehen, auch Wild, Fische und Federvieh in Menge haben, zum Schlupfwinkel [3].

Vom Posten Oranje bis zur Mündung der Motkreek, einem Arme der Cottica, rechnet man vier Stunden und von da bis zu den Ausflüssen des Matappica-Canals ebenfalls vier. Eine Stunde weiter mündet ein anderer Arm der Matappica, die Warappa-Kreek, in die See. Von letzterer Kreek bis an die Mündung des Surinam sieht man keine Spur von Cultur. Uebereinandergestürzte Bäume, durch die Kraft der Brandung ausgerissen, bedecken den Seestrand, und aus dem sumpfigen Innern ragen trockene, halbverkohlte Bäume hervor, die traurigen Ueberreste früherer, durch das Feuer verzehrter Wälder.

An der sechs Stunden von der Warappa-Kreek entfernten Mündung des Surinam, Braamspunt genannt, verliert sich der sandige Seestrand in grossen Schlammbänken, und die Ufer dieses Stromes werden durch Waldungen von Mangrovebäumen, deren zahllose Wurzeln und Schösslinge ein beinahe undurchdringliches Bollwerk bilden, gegen die Gewalt der Brandung geschützt.

Der Ausfluss des Surinam ist etwa eine halbe Stunde breit. Das Fahrwasser in denselben wird den Schiffen durch drei an den Ecken der Bänke liegende eiserne Buien angewiesen. Eine grosse Kreek, die Jonkermans-Kreek, mündet sich eine Stunde von der Mündung auf dem östlichen Ufer, und etwas weiter liegt die schöne und fruchtbare Zuckerpflanzung Resolutie. Zwei Stunden von Braamspunt verbindet sich die von Osten her kommende Comewyne, ein stattlicher, beinahe ebenso breiter Fluss, mit dem Surinam. Auf der südlichen Ecke, wo beide Ströme zusammenfliessen, liegt das stark befestigte Fort New-Amsterdam, das mit seinen Geschützen beide Ströme bestreichen kann. Zwei kleine Redouten, Purmerend und Leyden, die gegenüber dem Forte auf dem westlichen Ufer des Surinam und dem nördlichen der Comewyne lagen, sind jetzt verlassen.

Auf beiden Seiten der prächtigen Comewyne, die ohne bedeutende Buchten bis zu dem fünf Stunden von Forteress-Amsterdam entfernt liegenden Posten Sommelsdyk in östlicher Richtung ausläuft, liegen die schönsten und reichsten Zucker- und Caffeepflanzungen der Colonie. Die freundlichen, weissen Gebäude der Pflanzungen, die Zuckermühlen mit ihren hohen Schornsteinen, die Alleen von Palmen, Tamarinden- und anderen südlichen Obstbäumen, an welche grosse Zuckerrohr-Felder grenzen, oder die unter dem Schutze der Bananen versteckten Caffeebäume mit ihren saftigen, dunkelgrünen Blättern, dabei die hohen, dunkeln Wälder des Hintergrundes gewähren einen prachtvollen Anblick. Ehe man das Fort Sommelsdyk erreicht, ergiesst sich auf dem rechten Ufer die Matappica-Kreek in den Fluss. Sie theilt sich in mehrere Arme, und in zwei in die See mündende Canäle, die kleine Matappica und die Warappa-Kreek. Zucker-, Caffee- und Baumwollen-Pflanzungen liegen hier so nahe beieinander, dass aller Wald ausgerottet ist: man würde in einer reichen Gegend Hollands zu reisen glauben, wenn nicht die tropischen Gewächse und die nackten Neger die Illusion stören würden.

Bei Sommelsdyk theilt sich der Fluss; der südöstlich auslaufende heisst die obere Comewyne; man fährt sie in vielen Krümmungen etwa 15 Stunden weit aufwärts, wo sie sich nahe bei dem verlassenen Posten Oranjebo in vier bedeutende Kreeken, Peninica, Tampati, Mapana und Comewyne vertheilt. Das Befahren dieser Gewässer, an denen früher viele bedeutende Pflanzungen lagen, ist sehr mühsam, da übereinander gefallene Bäume und Felsen den Weg versperren. Das Land ist hier hügelig, auf seiner westlichen Seite unterbrochen durch grosse Sandsavannen, die von hier an sich bis an den Essequibo im brittischen Guyana erstrecken, und den Scheidegürtel machen zwischen dem ebenen bewaldeten Küstenlande und den bergigen Waldungen des Innern.

Die Kreeken und Sümpfe des obern Comewyne sind sehr fischreich, und der köstliche Haimura kommt hier in Menge vor.

Die Cottica läuft in grossen Krümmungen stets parallel mit der Seeküste, und hat auf eine Länge von acht Stunden Zucker- und Caffeepflanzungen. Das umliegende Land ist niedrig, ja bedeutend unter dem Niveau des höchsten Wassers, und nur gute Dämme und Schleussen halten das unruhige Element im Zaume. Auch in sie münden bedeutende Kreeken: von Süden die Perica, an der viele und bedeutende Pflanzungen liegen, und die früher durch einen Canal, die Bottelskreek, mit der oberen Comewyne sich verband.

Von Norden fliesst die Motkreek in die Cottica, an der nur noch zwei Baumwollen-Pflanzungen liegen; sie mündet durch einen Canal in die See.

Nach einem mit der Küste parallelen Laufe von 16 Stunden wendet die Cottica sich südlich, und verliert sich in Sümpfen in der Nähe der oberen Comewyne. An der Stelle, wo sie ihren Lauf verändert, fliesst eine schöne und grosse Kreek, die Courmotibo, aus Südosten in sie, und mit dieser vereinigt sich zehn Stunden aufwärts die Wanekreek, oder der Ausfluss der Sümpfe, die ihr Wasser nach dem Surinam und der Marowyne senden.

Die Ufer der Cottica und Courmotibo sind meistens nieder, mit Mauritien- und andern Palmen bewachsen, nur im obern Lande werden die Ufer hügelig. Ein Theil der Aucaner-Buschneger bewohnt beide Flüsse; sie bearbeiten das Holz der umliegenden Wälder, und verkaufen es in der Colonie. Der Surinam kann, obwohl er an Grösse der Marowyne und dem Correntin nachsteht, wegen den vielen Pflanzungen, die an ihm liegen, als der Hauptfluss des Landes angesehen werden.

Seine Ländereien, schon seit so vielen Jahren bebaut, stehen aber an Fruchtbarkeit denen des Comewyne und besonders der Nickerie-Distrikte nach.

Von Forteress-Amsterdam aus zieht er sich in einem Halbzirkel nach der Bucht, an welche die Stadt Paramaribo gebaut ist. Sein Lauf zieht sich unter vielen bedeutenden Krümmungen südlich. Eine Stunde von Paramaribo empfängt er die aus Südwesten strömende Parakreek, an der drei Zuckerpflanzungen und verschiedene Holzgründe liegen. Dieser gegenüber mündet sich am östlichen Ufer die Pauluskreek, deren Pflanzungen jetzt bis auf eine verlassen sind. Zehn Stunden von der Stadt liegt ebenfalls auf dem östlichen Ufer das Dorf »Juden-Savanne«. Die Ufer werden von hier an bergig, sind mit dem herrlichsten Urwalde bedeckt, während landeinwärts grosse Savannen sich ausdehnen. Die Pflanzungen, meist verarmte Holzgründe, zeigen sich sparsamer, und die wilde Natur behält die Oberhand.

Fünf Stunden oberhalb des Judendorfes fliesst von der westlichen Seite die bedeutende Mareschalls-Kreek in den Surinam, deren viele Holzgründe schon längst verlassen sind. Durch diese Kreek kann man in die obere Saramacca gelangen, was übrigens, da sich in der Umgegend viele weggelaufene Sclaven aufhalten, noch Niemand unternommen hat. Vier Stunden weiter liegt der ansehnliche Holzgrund Bergen-Daal am Fusse eines etwa 200 Fuss hohen nackten Gebirges. In den Trockenzeiten ist der Strom sehr seicht, und manchmal stellenweise nicht über zwei Fuss tief, so dass die Verbindung mit Paramaribo sehr schwierig ist.

Vier Stunden weiter ist die unbedeutende Pflanzung und der Posten Victoria. Der Strom, durch ein hohes Ufer eingezwängt, ist höchstens 200 Fuss breit und voll Klippen und Sandbänken. Dicht bewaldete Hügel und Berge umgeben ihn an beiden Seiten; nach weiteren drei Stunden fliesst aus Osten die bedeutende Sarakreek in den Surinam, der jetzt wieder breit und ausgedehnt mit Klippen, Inseln und Sandbänken bedeckt ist. Der Charakter der Umgegend ist ganz der der obern Marowyne, wiewohl der Fluss bedeutend kleiner, und die Scene desshalb nicht so grossartig ist. An der Sarakreek und in der Nähe derselben haben sich ebenfalls Aucaner niedergelassen. Diese Kreek läuft südöstlich weit landeinwärts, und die Buschneger kommen durch dieselbe nach acht Tagen, nachdem sie aber einige Tage über Land reisen, an die Dörfer ihres Stammes am obern Tapanahoni.

Vier Tagreisen über Victoria und zwischen dem dritten und vierten Grade liegen die Dörfer der Saramaccaner Buschneger. Wie in der obern Marowyne, so hindern in der Trockenzeit eine Menge Klippen und Bänke die Fahrt. Dagegen ist im Innern der Wasserstand stellenweise in grossen Regenzeiten bei 50 Fuss höher, als in der trockenen Jahreszeit, und die Schnelligkeit der Strömungen ausserordentlich. Fallen heftige Regen im obern Lande, so kann in einer Nacht das Wasser um acht Fuss anschwellen, wie ich es selbst auf dem Posten Victoria gesehen habe. Das letzte Dorf der Saramaccaner-Buschneger, Mongo (Berg), kann 40 bis 50 Stunden von Victoria, und der Höhe der Wasserfälle nach zu urtheilen, 500 Fuss höher als Victoria liegen. Auch sie haben über die bewaldeten Gebirge einen Weg zu den Aucanern am Tapanahoni, so wie eine andere Verbindung mit den Matuari- und Becu-Musiuga-Buschnegern, die den obern Saramacca bewohnen. Auf alten Karten findet man die Lage eines Salzberges angegeben, der aber wahrscheinlich blos in der Phantasie existirt, weil die Buschneger mit vieler Mühe ihr Salz von Paramaribo holen, und in Ermanglung desselben die Asche der Pinapalme auslaugen, welche Soda ähnliche Substanz ihnen das Salz ersetzen muss.

Sieben Stunden westlich von Surinam ergiessen sich die Saramacca und Coppename in die See. Beide machen durch weit auslaufende Schlammbänke die Einfahrt mühsam. Ihre Wandungen sind nieder und mit Gesträuch bewachsen. Die Saramacca wurde erst in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts angebaut und steht durch den bei Paramaribo mündenden vier Stunden langen Wanicakanal mit dem Surinam in Verbindung. Die Erzeugnisse der Pflanzungen an der Saramacca, meist Zucker und Kaffee, werden auf diesem Wege nach Paramaribo gebracht, wiewohl kleinere nicht tiefgehende Schiffe ihre Ladung manchmal selbst in Saramacca einnehmen.

Wenig kleiner als der Surinam läuft die Saramacca in den langweiligsten Krümmungen südlich; diese hat oberhalb des Wanicakanals nur wenige unbedeutende Holzgründe an ihren Ufern. Eine Menge Kreeken, die ihren Ursprung in den Savannen nehmen, fliessen von beiden Seiten in den Fluss. Der letzte bewohnte Platz, ein früherer Militärposten, Saron, und in alten Zeiten eine Station der Herrnhuter Missionäre, liegt etwa 18 Stunden von der See ab, was aber durch die bedeutenden Krümmungen wohl eine Reise von 30 Stunden erfordert.

Von Saron führt ein Weg von acht Stunden durch Savannen und Wälder nach der Pflanzung Berlin am obern Para, von wo ein anderer Communicationsweg von 13 Stunden bis nach Paramaribo geht.

Etwa fünf Stunden über Saron liegt am Flusse ein göttlich verehrter Hügel, den die Buschneger im Vorbeifahren mit Flaggen und bunten Tüchern schmücken, und dabei nie versäumen, ihre Opfer darzubringen. Etwas weiter findet man die Mindrinetti- (Mitternacht-) Kreek, die durch die Mareschalls-Kreek den Surinam mit der Saramacca verbindet.

Fünf Tagreisen von Saron wohnen die Becu-Musinga- und Matuari-Neger, 5-600 an der Zahl. Ihren Aussagen nach müssen die Gebirge und Wasserfälle um vieles höher, als die der andern Flüsse, und die Savannen des Inlandes nicht so entfernt seyn. Die Coppenami, welche mit der Saramacca in die See fliesst, kommt ebenfalls aus dem Süden, und hat an ihren reichen und schönen Ufern blos das Leprosen-Etablissement Batavia, das etwa zwei Stunden von der See entfernt ist. Sechs Stunden weiter liegt die dem Gouvernement gehörende Holzsägerei Andresen, wo durch Sclaven feine Bau- und Möbelhölzer bearbeitet und nach den Antillen verkauft werden. Bei Batavia fliesst die grosse und sehr fischreiche Cusuwini-Kreek, die beinahe parallel mit der Saramacca in den wunderlichsten Krümmungen von Süden kommt, in die Coppenami. Mehrere grosse Kreeken, theilweise von Indianern bewohnt, münden in den Coppenami, dessen weiterer Lauf und Ursprung nicht bekannt ist.

Die Seeküste zwischen dem Coppenami und dem westlichen Gränzfluss Correntin wird in zwei Distrikte eingetheilt: Ober- und Nieder-Nickerie. Das niedrige Land ist dem Anbau der Baumwolle besonders günstig, und erst im Anfang dieses Jahrhunderts in Cultur gebracht. Der Oberdistrikt fängt etwa sechs Stunden westlich von der Coppenami an, und besteht aus einer Anzahl Pflanzungen, die längs der Seeküste liegen, und durch einen vier Stunden langen Fahrweg mit einander verbunden sind. Die Erzeugnisse werden mit Küstenfahrzeugen abgeholt und zum Weiterversenden nach der Stadt gebracht, was sehr schwierig ist. Der Boden ist ungemein fruchtbar, nur leidet dieser District, da er an keiner Kreek gelegen ist, in den Trockenzeiten manchmal grossen Mangel an Trinkwasser, das man aus den weiter abgelegenen Sümpfen manchmal 2-3 Stunden weit auf dem Kopfe herbeischleppen muss. Neun Stunden westlich vom Oberdistrikt und von diesem durch grosse Sümpfe abgeschieden, fängt der Niederdistrikt an, an dessen Seeküste sich ebenfalls verschiedene Baumwollen-Pflanzungen befinden. Auf der Landspitze, die durch die Mündung der Nickerie-Kreek gebildet wird, ist ein bedeutender Militärposten der Sitz des Landdrostes und verschiedener Kaufleute und Handwerker. Dieses kleine Dörfchen, das aus zwei Strassen besteht, führt den Namen New-Rotterdam. An der Nickerie-Kreek, die durch die Waiambo mit der Coppenami in Verbindung steht, liegen verschiedene Zucker- und einige Kaffeepflanzungen, deren Erzeugnisse durch holländische oder amerikanische Schiffe direct abgeholt werden.

Die letzte Pflanzung Krabbehoek ist ungefähr sechs Stunden von der Mündung entfernt, und die ganze bedeutende Kreek, so wie die in sie mündende Maratacca nur spärlich von Indianern bewohnt.

Die Correntin strömt, an ihrer Mündung mit der Nickerie-Kreek vereinigt, hier in die See. Beider Breite beträgt vom Posten Nickerie bis an das linke Ufer des Correntin etwa drei Stunden. Auf der englischen Seite sind zwei Zuckerpflanzungen, Mary's-hope und Skeldon. Die holländische ist aber gänzlich unbewohnt. Die Maratacca soll nach Aussage der Indianer mit der Correntin in Verbindung stehen.

Der Ursprung dieses grossen Stromes ist ganz unbekannt, vermuthlich entspringt auch er in den waldigen Gebirgen am Aequator. Richard Schomburgh hat diesen Strom befahren und hieroglyphenartige Schriftzeichen in den Felsen eingehauen entdeckt, woraus man schliessen kann, dass die Bewohner der Vorzeit den jetzigen an Bildung voraus waren. Im Correntin, bei den früheren Herrnhuterstationen Semira und Oreala, findet man einen weissen Thon, der der Kreide sehr ähnlich kommt, und im Flussbette einen rothen jaspisartigen Stein, der eine vortreffliche Politur annimmt, und den die Caraibenweiber zum Poliren ihrer Töpfe gebrauchen.

Vierter Abschnitt.
Beschäftigungen in Garnison. Abreise nach dem Posten Mauritzburg. Reiseabentheuer. Posten Gelderland und Dorf Judensavanne. Die Mauritienpalme. Termitennester. Posten Gouverneurslust. Markette. Mauritzburg. Kurzer Aufenthalt daselbst. Abmarsch nach Nepheusburg. Beschäftigungen. Die Cumupalme. Bienen. Ameisen. Thiere der Umgebung. Der Bananenvogel. Natürliche Abendconzerte. Brokkodjokko. Fund eines jungen Tigers. Bau des Hauses. Die Capasischlange. Affen. Urlaub und Abreise nach Armina. Der Posten Oranjebo. Fang des Haimurafisches. Leuchtkäfer. Kwattas. Posten Armina. Fruchtbarkeit desselben. Der Cottontree. Fledermäuse. Zurückkunft auf Nepheusburg. Ueberfluss an Fischen. Vampyre. Avancement.

So leicht der Garnisonsdienst auch war, und so viel freie Zeit wir auch hatten, um in der Stadt und Umgegend herumzuschwärmen, so sehnte ich mich doch recht herzlich nach noch grösserer Freiheit. Die Erzählungen meiner Kameraden von der Lebensweise auf den Militärposten, von Jagd und Fischerei, hatten meine Phantasie so sehr aufgeregt, dass ich das Ende des Jahres 1836, zu welcher Zeit die Posten abgelöst wurden, und nun auch die Reihe an mich kommen sollte, kaum erwarten konnte.

Das Maschinenmässige des Dienstes, so gliederpuppenartig es auch ist, hatte für mich bei weitem das Langweilige nicht, als für die meisten meiner Kameraden. Nie kam mir, wenn ich Schildwache war, Schlaf in die Augen; denn immer gab es etwas bei Tag oder bei Nacht, das meine Sinne beschäftigte. Bei Tage unterhielten mich die Colibris, die in den Tamarindenbäumen, unter denen ich mit meinem Gewehr hin- und herspazierte, pfeilschnell herumschwirrten, oder die Aasgeyer, welche vor der Küchenthüre lauerten, und, wenn der Koch nicht auf seiner Hut war, sich selbst ein Stück Fleisch vom Tisch nahmen und damit aufs Dach der Kaserne flüchteten; bei Nacht war es das Spiel Tausender von Feuerfliegen, die in allen Richtungen über die Savannen und Gärten flogen, oder die Musik unzähliger Kröten, welche in den Gräben sich aufhielten; oder das Schwirren enormer Fledermäuse, welche auf Insekten Jagd machten.

Die Hälfte unseres Corps waren Deutsche; und man sah viele sehr gebildete Männer, die in bedeutend besseren Verhältnissen in ihrem Vaterland gelebt hatten, hier Schildwache stehen. Aber die meisten waren unerträgliche Trunkenbolde, die aus Verdruss oder Langeweile ihre Grillen im Schnapse ersäuften und jeden Cent, der ihnen beim sparsamen Solde übrig blieb, in die Kneipe trugen. Die Natur zog keinen an, für ihre Genüsse hatte keiner Gefühl. Desshalb war ich auf meinen Wanderungen auch immer allein, und die hier so ergiebige Insektenjagd hielt mich entfernt von Gesellschaften und lustigen Parthien, zu welchen ich nie Neigung fühlte. Da wir immer in weissen Hosen, in Uniform und bewaffnet ausgehen mussten, so führte ich im Tschako ein Kistchen und Hosen mit, auf dem Rücken stak unterm Wamms mein Schmetterlingsnetz, und auf der Brust trug ich eine alte Mütze. Ausserhalb der Stadt legte ich meine guten Kleider ab und gab sie in bekannten Häusern in Verwahrung; dann zog ich mit Netz und Säbel bewaffnet in den Wald. Es war eine glückliche Zeit; denn auf jeder Wanderung entdeckte ich neue, mir unbekannte Specien. Kam ich dann Abends mit meinem Fang nach Hause, so fand ich das delicate, für mich bewahrte Essen, und die kalten Bananen, mit 1/14 Pfund Speckfett übergossen, schmeckten vortrefflich.

Ich genoss stets der besten Gesundheit, wozu freilich mein diätes Leben viel beitrug.

Endlich, obwohl die Zeit mir schnell verging, wurde ich beordert, mich reisefertig zu halten, um nach den so gepriesenen Posten abzugehen.

Eine Pont vom Posten Gelderland, welche die Lebensmittel auf drei Monate abzuholen hatte, sollte mich mit fünf andern Soldaten mitnehmen. Wir kauften uns desshalb beim Sergeant-Major der Compagnie, welcher den Soldaten verkaufen durfte, was sie nöthig hatten, Seife, Speck, Hosenzeug, kurz dasjenige ein, was wir auf dem Posten nöthig zu haben glaubten.

Den Betrag dieser Gegenstände, die nicht sehr wohlfeil geliefert werden, zieht der Sergeant-Major von dem Solde ab, der den Soldaten jeden Monat nach den Posten geschickt wird.

Fast immer ist eine solche Abreise die Veranlassung zu einem Trinkgelage, das der Abreisende seinen Kameraden gibt. Fehlt es ihm, was beinahe immer der Fall ist, an Geld, um Branntwein zu kaufen, so werden die noch nicht bezahlten, theuren Waaren des Sergeant-Majors um Spottpreise verkauft und der Erlös vertrunken.

So treten denn die Meisten mit nacktem Leib, ohne Sold, arm und voll Schulden die Reise nach dem Bestimmungsorte an, um dort so lange Mangel zu leiden, bis sich der Sergeant-Major bezahlt gemacht hat. Diess war auch bei meinen Kameraden der Fall, von welchen zwei in die Pont getragen werden mussten. Sie war mit Kisten und Fässern so vollgepfropft, dass man beinahe keinen Fuss vorsetzen konnte.

Der Kommandant über uns und das Fahrzeug war ein Sergeant, der auf dem Hauptposten detachirt lag. Ausserdem machte die Frau eines Corporals, der auf dem Posten Gelderland eine Herberge hatte, die Reise mit. Sie hatte unter andern Dingen zwei Kisten Genever eingekauft, die ebenfalls im Fahrzeuge waren. Für uns Soldaten blieben blos zwei Plätze übrig, um zwei Hängematten zu hängen; denn der meiste Raum wurde von dem Sergeanten und der Frau eingenommen, welche die Nacht bequem in ihren Hängematten durchbrachten. Ich war seit einigen Wochen mit einem Hautausschlag, dem sogenannten rothen Hunde, so geplagt, dass mein Leib wie Eine Wunde aussah, und meine Kleider mir überall anklebten. Es war desshalb beim Liegen auf den Fässern an keinen Schlaf bei mir zu denken, und das Krähen der Hähne auf den Plantagen, an welchen wir vorbeifuhren, mir eine erwünschte Musik.

Kaum erhellte der anbrechende Tag das Chaos unseres Nachtlagers, als ein Zetergeschrei der Corporalsfrau uns Alle ermunterte.

In der Dunkelheit der Nacht hatte nämlich ein Durstiger einen ihr gehörenden Kelder (Kiste) Genever erbrochen und zwei Flaschen von diesem Lebenswasser gestohlen. Eine grosse Untersuchung ihrerseits und unser fürchterliches Raisonniren zauberten die fehlenden Flaschen nicht herbei. Ihr Verdacht fiel auf einen alten Soldaten, der schon seit ein paar Tagen nicht nüchtern geworden war und eben vom Boden der Pont aufstand, wo er die Nacht zugebracht hatte. Die Frau, welche schon seit 16 Jahren in Ostindien gedient hatte, und ihre Zunge zu gebrauchen wusste, beschuldigte unter argen Scheltworten den armen Kerl des Diebstahls. Da es ihm nun nicht möglich war, mit nüchternem Magen gegen eine solche Fluth von Ehrennamen, mit welchen sie ihn überhäufte, zu protestiren, so wirkten gekränktes Ehrgefühl, Alteration und Katzenjammer dermasen auf seine Sinne ein, dass ein Anfall von Epilepsie erfolgte, und wir kaum im Stande waren, ihn festzuhalten.

Heulend betheuerte er, als er sich ein wenig erholt hatte, seine Unschuld; er zerschlug sich die Brust, welche so haarig, als das Fell eines Bären war, und rief seine verstorbene Mutter zum Zeugen seiner Unschuld auf. Uns standen vor Rührung Thränen in den Augen.

Gegen Mittag, nachdem alle Geister beruhigt waren, hielten wir an einer Zuckerpflanzung, auf welcher der Sergeant und die Frau beim Director assen, während wir in der Mühle unser Essen bereiteten, zu welchem uns der Director einen Busch Bananen und eine Flasche Rum sandte. Da wir der Meinung waren, wir würden des andern Morgens auf Gelderland ankommen, und uns auf die Gastfreundschaft der dortigen Kameraden verliessen, so warfen wir unsere sämmtliche Ration an Fleisch und Speck in den Topf.

Mit anbrechender Nacht fuhren wir weiter, hatten aber am zweiten Mittag den Posten noch nicht erreicht. Die Ebbe trat ein, und an einem armseligen Holzgrunde mussten wir die Fluth erwarten.

Jetzt bereute man es, den Tag zuvor so flott gelebt zu haben. Mit vieler Mühe bekamen wir einen Busch Bananen, wozu die mitleidige Corporalsfrau einen Häring beifügte, an welchem sich keiner den Magen überlud, da wir ihn unter sechs theilen mussten. Endlich in der Frühe landeten wir am ersehnten Posten, wo unsere Kameraden, so wenig sie auch für sich hatten, doch ihr Essen mit uns theilten.

Der Posten Gelderland, oder richtiger die Judensavanne (zehn Stunden von Paramaribo entfernt), ist der erste Platz, wo sich das Land bedeutend erhöht und die Einförmigkeit der Ebenen durch Sandhügel unterbrochen wird. Auf einem, etwa 70-80' über den gewöhnlichen Wasserspiegel des Surinam erhabenen Hügel liegt ein sehr in Verfall gerathenes Dorf: der Portug, Judengemeinde, dessen aus Backsteinen gebaute Synagoge von früherem Wohlstand zeugt. Das Dorf war von mehr als 200 Familien bewohnt, jetzt aber leben nur noch einige in alten, halbverfallenen Häusern von den Wohlthaten ihrer Glaubensgenossen in Paramaribo, und dem Nutzen einiger Kühe, die in den dürren Savannen ein spärliches Futter finden. Das hohe Alter dieser Menschen, deren einige tief in den achtziger Jahren sind, ist eine Folge ihrer einfachen Lebensweise und der gesunden Lage ihres Orts.

Der Posten und die Wohnung des Kommandanten liegen im Thale am Strom. In einer Schlucht des Hügels entspringt eine Wasserquelle dem Felsen, welche einen Sumpf bildet, der mit der üppigsten Vegetation bedeckt ist. Baumfarnen, viele Arten Melastomen und Aroideen, durchschlungen von schönen, blühenden Lianen, wachsen an den Felsen herauf, während am Rande der Savanne zahllose Bromeliaceen undurchdringliche Büsche bilden. Der blendend weisse Sand der Savannen bildet einen mächtigen Contrast mit den dunkeln Wäldern, die sie umsäumen, und schmerzt das Auge ebensosehr, als er durch seine Hitze dem Wanderer beschwerlich ist, der an schwülen Tagen darin marschiren muss.

Oben auf dem Hügel sieht man in südwestlicher Richtung ein hohes, blaues Gebirge sich über den dunkeln Waldungen ausdehnen. Eine Insel im Flusse verbirgt zur Hälfte einen kleinen Wachposten, der an der jenseitigen Seite sich befindet. Einige Caraibendörfer lagen zerstreut in den benachbarten Savannen.

Ich und ein anderer Soldat waren nach dem Hauptposten Mauritzburg bestimmt, und wir mussten, ohne auf Gelderland verweilen zu dürfen, dahin abgehen [1].

Der rechte Flügel des Cordonwegs, der in einer achtstündigen Entfernung von den Ufern des Surinam nach dem obern Comowyne sich hinzieht, wurde um das Jahr 1770 desswegen angelegt, um die Colonie vor den Einfällen der Buschneger zu bewahren, und dem Weglaufen der Sklaven vorzubeugen. Mehrere grosse Posten und viele kleine Pikete zogen sich längs desselben hin, und waren mit vielen Truppen besetzt. Die meisten sind übrigens eingegangen, und bloss Gelderland am Surinam, Mauritzburg am Casawinika und Imotappie am obern Comowyne bestanden noch und waren unter dem Commando von Officieren.

Zwei kleine dazwischen gelegene Posten dienten zur Beförderung von Briefen.

Der Weg geht grossentheils durch Savannen, in welchen man alles Schattens beraubt ist und eine erstickende Hitze herrscht; nur in Niederungen, wo Bäche und Wasser sich sammeln, ist Hochwald und üppige Vegetation. Die Savannen gewähren einen wunderbaren Anblick. Grosse, stundenlange Flächen sind mit niederem Strauchwerk und falbem Grase bedeckt, und gestatten dem Auge eine ungeheure Uebersicht. Einzeln und gruppenweis stehende Mauritzenpalmen geben durch ihr mattes Grün und ihre welken Blätter einen melancholischen Anblick. Der Saum der Savannen besteht fast ganz aus diesen Bäumen, in denen Schwärme von Raben und Papageyen nisten.

Die Mauritza (Mauritia flexuosa) ist die höchste der surinamischen Palmen und besonders auf Savannen und sandigen, feuchten Plätzen in ungeheurer Anzahl zu finden. Etwa ein Dutzend Blätter, die sich am Ende des Stiels fächerförmig ausbreiten, und gegen 18' lang sind, zieren ihren Gipfel. Ihre Höhe beträgt manchmal über 100'. Sie liefert den Indianern viele Dinge zu ihrem Lebensunterhalt: die Blätter werden gespalten und zu Tauen und Bindfäden verarbeitet; das Mark der Stiele reihenweise mit den aus Blattfasern gedrehten Schnüren zusammengebunden, gibt leichte und sehr zweckmässige Segel.

Ehe die Blüthentrosse sich öffnet, läuft aus einem, zu diesem Zweck unten in den Baum gemachten Einschnitt eine Menge süssen Saftes, welchen die Arowaken wie Wein trinken. Wenn der Stamm umgehauen und ein, etwa 4' langes Loch hinein gemacht ist, wird das Mark desselben von den Larven eines grossen Rüsselkäfers (Curculio palmarum), welche Cabbiswürmer genannt und für eine grosse Leckerei gehalten werden, zernagt gefunden. Sie sind fingerslang, daumendick, nankinfarbig, fühlen sich fett an, und haben einen braunglänzenden harten Kopf. In Butter gebacken und mit Pfeffer bestreut gehören sie gewiss zu den feinsten Delicatessen Surinams.

Die Früchte dieser Palmen sind von der Grösse eines mittelmässigen Apfels, braun von Farbe, zierlich wie ein noch nicht reifer Tannenzapfen geformt, und sitzen zu Hunderten an der Blüthentrosse. Sie wachsen manchmal in solcher Menge am Stamm, dass ich das Gewicht mancher Rispe zu 400 Pfund schätze. Die Indianer essen diese Früchte, obwohl sie nicht besonders gut schmecken.

In den Savannen sind viele Termitennester, die in kleinen, spitzigen Kegeln aus der Erde steigen, jedoch nie über 4' hoch sind. Hier nennt man diese kleinen, den Ameisen ähnlichen Insekten, deren Hinterleib weisslich und weich, der Kopf aber mit scharfen Zangen bewaffnet ist, Holzläuse. Sie leben gesellig wie die Ameisen und in solcher Anzahl, dass sie dieselben an Menge noch zu übertreffen scheinen. In den Wäldern findet man ihre Nester beinahe an jedem Baum und zuweilen so gross, dass alte Bäume unter ihrer Last erliegen. In alten Häusern, wo sie ihre centnerschweren Nester, welche oft zwei bis drei Fuss im Durchmesser haben, ans Gebälke bauen, sind sie eine grosse Plage. Die Nester bestehen aus zernagtem Holz oder Erde; das Material hiezu wird manchmal weit hergeholt. Nichts ist vor ihnen sicher, und man hat Beispiele davon, dass Kleidungsstücke, welche in einem verschlossenen Koffer waren, in einer Nacht total aufgefressen wurden. Man bekommt sie aber nie zu sehen, weil sie bei ihren Raubzügen von zernagtem Holze oder Erde einen Gang bilden, der nach bestimmten Orten hinleitet. Bäume, Balken und dergleichen werden auch nur von innen ausgefressen, so dass man von aussen nichts bemerkt, obwohl diess bis zur Dicke eines Kartenblatts geschieht. Sie sind immer thätig und arbeiten Tag und Nacht an ihren Nestern, in welche, wenn sie verlassen werden, die Sabacarra (eine grosse Eidechse) häufig ihre Eier legen. Hühner werden von ihnen fett.

Tiger, Ameisenfresser und Hirsche sind die Bewohner der Savannen, und in den sie begrenzenden Wäldern sind Armadille und Kaninchen, sowie hühnerartige Vögel, als Powisen und Agamis, sehr häufig.

An manchen Stellen, wiewohl selten, findet man die Agave americana mit ihren manchmal 30' hohen Blüthenstengeln. Man macht von dieser nützlichen Pflanze keinen Gebrauch; nur Buschneger und Sklaven gebrauchen zuweilen ihre dicken Blätter als Seife, wesshalb man sie hier Ingisopo nennt.

Auf dem 2½ Stunden von Gelderland entfernten kleinen Posten Frederiksdorp blieben wir während der grössten Hitze des Tages. Drei Soldaten, zwei weisse und ein schwarzer, sind die ganze Besatzung. Sie müssen wechselweise die von Mauritzburg und Gelderland kommenden Briefe nach beiden Posten besorgen und ihren Lebensunterhalt von ersterem Posten auf dem Rücken herbeitragen; sonst lebt jeder nach seiner Weise. Manchmal passirt in 14 Tagen kein Mensch diesen Posten.

Das Land ist unfruchtbar und bringt nichts hervor; dennoch hielten diese Menschen wohl 100 Hühner auf dem Posten, die sich beinahe allein von Termiten und Heuschrecken nährten.

Zwei kleine Stunden weiter befindet sich der Posten Mauritzburg, an welchem wir Abends 5 Uhr ankamen. Dieser liegt in einer weiten, sumpfigen Savanne, und besteht eigentlich aus drei Plätzen, von welchen der erstere Wohnort des kommandirenden Officiers ist und Gouverneurslust heisst. Durch Citronenhecken ist er von dem andern, einem nahe gelegenen einzelstehenden Haus, »Markette«, abgesondert, in welchem die weissen Verbrecher der Colonie aufgehoben werden. Der dritte, eine Viertelstunde davon abgelegene heisst Mauritzburg, wo sich die Kaserne und Bäckerei, das Hospital und die Magazine befinden. In der Mitte des Weges führt eine Brücke über die Casiwinika, welche aus nahe gelegenen Sümpfen entsteht und in die obere Comowyne sich ergiesst. Unterhalb des Postens liegen an ihr zwei armselige Holzgründe, und auf den Savannen zwei Arowakendörfer. Etliche zwanzig Kühe waiden auf den Savannen und versehen die Haushaltung des Commandanten mit Milch. Ein Pferd ist zu seinem Dienste, und ein, von drei Mauleseln gezogener Wagen zum Transport der Kranken bestimmt, welche von den andern Posten, wo sich keine Aerzte befinden, abgeholt, und bei erlangter Gesundheit wieder zurückgebracht werden. Ein zweckwidrigerer Transport lässt sich nicht leicht auffinden; denn das Gerüttel auf den manchmal abscheulichen Wegen ist selbst für Gesunde unausstehlich, und für Kranke entweder eine Parforcecur, oder wenigstes ein Mittel, um sie noch kränker zu machen. Im Blockhause werden sowohl Civil- als Militärverbrecher verwahrt und zur Unterhaltung der Wege und Posten angehalten. Doch wird ihr Loos durch gutes Betragen sehr erleichtert.

Ich wurde schnell mit der Umgegend bekannt. Der Dienst war leicht und angenehm und alles lebte im Frieden, weil der allgemeine Friedensstörer, der Branntwein, nicht zu bekommen war.

Doch schon nach 14 Tagen wurde ich nach dem zwei kleine Stunden entfernt liegenden Posten Nepheusburg detachirt, um einen der zwei blanken (weissen) Soldaten, der nach der Stadt musste, abzulösen.

Dieser kleine, nur von zwei Weissen und einem Schwarzen besetzte Posten hat denselben Zweck, wie der, an der andern Seite sich befindliche (Frederiksdorp), und liegt in einer morastigen Gegend mitten im Walde. Ein grosses Haus, das einzustürzen drohte, war unsere Wohnung, und in den Regenzeiten schwammen Buschfische beinahe vor die Thüre.

Vor Gras und Strauchwerk sah man den Posten erst, wenn man sich ihm auf 15 Schritte genähert hatte. Früher, als die Besatzung stärker war, wurden bedeutende Gärten und Aecker unterhalten, und davon die andern Posten mit Gemüse versehen; denn der Boden ist sehr fruchtbar und ergiebig.

Apfelsinen-, Orangen-, Citronen- und Sauersackbäume waren hier in Menge. Ich, mein weisser und schwarzer Kamerad hatten gleichviel zu sagen, und es brachte desshalb jeder den Tag nach seiner Weise zu.

So angenehm auch das Nichtsthun Jedem war, waren es doch ein paar Dinge, die zu diesem Schlaraffenleben gerade nicht passen wollten, z. B. das Uebertragen der Briefe, welches von uns wechselweise, oft mitten in der Nacht, oder beim heftigsten Regen besorgt werden musste. Ferner war man genöthigt, die Lebensmittel in Mauritzburg zu holen, was jede Woche zweimal geschah. Hiezu bedienten wir uns eines aus Palmblättern geflochtenen Tragkorbs, Balatta genannt, den ich gar oft, mit zwei Boschen Bananen und zwölf Pfund Brod befrachtet, durch Dick und Dünn trug, oder bei brennender Hitze nach Hause schleppte. Unsere Kleidung war daher auch diesem Geschäfte angemessen. Schuhe wurden beinahe nie gebraucht, da sie leicht im Koth stecken blieben, und die Hosen wurden durch das Schneidgras so zerfetzt, dass sie wie mit Spitzen besetzt aussahen. Das Hemd zog ich blos an, wenn ich mich dem Posten Mauritzburg näherte, oder wenn wir Besuch erhielten, was jedoch wenig der Fall war. Daher sah auch meine Haut so braun aus, wie die eines Mulatten. Doch hatten diese Beschwerden auch ihre guten Seiten.

Auf den Wegen nach beiden Posten fing ich manches schöne Insekt, und beim Nachhausekommen fand ich stets eine Schüssel Bananen, welche von meinen Kameraden gekocht waren, und wobei mir das Herz im Leib lachte. Besonders schlecht war der Weg nach dem Posten Imotappie. An beiden Seiten desselben, der etwa 50' breit ist, sind zwei tiefe Gräben, in denen sich die Waldwasser sammeln, die bei anhaltendem Regen austreten und den Weg überschwemmen. Breites, schneidendes Gras, das bei der üppigen Vegetation wohl 12' hoch wächst, bedeckt den ganzen Weg so dicht, dass man kaum einen Schritt voraussehen kann. Es ist überhaupt nicht möglich, die Mühseligkeiten dieser, obwohl nur zwei Stunden langen Strecke zu beschreiben; oft watet man bis um die Kniee im Morast; beinahe jeden Augenblick wird man ins Gesicht, in die Füsse oder Hände geschnitten; dabei erfrischt kein Windzug in dieser drückenden Schwüle. Der ganze Cordonweg wird alljährlich durch Plantagen-Neger, welche das Gouvernement bezahlt, abgemäht und ausgebessert; aber dennoch kann man die Einflüsse der Witterung nicht unterdrücken.

Einige Tage nach meiner Ankunft bereitete mein Kamerad einen mir noch unbekannten Trank aus einer Palmenart, den ich zwar noch nicht gekostet, aber schon oft hatte rühmen hören; man nennt ihn Cumu.

Eine, etwa 60' hohe Palme (Oenocarpus Comon. Aube), welche der Königspalme ähnlich ist und in sandigen Wäldern wächst, treibt eine über 3' lange Traube in Gestalt eines Pferdschweifes, an deren Stielen oder Schnüren Tausende von Beeren sitzen, welche so gross wie eine Flintenkugel und von dunkelbrauner Farbe sind. Die Frucht ist eigentlich nur ein runder, harter, von einer fleischigen Haut überzogener Stein. Sie wird von Vögeln und Affen sehr gerne gefressen, und ist ein vortreffliches Futter für die Schweine.

Die Beeren werden in warmem Wasser eingeweicht, und dadurch wird in einer Viertelstunde das Fleisch so weich, dass es sich vom Stein durch Drücken abschälen lässt. Durch fortwährendes Drücken der Steine im Wasser wird dasselbe dick, chocoladfarbig, und man lässt es, wenn kein Fleisch mehr an den Steinen sitzt, durch ein indianisches Sieb, Menari, laufen, wodurch Haut und Steine zurückbleiben. Mit etwas Zucker vermischt ist der Trank fertig, gesund, nahrhaft, und mit dem Rahm der Milch zu vergleichen. Die breiartige, von den Steinen abgeriebene Masse wird von den Indianern ausgepresst, worauf sich auf der Oberfläche der erhaltenen Brühe ein klares, gelbes Oel zeigt, das gereinigt gut zum Bereiten der Speisen dienen könnte, von den Indianern aber zum Einschmieren der Haare verwendet wird.

Um die Frucht zu bekommen, wird der Baum umgehauen; die meisten haben bloss eine, manche zwei, aber selten drei Trossen und vom December bis Junius Frucht. Sie wachsen, wie alle Palmen, schnell, haben aussen hartes Holz, innen eine markige Substanz, die schnell voll Cabbiswürmern, essbaren Larven, ist.

Den Werth dieses Trankes lernte ich erst schätzen, als einmal auf Mauritzburg die Bananen unglücklicher Weise fehlten, und die dortige Besatzung von Reis, Mais und Maniok leben musste.

In dieser Zeit des Mangels assen wir bloss all ander Tage, und in der Zwischenzeit wurde von Cumu gelebt; Mais assen wir bloss zweimal, weil viele süsse Bataten (Convolvula batata) auf dem Posten wuchsen, die zwar hart und faserig, aber doch besser als Gänsekost waren.

Mein Aufenthalt in dieser Einöde gab mir manchfache Gelegenheit, Naturmerkwürdigkeiten mancherlei Art zu beobachten.

Im Gemäuer, auf dem unser baufälliges Haus ruhte, befand sich ein Bienennest von inländischen sogenannten Honig-Waschiwaschis. Sie gleichen in der Gestalt ganz den Bienen, sind aber schwarz, nur halb so gross und stechen nicht. Sie leben meistens in hohlen Bäumen oder in den von Termiten verlassenen Nestern, manchmal in so grosser Menge, dass ein Nest zwei europäische Bienenkörbe übertrifft. Ihr Honig, der klar, säuerlich und von vortrefflichem Geschmack ist, befindet sich nicht in Waben, sondern in runden, aus Wachs verfertigten Blasen, welche klumpenweise zusammenhängen, während die Waben, welche aus einer gelben und schmierigen Substanz bestehen, und geschmolzen nicht die geringste Aehnlichkeit mit Wachs haben, zum Aufenthalt der Jungen dienen. In Savannen, wo viele Blumen wachsen, findet man sehr viele Bienen, welche auch vorzugsweise die Blüthe der Palmen lieben.

Das schwarze Wachs wird von den Indianern zum Verpichen ihrer Corjaalen und zu Wachslichtern gebraucht; den meisten Honig findet man um die Zeit des Vollmondes. Man findet dreierlei verschiedene Arten Bienen von gleicher Grösse, nämlich zwei schwarze und eine gelbliche. Ob sie sich in der Lebensart von einander unterscheiden, weiss ich nicht. Sie vertheidigen ihre Wohnungen sehr tapfer, setzen sich in Haare und Kleider und beissen wacker darauf los.

Um die verschiedenen Arten Ameisen, welche ich sah, richtig zu beschreiben, musste ich die Erfahrung vieler Jahre haben, da sowohl ihre Anzahl als ihre Verschiedenheit unbeschreiblich gross ist.

Die merkwürdigsten sind ohne Zweifel die Wander-Ameisen, die zu sehen ich nur einmal Gelegenheit hatte. Sie waren eines Morgens in ungeheurer Menge in der Kaserne in allen Löchern und Ritzen verbreitet; nicht ein Tausendfuss, Kackerlack oder Scorpion, wie flink sie auch sein mochten, entkam diesen mörderischen Insekten. Was sie einmal fassten, hielten sie so fest, dass sie sich lieber den Kopf abreissen liessen, als es loszulassen. Zu Zwanzigen hingen sie an einem Tausendfuss, und bissen ihm seine Füsse ab. Unter dem Dach hatten sie ihr Hauptquartier, wohin sie auf den Seitenbrettern der Treppe liefen und sich in einer Ecke an einen Balken wie ein Bienenschwarm anhingen, welcher Klumpen wohl 2' lang und 1' dick war. Die immer auf- und abmarschirenden Ameisen trugen übrigens nichts in ihr Nest, sondern frassen wahrscheinlich Alles gleich auf. Sie schienen viele Anführer zu haben, die sich durch ungeheuer dicke Köpfe und gewaltige Fresszangen auszeichneten. Der ganze Haufen blieb zwei Tage auf dem Posten und verschwand eben so schnell, als er gekommen war. Eine andere Art von derselben Grösse, doch braunrother Farbe, nennt man Cassave-Ameisen. So nützlich die vorigen sind, da sie die Häuser vom Ungeziefer reinigen, so schädlich sind diese, weil sie oft in einem Tage einen Acker total kahl fressen können. Sie leben gemeinschaftlich in Nestern unter der Erde. Man erkennt diese an kleinen Hügeln, welche manchmal bei einer Höhe von 6' oft 20 Schritte im Umkreise haben. Die einzelnen Nester sind von der Grösse eines Kopfes, und von einer aschfarbenen, leicht zu zerreibenden, blätterartig auf einander liegenden Substanz zusammengestellt. Junge und Eier sind nicht in den Waben, sondern in den unregelmässigen Zellen der Zwischenräume. In der Mitte findet man Blätter, Körner und Knospen, die sie zusammentragen, und in Ruhe zum Nahrungsbrei für die Jungen zernagen. Alle diese einzelnen Nester stehen durch Gänge mit einander in Verbindung, und es befinden sich manchmal 200 an der Zahl in verschiedener Tiefe, 1-6 Fuss unter dem Boden, so dass man tagelang arbeiten muss, um ein solches Nest auszurotten. Dabei vertheidigen sich die mit grossen, scharfen Zangen bewaffneten Ameisen aufs Hartnäckigste, beissen aufs Grimmigste in Hände und Füsse und lassen sich lieber den Kopf abreissen, ehe sie loslassen.

Zu diesen gemeinschaftlichen Nestern führen über der Erde regelmässige, einen halben Fuss breite Wege von wenigstens einer Viertelstunde Länge nach dem Platze, wo sie ihre Verheerungen anrichten. Diese Wege sind von Gras und allen Blättchen gereinigt, damit die mit Raub beladenen Insekten nicht gehindert sind. Ihr Fleiss, sowie ihre bei der Arbeit beobachtete Ordnung und Ueberlegung sind bewundernswürdig.

Ein Baum wird bloss von einer Seite bestiegen, worauf sie sich in die Blätter vertheilen und mit ihren Zangen so grosse Stücke abschneiden, als sie zu tragen vermögen. Ist das Blättchen abgesägt, so wird es mit der Fresszange gehalten und mit den Vorderfüssen so gerückt, dass es aufrecht zu stehen kommt; hierauf wird schwankend unter der Last der Rückweg angetreten. Es kostet viele Mühe, den Baum hinabzukommen; sie lassen aber dessenungeachtet ihr Blättchen nicht fahren, und treten unverdrossen den manchmal eine Viertelstunde langen Rückweg an. Wenn der Weg übers Wasser geht, klettern sie an Bäumen hinauf, um durch die Zweige auf andere, an der Ueberseite sich befindliche Bäume zu kommen und ihren Weg fortsetzen zu können. Im Innern des Landes halten sie sich sehr häufig auf. Sie haben kein bestimmtes Futter, sondern tragen Mais, Cassaven, Orangen, Mangos und Blätter verschiedener wilder Bäume weg.

Im December fliegen die Weibchen in grosser Anzahl umher. Sie sind viel grösser, als die Männchen und haben einen dicken Leib. Ihre Flügel sind ihnen mehr zur Last als zur Hülfe gegeben, weil sie leicht abbrechen, und das nun hilflose Geschöpf von allerlei Vögeln aufgefressen wird. Die Buschneger fangen sie in Masse und essen den dicken Leib gebacken oder geröstet. Sie schmecken ungemein angenehm; doch braucht man viel, um satt zu werden.

Diese Ameisen sind eine furchtbare Plage für den Landbau; man umgibt desswegen im niedern Lande ihre Hügel mit Gräben, in welchen das Wasser sich sammelt und so die Nester durchdringt, im höhern aber ist Ausgraben schlechterdings nöthig.

Indianer und Neger glauben, dass sich die blinde Schlange, eine wurmförmige Eidechse (Coecilia –?) in den untersten Nestern aufhalte und von den Ameisen gefüttert werde.

Andere Ameisen erregen durch ihren Biss ein heftiges Brennen auf der Haut. Sie sind meistens so klein, dass man sie erst dann bemerkt, wenn man sie fühlt. Diese sind in den Häusern die lästigsten, weil sie an alle Esswaaren, sie seyen gesalzen oder süss, gehen, so dass man sie kaum vor diesen Thieren sichern kann.

Ausser Ameisen und Holzläusen hatten einige hundert Fledermäuse den Giebel in verjährtem Besitz, und belästigten uns durch den immerherabfallenden Unrath, noch mehr aber durch ihr unaufhörliches Gezwitscher, und so wenig Gesellschaft wir auch von Menschen hatten, um so mehr war unsere Einöde von Thieren aller Art belebt. Kaum graute der Morgen, als im nahen Busch die Wakagos (Ortalida paragua), hühnerartige, bräunliche Vögel mit langem Schwanze, ihr gellendes Geschrei anhoben. Raben und Papageien, die im Mauritzenwäldchen, das an's Haus stiess, nisteten, schrieen uns den ganzen Tag die Ohren voll.

In einer Citronenhecke hingen einige Dutzende, drei Fuss lange, sackförmige Nester von Bananenvögeln (Cassicus), die gar nicht wild sind und gern in der Nähe der Menschen wohnen. Diese Vögel, wahre Affen unter den Luftbewohnern, ahmen alle möglichen Stimmen nach; bald schreien sie wie Hühner, bald wie Affen, verdrehen dabei ihre Augen und machen tausenderlei Possen. Sie sind immer in Truppen beieinander, und bauen ihre Nester immer an's Ende von meist dornigen Zweigen, wobei sie diejenigen vorziehen, an welchen grosse Wespen sich angesiedelt haben. Es herrscht zwischen beiden so ungleichen Thierarten eine merkwürdige Freundschaft; denn ich habe häufig bemerkt, dass, wenn die Vögel beim Durchfliegen ihre Nester auch berührten, sich diese Insekten nicht darum bekümmern, es aber einen Menschen, der diess zu thun wagen würde, schwer büssen lassen würden.

Der Bananenvogel hat die Grösse einer Amsel; er ist schwarz, hat jedoch einen goldgelben Schwanz und Rücken, einen weissen Schnabel und hellblaue Augen.

Eine andere Art derselben Grösse ist statt gelb brennendroth, lebt aber ebenso. Die Nester sind sehr merkwürdig und bilden einen zwei bis drei Fuss langen Sack, dessen Oeffnung aber wie ein Backofen überwölbt ist; sie sind netzartig, mit einer Art Gras überflochten und elastisch. Pfefferfrasse sind ebenfalls sehr häufig; sie sitzen gegen Abend auf den höchsten Bäumen, wo sie sich bald nach dieser, bald nach jener Seite wenden und ihre gellende Stimme erschallen lassen.

Doch all diess Geschrei ist nichts gegen das Concert, das in der Regenzeit des Nachts ertönt, und keine Feder ist im Stande, davon eine richtige Idee zu geben.

Kaum ist die Sonne untergegangen, so ertönen in den, den Posten umgebenden Orangen- und Sauersackbäumen grässlich schnarrende Töne von grossen Laubfröschen, accompagnirt von dem tiefen Bass einer ungeheuren Kröte, die auch im Sumpfe sich ihres Lebens freut und ihren feierlichen Gesang durch ein schallendes Gelächter oder Pausen endigt. Kleine Kröten, die in den Gräben zu Hunderten sitzen, quacken unaufhörlich im höchsten Diskant, und Legionen Scheerenschleifer (Cicaden), die im Wald herumschwärmen und die man ¼ Stunde weit hören kann, ersetzen den Chor. Von Zeit zu Zeit ertönt aus der Ferne der melancholische Gesang einer Nachtschwalbe (Caprimulgus lud.), der sechs Töne der abwärts gehenden Scala umfasst, oder der kleinen Eule, »Urukuku«, nach ihrem Rufe so genannt. Zählt man noch hiezu die lieblichen Stimmen von einigen Brüllaffen, deren Geschrei selbst das Gebrüll eines Löwen übertönt, so ist ein Orchester besetzt, wie man kein zweites in der Welt finden wird.

Ich bin später noch auf andern Posten gelegen und habe viele Plätze besucht, aber den Lärm von Nepheusburg habe ich nie wieder gefunden; denn seine niedrige, ganz von Gebüsch umgebene Lage begünstigt diese Schreier.

Etwa einen Monat nach meiner Ankunft auf dem Posten wurde unser schwarzer Kamerad abgelöst, und ein anderer kam an seinen Platz. Dieser hiess Liverpool, sein Neger- oder gewöhnlicher Name aber war Brokkodjokko. Er galt für einen grossen Wisiman (Zauberer), guten Jäger und grossen Trunkenbold. Die beiden letzteren Eigenschaften besass er gewiss, von ersterer aber sah ich nie etwas. Er ging häufig auf die Jagd, war nicht so geizig, wie sein Vorgänger, liess es nie an Cumu fehlen, und war um einen Schnaps zu Manchem bereit. Ich verstand sehr wenig, beinahe nichts von der neger-englischen Sprache, und unser Diskours musste häufig pantomimisch geführt werden.

Mein blanker Kamerad wurde ebenfalls abgelöst und nicht ersetzt. So war ich denn nun allein mit meinem Schwarzen und es vergingen desshalb Tage, ohne dass ein Wort über meine Lippen kam. Ich führte, seitdem ich allein war, meine eigene Menage, und mein Frühstück bestand aus Buschthee (Blätter eines Heliotrops) oder Cumu, wozu geröstete Bananen oder Brod mit in heisser Asche gebratenen Buschfischen genossen wurde. Des Mittags kochte ich die Universalkost, Bananen, entweder ganz, mit Speck, oder zerschnitten und im Wasser zu einer Art Brei gekocht, mit Fleisch oder Fischen. Das Abendessen bestand aus den Ueberbleibseln der Mittagskost. Dies war mein Küchenzettel für alle Tage der Woche, die ausgenommen, an welchen ich nach Mauritzburg musste, oder Brokkodjokko etwas schoss. Affen und Faulthiere brachte er häufig nach Hause, und Abomas (Riesenschlangen) wurden gut geräuchert, und mit grossem Appetit verspeist. Obwohl Soldat, war ich doch im Besitz einer uneingeschränkten Freiheit, nie jagte mich die Ladenglocke, die ich so oft verwünscht, von meinem frugalen Mahle auf. Der Insektenfang und die Fischerei beschäftigten mich den ganzen Tag. Die freie Luft und das kalte Wasser des Kreek erhielten mich gesund und munter, und jetzt noch, nach 15 Jahren, denke ich sehr gerne an jenes freie, sorgenlose Leben zurück.

Die Regenzeit hatte Anfangs Juni ihren höchsten Grad erreicht, und der Weg nach Imotappie glich seiner ganzen Länge nach einem grossen Sumpfe. Des Tages zweimal untersuchte ich auf demselben meine Maschoas, deren letzte eine Viertelstunde vom Posten entfernt war [2]. Häufig sah ich ganze Truppen von Fischottern, hier Wasserhunde genannt, welche in den Kreeken Fische fingen. Sie gleichen an Gestalt und Grösse den europäischen; ihr Fell ist äusserst fein, oben graubraun, unten gelb. Obwohl sehr neugierig, sind sie doch äusserst schlau, und man bekommt sie nur selten, weil sie gleich untertauchen.

Eines Tages sah ich, als ich das Gras auseinanderschob, um durchzukommen, einen grossen Tapir vor mir auf dem Wege stehen, der, nicht weniger erschrocken als ich, in die Kreek sprang und mich über und über bespritzte.

Einige Zeit lang jagte Brokkodjokko sehr unglücklich; er schrieb sein Missgeschick der Schwangerschaft eines seiner Weiber zu. Dieser wunderbare Glaube herrscht unter den Negern und Eingebornen allgemein. Kaum war auch sein Weib, eine Sklavin des Holzgrundes Copie, niedergekommen, so brachte er den ersten Pakir mit nach Hause. Es war ein grosses, gegen 60 Pfund schweres Thier, von dessen Fleische wir mehrere Tage lang gut lebten. Vieles davon räucherte er, und versah mit diesem die Kindbetterin.

Nachdem er wieder die ganze Woche nichts geschossen hatte, ging er Freitags darauf mit der Versicherung in den Busch, abermals einen Pakir zu bringen, den er nur heute, sonst nie schiessen werde. Gegen 11 Uhr schleppte er wirklich einen, der den ersten noch an Grösse übertraf, nach Hause. Es war mir diess unbegreiflich, da ohne Hunde selten Pakire geschossen werden. Sein Versprechen konnte wohl für Prahlerei gehalten werden, das der Zufall in Erfüllung gehen liess. Doch wunderbar ist es, dass er den dritten Freitag nach abermaliger Voraussage den dritten heimbrachte. Aufschlüsse über die Art und Weise seiner Jagdkunst erhielt ich nie; das einzige, was ich sah, war die Unterhaltung mit seinen Obias, deren er am Leibe und in seinem Pakara verschiedene hatte.

Er war ein wunderlicher, von Aberglauben vollgepropfter Kerl, übrigens ein guter Christ; unter Anderem verstand er auch das Schneiden gegen den Schlangenbiss. Sein Treff verpflichtete ihn, kein Schildkrötenfleisch zu essen.

Anfangs Juni an einem Sonntage musste ich Briefe nach Imotappie bringen. Der Weg war schlecht, und überdiess hatte ich noch 36 Pack Patronen bei mir, die für die Besatzung dieses Postens bestimmt waren. Ein Fuss langer, alter Hauer war meine einzige Waffe. Schon hatte ich die Hälfte des Weges zurückgelegt, als ich auf einem etwas trockenen Platze einen ganz jungen Tiger von der Grösse einer Katze liegen sah, der, sobald er mich erblickte, sich auf den Rücken legte, und nach Katzenart mit den Pfoten um sich schlug. Ich steckte ihn in meine Mütze, welche ohne Futter einen grossen Sack bildete. Ausser mir vor Freude, dachte ich gar nicht an die Gefahr, von seiner Mutter, die sicher in der Nähe war, aufgespürt zu werden. An Vertheidigung wäre nicht zu denken gewesen; denn obgleich der Jaguar niemals Menschen angreift, hätte er mich doch in diesem Falle zerrissen. Daran zu denken, hatte ich aber keine Zeit. Ohne Kopfbedeckung und nur mit dem Thierchen beschäftigt, das unaufhörlich schrie und miaute, lief ich aus Leibeskräften, um so schnell als möglich nach Imotappie zu kommen. Ich kam daselbst so erhitzt an, dass ich keinen Laut von mir geben konnte.

Der Lieutenant, dem ich meine Briefe übergab, sowie alle umstehenden Soldaten des Postens, wunderten sich theils über das niedliche Thier, theils über meine Kühnheit, es mitgenommen zu haben. Man rieth mir, es zu tödten und erst den andern Morgen nach meinem Posten zurückzukehren, um nicht der Alten, die das Junge suchen werde, in die Klauen zu fallen; allein ich schämte mich, Furcht zu verrathen und trat Nachmittags gegen 2 Uhr den Rückweg an. Ich setzte den jungen Jaguar, der immer noch schrie, in den Batatta, worin ich die Patronen gebracht hatte, und lief so schnell, als es der schlechte Weg erlaubte. Doch schon beim Anfange des Weges bereute ich es, mich so unnöthig in solche Gefahr begeben zu haben. Das kleinste Geräusch im Busche trieb mir die Haare in die Höhe, und ich bekenne, dass ich nie herzlicher gebetet habe, als wie ich mich der Stelle näherte, wo ich den kleinen Schreier gefunden hatte. Glücklich erreichte ich mein Haus, wo Brokkodjokko, nichts vermuthend, mir den Batatta abnahm, dann aber, als er des Tigers ansichtig wurde, wie ein Narr vor Freude in der Kammer herumsprang und mich mit Lobeserhebungen überhäufte. Er wollte sogleich nach Mauritzburg, um das Wunder zu erzählen und die Briefe zu überbringen.

Ich schlachtete alsbald einen Hahn, von welchem mein kleiner Gast etwa den vierten Theil frass.

Am andern Morgen fand ich rund um das Haus die Fussspuren eines grossen Jaguars, der verschiedene Male um dasselbe gelaufen seyn musste. Doch, obwohl Brokkodjokko mit schwergeladenem Gewehr die Umgegend durchstreifte, konnte er ihn nicht mehr finden.

Denselben Tag waren 10 Zimmerneger unter der Leitung eines gleichfalls schwarzen Meisters angekommen, um aus dem alten Hause ein kleineres neues zu machen, freilich so wohlfeil als möglich. Dieses sollte, 18' im Quadrat, unten und oben eine Kammer enthalten und 27' im Giebel hoch seyn. Unter das Dach der Küche, das ohne alle Seitenwände blos auf vier 12' hohen Pfosten ruhte, wurden Bretter gelegt, um mir indessen zur Wohnung zu dienen, die man vermittelst einer Leiter bestieg. Sie war gerade so lang, dass man eine Hängematte hängen, und so hoch, dass man in der Mitte etwas gebückt stehen konnte; dabei wimmelte es von Fledermäusen, die Jahre lang diess Haus in ungestörter Ruhe besessen hatten, und hundertmal von mir verjagt, immer wieder zurückkamen. (Hier habe ich die zwei grössten Tausendfüsse gefangen, die über 10" lang waren.) Fenster gab es nicht, auch hatte ich sie nicht nöthig, da ich mich meistens unter dem Hause im Freien aufhielt.

Der Guide schlief in dem Schuppen, den die Zimmerneger für sich aufgerichtet hatten. Ich war also mit meinem Tiger, der schon den zweiten Tag viel von seiner Wildheit verloren hatte, und sich ganz wie eine junge Katze betrug, des Nachts allein. Seine Stimme war rauher und sein Gang unbeholfener als bei einer Katze. Alle zwei Tage schlachtete ich ein Huhn für ihn, da er durchaus nichts anderes fressen wollte. Er hielt sich stets in meiner Nähe auf und spielte mit dem kleinen Hund des Guide wie mit seines Gleichen.

Eilf Morgen hintereinander sahen wir die Spuren des Alten, der ums Haus herumschlich und sich sogar in den Kamp der Zimmerneger wagte, wo er einen Neger, der Bananen röstete, so erschreckte, dass dieser ein Zetergeschrei erhob, und Alles mit Aexten und Hauern bewaffnet herbeieilte. Da ich etwa 50 Schritte davon entfernt allein schlief, so hielt ich es für rathsam, jede Nacht die Leiter heraufzuziehen, und mich so auf diese Weise förmlich zu verschanzen. Weder der Wachsamkeit Brokkodjokkos, noch der Zimmerneger gelang es, auf den Tiger schiessen zu können, der endlich von selbst wegblieb. Fünf Wochen lang hatte ich den jungen Tiger beinahe ausschliesslich mit Hühnern gefüttert; als diese zu Ende waren, musste ich ihm abgezogene Fledermäuse vorsetzen. Er frass sie zwar, doch bekamen sie ihm so schlecht, dass er vier Tage nachher starb. Für seinen Kopf bekam ich acht Gulden Schussgeld vom Gouvernement.

Am Zimmermeister, der holländisch sprach, hatte ich nun wieder einen Gesellschafter. Seine Neger besuchten frühe, ehe ich aufstand, meine Maschoas und stahlen die Fische. Dagegen konnte ich nichts thun, als ihnen zuvorzukommen; desswegen lief ich häufig, noch ehe der Tag anbrach, dahin, um nicht bestohlen zu werden.

Der Bau des Hauses wurde wenig gefördert; denn Meister und Gesellen machten es sich so gemächlich als möglich. Vieles Holz zu Balken musste aus dem Walde geholt werden.

Dabei geschah es einmal, dass die Neger eine 14' lange Capassischlange (Trigonocephalus rhombeatus) tödteten und nach Hause brachten [3]. Es ist diess die giftigste der einheimischen Schlangen, die mit der Klapperschlange in der Zeichnung und Farbe grosse Aehnlichkeit hat, doch bedeutend länger und im Verhältniss nicht so dick ist. Sie ist braun, hat grosse, viereckige, schwarze Flecken und Schuppen, welche oben einen erhöhten Kiel oder Rücken haben. Ihr Unterleib ist gelblich, die Giftzähne sind wohl 1½" lang. Der Tod soll manchmal augenblicklich auf ihren Biss erfolgen, Blut aus allen Poren und Oeffnungen des Körpers fliessen, und der getödtete Körper von keinem Aasvogel gefressen werden. Aus der Haut machte ich eine Mütze, den Kopf aber hatte Brokkodjokko abgeschnitten, um ihn zu dörren. Getrocknet und ganz zu Pulver gestossen, wird er noch mit Asche von gewissen Pflanzen vermengt und alsdann in die Schnitte gerieben, die vor dem Biss der Schlangen sichern sollen; darin war nun Brokkodjokko Meister. Er hing den Kopf über den Rauch, doch so nieder, dass ihn sein kleiner Hund erreichen konnte. Dieser, nicht so gelehrt wie sein Herr, wollte den Kopf fressen und blieb unglücklicherweise in den Zähnen des bereits halbgeräucherten Kopfes hängen. Er hing nun wie ein Fisch in der Angel; auf sein klägliches Geschrei eilten wir sogleich herbei, um ihn loszumachen. Er hatte eine kaum bemerkbare Wunde, aus welcher nicht einmal Blut floss, und doch war er nach einer halben Stunde todt; der todte Kopf hatte ihn getödtet.

Auf meinen Märschen nach Mauritzburg oder Imotappie sah ich stets eine Menge Affen, die sich in grossen Truppen hier aufhalten. Nie ging ich nach einem dieser Posten, ohne Hunderte von sogenannten Mungi-Mungis (Simia sciurea) zu finden, die auf den Bäumen herumgaukeln und sich unter tausend Fratzen entfernen, wenn sie Jemand erblicken. Sie sind die niedlichsten Affen Surinams, nicht viel grösser als ein Eichhörnchen, grünlichgrau, mit weissem Bauche und orangegelben Händen. Ihr rundes Köpfchen hat ein weisses Gesicht, einen schwarzen Mund und grosse, dunkelbraune, freundliche Augen. Der kurzhaarige Schwanz, dessen Ende schwarz ist, ist länger, als der Leib. Sitzt das Thierchen, so hält es ihn über den Rücken geschlagen. Diese zärtlichen Thierchen leben von Früchten und Insekten, und sind schwer nach Europa zu bringen.

Eines Morgens ging ich nach Mauritzburg. Als ich auf einem Platze ankam, wo sehr viele Ananas stehen, hörte ich ein mörderisches Geschrei von Affen, die, wie es schien, Händel mit einander hatten. Ich war neugierig, die Ursache zu wissen, legte desswegen meine Batatta auf die Erde und schlich in den Busch. Hier sah ich, wie sich etwa 20 Affen von der Art, welche man Kesi-Kesi (Cebus niger) nennt, und die von der Grösse einer Katze sind, um eine grosse, reife Ananas, welche sie gefunden und abgerissen hatten, auf dem Boden herum balgten. Sie war zu gross, um auf die Bäume geschleppt werden zu können, und zu stachlicht, um sie so stante pede aufzufressen. Ich trat hervor, und blitzschnell flogen alle auf die Bäume, von wo aus sie mit Verwunderung zusahen, wie ich ihre Ananas mitnahm und aufass.

Etwa hundert Schritte von der Kaserne stand am Rande des Waldes ein sehr hoher Baum, der, von keinen Lianen umgeben, in einer Höhe von etwa 60' seine ersten Aeste ausbreitete. An die äussersten Zweige hatten seit langer Zeit grosse, schwarze Ameisen ihre Nester angehängt, die aus einer gelben, schwammigen Substanz bestehen, welche man als Zunder gebraucht und in Paramaribo in kleinen Ballen verkauft. Die Quantität dieser Nester mochte wohl 6 Simri betragen haben. Viele Neger hatten schon versucht den Baum zu fällen, hatten dieses aber, seiner vielen Ausläufer und seines harten Holzes wegen, gehen lassen. Das Hinaufklettern hatte noch keiner versucht, weil diess eine reine Unmöglichkeit zu seyn schien.

Der Kommandant des Flügels hatte mir nun zur Säuberung des Postens zwei Neger gesendet, die einige Tage hier verweilten, und deren Arbeit ich nachzusehen hatte.

Eines Morgens ging ich mit der Flinte in den Wald und sah über mir auf dem genannten Baum etwas Schwarzes, das halb sichtbar durch die Blätter in den Bäumen herumkletterte. Ich hielt es für einen Kwatta (grosser schwarzer Affe, Ateles coaita) und legte darauf an, als eine klägliche Stimme mich bat, nicht zu schiessen. Ich erkannte nun einen der zwei Neger, welcher den Zunder herunterholen wollte. Mit seinem Hauer hieb er die Aeste, welche Nester trugen, ab, und kam mit denselben auf den Posten. Wie der zwischen 60 und 70 Jahren alte Neger auf den Baum gekommen war, erfuhr ich nie; er ertrank auch kurze Zeit nachher in der Casawinika.

Ein guter Freund, der auf dem Posten Armina lag, hatte mir schon vieles Schöne von diesem Platze geschrieben und den Wunsch in mir erregt, ihn zu besuchen. Es war der äusserste Posten des Landes, welcher einsam an der Buschnegergrenze am Marowyne lag. Eine Patrouille von schwarzen Soldaten ging jeden Monat dahin ab, um den Sold zu bringen und die Militärrapporte zu holen. Man sprach viel von dem mühsamen Weg, der durch grosse Moräste und tiefe Kreeken und über 72 Berge führen sollte, daher besonders in der Regenzeit schwierig sey. Aus diesem Grunde werden nur Guiden zu diesen Patrouillen gebraucht, und nur in besonderen Fällen macht ein Blanker die Reise mit. Mein Kommandant erlaubte mir aber, statt eines Guiden dahin gehen zu dürfen, worauf ich für acht Tage, denn so lang dauerte die Reise, Lebensmittel erhielt. Diese bestanden in 8 Pfund Zwieback, 4 Pfund Speck, 4 Pfund Fleisch und 8 Pfund Reis, wozu ich noch Caffee, eine Flasche Zucker und Cacao beifügte. Ein Ränzel mit Kleidungsstücken, ein blechener Topf zum Kochen, ein Kistchen und Netz zum Schmetterlingsfang, ein Gewehr und ein Hauer mussten ebenfalls mitgenommen werden. Als diese Wirthschaft auf meinem Rücken rangirt war, schien es mir selbst unmöglich, so weit kommen zu können.

Für die Dauer meiner Reise wurde ein anderer Soldat nach meinem Posten gesandt.

Erst gegen 11 Uhr verliess ich Mauritzburg in Begleitung zweier Guiden, und zog abwechselnd durch Savannen und Hochwald nach dem sechs Stunden weiter entfernten Posten Oranjebo. Unterwegs findet man weder einen Posten, noch eine Pflanzung. Etwa noch eine Stunde vom Posten entfernt, kamen wir gegen Abend an zwei Moräste, durch welche man bis an die Hüften nicht bloss im Wasser, sondern in einem Brei von stinkendem Schlamm marschiren musste. Gegen 7 Uhr kamen wir auf dem Posten an, wo mich meine Kameraden durch ihre Gastfreundschaft für die Mühseligkeiten meiner Reise entschädigten.

Oranjebo, am obern Comowyne, liegt gerade über dem Fussweg nach Armina, und dient, da es seiner geringen Besatzung wegen, die nur aus einem Korporal und 5 Mann besteht, doch nicht als Vertheidigungsposten zu betrachten ist, blos dazu, die Patrouillen über den Fluss zu setzen. Es liegt keine Pflanzung in der Nähe, und der nächste Posten Imotappie, wo sie ihre Lebensmittel holen, ist vier Stunden entfernt. Fische und Wild sind im Ueberfluss vorhanden, und der obere Comowyne ist wegen seiner köstlichen Haimuras bekannt, eines 10 und mehr Pfund schweren Schuppenfisches, der sehr theuer bezahlt wird. Man fängt sie in zuckerhutförmigen Körben, durch die ein elastischer Stab läuft, der einen, am untern, breitern Ende befestigten Deckel aufgespannt hält. Ein Frosch oder ein Stück Fleisch ist daran befestigt, und so wie der Fisch hineingeräth, fällt der Deckel zu. Der Korb wird unter Sträucher in's Wasser gesetzt und jeden Morgen nach ihm gesehen. Ein Soldat beschäftigte sich ausschließlich mit diesem Fang, und hatte stets einen Vorrath von Fischen.

Des andern Morgens um 7 Uhr betraten wir das jenseitige Ufer und kamen nach einer Stunde an eine grosse, stets unter Wasser stehende Savanne, welche mit Binsen und einzeln stehenden Mauritzen bedeckt war, in denen Legionen Papageien nisteten. Beinahe eine Stunde zogen wir, bis zur Hüfte im Wasser, über diesen Sumpf, welcher von der in der Regenzeit überströmenden Peninika und dem Tempati gebildet wird, und selbst in langen Trockenzeiten nicht austrocknet.

Durch eine Sandsavanne voll niederen Buschwerks war der Weg beinahe nicht zu finden, und nur an abgebrochenen Zweigen erkannten meine Schwarzen den Pfad. Dieser ging, wiewohl in steten Krümmungen sich hinziehend, doch stets südöstlich und von nun an durch einen Hochwald, der so dicht war, dass wir die Sonne nicht sehen konnten. Allmählich erhöhte sich das Land, und wir kamen über Hügel, an deren Fuss sich immer eine Kreek oder ein Sumpf befand.

Oft nöthigten uns umgefallene, ungeheure Bäume, sie zu umgehen oder über sie zu klettern. Ueber tiefe und reissende Kreeks lagen manchmal blos armsdicke Stangen, über welche man seiltänzerartig balanciren musste. Wir fanden zwei grosse Schildkröten, die wir zur Abendmahlzeit mitnahmen. Abends 5 Uhr kamen wir an einige, aus Palmblättern verfertigte Hütten oder Kampen, die zum Nachtlager von früheren Patrouillen gemacht worden waren. Hier hielten wir an, um zu übernachten. Bald brannte ein lustiges Feuer; die Schildkröten wurden geschlachtet; Bananen, welche die Guiden mitgebracht hatten, gekocht und in Schildkrötenbast, Tum Tum (Pudding von Bananen), gestampft. Es war diess eine herrliche Mahlzeit.

Zur Lagerstätte (die Guiden hatten ihre Hängematten bei sich) schnitt ich eine Menge Blätter ab und machte neben das Feuer mein Lager. Man band die Gewehre zusammen, und jeder legte sich schlafen, so unbesorgt, als zu Hause. An das Feuer kam eine Menge grosser, leuchtender Käfer (Elater noctilucus) brummend geflogen, von denen ich ein Dutzend fing und mit nach Mauritzburg nahm. Sie sind etwa 1¼" lang und olivenbraun; der Brustschild ist oben mit zwei bleichgelben, runden, an jeder Seite wie Augen aussehenden und etwas erhabenen Flecken besetzt, deren Licht so stark ist, dass man es selbst im hellen Sonnenschein bemerken kann. Die feinste Schrift lässt sich lesen, wenn man mit dem Insekte über das Gedruckte fährt, mehrere zusammen in ein Fläschchen gethan, machen ziemlich helle. Im Fluge zeigt sich ausser den Augen noch ein starkes, rothes Licht unter den Flügeln auf dem Rücken, das von den mittelsten Ringen herrührt und im Laufen bedeckt ist. Das Licht der Augenflecken kann der Käfer vermindern oder vermehren.

Die Nacht war ziemlich kalt, so dass mir ein warmer Caffee, der schnell bereitet war, gut bekam. In der Hütte liessen wir einen Theil unserer Provision für die Rückreise, und zogen nach beendigtem Frühstück weiter.

Beim Herabsteigen eines ziemlich hohen Bergs wurden wir auf einem wenig belaubten, hohen Baume zwei Kwattas (Ateles coita) gewahr, die sich in der Morgensonne wärmten. Der eine erblickte uns, ergriff den andern beim Schwanze und machte ihn auf uns aufmerksam. Sie sahen uns bedächtig an und machten sich erst, als ein Guide auf sie anlegte, mit einem verwunderungsvollen O! O! aus dem Staube.

Das Land wurde nun immer höher. Mittags kamen wir an den sogenannten rothen Berg, der auf der einen Seite sehr steil, beinahe lothrecht ist und durch Klettern erstiegen werden muss. Er kann etwa 150' hoch seyn. Auf seinem Gipfel befinden sich mehrere grosse Bäume, in welche man gewöhnlich den Namen einschneidet, um die Heldenthat, diesen Berg erstiegen zu haben, zu verewigen.

Eine klare, eiskalte Kreek fliesst an seinem Fusse. Abends 5 Uhr hörten wir das Brausen der Marowyne, die über zahllose Klippen cascadenweise stürzt.

Unsere Abendmahlzeit bestand wieder in Schildkröten, deren es in dieser Gegend sehr viele gibt. Die Nacht ward ebenfalls im Kampe zugebracht. Gegen 9 Uhr des andern Morgens sahen wir von einer Anhöhe aus den prächtigen Strom mit seinen Inselchen und Klippen, sowie den Posten in einem Walde von Bananenbäumen vor uns liegen. Ungesehen kamen wir in den Bananengrund, wo wir drei Schüsse, das Zeichen der Patrouille, abfeuerten. Alles stürzte uns entgegen; denn Jedermann verlangte nach Neuigkeiten, deren man auf diesem so einsamen und abgelegenen Posten so wenig erfährt. Mein Freund aber, um dessenwillen ich die Reise gemacht hatte, war vor 14 Tagen gestorben.

Der Posten, von einem Lieutenant commandirt, bestand etwa aus 24 Mann, 8 zum Transport der Lebensmittel bestimmte Neger ausgenommen. Auch ein Hospital und ein Doctor befanden sich hier. Alle Gebäude, meistens aus Pinapalmen (Oenocarpus?) errichtete Hütten, unter denen bloss das Kommandantenhaus aus Brettern besteht, waren von Pallisaden umgeben, und umschlossen einen viereckigen Platz, um welchen gut erhaltene Hecken von Lianen sich zogen, und in dessen Mitte ein Flaggenstock und Sonnenweiser standen.

Die Kaserne war höchst baufällig, hatte nicht einmal einen Fussboden, und war auch desshalb, wenn der Strom austrat, nicht bewohnbar.

Das Land ist ausserordentlich fruchtbar, und die Gärten der Soldaten, deren jeder einen hatte, lieferten Gemüse und Feldfrüchte im Ueberfluss.

Nie kann hier unter der Leitung eines verständigen Kommandanten Mangel eintreten, und der jetzige hatte sein Möglichstes gethan, um durch Zwang und gute Worte die Leute seines Detachements zu ihrem eigenen Wohl zur Arbeit anzuhalten. Mit Fischen und Wild wurde man täglich von Buschnegern und Indianern versorgt, welche Salz dafür eintauschten.

Der Posten ist ungeachtet seiner schönen Lage als sehr ungesund bekannt; es starben auch in selbigem Jahre von der Besatzung, die 16 Mann betrug, sieben; doch herrscht diese Sterblichkeit nicht jedes Jahr, auch getraue ich mir nicht, sie allein dem Klima zuzuschreiben.

Gemeiniglich werden nach solchen weit abgelegenen Posten die unbrauchbarsten und schlechtesten der Compagnie gesandt, deren Gesundheit durch langes Saufen zerrüttet ist, und die sich nun an eine Lebensweise gewöhnen müssen, bei welcher man nicht immer Branntwein haben kann. Manchmal kaufen sie heimlich von Buschnegern grosse Krüge Dram, den diese von Paramaribo mitbringen und sich theuer zahlen lassen. Diesen trinken sie dann um so gieriger, je länger sie ihren Lieblingstrank entbehren mussten.

Die Nächte sind kühl, die Tage aber drückend heiss, weil die vielen Felsen eine grosse Hitze zurückwerfen. Ich besuchte den eine Viertelstunde vom Posten entfernten, in der ganzen Colonie seiner Grösse wegen bekannten Mama- oder Cattantreebaum (Bombax ceiba), den grossen Abgott der Aucaner-Buschneger, zu welchem ein durch den Wald gehauener Weg führte. Der etwa 80' hohe Stamm dieses prächtigen Baumes hat gegen 8' Durchmesser, und bildet mit seinen Ausläufern oder Sprossen, die bis zu einer Höhe von 10' gehen, grosse Kammern, worin sich verschiedene Personen verbergen können. Er ist ganz mit stumpfen Stacheln bedeckt. Das Eigenthümliche dieser Bäume ist, dass sie nicht alle Jahre blühen und in der Blüthezeit keine Blätter haben. Die Frucht ist von der Grösse eines Gänseeies und enthält eine Menge der feinsten, hellbraunen Seide, die, in die Hülle dicht gepresst, viele schwarze Samenkörner umgibt. Blätterlos, nur mit seinen Früchten behangen, steht der Baum des Abends da; knallend öffnen sich die Früchte meistens in Einer Nacht, zerstreuen ihren Inhalt in grossen Flocken, und des Morgens steht dieser Riese des Pflanzenreichs in einem seidenen Mantel, der von allen Zweigen niederhängt und einen wundervollen Anblick gewährt. Die Colibris machen hauptsächlich mit dieser Seide ihre Nester. Sind die Früchte abgefallen, so kommen die Blätter zum Vorschein. Das Holz ist weich und schwammig und desshalb nicht brauchbar.

Dieser Baum also wurde von den Aucaner-Buschnegern verehrt. Wenn sie von ihren Dörfern kamen, so opferten sie Fleisch und Fische; kamen sie dagegen von Paramaribo, so wurde er mit Wein oder Dram tractirt. Die Soldaten des Postens halfen gleich nach dem Abgange der Neger dem Gott von seinen Eiern und Getränken; Flaschen, Teller und Brabis (Buschnegerschüsseln von gebranntem Thon) aber lagen haufenweise in den Kammern des Baumes, und drei, ebenfalls enorme Cottontrees standen in einiger Entfernung.

Ausser diesem Abgotte, der seinen bleibenden Tempel hier hatte, zeigte sich zuweilen auf Armina eine Göttin höchsten Ranges, die sogenannte Wassermama. Man hatte sie einigemale auf dem Felsen sitzen sehen, doch konnte ich auch von denen, die sie gesehen haben wollten, nichts über ihre Gestalt und Farbe hören.

Man glaubt, dass der Manati die Veranlassung zur Fabel von Meermenschen gebe; doch hier wenigstens kann diess nicht der Fall seyn, da ein so schwerfälliges Thier nicht bis an die Klippen des obern Marowyne kommen kann.

Merkwürdig ist die Menge von Fledermäusen, die sich in den Häusern des Postens aufhalten. Gegen Sonnenuntergang sieht man Wolken derselben aus ihren Schlupfwinkeln nach der französischen Seite ziehen, und die Soldaten sind genöthigt, die ganze Nacht hindurch Licht zu brennen, um nicht gebissen zu werden. Diess ist die einzige Plage, welcher man hier ausgesetzt ist.

Den dritten Tag nach unserer Ankunft verliessen wir Armina wieder. Mein Jagdgewehr hatte ich verkauft. Statt desselben hingen zwei Käfige (Koerikoeri) aus Varimbo, einer Art indianischen Rohrs, mit einem sehr zahmen Pfefferfrass und einem Papagey nebst einem Affen an meinem Ränzel festgebunden. Letzterer schrie immerwährend und erfasste jeden Zweig, den er bekommen konnte. Der Tucan, dessen langer Schnabel in dem kleinen Käfige nicht Platz genug hatte, starb nach ein paar Stunden.

Abends assen wir ein Fricassee von einem Leguan, den ich von Armina mitgenommen hatte.

Hier hörte ich im Kampe die Stimme eines Vogels, der, wie ich mehrere Jahre nachher sah, von der Grösse einer Taube und braunroth ist, und einen nackten kahlen Kopf hat. Ich kann sie nur mit dem Tone einer verstimmten Posaune vergleichen; sie ist auch so laut, dass sie am jüngsten Gericht leicht die Todten erwecken könnte. Die Indianer nennen ihn Kwau (Gymnocephalus calvus); er gehört in das Geschlecht der Fliegenschnapper.

Den zweiten Tag waren wir so nahe bei Oranjebo, dass wir sehr leicht noch vor Nacht hätten den Posten erreichen können; diess wollten übrigens die Guiden nicht, welche nicht gerne mehr thaten, als ihnen vorgeschrieben war.

Am vierten Tag war ich wieder auf meinem Posten zurück. Die Sümpfe verminderten sich in der Umgegend von Tag zu Tag, und es war nicht möglich, die Fische, welche ich in meinen Maschoas fing, aufzuessen. Täglich bekam ich Besuche von Kameraden anderer Posten, welche hier Fische fangen und essen wollten. Diese hatten sich aus dem Walde, wo Alles eingetrocknet war, in die Gräben, welche längs des Cordons hinliefen, zurückgezogen. Sie verbargen sich hier unter den Blättern von Wasserlilien, oder im Schlamme. Mit scharfen Hauern (Säbeln) wateten wir in die Gräben und schlugen die Stöcke und Blätter ab, um die darunter befindlichen Fische zu treffen. Jeder hatte seinen eigenen Distrikt, damit wir uns nicht gegenseitig verwundeten.

War alles klein gehauen, so durchsuchte man mit den Händen den Graben, und warf die verwundeten Fische ans Ufer. Ein alter Soldat, der mich besuchte, zog auf diese Weise eine etwa 3' lange Schlange hervor, die er für einen Aal hielt, und auch seinen Irrthum nicht bälder bemerkte, bis sie ihn in den Arm gebissen hatte. Glücklicherweise war auch Brokkodjokko hier, der in seiner Jagdtasche stets seine Zaubermittel mit sich führte, und jetzt mit wichtiger Miene sein schwarzes Pulver in die Wunde rieb. Der Biss hatte keine Folgen, vielleicht weil er unterm Wasser geschah [4].

Im Oktober und November fingen wir eine unglaubliche Menge der köstlichsten Fische. Alle Kreeken waren eingetrocknet, und ihre Bewohner zogen sich nach den Plätzen oder Löchern hin, wo noch etwas Wasser stehen geblieben war. Hier sah man sie manchmal zu Tausenden ihre Köpfe aus dem Wasser strecken, dabei sich so viel wie möglich sortenweise abgesondert halten, so dass man, wie in einem Fischhause, von jeder Art die schönsten und besten aussuchen konnte. Doch war diess ein schlimmes Geschäft, welches man nackt verrichten musste, und nach welchem man ein paar Stunden zur Reinigung brauchte. Der üble Geruch faulender Fische, welche schuhhoch längs der Gräben lagen, war unausstehlich, und Schaaren von Aasvögeln hielten hier immerwährend Mahlzeiten.

Hier sah ich unter den gemeinen Geyern einige Dutzende sogenannter Geyerkönige (Vultur papa), die sich durch ihre Schönheit vor den andern auszeichnen, auch im Fressen den Vorrang haben. Nie sah ich diese Vögel in solcher Anzahl, da sie sonst selten und nur einzeln gesehen werden.

Wir hatten 11 grosse Barbacats (von hölzernen Stäben verfertigte Roste) auf dem Posten errichtet, über welchen über 1000 Fische zum Räuchern lagen, obgleich wir kleine und schlechte nicht genommen hatten.

In dieser Zeit des Ueberflusses thaten auch die Zimmerneger ihr Möglichstes, um Fische zu fangen, und liessen Axt und Säge so lange ruhen. So kam es, dass erst in der Mitte Novembers ein Haus fertig wurde, das vier europäische Zimmerleute in drei Wochen, dazu noch besser und solider, aufgeführt hätten, als diese eilf Schlingel in vier Monaten.

Noch ehe ich meine neue Wohnung bezog, wurde ich, was anderswo noch nie geschehen war, von einer Fledermaus gebissen. Ich wachte Nachts auf und fühlte, dass ich über und über nass war. Um die Ursache zu entdecken, machte ich Licht und fand zu meinem grössten Erstaunen, dass Hemd und Hängematte von Blut trieften. Dieses rann mir, ohne dass ich den mindesten Schmerz fühlte, aus der Nasenspitze, wo ein linsengrosses Stückchen abgebissen war. Man hatte sonst nie Vampyrs auf Nepheusburg bemerkt, und wahrscheinlich wurden sie durch die Ausdünstung der Neger herbeigezogen. Meine Hühner wurden in der Folge jede Nacht gebissen, und wie sorgfältig ich auch ihren Stall schloss, fand ich doch jeden Morgen neues Blut, das aus Hals, Füssen und Kamm tropfte. Sie wurden dadurch so geschwächt, dass sie nicht mehr auf ihren Stöcken sitzen konnten. Aniswiriwiri, Blätter einer nach Anis riechenden Staude, zum Geschlecht des Pipers gehörend, halfen auch nicht, wiewohl die Fledermäuse deren Geruch nicht ertragen können.

Auf vielen Pflanzungen werden Pferde und Vieh so von Fledermäusen gebissen, dass sie mager werden und sterben. Der Geruch eines Bocks, den man im Pferdestall hält, soll sie ebenfalls verscheuchen. Zur kleinsten Oeffnung kriechen diese Thiere hinein, und wo ihnen der Raum nicht zu fliegen gestattet, da kriechen sie.

Das Haus war endlich fertig und stund mitten auf dem Wege, gewährte daher die Aussicht nach beiden Seiten des Cordons, und war desshalb viel zweckmässiger, als das frühere.

Der Zimmermeister mit seinen Gesellen hatte uns verlassen, und an die Stelle lärmender Arbeit traten wieder Einsamkeit und Stille.

Um diese Zeit ging eine Buschpatrouille aus der obern Comewyne-Division in die Sümpfe und Wälder an der Tampati und dem Peninika-Kreek, wo, wie man erfahren hatte, ein Dorf von weggelaufenen Sclaven bestand. Alles ward geheim gehalten, und ausser dem Commandanten der Patrouille wusste Niemand, wohin es gehen sollte.

Einige Tage nach deren Zurückkunft sass ich gegen 8 Uhr Abends in meiner Kammer und las, als ich Brokkodjokko, der Bananen röstete, laut »Wer da?« rufen hörte. Neugierig zu wissen, wer so spät noch ankäme, öffnete ich den Laden und sah etwa 50 Schritte vom Hause entfernt eine in Weiss gekleidete Person. Unbeweglich stand dieselbe, und auf meine Aufforderung, sich erkennen zu geben, folgte keine Antwort.

Brokkodjokko hatte indessen geladen und schoss, worauf diese räthselhafte Erscheinung verschwand.

Zugleich hörten wir von verschiedenen Seiten des Waldes Negersignale, ein lautes Hoh, um sich einander zu erkennen zu geben. Ich dachte sogleich an die Patrouille und schloss, dass es durch sie verjagte Wegläufer wären, die des Weges unkundig den Posten passiren wollten. Wir luden unsere Gewehre, verschlossen das Haus und wachten die ganze Nacht; doch liess sich nichts sehen noch hören. Des Morgens berichtete ich den Vorfall dem Commandanten, worauf der Posten um einen Mann verstärkt wurde. Doch nicht lange mehr durfte ich mich der nun grösseren Sicherheit erfreuen, denn gegen das Ende des Jahrs kündete mir Brokkodjokko, der Lebensmittel von Mauritzburg brachte, mit Freudengeschrei an, dass ich zum Vicecorporal ernannt wäre. So stand ich endlich auf der Leiter zur höchsten Macht!

Fünfter Abschnitt.
Versetzung nach Mauritzburg. Gürtelthiere. Arowak-Indianer, Vanille. Schlangen und Mittel gegen den Biss. Aberglauben. Gefangene Sträflinge. Abreise von Mauritzburg. Ueberschwemmung. Post L'Esperance. Gewitter. Ankunft in Paramaribo. Militärischer Dienst. Abreise nach Nickerie. Reisegenossen, Post Poelepantje, Bakramasango, Uitkyk, Groningen, projektirte Stadt Columbia, Nassau, de Hoop. Ein unglücklicher Doktor. Das Holzetablissement Andresen. Zitteraal. Bivouac. Besuch bei einer Arowakenfamilie im Waiambo. Post Maratacca. Ein zänkisches Weib. Pflanzung Botanybai. Der Posten Nickerie und seine Umgebung. Militärischer Dienst. Ein spekulativer Jude. Pflanzung the Nursery. Waterloo. Mangel an Trinkwasser. Ueberfluss an Fischen. Der Kwikwi, der Kaiman, die Beutelratte. Jagden auf Wasservögel. Wachtdienst auf dem Beschermer. Fertigkeit der Indianer im Schwimmen. Buschpatrouille nach der Nauwaykreek. Die Boa. Der Prediger. Reise nach den Savannendörfern des Maratacca. Eine leuchtende Pflanze. Die Savannen. Die Awara-Palme. Ein weggelaufener Neger. Abreise nach Paramaribo. Der Posten Alsimo.

Ich hatte dieses Avancement der Empfehlung des Kommandanten zu verdanken, dessen Gunst ich besass und der im Laufe meiner Dienstzeit, wie noch später, mir viele Beweise seines Wohlwollens gab. Sein uneigennütziger, männlicher Charakter flösste jedem Untergebenen die Achtung vor ihm ein, welche der Soldat seinem Vorgesetzten schuldig ist.

Dienst und Ordnung waren auf dem ihm untergebenen Posten die Hauptsache. Alle Völlerei wurde aufs Strengste bestraft, dagegen aber dem, der seinen Pflichten nachkam, so viel Freiheit und Vergünstigung, als nur möglich war, gewährt. Nie waren vor der Zeit seines Kommando's die Wege und Posten in so gutem Zustande; denn die Neger, welche das Gouvernement zu diesem Zweck auf den Posten hielt, wurden nur dazu und nie zu seinem eigenen Vortheile verwendet.

Es befand sich weder ein Kaufladen, noch eine Herberge auf dem Posten, und der Soldat, der von da in die Garnison zurückkehrte, hatte Kleidung und Geld, und konnte während der magern Garnisonszeit sich damit gütlich thun.

Ich verliess Nepheusburg den 1. Januar 1838 und kam nun auf Mauritzburg zurück, wo ich unter den drei Korporalen der jüngste war.

Es fiel mir Anfangs schwer, mich in meine neue Lage zu schicken, die freilich von der freien, unordentlichen Lebensweise auf Nepheusburg sehr verschieden war. Meine Füsse, die so lange Zeit ans Barfussgehen gewöhnt waren, durfte ich jetzt nicht mehr ohne Schuhe sehen lassen, und ohne Hemd zu gehen wäre ein Criminalverbrechen gewesen.

Dessenungeachtet hatte ich überflüssig Zeit, um in den umliegenden Wäldern und Savannen nach Insekten zu jagen, und Bücher, welche mir der Commandant und der Doktor liehen, verscheuchten die Langeweile, wenn der Regen meine Wanderungen verhinderte. Einige Soldaten des Postens, die im Besitze eines zur Jagd von kleinem Wilde abgerichteten Hundes waren, brachten häufig Schildkröten, Armadille und Kaninchen nach Hause, die in den Waldungen der Umgegend sehr zahlreich sind. Von Armadillen, wovon das gemeine hier Capassi (Dasypus novemcinctus) genannt, häufig in sandigem Lande vorkommt, wo es sich in Höhlen unter der Erde aufhält, habe ich verschiedene Arten kennen lernen. Es sind dumme, nächtliche Thiere, die den Tag über wenig ihre Höhlen verlassen, und von Würmern und Insekten leben, die sie beim Wühlen finden.

Sie werden sehr fett, und man findet sie häufig 25 Pfund schwer. Ihr Fleisch ist weiss und mürbe, hat aber einen starken Moschusgeruch, den man ihm benimmt, wenn man es über Nacht im Salz- und Citronenwasser stehen lässt. Es wird beinahe allgemein gegessen.

Die zweite, sehr seltene Art ist Dasypus unicinctus. Dieses Thier ist kleiner als das vorige, etwa 1' lang und ½' breit. Der bloss mit einer starken, warzigen Haut bedeckte Schwanz ist spärlich behaart, hat aber am letzten Drittel Hornblättchen und von der Wurzel an 9" Länge. Der 3" lange und 2" breite Kopf ist oben mit 36 hornigen Plättchen bepanzert. Es hat 1½" lange und ebenso breite Ohren, 5 Krallen an den Vorder- und Hinterfüssen, von welchen die mittelste der ersteren 2" lang ist. Im Ganzen gleicht es viel dem grossen Gürtelthier, dessen Lebensart es auch hat. Die Indianer nennen es Katuberu, essen es übrigens nicht.

Das dritte endlich ist das grosse oder Riesengürtelthier (Dasypus gigas), von den Indianern Manuraima genannt. Es ist sehr selten und hält sich, wie die andern, in Höhlen sandiger Wälder auf. Ich habe dieses Thier bloss einmal bekommen, vergass aber, es zu beschreiben. Es kann gegen 80 Pfund schwer und, den Schwanz mitgerechnet, bei 6' lang werden; die Höhe beträgt dann etwa 20". Es ist ausserordentlich stark und obgleich es nicht beisst, noch sich sonst vertheidigt, so gräbt es sich doch so schnell ein, und hat so viele Gänge unter dem Boden, dass es kaum möglich ist, ihm nachzukommen. Seine Nahrung besteht ebenfalls in Würmern; man sagt aber, dass es sich auch von Aas nähre. Sein Fleisch ist ungemein fett und gut zu essen, wenn man ihm den starken Moschusgeruch genommen hat. Der Nagel der mittelsten Vorderzehe ist bei 6" lang.

Die Indianer, welche sich in der Nähe des Postens angesiedelt hatten, waren bald meine Freunde, und ich begleitete sie häufig auf ihren Jagdzügen. Ihre Hütten waren auf einer grossen Savanne am Rande des Waldes, in dem ein kleiner Bach floss, der ihnen Wasser und Fische gab. Sie gehörten zum Stamme der Arowaken, waren sehr faul, und zogen, wenn ihr Vorrath von Dram und andern Plantage-Produkten zu Ende war, nach den Pflanzungen der Comowyne, wo sie neuen bettelten.

Auf diesen Savannen finden sich viele wilde Ananas und in den Gebüschen eine Menge Vanille, deren schöne, hellgrüne, lederartige Blätter guirlandenartig von den Bäumen herabhängen und sich so verbreiten, dass eine Pflanze manchmal 20 Bäume bedeckt. Die Ranke, deren Blätter abwechselnd stehen, ist rund, fleischig, etwa daumendick und klammert sich mit kleinen Häkchen am Stamme an.

Die Blätter dieser Vanille sind länglich, oval zugespitzt, 10" lang, 4" breit und 1/8" dick. Die Blüthen sind gross, gelb und ohne Geruch, fallen häufig ab, so dass von 100 kaum 20 Früchte geben. Die Frucht selbst ist eine 7-8" lange, 1" dicke, dreieckig abgerundete Schale. Sie gleicht viel einer jungen Banane und wird unreif abgenommen, um das Aufspringen zu verhüten, sie ist mit feinen, schwarzen Körnern angefüllt, welche die wohlriechende Substanz ausmachen. Obgleich diese Vanille an Geruch und Kraft die gebräuchliche übertrifft, so ist sie doch kein Handelsartikel, und da sie schwer zu bekommen ist, auch nirgends angepflanzt wird, so wird sie wahrscheinlich es auch nie werden.

Eine andere Art von Vanille, mit breiteren, nicht so fleischigen Blättern, die an den Kreeken und Flüssen des höheren Landes wächst, liefert eine 7-8" lange und ½" breite, runde Schote von ebenfalls herrlichem Geruch.

Eine dritte endlich hat schon kleine, mehr herzförmige, fleischige Blätter und eine fingerslange, runde Schote.

Eine kleine halbe Stunde unterhalb des Postens liegt an der Cassawinika der kleine Holzgrund Copie, dessen Eigenthümer als Schlangenbeschwörer in der Umgegend bekannt war. Sie geniessen bei ihm zwar keinen Tanzunterricht, auch nimmt er sie nicht in die Hände, aber, was noch viel wunderbarer klingt, er pfeift sie stundenweit herbei. Gesehen habe ich diess zwar nicht, man führt aber so viele Thatsachen an, dass man es ungesehen glauben muss. Die Schlangen eilen auf den Pfiff herbei, was bei den meisten giftigen, die ein ziemlich bedeutendes Embonpoint haben, nicht sehr schnell gehen kann, und kommen, so sagt man, todtmatt zu des Meisters Füssen an. Man kann sie alsdann leicht tödten. Es wimmelt übrigens in der Umgegend von Schlangen und manche Ente wurde eine Beute derselben.

Ich halte Alles, was man von dergleichen Mysterien erzählt, für Fabel, und auch das Schneiden gegen Schlangenbiss, woran so allgemein geglaubt wird, ist gewiss nichts weiter als Charlatanerie.

Während der langen Zeit meines Aufenthaltes in Surinam habe ich hinlänglich Gelegenheit gehabt, die meisten Schlangenarten kennen zu lernen, und ich bin davon überzeugt, dass, zum Glück der Bewohner, unter allen Schlangen bloss höchstens zehn Procent giftig sind. Die ungiftigen halten sich entweder im Wasser oder auf Bäumen auf, sind lang und schlank, mit langem, geisselartigem Schwanz versehen, rasch in ihren Bewegungen und ergreifen sogleich die Flucht. Sie sind beinahe alle von lebhaften Farben; zuweilen, wie die Corallenschlange, prächtig roth, gelb oder blau oder grün, wie die Papageienschlange.

Beinahe alle lieben die Sonne und liegen in den Zweigen der Bäume. Häufig kommen sie in die Häuser, wo sie unter den Cingeln (Sokeln) nach Insekten, Fröschen und Eidechsen jagen.

Es sind überhaupt hübsche und reinliche Thiere, die in jeder Beziehung nützen. Die Aboma- oder Riesenschlangen sind eben so wenig giftig, werden aber dadurch schädlich, dass sie den Enten und anderem Federvieh nachstellen.

Man kennt zwei Arten derselben, wovon die erstere oben dunkelgrau, mit schwarzen, herzförmigen Flecken geziert ist; die untere Seite dagegen ist blassgelb und am After befinden sich zwei Haken. Sie lebt im Wasser, und man trifft sie meistens am Ufer der Flüsse, wo sie in den Zweigen der Bäume, zu Klumpen zusammengerollt, tagelang liegt. Diese Schlangen erreichen zuweilen eine furchtbare Länge, und es soll im Jahr 1834 auf Victoria eine von 44' Länge geschossen worden seyn, was ich jedoch nicht verbürgen kann.

Die andere Art ist die Hochlands-Aboma (Boa canina), hier Papaschlange genannt, ein Abgott vieler Neger. Es ist nicht leicht ein schöner und regelmässiger gezeichnetes Thier zu finden. Sechseckige, hellbraune Flecken laufen auf dem Rücken hin bis zum After, während auf den Seiten braunrothe, aschgraue, schwarze und weisse Flecken abwechseln. In der Sonne schillert alles in Regenbogenfarben. Ihre Länge beträgt etwa 12' und ihre Dicke kommt der eines starken Menschenschenkels gleich.

Die giftigen Schlangen sind besonders daran zu erkennen, dass sie meist kurz und dick sind, auch einen kurzen, runden Schwanz haben. Sie haben einen flachen, beinahe dreieckigen Kopf und eine dunkle, wenig ins Auge fallende, meist braune oder schwärzliche, schmutziggelbe oder schwarzgefleckte Farbe. Die meisten haben sogenannte Kielschuppen. Meist liegen sie träge in Löchern von Bäumen, an feuchten, dunklen Orten und lassen sich lange reizen, ja sogar treten und schlagen, ehe sie beissen. Ueberhaupt scheinen sie ihre tödtliche Waffe nicht gerne zu gebrauchen, und die ihnen nachgesagte Falschheit oder List sind Prädikate, welche man mit demselben Recht jedem anderen Thiere beilegen könnte. Hat nun einer, der gegen den Schlangenbiss geschnitten ist, die feste Ueberzeugung, dass ihn keine Schlange beisse, so ist es ihm gar leicht möglich, dieses träge Thier zu fassen, ohne gebissen zu werden. Diess könnte auch ein Jeder thun, ohne geschnitten zu seyn, und ich bezweifle, ob ein Geschnittener, wenn er gebissen wird, mit heiler Haut davonkommt.

Unter den weissen Gefangenen im Blockhause war einer, der, obgleich im Sklavenkittel, durch seine Unterhaltung mich für alle Gesellschaft meiner Kameraden entschädigte. Er hiess Alexander Bariteaud und war ein geborner Franzose. Als Capitän unter Napoleon, hatte er den Dienst verlassen und war Befehlshaber einer Caper-Goelette im Dienst von Buenos Ayres geworden. An der Küste von Guinea nahm er ein grosses, zum Sklavenhandel ausgerüstetes, brasilianisches Schiff, dessen Equipage er, wie man sagte, in eine Schaluppe aussetzte und mit der Prise nach den Antillen segelte, wo er eine holländische Brigg traf, der er sich ergab, und die nun beide Schiffe nach Surinam brachte.

Nach langem Prozesse, in welchem die Landjustiz eine von der der Marine verschiedene Meinung äusserte, wurde er, wie seine zwei Offiziere, als Seeräuber behandelt und zu zwanzigjähriger Festungsarbeit verurtheilt. Die Equipage, welche aus etwa 40 Mann von allerlei Nationen bestand, wurde freigegeben. Der Schooner und die Prise wurden auf Rechnung des holländischen Gouvernements verkauft.

Schon sieben Jahre hatte er in der Gefangenschaft zugebracht, war auch von allen Kommandanten schonend behandelt worden. Obschon seine Haare bleichten, blieb doch sein Sinn fest und Unterwürfigkeit war ihm fremd.

Da er vielseitig gebildet war, so waren auch die Erzählungen seiner Abenteuer höchst interessant. Auch in Handarbeiten, als Nähen, Strohflechten, Formschneiden u. s. w. war er vollkommener Meister. Holländisch wollte er nie lernen; wir sprachen desshalb immer französisch, und zugleich unterrichtete er mich im Englischen, wozu Popes Homer-Lexicon und Dictionair diente.

Mein Aufenthalt auf Mauritzburg dauerte nur fünf Monate; denn Anfangs Juni wurde ich abgelöst, um in die Garnison zurückzukehren.

Diess war nun wieder nicht nach meinem Sinn; doch hatte ich lange genug auf Posten gelegen, um darüber nicht mit Recht unzufrieden seyn zu können. Ausser mir wurden auch ein Corporal und sieben Mann dazu bestimmt, mit mir nach Paramaribo zurückzukehren. Es war gerade in der grossen Regenzeit. In Folge der heftigen Regengüsse, welche verschiedene Tage lang andauerten, war die Cassawinika so angeschwollen, dass die ganze Ebene von Mauritzburg bis Gouverneurslust einem See glich. Der Cordonweg zwischen beiden Posten war 2' tief unter Wasser, und nur der obere Theil der Cassawinikabrücke ragte noch als erhabener Punkt hervor.

Die Pont, welche uns nach Paramaribo bringen sollte, lag bei der Brücke und wir mussten desshalb bis um die Hüfte im Wasser marschiren, wobei man die Brücke immer im Auge zu behalten hatte, um nicht in die längs des Weges laufenden tiefen Gräben zu fallen, in welchen das Wasser über 10' tief stand. Aus Missverstand oder aus allzugrossem Diensteifer hatte der Sergeant des Postens befohlen, dass wir bewaffnet und in Uniform dahin marschiren sollten. Dieser Befehl war aber durchaus nicht nach unserem Geschmacke; denn einige Tage zuvor hatten wir allen unsern militärischen Putz gereinigt, um bei unserer Ankunft in der Garnison Alles in Ordnung zu haben. Dagegen half natürlich kein Schelten und Fluchen. Man nahm das Wohlverpackte wieder aus den Kisten und trat Morgens 9 Uhr den Marsch nach der Brücke an.

Der Regen fiel in Strömen herab und das Wasser eilte mit reissender Schnelligkeit nach der Kreek. Der Kommandant, der uns durch das Fernrohr so aufgeputzt durch das Wasser marschiren sah, ahnte die Sotise des Sergeanten und kam zu Fusse von der andern Seite her an die Brücke, weil sein Pferd nicht durch das Wasser wollte. Der Sergeant war zu Hause geblieben, weil er nasse Füsse scheute und musste geholt werden. Er bekam eine derbe Nase, zu welcher wir von der Pont aus ein Hurrah beifügten, und dann unter schrecklichem Regen abzogen.

Pfeilschnell ging es auf der Cassawinika hin, die in den vielen Krümmungen nordöstlich nach der Comowyne läuft.

Vor 2 Uhr befanden wir uns bereits auf dem Posten l'Espérance, der an der Ueberseite der Comowyne, oberhalb der Mündung der Cassawinika, liegt. Hier wurden wir von einem Sergeanten erwartet, der uns nach der Stadt bringen musste. Wir verliessen mit anbrechender Nacht den Posten und hielten des andern Mittags bei beginnender Fluth an der jetzt verlassenen Caffeepflanzung Bergerac. Ein heftiges Gewitter nöthigte uns, in der Pont zu bleiben; denn der Regen stürzte, wie aus Eimern geschüttet, vom Himmel.

Plötzlich erfolgte ein Donnerschlag, der so heftig war, dass uns Hören und Sehen verging. Der Blitz hatte kaum fünf Schritte von uns ins Wasser geschlagen. Zugleich sahen wir, dass der vordere Giebel des Caffeemagazins, sowie das Dach der Mühle durch die Gewalt der Blitze zertrümmert waren.

Im oberen Stockwerk, aber glücklicherweise auf der andern Seite, waren etwa 15 Kinder mit Caffeeschäufeln beschäftigt, so dass keines von ihnen beschädigt wurde.

Als der Regen aufhörte, besichtigten wir den Schaden. Ein sehr pfiffiger Soldat suchte eifrig den Donnerkeil, der das Gebäude sollte getroffen haben. Er griff desswegen in alle Krötenlöcher, die er in der Nähe desselben antraf und fand endlich zu unsrer grossen Belustigung in einem derselben einen grossen eisernen Thürangel, den er endlich, aber erst nach genauer Untersuchung, für einen solchen erklärte.

Gegen Mittag des andern Tages überfiel uns im Surinam ein so heftiger Sturm, dass wir in grosser Gefahr waren, zu sinken; denn die plumpen, platten Ponten füllen sich bei starkem Wellenschlag leicht mit Wasser.

Aber auch hier begünstigte uns das Glück. Wir erreichten das jenseitige Ufer des Stroms und hielten uns an den Zweigen, bis der Sturm sich gelegt hatte.

Mittags 3 Uhr waren wir am Orte unserer Bestimmung, in Paramaribo, angekommen. Hier erwartete mich nun wieder ein ganz anderes Leben als das, welches ich bisher geführt hatte.

Es waren nur wenige Corporale in der Stadt und desshalb der Dienst ziemlich schwer. Wir mussten jeden andern Tag auf die Wache und wurden, besonders bei der jetzigen Regenzeit, zuweilen bis auf die Haut durchnässt, was keine Kleinigkeit war.

Kaum von der Wache in die Compagnie zurückgekommen, bekam man den Dienst der Woche, bei welchem man für Alles zu sorgen hatte, was Reinlichkeit und Ordnung betraf, wenn man sich nicht die grässlichen Flüche der Sergeanten auf den Hals laden wollte. Kurz, es gibt keine geplagtere Charge bei dem Militär, als den Korporal, der mit den Soldaten sich nicht gemein machen darf und doch von den Unteroffizieren entfernt gehalten wird. Es ist dieser Rang so ziemlich analog dem der Blankoffiziere und ein trauriges Mittelding zwischen Seyn und Nichtseyn.

Zum Glück dauerte mein Aufenthalt in der Garnison nicht lange; denn gegen die Mitte Augusts 1838 erhielt ich den Befehl, mich mit einem bereit liegenden Tentboote nach dem Posten Nickerie zu begeben.

Mein Kommandant auf Mauritzburg war zum Landdrost des Niederdistrikts Nickerie ernannt und hatte die Güte, mich dahin kommen zu lassen.

Ein Sergeant, der auf Urlaub in der Stadt gewesen war, kehrte mit dem Boote nach dem Posten zurück. Die Wittwe eines kürzlich verstorbenen Offiziers benützte ebenfalls diese Gelegenheit, um einer Freundin, die auf einer Pflanzung am Coppename wohnte, einen Besuch abzustatten. Die Bagage dieser Dame nahm den grössten Theil des Tentes ein, und ihre Hut- und Haubenschachteln bildeten kleine Pyramiden, welche an die Decke stiessen.

Gerudert von acht kräftigen Indianern, fuhren wir Abends 4 Uhr von Paramaribo ab.

Ein Schiff, das nach den Nickeries geht, macht die Reise dahin meistens in einem Tag, weil Strom und Wind gleich günstig sind. Ein Boot aber, das durchs Innere geht und alle Krümmungen verschiedener Flüsse und Kreeken zu passiren hat, braucht 8-10 Tage zur Reise.

Wir kamen nach den letzten Häusern der Stadt in den Wanika-Kanal, an welchem ½ Stunde von Paramaribo der Invalidenposten Poelepantje (deutsch: zieh deinen Unterrock aus) liegt.

Bei dunkler Nacht erreichten wir den Invalidenposten Bakra Masango, der, rings umgeben von Sümpfen, am Canale liegt. Myriaden Mosquittos machen diesen Platz zu einer wahren Hölle.

Es ist hier die Wasserscheide des Kanals, der seinen Zufluss aus dem Surinam und dem Saramanka erhält, und wir mussten eine Stunde warten, ehe die Ebbe in dem Canale eintrat.

Mit anbrechendem Tage kamen wir in die Saramacca und blieben auf dem Posten Uytkyk, der an der Mündung des Canals liegt, einige Stunden. Es sind hier 10 Mann unter dem Kommando eines Sergeanten. Die Plantagen in der Nähe bieten hinlänglich Gelegenheit, sich mit Erdfrüchten, Zucker, Caffee u. s. w. zu versehen.

Wir fuhren mit dem Abletzen der Ebbe bis auf den ½ Stunde weiter entfernten Posten Groningen. Dieser Platz, wie Paramaribo, auf einer hohen Sandritze gelegen, war zu einer Stadt bestimmt, welche den Namen Columbia erhalten und als Stapelplatz für die Erzeugnisse der Saramacca dienen sollte. Es sind einige Strassen vorhanden, welche, wie die von Paramaribo, mit Orangebäumen besetzt sind. Die Hauptsache aber, nämlich Häuser, sucht man vergebens.

Das Land ist ziemlich hoch, und grosse Klippen, die aus zusammengetrockneten Muscheln bestehen, werden zu Bausteinen bearbeitet und dienen in Paramaribo zu Fundamenten von Schutzmauern gegen das Abspülen.

Eine Quelle eiskalten Wassers strömt aus diesen Klippen. Gegenüber dem Posten ist das Land in verschiedene gleichgrosse Stücke eingetheilt, welche denjenigen gegeben wurden, die sich dort anzusiedeln gedachten. Zugleich unterstützte das Gouvernement die Unternehmer mit Werkzeugen und Lebensmitteln. Aber, da Fleiss und Industrie hier nicht zu Hause sind, so konnte man sich keines guten Erfolges erfreuen.

Nachdem wir die halbe Nacht durch gefahren waren, kamen wir am Morgen auf einer Caffeepflanzung, Huwelykszorg, an, wo wir mit aller Freundlichkeit bewirthet wurden.

Gegen Mittag waren wir auf dem Posten Nassau, an der Mündung des Flusses gelegen.

Einzelne rothe Ibise, hier Flamingos genannt, spazierten längs des schlammigen Ufers, in dem man bis um den Leib einsinken würde, wenn man auf dem schmalen Baum, der zur Landung dient, fehl träte.

Ich sah hier einen Neger, der am Strande auf eben diesem schlammigen Ufer Krabben fing. Ein etwa 2' langes Brett, das er sich um den Fuss gebunden hatte und worauf er kniete, hinderte das Einsinken, und indem er sich mit dem freien Fuss fortstiess, schnellte er mit grosser Geschwindigkeit weiter.

Der Posten Nassau, ebenfalls im niedern Sumpfland angelegt, ist wegen der Seewinde gesund und hat Ueberfluss an Fischen und Wild, sowie an Lebensmitteln, welche man von den umliegenden Pflanzungen bekommen kann. Diess ist der Grund davon, dass alle Soldaten, ungeachtet der vielen Mosquittos, gerne hier sind. Es befanden sich hier 12 Mann unter dem Kommando eines Sergeanten. Wir wurden sehr freudig aufgenommen, hatten aber Gelegenheit, bald zu bemerken, dass der grösste Theil der Soldaten betrunken war. Der monatliche Sold war Tags zuvor ausbezahlt worden und man konnte desshalb aufs Neue wieder beim Sergeanten borgen, der eine kleine Herberge hatte, von welcher er selbst ein guter Kunde zu seyn schien.

Die beiden Sergeanten fuhren, um den Tag lustig zubringen zu können, nach einer naheliegenden Pflanzung und überliessen mir die Sorge für meine Reisegefährten, der ich sehr gerne enthoben gewesen wäre.

Es war nun drollig, mit anzusehen und anzuhören, wie die Soldaten des Postens der guten Frau ihr Leid bezeugten über den Tod ihres Mannes (eines zweiten Lieutenants der Colonie, der an einem Delirium gestorben war und seine Frau aufs Aergste misshandelt hatte) und welche Bonmots und Galanterien sie dabei mit einfliessen liessen.

Gesang, Händel und Schlägereien dauerten den ganzen Mittag fort und als die Nacht anbrach, trieben uns die Mosquittos ins Haus zurück, wo man, um das lästige Ungeziefer zu verscheuchen, einen Rauch machen musste, dass man beinahe erstickte.

So sass ich nun in der Stube des Sergeanten mit meiner Anvertrauten und den zwei Korporalen des Postens, die, um der Frau Zeichen ihrer Achtung zu geben, die Tugenden ihres seligen Mannes herausstrichen, den die Geplagte wahrscheinlich hundertmal zum Teufel gewünscht hatte.

In Folge der zwei Nächte, welche ich auf der Reise schlaflos zugebracht hatte, fühlte ich das Bedürfniss nach Ruhe und ich wurde um so schläfriger, je mehr mir das Gespräch meiner zwei betrunkenen Kameraden in den Ohren klang.

Meine Hängematte war oben auf der Bühne, wo einige grosse Rauchtöpfe die Mosquittos verscheucht hatten und ich wünschte, dass die Ankunft der Sergeanten erfolgte, um mich schlafen legen zu können. Die Frau aber, welche mehr Erfahrung hatte, befürchtete, dass die Sergeanten nicht nach Hause kommen würden. Unbemerkt schlich ich nach oben, wo mich ein herrlicher Schlaf erquickte.

Des Morgens sah ich Madame S. auf einer Bank am Wachtfeuer liegen, zugedeckt mit den Mänteln der wachthabenden Soldaten und jämmerlich zugerichtet von den Mosquittos.

Die Sergeanten waren um Mitternacht sehr lustig nach Hause gekommen und sie suchte, um allen Beileidsbezeugungen zu entgehen, ein Plätzchen am Wachtfeuer.

Wir verliessen gegen Mittag den Posten, um noch mit dem letzten Wasser der Ebbe die Mündung des Copename zu erreichen.

Es war schönes, helles Wetter und die weissen Häuser des Leprosen-Etablissements blickten uns freundlich aus dem dunkeln Wald entgegen.

Es war Springzeit [1] und unsere Ruderer, die ihr Möglichstes thaten, wurden durch die rasch anschwellende Fluth begünstigt.

Das Boot flog wie ein Pfeil dahin und gegen 8 Uhr hatten wir den Kostgrund De Hoop, ein dem Lande gehöriges Etablissement, wo die Bananen für die Neger der ebenfalls dem Gouvernement gehörenden Holzfällerei Andresen gepflanzt werden, erreicht.

Hier blieb unsere Reisegefährtin; wir aber setzten, nachdem wir etwas gegessen hatten, unsere Reise fort.

Der Director dieses Platzes, ein Schotte, nahm sich kurze Zeit nachher, einer sonderbaren Ursache wegen, das Leben. Ein Negermädchen dieses Ortes war durch eigene Nachlässigkeit sehr mit Siccas oder Sandflöhen (Pulex penetrans) geplagt, von welchen sich ganze Regimenter in ihren Füssen angesiedelt hatten, wesshalb sie zur Arbeit untauglich war. Der Director, obwohl er von der Heilkunde blutwenig wissen mochte, beschloss dennoch, das Mädchen zu kuriren. Die Geplagte musste ihre Füsse in einen Kübel voll siedenden Wassers stellen. Die Flöhe starben sogleich, das Mädchen war aber auch am andern Tage eine Leiche. Da er nun kein Doctorpatent hatte und desswegen zum Heilen auf diese Weise nicht befugt war, so wurde er vom Gouvernement nach Paramaribo gefordert, um sich desshalb zu vertheidigen. An Bord des Fahrzeuges de Beschermer, das ihn dahin bringen sollte, schnitt er sich den Hals ab.

Mit Tagesanbruch waren wir am Holzgrunde Andresen, der nahe an der Mündung der grossen Vaiambokreek, durch welche unsere Reise gehen musste, liegt.

Der Strom ist hier bedeutend schmäler, als weiter unten, und der schönste Hochwald ziert seine Ufer. Schwarzes, klares Wasser füllte sein Bett, das durch die häufigen Regen übervoll war.

Der Anblick dieses Etablissements war für uns ein sonderbarer und ungewohnter. Wir sahen einen halb ausgehauenen Wald, in dem die Negerhütten zerstreut und ohne Ordnung umherstanden. Ebenso war das Haus des Directors blos aus rohen, ungehobelten Brettern zusammengesetzt; einige andere Gebäude derselben Art dienten zu Magazinen und zu Wohnungen der Blankoffiziere. Das Effect war noch nicht lange angelegt und desshalb Alles erst im Werden begriffen. Das Holz, welches man hier fällt, wird meist durch englische Schiffe abgeholt und zum Maschinenbau auf den Antillen verwendet.

Später wurde mit ungeheuren Kosten eine Dampfsägmühle errichtet, die auf einem eigens dazu eingerichteten flachen Fahrzeuge dahin gefahren werden konnte, wo man das Holz vom Wald an den Strom schleppte, es dann sogleich aufnahm und zu Brettern sägte. Diese Maschine war aber, wie es scheint, für den Debit des Holzes zu grossartig und ist desshalb jetzt ausser Thätigkeit.

Einer der blanken Aufseher hatte denselben Morgen einen kleinen Zitteraal gefangen [2]. Ich bekam von diesem, etwa 1' langen und fingerdicken Thierchen, einen solchen Schlag, dass ich wohl noch zwei Stunden nachher das prickelnde Gefühl am Arme hatte.

Nach dem Mittagessen fuhren wir in die Vaiambo, welche die Copename mit der Nickerie verbindet. Es sollten nun vier Tage vergehen, ehe wir wieder einen von Weissen bewohnten Ort fänden.

Nur Indianerdörfer der Arowaken liegen unterwegs und zwar nicht am Wasser, sondern in den Savannen, die sich ungefähr ¼ Stunde von den Ufern der Kreeken befinden und wohin kleine, kaum bemerkbare Wege führen.

Des Abends schliefen wir im Boote, während die Indianer ihre Hängematten an Bäumen befestigten und unter grosser Fröhlichkeit ihr Essen bereiteten, das aus Bananen und gesalzenem Fisch bestand. Ein solches Bivouac im Walde hat besonders im Innern des Landes, wo man vor Mosquittos gesichert ist, einen ganz eigenen Reiz. Man liegt so bequem in der Hängematte, erwärmt vom Feuer, das man unter sich brennen hat. Der stille Wald, aus dem nur manchmal sich die klagenden Töne der Nachtvögel hören lassen, verbirgt beinahe ganz das Licht der Sterne. Grosse Feuerfliegen schwärmen durch die Gebüsche und Fledermäuse schwirren rechts und links vorbei. Zuweilen hört man aus der Ferne das Gebrüll der Brüllaffen oder wird die Stille unterbrochen durch den Fall alter, verfaulter Bäume, die mit donnerähnlichem Getöse alle kleinen, unter ihnen stehenden Bäume und Gesträuche niederreissen. Ehe der Morgen tagt, ertönen schon die gellenden Stimmen der Wackagos (Ortalida parragua) und die flötenartigen Töne der kleinen Anamu (Tinamus variegatus).

Jetzt wird eine Tasse heissen Caffees, nebst einem Stück Zwieback mit dem besten Appetit in der Hängematte genossen, während die Indianer sich mit Bananen begnügen, die sie an ihrem halberloschenen Feuer rösten.

In weniger als zwei Minuten ist die ganze Wirthschaft wieder im Boote, und nur die Ueberreste des verbrannten Holzes und die versengten Blätter des Bodens zeigen dem Vorübergehenden die Stelle eines Lagerplatzes an.

Am andern Tag machten uns die Indianer, während wir unser Mittagessen kochten, auf ein grosses Dorf aufmerksam, das eine halbe Stunde von hier entfernt in der Savanne liegen sollte. Während das Essen kochte, ging ich durch den Wald dahin und hatte bald die ersten Hütten erreicht, in denen aber, ausser einigen gezähmten Waldvögeln, Niemand zu sehen war. In den hintersten Hütten aber hörte ich Geräusch und Stimmen und fand auch eine Arowakenfamilie in der grössten Einigkeit in ihren Hängematten liegend und ihren Lieblingstrank, den Casiri, schlürfend [3].

Kaum hatten mich die Kinder erblickt, so erhoben sie ein Zetergeschrei und wollten sich lange nicht beruhigen lassen. Auch zwei Affen, denen ich eben so fremd war, hielten zu ihrer Partie, schrieen und fletschten die Zähne auf alle Weise, während die Weiber einige schattenähnliche Hunde, die wüthend bellten, zurückhielten und ihnen mit Mauritzenfasern das Maul zubanden.

Da die Indianer nur wenig nach der Stadt kommen und Weisse ebenso wenig Visiten bei ihnen machen, so war mein Besuch freilich ein sehr unerwarteter. Man bot mir Casiri an und eine grosse hohle, damit gefüllte Calabasse (Gotto) wurde nun zum Geschenk für ihre Freunde, die ihr Essen kochten und eben nicht sehr eilten, sie zu besuchen, mitgenommen. Die ganze Familie begleitete mich zum Landungsplatze zurück, wo ich sie mit Dram tractirte und wir als die besten Freunde von einander schieden.

Aus der Vaiambo, die südlich läuft, kommt man nach zwei Tagen in die Aracacouakreek, eine kleine aber tiefe Kreek, wo die Ruderstangen nicht Platz hatten und das Boot pagait wurde [4].

Die grossen Krümmungen, welche diese Kreeken machen, verlängern den Weg bedeutend; denn die Nickerie ist über die See höchstens 30 Stunden von Paramaribo entfernt.

Oben in der Aracacouakreek wurden wir bei hellem Tage plötzlich von Schwärmen Mosquittos angefallen, die klein und mager und sehr gierig nach unserem Blute waren. Wir mussten Rauch im Boote unterhalten, um diese lästigen Gäste los zu werden. Man findet dieses Ungeziefer im obern Lande manchmal stellenweise und selbst die Buschneger, die wohl 60 Stunden von der Küste entfernt wohnen, klagen darüber.

Aus der Aracacouakreek kommt man in die Nickerie, eine schöne und tiefe Kreek, die wohl den Namen Fluss verdiente. An ihren Ufern findet man hauptsächlich viele Maripapalmen (Maximiliana regia), die hier ganze Wälder bilden, während sie in andern Theilen des Landes zwar auch häufig, aber nur einzelnstehend vorkommen.

Den 25. August erreichten wir mit anbrechendem Tage den indianischen Posten an der Mündung der Maratacca. Die Indianer dieses Postens, sowie der Dörfer, welche in den Savannen und am Maratacca liegen, sind meist Waraus, weniger Arowaken und stehen im Dienste des Gouvernements, das an sie Lebensmittel und Geschenke austheilt, wofür sie verpflichtet sind, als Ruderer mit den Booten nach Paramaribo zu gehen, etwaige Patrouillen zu machen u. s. w. Auch sind auf dem Wachtschiffe immer einige derselben. Sie sind übrigens sehr launisch und laufen, wenn ihnen etwas nicht ansteht, nach ihren Dörfern zurück.

Unsere Indianer, die hier zu Hause waren, machten nun im Boote ihre Toilette, um mit Anstand wieder vor den Ihrigen zu erscheinen. Ihr Haar beschmierten sie mit einer Mischung von Palmöl und Roccu (Bixa ovellana), wodurch dasselbe zinnoberroth gefärbt wurde. Weisse Flaumfedern aus der Brust von Raubvögeln wurden in diese teigartige Pomade eingedrückt. Das Gesicht ward mit einem wohlriechenden Harze Aracasiri mittelst eines zugespitzten Hölzchens tätowirt und alle ihre Kostbarkeiten an Affen- und Pakirzähnen, Glaskorallen und Federschmuck wurden umgehängt.

Wir stiegen ans Land. Die meisten Indianer lagen noch in der Hängematte, obgleich es heller Tag war: denn den Tag zuvor war des Königs Geburtstag, an dem sie einige grosse Krüge Dram vom Landdroste bekommen hatten und sie schliefen nun den Katzenjammer von gestern aus.

Ein alter Mulatte vom Eiland Granada ist als Posthalter hier angestellt. Seine Eitelkeit schuf sich eine eigene Uniform, indem er abgetragene Kleidungsstücke von Offizieren kaufte, in welchen er stets ausging, wenn er den Posten oder die Pflanzungen besuchte. Er war übrigens nicht zu Hause, sondern wohnte den Lustbarkeiten auf dem Posten bei.

Nach und nach sah man das Völkchen sich aus seinen Hängematten erheben, worauf das Erste war, nachzusehen, ob nicht noch etwas in der Flasche übrig wäre.

Es dauerte auch kaum eine Stunde, so waren alle wieder betrunken und auch unsere Indianer lagen mit all' ihrem Putze im Grase herum.

Ein hübsches Weib sass in ihrer Hütte beim Feuer und kochte aus reifen Bananen einen Brei für ihr Kind, das in einer kleinen Hängematte ihr um die Brust hing. Ihr Mann lag betrunken am Boden. Sey es nun, dass das Weib sich über die Trunkenheit ihres Mannes ärgerte (was ich aber nicht glaube) oder durch andere Ursachen erhitzt war, kurz, sie sprach mit einem Zorne und einer Geläufigkeit gegen den besinnungslosen, geduldigen Ehegatten, dass sie die beste Amsterdamer Fischdame beschämen würde. Unterdessen hatte sie die reifen Bananen aus dem Topfe genommen und in einer grossen, mit heissem Wasser gefüllten Kalabasse mittelst einer grünen Banane zerquetscht. Wie nun durch Gleichgültigkeit und Schweigen hitzige und streitsüchtige Personen nur noch erboster werden, so war diess auch bei ihr der Fall; denn sie sprang plötzlich rasch und unter immerwährendem Schimpfen, das für mich natürlich unverständlich war, auf, ergriff ein brennendes Stück Holz, mit welchem sie ohne Zweifel den armen Mann schrecklich würde zugerichtet haben, wenn nicht einige dabei stehende und weniger besoffene Indianer dessen Partei ergriffen und die Frau zurückgehalten hätten. Während sie mit diesen rang, glitt sie auf der schlüpfrigen Schaale einer reifen Banane aus und fiel mit ihrem nicht unansehnlichen Hintern in die Kalabasse, worin der für ihr Kind bestimmte heisse Brei war, welcher nun über ihr zusammenspritzte. Sie erhob ein Jammergeschrei und eilte sogleich mit dem verbrannten Podex zur Abkühlung ins Wasser. Es war diess eine Scene zum Todtlachen.

Gegen Mittag fuhren wir weiter und sahen gegen 4 Uhr die erste oder vielmehr letzte Pflanzung Krabbehoek.

Auf der Pflanzung Botanybai erwarteten wir die Ebbe. Der Eigenthümer war abwesend und wir trafen nur zwei junge Mulattinnen, Schwestern seiner Frau, zu Hause. Sie luden uns jedoch nicht ein, in das Haus zu kommen, sondern man liess uns den mosquittenreichen Abend unter den Negern der Pflanzung am Landungsplatze zubringen, wo wir unser Abendessen kochten. Ob diess aus Furcht vor unsern grünen Röcken oder aus Verachtung des Militärstandes geschah, weiss ich nicht; denn viele solcher Damen sind am Ende ihrer Glanzperiode herzlich froh, wenn sie sich mit Leuten aus dem Militärstande verbinden können. Es war diess das erste Mal, dass ich auf solche Weise behandelt wurde und ich habe während der Zeit meines Aufenthaltes auf Nickerie vielfache Beweise des Wohlwollens von den Pflanzern dieses Districts bekommen, so dass Obiges als eine seltene Ausnahme anzusehen ist.

Abends um 10 Uhr hatten wir nach achttägiger Fahrt den Posten erreicht.

Nickerie oder Nickeriepunt ist der Grenzposten gegen Westen zwischen Surinam und der englischen Kolonie Berbice. Da mehrere Pflanzungen in seiner Nähe liegen, so ist er von ungleich grösserer Wichtigkeit, als der, von allen Pflanzungen weit entfernte Posten Prinz Willem Frederik, der an der Grenze von Französisch-Guyana liegt.

Er ist auch desswegen mit 60 Mann besetzt, um die Neger am Entfliehen nach der andern Seite der Correntin, wo sie frei sind, zu verhindern. Der Posten liegt auf einer Sandritze, die sich mehrere Stunden östlich ausdehnt.

Ausser einer grossen Kaserne, den drei Offizierswohnungen, dem Hospital, der Bäckerei u. s. w. befinden sich hier auch eine Kirche und mehrere Privathäuser. Die Lage des Postens ist eine sehr gesunde, nur fehlt es an gutem Trinkwasser, auch ist an Mosquittos kein Mangel.

An einem etwa drei Stunden langen Fahrweg, der sich von Osten nach Westen längs der Küste hinzieht, liegen verschiedene jetzt verlassene Baumwollenpflanzungen. Ein gegrabener Canal von etwa 3' Tiefe, der längs dieses Weges läuft, dient zum Transport der Baumwolle nach dem Posten, wo sie auf die Schiffe verladen wird. Auch werden die Lebensmittel für diese Pflanzungen, die auf eigenen, weiter aufwärts an der Nickeriekreek gelegenen Kostgründen gebaut werden, auf diesem Canale dahin gebracht.

An der Kreek befinden sich noch ausser diesen Kostäckern drei grosse Zucker- und zwei Kaffeepflanzungen.

Das Land längs der Seeküste besteht aus grossen morastigen Savannen, die bis an den obern District reichen und durch jede Springfluth unter Wasser gesetzt werden.

Obgleich die Entfernung zwischen dem Ober- und Niederdistrikt kaum neun Stunden beträgt, so ist es doch höchst mühsam und gefährlich, dahin zu gelangen, da am Ufer der See weicher Schlamm und Mangel an süssem Wasser, im Innern aber die Moräste den Marsch sehr erschweren.

Ebenso ist die Küste längs des Ufers der Correntin; grosse Sümpfe, mit Binsen und dornigen Bäumen bewachsen, bedecken die Fläche zwischen diesem Strome und der Nickeriekreek.

Dessenungeachtet entflohen schon viele Sklaven, die durch diese Sümpfe bis zum holländischen Ufer der Correntin durchdrangen. Hier verfertigten sie Flösse, auf welchen sie sich zur Fluthzeit nach dem englischen Ufer treiben liessen. Kluge Massregeln haben indess in der Folge solche Fluchtversuche verhindert.

Die grosse Fruchtbarkeit des Niederdistrikts gibt den Pflanzungen ein höchst blühendes Aussehen. Auch die Gebäude und Maschinen befinden sich im besten Zustande und Alles ist zum Nutzen und zur Bequemlichkeit des Lebens eingerichtet, weil die Eigenthümer immer anwesend sind und ihre Effecte selbst verwalten.

Der mir günstige Kommandant, der, wie bereits gesagt wurde, Landdrost des Distrikts war, gab mir ein kleines Zimmer in der Kaserne, eine Wohlthat, die ich erst recht empfand, als ich mich à mon aise eingerichtet hatte. Der frühere kränkliche Kommandant liess die beiden Sergeanten machen, was sie wollten, und diese errichteten zu ihrem grossen Vortheil eine Herberge, wo jeder nach Herzenslust trinken konnte, so lange er Geld oder Credit hatte. Der Militärdienst war ihnen Nebensache, daher kam es auch, dass sechs Neger unter den Augen der betrunkenen Schildwache des Nachts das Boot des Postens losmachten und nach Berbice fuhren. Dieses fand man durchlöchert an der englischen Seite. Die Neger aber hatten keine Lust zurückzukehren, und liessen ihren früheren Direktor herzlich grüssen.

Grosse Trunkenbolde, die wie die Vielfrasse nicht satt werden konnten, verkauften das Wenige, das sie hatten, um bei den Sergeanten trinken zu können und liefen lieber zerlumpt auf dem Posten herum. Es war beinahe keiner, der nicht tief in Schulden steckte. Daher war es leicht möglich, dass einer der Sergeanten, der zwei Jahre dieses einträgliche Geschäft betrieben hatte, 4000 Gulden gewinnen konnte, was er selbst äusserte. Dieser Handel wurde gleich bei der Ankunft des Kommandanten aufs Strengste untersagt und eine Disciplin eingeführt, durch welche nicht nur Pünktlichkeit des Dienstes bezweckt, sondern auch das Wohl des Soldaten gefördert wurde.

Freilich war Manchem das Neue ungewohnt und nicht willkommen; aber die Störrigen kamen haufenweise ins Loch, wo sie einsehen lernten, dass Nachgeben besser sey, als Raisonniren.

Zwei Boote auf der Nickeriekreek und ein Häuschen auf der andern Seite derselben waren des Nachts von Schildwachen besetzt, die jede halbe Stunde ihre Wachsamkeit durch ein Feldgeschrei anzeigen mussten. Ausser den zwei Schildwachen auf dem Posten befanden sich noch fünf Mann und ein Korporal an Bord eines Schooners, der zu gleichem Zwecke eine halbe Stunde vom Posten entfernt vor Anker lag. Auf diese Weise konnte also ein Neger zu Wasser nicht leicht entschlüpfen.

Kurze Zeit nach meiner Ankunft wurde mir die Verwaltung der Menage des Detachements übertragen. Ich hatte jetzt des Morgens die Ration Genever auszutheilen und musste die Lebensmittel, als Bananen u. s. w. auf den Plantagen einkaufen. Als die Sergeanten keinen Schnaps mehr verkaufen durften und den wenigen Bürgern bei schwerer Strafe untersagt war, solchen auszuschenken, war ungemeine Betrübniss unter der nassen Gemeinde des Postens. Es kauften nun die Liebhaber desselben, welche an einer Ration nicht genug hatten, die ihrer Kameraden, welche das Geld dem Genever vorzogen. Dadurch gab es nun wieder manchen Betrunkenen, wesswegen der Kommandant endlich befahl, dass jeder vor meinen Augen seine Ration austrinken musste und dieselbe nicht mehr in Fläschchen empfangen durfte. Es war nun beim Detachement ein deutscher Jude, der aus grosser Sparsamkeit seine Ration stets verkauft hatte, eine geschenkte aber ohne Scheu hinunterschluckte. Er wollte nun schlechterdings seine Ration nicht missen, noch weniger des Gewinns, welchen ihm dieselbe bisher eingebracht hatte, entbehren. Der Schlaue nahm desshalb seine Ration in den Mund und spuckte dieselbe von mir entfernt heimlich in ein Fläschchen aus, das er seinem Kunden, einem geschickten Schneider des Detachements, überbrachte.

Jeden Samstag musste ich auf der etwa vier Stunden entfernten Pflanzung Botanybai die nöthigen Bananen fürs Detachement einkaufen. Ein offenes, von drei Mann gerudertes Boot war hiezu bestimmt. Ich fuhr nun, je nachdem die Fluth eintrat, manchmal des Nachts, oft aber auch in der glühenden Hitze des Tages dahin.

Besonders freundlich wurde ich auf der Zuckerplantage The Nursery empfangen, wesswegen ich nie versäumte, dort anzukommen. Die Frau des Hauses beschenkte mich jedesmal mit Früchten aller Art, und für einige Pfunde Brod, welche sie sodann unter die Negerkinder austheilte, bekam ich jedesmal von ihr ein kleines Fässchen Zucker, so dass ich das manchmal so schlechte Wasser des Postens immer als Limonade trinken konnte. Die Pflanzung selbst ist eine der schönsten im Lande und ich glaube, dass die grosse Fruchtbarkeit des Bodens und die gute Gesinnung der Neger sie zu einer der einträglichsten machen. Gebäude, Gärten und Negerhäuser sind zweckmässig und mit Geschmack angelegt. In einem Theile des prächtigen Kochhauses befindet sich die Dampfmaschine, welche den Saft auspresst und denselben in das zweite Stockwerk hinaufpumpt, wo in einem geräumigen Saale zwei Reihen Kessel stehen, in denen der Likker (ausgepresste Saft) gekocht und zu Zucker gemacht wird. Dieser wird im untern Raume aufbewahrt. Ein langer Kanal, dem entlang die Zuckerfelder liegen, führt vom Kochhause nach dem etwa zehn Minuten entfernten Landungsplatz, wo ein kleines Sommerhäuschen in die Nickeriekreek hineingebaut ist.

Die Schiffe legen hart an diesem Häuschen an. Die Zuckerfässer werden nun mittelst einer Winde aus dem innern Kanal ins Häuschen und von da ins Schiff gehoben. Hinter der Mühle sind die Gebäude für die Fabrikation des Rums, sowie die Traslogen, in welche das ausgepresste Rohr zum Feuern der Kessel hineingeworfen wird.

Ein anderer Kanal trennt das höchst elegante und in einem Garten stehende Wohnhaus von den Fabrikgebäuden und andere Kanäle scheiden es wieder vom Dorfe der Neger, das drei Strassen bildet, die mit Kokos- und Pomme-de-Cythere-Bäumen besetzt sind. Die Negerhäuser sind von Pina und theilweise von Brettern dauerhaft aufgeführt, auch jedes mit einem Gärtchen versehen.

Unmittelbar an dieser Pflanzung liegt die grosse Zuckerpflanzung Waterloo, deren Eigenthümer einer jener sonderbaren Menschen war, die bei ungeheurem Reichthum stets noch mehr zu erlangen streben. Hoch in Jahren, Eigenthümer von drei schönen Pflanzungen mit mehr als 700 Sklaven, lebte dieser Mann einsam auf seiner Pflanzung, ohne Frau und Kinder. Eine Mulattin, die er mit einer seiner Negerinnen gezeugt hatte, war selbst auch Sklavin und versah sein Hauswesen. Ich kam manchmal zu ihm; er war in der Folge sehr für mich eingenommen und wollte mich sogar vom Militär loskaufen und auf seiner Plantage als Blankoffizier mit 500 fl. Gehalt anstellen. Doch ich hatte keine Neigung fürs Pflanzerleben und war mit meiner Lage zufrieden [5].

Ungeachtet die Mosquittos auf Nickerie für eine grosse Plage anzusehen sind, so ist doch der Mangel an Trinkwasser in den Trockenzeiten ein noch ärgeres Uebel. Ein grosser eiserner Behälter, in welchem das Regenwasser sich sammelt, befriedigt nur auf kurze Zeit das Bedürfniss des Detachements. Wenn es aber einige Zeit nicht regnete und die Cisterne leer war, so musste man in Fässern Flusswasser aus dem oberen Nickerie und zwar oft zwölf Stunden weit herbeischaffen. Bleibt die Pont, welche mit etwa dreissig Fässern beladen ist, über die bestimmte Zeit aus, so ist die Noth sehr gross und ich habe selbst bei einer solchen Gelegenheit auf einer anderen Pflanzung für eine Calabasse Sumpfwasser ein Sacktuch gegeben, das ich Tags zuvor um 1 fl. 25 kr. gekauft hatte. Das Wasser wurde jeden Morgen durch den Corporal der Wache an den Koch und die Soldaten ausgetheilt. Diese Austheilung fand unter einem Gedränge von Kühen, Schafen, Schweinen und Federvieh statt, die sich um die herunterfallenden Tropfen stritten. Die Enten aber flogen auf die Fässer und streckten ihre langen Hälse zu den Spontenlöchern hinein, um ihren Durst zu löschen. Es hatte seit acht Monaten nicht geregnet, so dass alle Pflanzen durch die Trockenheit Noth litten. Wie sehr alsdann ein plötzlicher Regen erquickt, und wie wenig man die Mühe scheut, das kostbare Wasser in allerlei Gefässen aufzufangen, lässt sich nicht beschreiben.

Gewöhnlich haben die Seeposten Ueberfluss an Wild und Fischen, was auch hier der Fall war. Auf einer grossen Bank, die sich bei dem Posten weit in die See erstreckte, gebraucht man zum Fang der Seefische ein etwa 100' langes und 6' hohes Netz; mit aufsteigender Fluth liefen zwei Männer mit dem einen Ende bis um den Hals ins Wasser, während zwei andere mit dem andern Ende ganz nahe und langsam am Lande marschirten. Plötzlich schwenkten die äussersten dem Lande zu, und die Fische fingen sich in einem grossen, in der Mitte des Netzes angebrachten Sacke. Zog man sie ans Land, so sah man ein Gewimmel von den wunderlichsten Gestalten. Rochen mit ungeheuren, stachlichten Schwänzen, Hai- und Sägefische, und den sonderbaren Hammerfisch sah man mit allerlei Arten von Welsen, die im süssen und salzigen Wasser vorherrschen, beisammen.

Hatte man so einige Stunden gefischt, so wurde die Beute getheilt und von jedem auf beliebige Weise zurecht gemacht.

Auf andere Weise wurde das Fischen in den Gräben der Cattunfelder betrieben. Hier fängt man mit 6' breiten und eben so langen Netzen, welche die Neger aus Cattun stricken, eine Menge Kwikwi, welche an Güte und Grösse die der übrigen Colonien übertreffen [6]. Die Suppen von diesen Fischen gehören zu den Leckereien Guyana's. Wir brachten stets von diesen Fischpartien so reichlichen Fang nach Hause, dass wir ihn kaum schleppen konnten. Häufig fing man auch in den Gräben junge Kaimans, die ebenfalls auf ihre Manier fischten und durch gewaltige Schläge mit dem Schwanze uns zuweilen grossen Schrecken einjagten.

Man findet den Kaiman (Alligator sclerops) überall sehr häufig und zwar immer im Wasser, aus welchem er die Hälfte seines Kopfes streckt. Nie habe ich einen gesehen, der über 6' lang gewesen wäre, schon solche von dieser Länge sind sehr selten. Weibchen von 4', die jedoch noch lange nicht ausgewachsen sind, legen Eier an den Ufern der Flüsse und Kreeken in angeschwemmtes Reisach, sowie an feuchte Plätze. Diese Eier sind etwas grösser, als Hühnereier, an beiden Enden gleich abgerundet, schmutzig weiss, und mit einer porösen Kruste überzogen.

Die Indianer essen das Fleisch und die Eier sehr gerne; auch die Franzosen sind grosse Freunde von ersterem. Einmal brachte man mir ein weibliches Beutelthier (Didelphis tricolor). Es war von der Grösse eines Eichhörnchens, hatte einen spitzigen Kopf, grosse nackte Ohren, grosse, schwarze, wie bei den Ratten hervorstehende Augen und einen langen, nackten Wickelschwanz. Es hatte eine bräunliche Farbe, über jedem Auge einen schwarzen Flecken; Brust und Bauch jedoch waren ockergelb. Ich sperrte es in einen Käfig, in welchem man es beobachten konnte, ohne von ihm gesehen zu werden. Als Nahrung gab ich ihm Wasser und gekochte Fische. Des andern Tages fand ich ein Junges von der Grösse einer Maus, das nach Herzenslust mit seiner Mutter frass. Nach und nach erschienen noch drei, die alle den Tag zuvor im dichtverschlossenen Beutel der Mutter verborgen gewesen waren.

Es war allerliebst, die Spässe dieser Thierchen zu sehen, unter welchen sie sich um die Mutter herumtrieben, aber beim geringsten Geräusche in den Beutel flüchteten. In Folge der reichlichen Nahrung wurden die Jungen bald gross, so dass zuletzt die Mutter nicht mehr alle vier beherbergen konnte, und eines, zwei und zuletzt drei dieses Schutzes entbehren mussten; doch schlangen die Aussenbleibenden ihre Schwänzchen um die Mutter.

Das Wasser schlappten sie wie die Hunde, frassen auch wie diese; doch gebrauchten sie häufig die Vorderpfoten, wie die Affen. Sie wurden nie zahm; sondern zischten und pfeuchten, wenn man sich dem Käfig näherte. Sie haben ein ungemein zähes Leben; denn sie wehren sich noch, wenn schon Hirn und Eingeweide herausgenommen sind. Nach und nach entschlüpften mir alle.

Ebenso reichlich, doch mühsamer ist die Jagd auf die Wasservögel.

In den zwei ersten Monaten der Trockenzeit, wenn das Wasser der grossen, morastigen Savannen, welche hinter den Cattunpflanzungen liegen, eintrocknet, versammelt sich dort eine unglaubliche Menge von Wasservögeln, welche alle reichliche Nahrung finden und um diese Zeit am fettesten sind. Da diese Savannen über drei Stunden weit vom Posten entfernt liegen, und dort kein Trinkwasser zu finden ist, so fand sich blos ein Soldat beim Detachement, der die Mühe dieser Jagd nicht scheute und viel Geld durch den Verkauf seiner Beute erwarb. Ich war neugierig, auch diese Art der Jagd kennen zu lernen und begleitete ihn eines Tages.

Des Abends verliessen wir den Posten und übernachteten auf der Pflanzung Providence. Mit Sonnenaufgang waren wir auf dem Damme, der die Ländereien dieser Pflanzung von der Savanne trennt. Von dieser lässt sich kein reizendes Bild entwerfen. Eine grosse, stundenweite Ebene dehnt sich nach allen Seiten aus. Sie ist theilweise mit falbem Grase, Schilf und niederem Gesträuche bedeckt, über welches einzelne ganz trockene und halbverbrannte Baumstämme hervorragen, welche traurige Ueberreste eines schrecklichen Waldbrandes sind, welcher vor mehreren Jahren vom Ober- bis Niederdistrict um sich griff. An manchen Stellen hauchen Pfützen den widerlichsten Geruch von abgestandenen Krebsen und Fischen aus, deren Ueberreste überall herum liegen, während man an andern Stellen bis um die Knie in teigartigem Schlamme watet. Dabei leidet man sehr von der glühenden Hitze, und im Schatten von den Stichen unzähliger Mosquittos. So arm sich auch die Vegetation in diesen Sümpfen zeigt, um so belebter sind dieselben von Thieren. Grosse, weisse Reiher (Ardea alba), hier Sabaccu genannt, rothe Ibise, Schnepfen und Enten sind in unzählbaren Schaaren hier versammelt, während auf dem Boden die Fusstapfen vom Krebshunde (Procion cancrivorus), dem Hirsche (Cervus rufus), dem Jaguar und den Beutelthieren den Beweis dafür geben, dass auch vierfüssige Thiere hier ihrer Nahrung nachgehen.

Wir marschirten wohl eine halbe Stunde über Pfützen und gestürzte Baumstämme in grösster Stille, als wir auf einmal, als wir um die Ecke eines kleinen Busches kamen, die ganze Fläche, so weit das Auge reichte, mit Reihern wie beschneit sahen. Der Lärm der Stimmen so vieler Tausende ist betäubend, und mit einem donnerähnlichen Geräusche flogen sie auf, als wir näher kamen.

Ihrer Magerkeit wegen werden sie wenig geschossen, doch sind ihre Federn zu Betten sehr brauchbar. Es zeigte sich auch ein Häufchen rother Ibise, deren 17 mit einem Schuss getödtet wurden. Mit Verwunderung musste ich sehen, wie mein Kamerad eine Anzahl Schnepfen, die zerstreut herum liefen, zusammen lockte. Sie kamen, obwohl sie ihn sehr gut sahen, auf einen leisen, eigenthümlichen Pfiff dicht zusammen und waren so leicht in Haufen zu schiessen. Es fielen über 40 auf einen Schuss. Sie hatten die Grösse einer Taube und waren äusserst fett und delicat. Man nennt diese Art hier Pluviere [7].

Weiter landeinwärts stiessen wir auf grosse Flüge wilder Enten, von welchen mein Jagdgefährte ebenfalls einige Dutzende schoss.

Man findet hier vier Arten derselben, von welchen eine der grössten, die Moschusente, wohl 12 Pfund schwer wird [8]. Die andern sind viel kleiner, als die gewöhnliche Hausente, doch haben sie höhere Beine und fliegen immer in grossen Zügen unter immerwährendem Gepfeife, während die Moschusente nur in kleinen Truppen oder paarweise getroffen wird. Alle nisten in Sümpfen auf den Boden. Nachdem noch einige, beinahe mannshohe, storchartige Vögel mit langem dickem Schnabel (Negerköpfe genannt) geschossen waren, traten wir gegen Mittag den Rückweg an. Es war uns beiden nicht möglich, diese Menge Wild weiter, als auf den Damm zu tragen. Mein Gefährte holte desswegen einen Neger auf der Pflanzung Providence, der uns die Beute nach dem Posten bringen half.

Nachdem ich meine Portion bekommen hatte, verkaufte mein Kamerad den Rest an das Detachement und die Bürger. Ich habe noch einigemal allein diese Savanne besucht, hatte aber zu wenig Geschicklichkeit und Geduld, um grosse Beute zu machen, und konnte ganz leicht ohne Neger dieselbe nach Hause bringen.

Wir waren unserer sechs Korporale auf dem Posten, von welchen immer einer abwechslungsweise sich an Bord des Kolonialschooners befand, und alle 8 Tage von einem andern abgelöst wurde.

Die Reihe kam nun auch an mich, obschon ich eben kein Verlangen darnach hatte; denn es ist sehr unangenehm, in dem kleinen Raume des Schooners mit Negern und Indianern logiren zu müssen, die Ausdünstungen dieser Leute und den Geruch von Thee und Schiffsprovision immer in der Nase zu haben. Ausser dem Kapitän und Steuermann waren 6 Soldaten, 6 Neger und 8 Indianer an Bord.

Durch das immerwährende Schaukeln des Fahrzeuges, das jedoch vor Anker lag, litt ich beständig an der Seekrankheit. Beschäftigung hatten wir natürlich keine. Die Soldaten schliefen oder spielten den Tag über, die Neger thaten dasselbe, und die Indianer lagen in ihren Hängematten, wo sie sich gegenseitig das im Gesicht und am Leibe keimende Haar mit zwei Muschelschalen herauszogen. Den Tag über schützte uns ein über das Fahrzeug ausgespanntes Segeltuch vor den Strahlen der Sonne und in der Kühlung schöner Abende erfreuten wir uns durch gegenseitiges Erzählen.

Die Indianer waren lauter junge Kerls, welche uns viel Spass machten. Eines Tages hatte ich Gelegenheit, ihre Geschicklichkeit im Schwimmen zu bewundern. Der Kapitän war mit ihnen auf dem Posten gewesen, von welchem sie betrunken zurückkamen.

Zwei von ihnen bekamen mit einander Händel, und der eine verlangte vom Kapitän, nach dem Posten zurückgebracht zu werden, weil er nicht mehr bei seinen Kameraden bleiben wolle. Man lachte natürlich über seine Forderung. Er aber packte Hängematte, Pfeife, Bogen und Pfeile zusammen, kletterte damit auf der Ankerkette bis in die See und schwamm plötzlich dem Lande zu. Es war gerade die Zeit der Ebbe, und der Kapitän befürchtete desswegen, der Strom möchte den närrischen Kerl weit in die See treiben, oder er könnte von einem Haifisch gefressen werden, und liess ihm durch den Steuermann und zwei Matrosen nachrudern, um ihn aufzufangen. Der Schwimmer merkte aber kaum deren Absicht, als er untertauchte und ihnen so immer entkam, wenn sie ihn schon zu haben glaubten. Plötzlich verschwand er wieder, und wir glaubten, er sey verunglückt; aber bald sahen wir ihn ganz mit Schlamm bedeckt, jedoch mit allen seinen Siebensachen, ans Land steigen. Er lief nun, so schnell als er konnte, nach dem Wachthäuschen, von wo aus er über die Nickerie schwamm, die hier so breit ist, als der Rhein. Des andern Tages kam er wieder nüchtern zurück.

Ich machte verschiedene Male mit dem Kapitän kleine Reischen nach der Correntin und ihren Inseln, und unsere Indianer, welche bei dieser Gelegenheit auf die Jagd gingen, brachten immer etwas mit.

Dreimal war ich an Bord dieses Schooners, der Beschermer hiess, detachirt und wir waren herzlich froh, als eine kleine Kriegsbrigg denselben ablöste und dort keine Wache mehr zu besetzen war. Weil durch die vielen Wachen auf dem Posten und dem vor der Mündung der Kreek liegenden Schooner den Sclaven des Distrikts das Entfliehen zu Wasser, wenn auch nicht ganz unmöglich gemacht, so doch sehr erschwert wurde, so versuchten einige zu Fusse nach dem Correntin zu entkommen.

Anfangs November erhielten wir die Nachricht, dass zwei Neger von der Pflanzung Waterloo auf diesem Wege entlaufen wären. Man löste augenblicklich zwei Kanonenschüsse als Zeichen für den Schooner, der sogleich eine Schaluppe nach dem Posten sandte. Drei Patrouillen wurden alsbald beordert, den Flüchtigen nachzusetzen. Sechs Mann mussten sich sogleich zu Wasser nach der Nannaykreek begeben, welche auf holländischer Seite ist und oberhalb der ersten Insel in den Correntin mündet. Sie blieben dort als Stationsposten. Drei andere mussten mit dem grossen Boote des Postens immerwährend längs der Küste kreuzen, und vier Mann sollten unter dem Commando eines Korporals durch die Sümpfe nach dem Correntin zu kommen suchen, wo sie sich mit dem Detachement an der Nannaykreek vereinigen mussten.

Da ich noch nie eine Buschpatrouille mitgemacht hatte, so bat ich den Commandanten, mich mit der letzteren gehen zu lassen. Wir fuhren nun gegen 5 Uhr Abends nach der Pflanzung Margarethenburg, von welcher aus wir den andern Morgen unsere Reise durch die Sümpfe antreten sollten. Wir hatten Lebensmittel auf vier Tage und waren mit Gewehren und Säbeln bewaffnet. Als Schlafplatz wies man uns eine Kammer an, in die wir ohne Licht eintraten, um die Mosquittos nicht anzulocken. Unausgeschälter Kaffee lag einige Fuss hoch auf dem Boden. Wir tappten im Finstern herum und machten uns unser Nachtlager zurecht. Die Soldaten vergruben sich unter den Kaffee, um von den Mosquittos nicht geplagt zu werden. Ich fand zufälligerweise in einer Ecke einen Haufen Leinwand, welche ich auf dem Kaffee ausbreitete und mich damit bedeckte.

Mit anbrechendem Tage machten wir uns reisefertig. Jetzt erst bemerkte ich mit Schrecken, dass ich zu meiner Lagerstätte die frischgewaschenen Hemden des Pflanzers benützt hatte, welche man den andern Tag bügeln wollte, und die durch meine, mit Oel eingeschmierten Schuhe freilich nicht weisser geworden waren.

Der Bastian der Pflanzung brachte uns auf den äussersten Damm derselben, von dem aus ein unabsehbarer, mit Binsen bewachsener Morast sich ausdehnte, den wir nun in südwestlicher Richtung durchwaten sollten. Wir marschirten auch meistens bis um die Kniee im Schlamme durch den Schilf, der so dicht wie Waizen stand und wohl 12' hoch war. Millionen Ameisen kletterten daran herum und fielen uns auf den Leib, wo sie ein unerträgliches Jucken verursachten. Abwechslungsweise musste einer von uns der vorderste seyn, mit dem Hauer den Schilf abhauen, oder, wenn derselbe zu dicht stand, auf den Boden drücken, um uns einen Weg zu bahnen. Man kann sich denken, wie beschwerlich und ermüdend ein solcher Marsch ist, und wie langsam es voranging.

Gegen Mittag erreichten wir eine Sandritze, die wohl 4' höher als der Sumpf mit Hochwald bedeckt war, und wo wir einige reife Papayas (Früchte des Melonenbaumes) fanden. Ich kletterte auf einen der äussersten Bäume, um mich in der Gegend umzusehen, und fand dass der Hochwald, wo wir wenigstens trockenen Fuss zu haben glaubten, wohl noch vier Stunden entfernt war.

Bisher waren wir immer südwestlich gegangen, in welcher Richtung die Nannaykreek liegen musste; aber jetzt weigerten sich meine Soldaten einstimmig, mir in dieser Richtung weiter zu folgen, weil nach Westen zu der Hochwald bedeutend bälder zu erreichen war. Wir verliessen desshalb die Ritze wieder und setzten unsern Marsch im Sumpfe fort. An manchen Stellen war dieser mit Bäumen bewachsen, welche über und über mit Stacheln bedeckt sind. Sie haben rothe Schmetterlingsblüthen und werden auf vielen Caffeeplantagen reihenweise gepflanzt, um unter ihrem Schatten das Wachsthum der Caffeebäume, welche die Sonne nicht ertragen können, zu fördern. In derselben Gegend werden kleine, etwa 8' hohe Palmen getroffen, welche ebenfalls mit 4" langen, nadelscharfen Stacheln besetzt sind. Sie standen manchmal so dicht, dass man sich durch sie einen Weg hauen musste, und dann doch noch von allen Seiten gestochen wurde. Unsere Hosen und Hemden, von welchen wir freilich nicht die besten mitgenommen hatten, wurden zu Fetzen zerrissen.

Ausser einer grossen Abomaschlange, die ihren Kopf aus dem Wasser herausstreckte, und einigen Raubvögeln, welche auf alten, abgebrannten, von Termiten ausgefressenen Bäumen sassen, sahen wir kein Wild.

Abends 6 Uhr hatten wir den Hochwald noch nicht erreicht, und wir waren genöthigt, im Sumpfe unser Nachtquartier zu nehmen. Wir hieben desshalb bei einem alten trockenen Baume mit unsern Hauern einen ungeheuren Haufen Schilf ab, um eine trockene Lagerstätte zu haben, und liessen den Baum, der vom ersten Hieb eines Hauers stürzte, darauf fallen. Bald loderte ein lustiges Feuer empor, an dem wir Speck und Bananen rösteten, und Trinkwasser gab uns der Sumpf genug. Müde vom Marsche des Tages, legten wir uns um das Feuer, und wir schliefen, nachdem wir unsere Gewehre um den Leib geschnallt hatten, bald so gut, als in der Hängematte, ungeachtet aller Ameisen und Termiten des Baumes, die sich an uns hinauf flüchteten.

Mit anbrechendem Tag verliessen wir unsern Bivouac und wanderten weiter. Allmählig wurde der Sumpf trockener und an die Stelle des Schilfes traten Gesträuche und Gras. Wir füllten unsere Feldflaschen zum letztenmal aus dem Sumpfe, tranken noch zum Ueberfluss so viel, als wir verschlucken konnten und marschirten im Gesträuche, durch welches man noch immer mit dem Säbel den Weg bahnen musste, dem Hochwalde zu.

Wir hörten jetzt deutlich die Brandung der See.

Plötzlich hieb der Vorderste in ein Nest blauer Capassi-Marabonsen [9]. (Diess sind grosse blaue Hornisse, deren Nester manchmal zwei Fuss lang sind, und an der Aussenseite wie von Ringen umgeben scheinen, die einige Aehnlichkeit mit der Schaale des Armadills (Capassi) haben, daher ihr Name.) Er sah die Gefahr, warf sich auf den Boden und versteckte sein Gesicht so gut als möglich. Ich war unmittelbar hinter ihm und bekam von den erzürnten Insekten fünf bis sechs Stiche in Gesicht und Schulter, dass ich vor Schmerz meinte, rasend zu werden.

Die verletzten Theile schwollen fürchterlich an; doch entstand glücklicherweise kein Fieber, und Schmerz und Geschwulst verminderten sich durch Reiben mit Genever.

Wir waren nun endlich im Hochwald, der das Ufer des Correntin in einer Breite von etwa einer Viertelstunde umzog. Unzählige Krabbenlöcher befanden sich im Boden, der aus einem lehmartigen Schlamme bestand, in welchem man manchmal bis um die Kniee einsank. Oft blieben unsere Schuhe darin stecken, und es kostete viele Mühe, sie wieder herauszuziehen.

Wir erreichten den Strand, und es zeigte sich nun, was ich vorausgesagt hatte, dass wir durch unser, zu viel nach Westen gerichtetes Marschiren viel zu weit entfernt vom Orte unserer Bestimmung herausgekommen waren. Wir sahen die Schornsteine von Maryshope an der andern Seite des Flusses, und weit, weit entfernt die Papageyeninsel, die in der Gegend lag, wo die Mündung der Nannaykreek sich befand.

Auf einer Sandbank kletterten wir über Tausende von abgeschälten Bäumen, die uns den Weg versperrten, und marschirten nach Süden. Es herrschte eine glühende Hitze, desshalb stellte sich bald der Durst ein, der nicht gelöscht werden konnte, weil unser Wasser schon ausgetrunken war. Alle Baumblätter waren in Folge der lange anhaltenden Trockenzeit wie mit einem Reifen von Salz überzogen, und das Stromwasser war so salzig, wie das des todten Meeres. Den noch übrigen Genever theilte ich löffelweise aus, um den Mund befeuchten zu können.

Abends 5 Uhr kamen wir an das Ende der Sandbank und mussten nun wieder unsere Reise im Schlamme fortsetzen. Aber die aufsteigende Fluth trieb uns bald wieder in den Wald zurück, wo wir genöthigt waren, unser Nachtlager aufzuschlagen.

Muthlos und beinahe ausser Stand, ein Wort zu sprechen, durchliefen wir den Wald nach einem Tröpfchen Wasser, bis die anbrechende Dunkelheit uns am weitern Suchen hinderte. Mit einem Löffel schöpfte ich aus allen Krabbenlöchern, aber das Wasser in denselben war ungeniessbar, und das wenige, welches wir in einem hohlen Baume gefunden hatten, erregte augenblicklich heftiges Erbrechen und Durchfall. Um uns vor den Mosquittos zu schützen, machten wir vier Feuer an, in deren Mitte wir unsern Schlafplatz anlegten. An's Essen dachte Niemand.

Ich erinnerte mich, früher gelesen zu haben, dass man in Holland am Rande der See Cisternen graben kann, die ein gutes trinkbares Wasser geben, wenn sie tiefer, als die niederste Ebbe, und höher, als die höchste Fluth angelegt sind.

Obgleich ich nun voraussah, dass, wenn man diess hier anwenden wollte, man 15-18' tief graben müsse, so wollte ich doch das unmöglich Scheinende wagen, wenn wir gleich mit keinen Werkzeugen versehen waren. Auf die Hilfe der Soldaten durfte ich hiebei nicht rechnen, da sie es lächerlich fanden, sich für nichts zu plagen. Ich schnitt nun mit meinem Messer alle Wurzeln in einem Kreise von etwa 3' Durchmesser aus dem Boden, wühlte die Erde heraus, was nicht besonders schwer ging und traf auf eine Lage lehmartigen, harten Schlammes, der etwa 3' tief war und schnell sich herausschaffen liess. Jetzt fand ich Sand, und bei einer Tiefe von etwa 5' quoll mir Wasser entgegen, das süss und trinkbar war. Da die Soldaten den Erfolg meiner Mühe sahen, halfen sie mir nun auch. Der Sand wurde in Mützen herausgeschafft, wobei sich die oben Befindlichen auf den Bauch legen mussten, um ihn aus meinen Händen zu nehmen. Ich stieg nun aus meinem Loche, liess das Wasser sich sammeln und die Unreinigkeiten sich setzen. Hierauf reinigte ich mich selbst im Strome, und erquickte mich sodann mit den Uebrigen am Wasser unserer Quelle. Diess war freilich nicht so gut, wie das Regenwasser, aber sehr klar und trinkbar. Hiezu zogen wir noch den übrigen Vorrath von Bananen und Speck hervor und speisten nach Herzenslust.

Die hell brennenden Feuer und ein günstiger Seewind trieben die Mosquittos von uns weg, und wir schliefen, unbekümmert um den Rest des Weges, den wir den folgenden Tag noch zurückzulegen hatten, als gegen Mitternacht ein Trupp Brüllaffen auf den Bäumen über uns ein höllisches Geschrei anhuben und wir erschrocken aus dem Schlafe fuhren. Wir fachten nun die beinahe erloschenen Feuer wieder an, deren Schein diese unwillkommenen Ruhestörer in eilige Flucht trieb.

Des Morgens, nachdem wir statt des Kaffees uns mit Wasser erfrischt, und auch unsere Feldflaschen damit gefüllt hatten, verliessen wir mit schwerem Herzen unser Lager und marschirten durch Dick und Dünn weiter. Eine Sandritze, die einige Schritte längs des Ufers hin sich erstreckte, erleichterte uns Anfangs den Marsch, obgleich wir uns bei jedem Schritte durch Lianen und stachlichte Palmen winden mussten. Ich fand hier eine grosse Schildkröte, die ich mit dem Säbel aufhieb, um wenigstens das Fleisch im Brodsack mitnehmen zu können, da sie zum Tragen zu schwer war. Der Wald wurde immer dichter, und die Fluth erlaubte uns nicht, längs des Strandes zu marschiren. Jeder Schritt, den wir durch diese Wildniss machten, kostete vorher fünf Minuten Arbeit mit dem Säbel.

Wir waren auf drei Seiten von Lianen umgeben, die von der Dicke eines Bindfadens, bis zu der eines Ankertaus sich vorfanden, alle Gesträuche und Bäume umstrickten, und auf der vierten rollten die Wellen der Fluth durch die Wurzeln des Gesträuches, sodass wir von Zeit zu Zeit von dem schmutzigen Wasser über und über bespritzt wurden. Wir machten, so unglaublich diess auch scheint, wohl einige 100 Schritte auf den Zweigen und Luftwurzeln der Bäume, ohne den Boden zu berühren, ja manchmal waren wir 15' über ihm, und es kostete uns keine kleine Mühe, das Gewehr nachzuziehen.

In die Länge auf diese Affenart zu reisen, war unmöglich; wir beschlossen desshalb, die Ebbe abzuwarten, und dann entweder zurückzukehren, oder weiter zu reisen, wenn der Strand nicht aus zu weichem Schlamme bestände. Wir blieben so in den Zweigen sitzen und erblickten glücklicherweise bald ein Boot, das den Correntin aufwärts fuhr.

Ein Hemd, das ehemals weiss gewesen war, wurde an einen Stock gebunden und mit diesem geweht, auch waren wir so glücklich, unsern, mit Schlamm bedeckten Gewehren zwei Schüsse zu entlocken, worauf die Mannschaft des Bootes, die aus vier, nach der Nannaykreek bestimmten Indianern bestand, uns bemerkte und aufnahm. Kaum sassen wir im Boote, so wusch ein gewaltiger Platzregen, der erste nach vielen Monaten, uns allen Schlamm vom Leib.

Die zwei weggelaufenen Neger hatten beinahe den gleichen Weg, wie wir, nach dem Correntin eingeschlagen, und, nachdem sie den Strand erreicht hatten, eines unserer kreuzenden Boote angerufen, in der Meinung, es sey ein englisches von der gegenüberliegenden Pflanzung.

Man nahm sie auch willig ein, und sie konnten bald ihren Irrthum wahrnehmen, weil man auf ihre Bitte, sie nach dem jenseitigen Ufer zu führen, dem Posten Nickerie zusteuerte.

In der Nannaykreek trafen wir nun das unserer harrende Detachement.

Eine volle Schüssel warmer Bananen und das Fleisch der Schildkröte wurde in Gemeinschaft verzehrt, und des Abends fuhren wir in drei Stunden nach dem Posten zurück, während uns diese Entfernung einen dreitägigen, höchst schwierigen Marsch gekostet hatte.

Wenige Tage nach meiner Zurückkunft von dieser ermüdenden Expedition fuhr ich mit der Wasserpont, welche während der Trockenzeit alle acht oder zehn Tage nach dem obern Nickerie fuhr, um süsses Flusswasser für das Detachement zu holen. Das Fahrzeug war ohne Dach und hatte etwa 30 Fässer geladen, die oberhalb der Mündung der Maratacca, wenn die Zeit der Ebbe beinahe vorüber, somit das Wasser am reinsten war, gefüllt wurden.

Wir waren am Abend des dritten Tages auf der Heimreise begriffen und nahe bei der Pflanzung Krabbahoek, als die Neger mich auf eine grosse Schlange aufmerksam machten, die im Schlamme am Ufer lag. Ich sah anfangs nichts, als einen mit Schlamm und angeschwemmtem Laube bedeckten, unförmlichen Haufen, und erst, als der Steuermann mit der Ruderstange hineinstiess, konnte man die gefleckte Haut des Thieres unterscheiden. Ein Stoss, wie der mit dem Ruder geführte, hätte einem Menschen sicher alle Rippen im Leibe gebrochen; das Ungethüm schien ihn aber nicht gefühlt zu haben. Ich war desswegen der Meinung, es sey todt und von der Fluth angeschwemmt, und wollte es in das Fahrzeug ziehen. Die Neger aber versicherten mich, dass das Thier weder krank noch todt wäre, und ein Schuss nach ihm mich schon von seiner Activität überzeugen würde. Desshalb schoss ich mit leichtem Hagel auf Gerathewohl in den Klumpen, worauf sich der Kopf aus der Mitte des verschlungenen Körpers hob und auf eine andere Seite legte. Jetzt fuhren wir so nahe als möglich an's Ufer, und ich schoss in einer Entfernung von kaum drei Schritten abermals. Mit einer Schnelligkeit, die man einem so trägen Thiere nicht zutrauen sollte, schoss jetzt die Schlange wohl 12' in die Höhe, um mit offenem Rachen auf mich hereinzustürzen.

Dieser Angriff kam mir so unerwartet, dass ich über Hals und Kopf in's Fahrzeug fiel, während der Steuermann, ein baumstarker Neger, das wüthende Thier mit der Ruderstange anfiel, das endlich in seiner blinden Wuth sich um diese schlang und in das eisenharte Holz biss.

Ich hatte mich unterdessen wieder von meinem Schrecken erholt und mein Gewehr zum drittenmal geladen. Den Lauf desselben setzte ich jetzt der Schlange auf den Kopf, die nun auch auf den Schuss sogleich todt war.

Wir zogen sie nun mit vereinten Kräften ins Fahrzeug, wo ich ihr auf dringendes Bitten der Neger den Kopf und Schwanz abhieb. Des Morgens schleppten wir sie an's Land und an die Kaserne, wozu sechs Mann nöthig waren; denn sie mass ohne Kopf und Schwanz 26' und hatte die Dicke eines mässigen Mannsleibes. Ich war der Meinung, dass ihre Trägheit Folge eines tüchtigen Frasses sey, in welcher mich die unverhältnissmässige Dicke des Körpers bestärkte. Wie erstaunt waren wir daher, als man den Magen ganz leer fand, jedoch 78 Blasen von der Grösse eines Gänseeies herausholte, deren jedes eine 1½' lange Schlange enthielt, und die alle wie ein Paternoster aneinandergereiht, in einem Darm sich befanden. Sie war sonst sehr mager; denn das ausgebratene Fett betrug blos zwei Pinten. Um die Haut abziehen zu können, zogen wir sie mit vieler Mühe an dem Balken der Kaserne hinauf, der etwa 20' über dem Boden war. Einer kletterte dann, so »à la Stedman« an der Schlange empor, um das Fell abzulösen. Vom Fleische nahm ich einige Stücke, die als Beefsteaks und Ragout behandelt wurden. Hiezu fanden sich aber wenig Liebhaber, wiewohl das Fleisch weiss und wohlschmeckend war. Den Rest warfen wir auf die Sandbank, wo mit aufsteigender Fluth die Haifische ihr Gaudium daran hatten. Die Haut hatte ich an der Aussenseite der Kaserne aufgenagelt; sie schrumpfte aber so zusammen, dass sie zu nichts mehr brauchbar war.

Der Militärdienst des Postens war ziemlich strenge und ermüdender, als der in Paramaribo. Besonders litten wir Korporale darunter, da wir nur zwei, höchstens drei Nächte frei hatten, und auf der Wache, besonders wenn der Wind weniger stark wehte, und die Mosquittos freies Spiel hatten, keinen Augenblick schlafen konnten.

Die Wachstube glich an Schwärze einem Schornstein; denn nur durch Rauch konnte man das höllische Ungeziefer verjagen. Auf Spaziergängen war man beständig in Wolken dieser lästigen Insekten eingehüllt, und stille zu stehen war gar nicht möglich.

Auf dem Posten war eine kleine Kirche, an welcher ein protestantischer Missionär angestellt war, der den Negern das Wort Gottes an's Herz zu legen hatte. Auch wir Soldaten mussten manchmal die Kirche besuchen, und jeden Sonntag hatte der Korporal der Wache den Befehl des Landdrostes zu überbringen, welcher bestimmte, ob Predigt für die Soldaten seyn sollte, oder nicht. Es war meistens keine für uns abzuhalten; dem guten Pfarrer fiel jedesmal ein Stein vom Herzen, wenn der Korporal die Nachricht brachte, und ein guter Schnaps war jedesmal die Belohnung des Ueberbringers dieser Nachricht. Wenn Kirche war, so studirte sich der gute Mann halbtodt, um uns mit lehrreichen Geschichten zu unterhalten. Kaiser Nero und andere stockblinde Heiden spielten desshalb in seinen Vorträgen immer grosse Rollen, und die ungezogene Gemeinde lachte zuweilen überlaut.

In den ersten Monaten des Jahrs 1839 kam an die Stelle des wachhabenden Schooners eine kleine Kriegsbrigg, und in das einförmige Leben der Bewohner auf Nickerie kam dadurch einige Abwechslung.

Die Seeofficiere besuchten häufig den Posten und die Pflanzungen, und man hörte von Bällen und Soirées.

Ich hatte längst gewünscht, die Dörfer der Indianer an der obern Maratacca besuchen zu können, und bekam durch die Güte meines Kommandanten, der beim Gouvernement um seine Entlassung als Landdrost gebeten und diese auch erhalten hatte, die Erlaubniss dazu. Da er die Reise zur Stadt durch das Innere machte, so benützte ich diese Gelegenheit, mit ihm bis an den indianischen Posten an der Maratacca zu fahren.

Wir verliessen den Posten zu Ende Mai's unter einem heftigen Regenguss, und kamen mit anbrechendem Tage bei den Indianern an.

Der Kommandant setzte seine Reise weiter fort, und ich miethete einige Indianer, die mich nach den höherliegenden Dörfern bringen sollten. François, der Posthalter wollte mich selbst dahin begleiten, und wir fuhren gegen Mittag auf einer kleinen Corjaal in die Maratacca. In Folge heftigen Regens war der Wasserstand ungemein hoch, und nur wenige Fluth begünstigte uns.

Wir hatten sechs kräftige Indianer, die unter immerwährenden Scherzen aus Leibeskräften ruderten. Es war ein trüber, regnerischer Abend, und wir Alle waren froh, als wir den Werkplatz einiger Zimmerneger, die hier Bretter sägten, erreicht hatten.

In der Hütte dieser Leute hingen wir unsere Hängematten auf und schliefen einige Stunden, bis der Mond aufgegangen war. Der Regen hatte aufgehört und der Himmel war mit Sternen bedeckt. Todesstille herrschte um uns her, und nur Laubfrösche quackten in verschiedenen Melodieen auf den Bäumen.

Um einen grossen Umweg, den die Maratacca bildet, abzuschneiden, fuhren die Indianer durch eine, höchstens 4' breite Oeffnung, die mir am hellen Tage entgangen seyn würde, in einen kleinen Kanal. Da manchmal Bäume über ihn gefallen waren, so musste man sich oft platt in die Corjaal legen, um den Kopf nicht anzustossen.

Der Mond bildete nur eine schmale Sichel, und auf allen Seiten umgab uns der dichteste Hochwald; desswegen war es hier stockfinster. Hier sah ich Sträucher leuchtender Pflanzen an dem etwas hohen Ufer. Diese waren 2-2½' hoch, an Gestalt so ziemlich der Asclepias carrasaviva ähnlich, und hatten lange, spitzige Blätter. Ihr Glanz war bei weitem nicht so stark, wie der der Feuerfliegen, und hatte etwas bläulich Phosphorartiges; doch konnte man alle Umrisse deutlich unterscheiden. Weil ich ganz der botanischen Kenntnisse entbehrte, habe ich vergessen, ein Exemplar dieser so merkwürdigen Pflanze mitzunehmen.

Mit anbrechendem Tag kamen wir wieder in die Maratacca. Das Land erhöhte sich allmählig, und der schönste Hochwald säumte die Ufer der Kreek, die in den wunderlichsten Krümmungen sich südwestlich zog.

Regenschauer durchnässten uns auch heute, wie überhaupt in dieser Beziehung der Monat Mai der schlimmste des Jahres ist.

Wir fanden gegen Mittag eine kleine Hütte, die von einer Arowackenfamilie bewohnt war. Das Mittagessen wurde hier gekocht, und ich überdiess mit Cumu tractirt, den man in Ermanglung von Zucker mit dem süssen Mehl der Lokus-Bohne gewürzt hatte [10]. Die halbe Nacht brachten wir wieder in einigen leerstehenden Hütten zu, und vor Tagesanbruch kamen wir an den Landungsplatz der Savannendörfer.

Wir hatten vom Nachtlager Feuer mitgebracht, und es loderte desshalb bald eine kräftige Flamme auf, um die wir im Kreise herumsassen und den Tag erwarteten. Unsere Indianer gaben mit ihren Pfeifen ein Concert, um ihre Ankunft ihren Freunden mitzutheilen.

Die Maratacca mochte hier etwa 60' breit seyn. Ihre Ufer waren hügelig und mit Hochwald bewachsen, hinter dem unabsehbare Savannen, wahrscheinlich bis zur Correntin, sich erstreckten. Das Durchwaten der Kreek ist in der Trockenzeit leicht. Nach der Aussage der Indianer soll sie mit der Correntin in Verbindung stehen; wenn diess der Fall ist, so bin ich davon überzeugt, dass der Zusammenfluss nicht weit entfernt von hier stattfindet. Jedenfalls wird die Entfernung der Savannendörfer vom rechten Ufer des Correntins nicht über zehn Stunden betragen, was in sofern von Wichtigkeit ist, als viele Plantagenneger an der Maratacca arbeiten, und durch diese Kreek, oder die Savannen derselben einen leichten, gefahrlosen Weg nach der englischen Colonie hätten.

Mit anbrechendem Tage fanden sich mehrere Indianer ein, welche unserem Dram fleissig zusprachen und uns dann nach ihren Dörfern begleiteten. Am Wege dahin waren grosse Cassavefelder, die sich bis an die Savannen erstreckten. Nachdem wir etwa zehn Minuten gegangen waren, öffnete sich der Wald, und eine grosse Savanne lag vor uns, die stellenweise sich sanft erhob und stundenweit nach Westen auszudehnen schien.

Wie in den Savannen der Casawinika und Saramacca die Mauritzenpalmen vorherrschen, weil der mehr ebene Boden die Feuchtigkeit, welche diese so sehr lieben, besser bewahrt, so waren hier die Awarrenpalmen ungemein zahlreich. Man fand sie hier von einer Höhe, die sie anderswo nie erreichten, sowohl am Rande der Wälder zerstreut, als in kleinen malerischen Gruppen beieinanderstehend.

Aus dem Hochwald, der diese Flächen umzog, blickten die brennenden Blumen des Grünhart hervor, und tausenderlei Blüthen schmückten das grüne Laubwerk, das in Folge der häufigen Regen eine herrliche Frische zeigte. Selbst Gras und Blumen, welche den sandigen, sonst unfruchtbaren Boden schmückten, prangten in voller Blüthe, während in den Trockenzeiten, welche Alles dürr und verwelken machen, dem Auge ein unfreundliches Bild sich darbietet. Unter Bananen-, Papayas- und Awarrabäumen fanden wir die Dörfer der Indianer versteckt. Zwei derselben waren von Waraus, und das dritte, weiter entfernte von Arowacken bewohnt; und sie zählten zusammen etwa 200 Bewohner.

Wir wurden vom Oberhaupt dieser Dörfer, der als Zeichen seiner Würde einen Stock mit grossem, silbernem Knopf erhielt, aufs Beste empfangen, und mit Cassave und Ananas (mehr hatte er nicht) bewirthet, wogegen ich den Rest meines Drames mit ihm theilte.

Die Merkwürdigkeiten des Platzes waren bald besehen, und bestanden, die schöne Lage ausgenommen, in nichts Besonderem, wodurch er sich vor andern Indianerdörfern ausgezeichnet hätte. Es war Alles mit dem Reiben von Cassave und Ananas, sowie mit der Bereitung eines Trankes, den man Casiri nennt, beschäftigt; denn in ein paar Tagen sollte ein grosser Tanz stattfinden, und die Corjaal, nebst den Trögen, worin die Leckerei bereitet wurde, standen bereits in der grössten Hütte. Die Sitzbänke sind aus Cederblöcken geschnitzt und sehr massiv. Ihre Enden stellten Kaimans- und Käferköpfe vor, und waren blau und roth bemalt. Es wurde mir hier ein Trank gereicht, der aus den reifen Früchten der Awarra bereitet war und sehr angenehm schmeckte [11]. Die reifen Früchte der Awarra werden einige Tage in die Erde eingegraben, wodurch ihr Fleisch mürbe und weich wird, so dass es sich in einem grossen Troge leicht von den Steinen abstampfen lässt. Es wird dieses sodann in einen Kurikuri, einen Korb, der aus dem Baste einer rohrartigen Pflanze, Warimbo genannt, gemacht ist, und der vorher dicht mit Heliconienblättern belegt wird, eingedrückt, und sodann im kalten Wasser der Kreek, das nicht durch die Blätter dringen kann, einige Tage ausgesetzt, wodurch die ölige Substanz, die in dem faserigen Fleische sitzt, mehr flüssig gemacht wird.

Eine Handvoll dieser Masse in eine Kalabas voll Wasser ausgedrückt, färbt dieses mennigroth, macht es fett und angenehm säuerlich süss. Mit Zucker vermischt, ist es wirklich ein köstlicher Trank, und ich ziehe ihn dann selbst dem Cumu vor.

Das Völkchen schien im Ueberfluss zu leben; denn Cassavebrod war in Menge vorhanden, und die Felder befanden sich im besten Zustand. Nur Schade, dass dieses Wohlleben nur temporär ist und gar häufig Zeiten eintreten, in welchen Awarra, Maripa und andere Waldfrüchte den hungrigen Magen stopfen müssen, und zwar nur desshalb, weil die Leute zum Pflanzen zu faul waren. Die Waraus besonders sind als Faullenzer bekannt; doch sind solche Hungerzeiten bei den Caraiben ebenfalls nicht selten.

Ich habe hier eine merkwürdige Art von Begrüssung wahrgenommen, die ich, wenn ich auch den Sinn der Worte nicht begriff, wenigstens doch sehr zeitraubend fand. Der Neuangekommene wird gewöhnlich mit Essen oder einem Tranke traktirt, und bedankt sich dann zuerst bei dem Oberhaupt der Hütte in höchst weinerlichem Tone, worauf derselbe nichts anders als »Wan« erwidert. Hierauf bedankt er sich bei jedem andern männlichen Bewohner besonders, und bekommt ebenfalls nichts als »Wan« zur Antwort. Ist nun Niemand mehr zu becomplimentiren, so bedankt man sich ganz auf dieselbe Weise bei dem Fremden für seinen Besuch, der dann auch die bekannte Formel gegen jeden gebraucht.

Die Caraiben sind bei weitem nicht so ceremoniös, und bedanken sich blos im Allgemeinen und beim Empfang der Speisen mit Jo.

Im Hause meines Wirthes sah ich ein paar Frauen, die wohl hundert Jahre alt seyn mochten. Sie spannen Baumwolle und sassen in ihren Hängematten, die sie nie verliessen. Sie waren beinahe blind; desswegen musste das Feuerchen, das unter ihren Hängematten brannte, von Kindern unterhalten werden. Ihre Haare waren trotz ihres hohen Alters kohlschwarz und dicht.

Beinahe in jeder Hütte fand man Hunde, die bei unserer Ankunft immer ein schreckliches Gebell erhoben, in welches Affen, Papageyen und andere gezähmte Thiere miteinstimmten. Am auffallendsten sind die Hühner, die beinahe noch einmal so gross als die gewöhnlichen, in Menge vorhanden, und desshalb wohlfeil zu bekommen waren. Auf den Plantagen leben sie nicht lange, geben auch keine ihnen gleiche Zucht.

Mit einem Affen, Hühnern und Ananassen reichlich versehen, trat ich die Rückreise an, und war am achten Tag wieder auf meinem Posten.

Mein Kommandant hatte mir bei seiner Abreise das Versprechen gegeben, mich so bald als möglich nach Paramaribo kommen zu lassen, weil er wusste, dass ich auf Nickerie wenig Vergnügen hatte; denn der Umgang mit meinen Kameraden hatte für mich wenig Angenehmes, und das Herumschwärmen nach Insekten im Busch und Wald war hier unmöglich. Mit grosser Ungeduld sah ich der Zeit meiner Abberufung entgegen. Ein Ereigniss aber, das ich kurz hier anführe, um zu beweisen, wie listig manche Neger sind, und wie schwer es hält, sie vor Desertion zu hüten, wenn sie sich dieselbe in den Kopf gesetzt haben, verzögerte meine Abreise.

Mehrere Monate vorher, ehe ich den Posten verliess, kam ein Gouvernementsbrief an den Landdrost, welcher die Nachricht enthielt, dass ein berüchtigter Wegläufer sich in den Wäldern zwischen dem Ober- und Niederdistrikt aufhalten müsse. Dieser war nämlich schon vor längerer Zeit von einer Pflanzung an der Hoerhelena-Kreek in einem Corjaal entwischt und hatte sich zur Nachtzeit nach Paramaribo begeben. Dort liess er sein Fahrzeug wegtreiben und stahl in den Aeckern im Umkreise der Stadt seinen Lebensunterhalt. Da er aber hier der Gefahr sich aussetzte, gefangen zu werden, beschloss er, sich nach dem Niederdistrikt zu begeben, weil er dort früher gearbeitet hatte und desshalb bekannt war. Zu diesem Zweck stahl er in der Saramakka, wohin er sich zu Fuss begab, aufs Neue eine Corjaal, fuhr blos bei dunkler Nacht diesen Strom abwärts, passirte so ungesehen die Militärposten und das Wachtschiff und kam glücklich in die See. Während er aber nahe am Oberdistrikt den Tag über seine Corjaal in einer kleinen Kreek verbergen wollte, wurde er von Fischernegern einer nahegelegenen Pflanzung entdeckt, gefangen genommen und nach dem Posten Coroni gebracht. Dort wusste er sich unter den Augen einer Schildwache seiner Ketten zu entledigen, und es gelang ihm, zu entkommen, ohne dass man ihn sogleich vermisste. Ein altes Hemd und ein gesalzener Fisch wurden von ihm noch aus der Küche der Soldaten mitgenommen.

Die Schildwache, unter deren Aufsicht er stand, wurde in Folge seiner Flucht in Paramaribo zu fünf Jahren Festungsarbeit verurtheilt.

Fruchtlos wurden von uns Patrouillen nach ihm ausgesandt. Endlich entdeckte man ihn hinter den Kostäckern der Pflanzung Nursery, wo er sich verproviantirte. Er hatte im Walde ein kleines Hüttchen gebaut, das er so lange zu bewohnen gedachte, bis sich eine günstige Gelegenheit zum Entkommen nach der englischen Colonie zeigen würde. Mit Stricken und Ketten gefesselt wurde er nach dem Posten gebracht, wo ihm die besten Eisen angelegt wurden. Den Tag über wurde ihm eine Schildwache beigegeben, unter deren Aufsicht er den Platz vom Grase säubern musste, und des Nachts schloss man ihn in die Arrestkammer. Man wartete nun auf eine günstige Gelegenheit, um ihn nach Paramaribo zu bringen.

Inzwischen wurde der Kerl krank und so schwach, dass man ihm die Ketten abnehmen musste. Er stöhnte und jammerte so erbärmlich, dass man ihn seinem Ende nahe glaubte, und bat daher den wachhabenden Corporal um Gotteswillen, ihn doch aus der Arrestkammer, wo ohne Feuer die Mosquittos freies Spiel hatten, zu nehmen und in der Wachtstube in den Block zu schliessen, was der gutmüthige Corporal auch that. Scheinbar halb todt brachte man ihn aus dem Arrest und schloss seine Füsse in den Block.

Kaum war es dunkel, so brach er mit einem alten Stück Eisen, das er in seinem Kamis (Binde um den Leib) versteckt hatte, das Charnier des Blockes auf und lief ganz still weg. Man schlug nun Allarm, und der ganze Posten machte sich auf die Beine, um dem Entlaufenen, dessen Krankheit blos eine geheuchelte war, nachzusetzen, aber ohne Erfolg.

Zwei Tage hernach kam meine Ablösung aus Paramaribo. Diese trat aber an die Stelle des Corporals, dem der Neger entschlüpft war, und der nun nach Paramaribo vor den Kriegsrath geschickt wurde. So musste ich denn zu meinem grossen Aerger noch bleiben. Hiezu kam noch der angenehme Auftrag, auf den Plantagen die abermalige Flucht des gefährlichen Kerls anzuzeigen, bei welcher Gelegenheit ich gar manches bittere Wort über die Wachsamkeit von 60 Mann hören musste.

Sechs Wochen später wurde der Entlaufene beinahe auf demselben Flecke, wo er zuerst gefangen ward, wieder arretirt und unter grossem Jubel nach dem Posten gebracht. Dass man jetzt alle Vorsicht gebrauchte, lässt sich denken. Geschlossen musste er unter der Gallerie des Wachthauses sitzen, wo ihn die Schildwache beständig zu beobachten hatte.

Aber auch hier wäre er beinahe wieder entwischt; denn er benützte den Augenblick, wo die Schildwache um das gegenüberliegende Hospital ging, um in die Wachtstube zu kriechen, wo er aus der unverschlossenen Schublade den Schlüssel seiner Fesseln holte.

Als die Schildwache von ihrer, kaum eine Minute dauernden Wanderung zurückgekommen war, sass er wieder ruhig an seinem Platze. Kaum drehte ihm diese von Neuem den Rücken, so schloss er behend seine Fesseln auf, legte diese zum Spott auf den Tisch und lief weg. Glücklicherweise sah diess aber die Schildwache, und er wurde bald wieder eingeholt, weil er einige Tage krumm geschlossen gesessen hatte und in Folge davon nicht so schnell laufen konnte.

Dass es nun neue Hiebe regnete, und die ganze Wachmannschaft ihre Wuth an ihm ausliess, versteht sich von selbst. Der Landdrost aber, der des gefährlichen Kerls sich gerne entledigt hätte, hatte im Sinn, ihn unter meiner Aufsicht mit dem Tentboot auf der Nickerie und Saramacca nach der Stadt zu schicken. Glücklicherweise kam aber zwei Tage später ein Schooner, auf welchem ich mit zwei Soldaten und dem Gefangenen, nebst 26 Kühen, welche der Kapitän des Schooners mitnahm, Nickerie verliess.

Wir kamen nach einer siebentägigen, stürmischen Fahrt, während welcher fünf unserer vierfüssigen Reisegefährten starben, den 5. September 1839 in Paramaribo an.

Es ging nun alles wieder seinen alten, maschinenmässigen Gang: Wache, Exerciren und Compagniedienst wechselten wie früher; zuweilen fand ich auch einen freien Tag, den ich zum Besuch der umliegenden Wälder benützte.

Zu Ende Octobers wurde ich abermals detachirt und kam nun an den Seeposten Alsimo, der bei der Pflanzung gleichen Namens an der Mündung der Warappakreek liegt.

Dieser Posten wurde von einem Sergeanten kommandirt, und die sechs Soldaten hatten die leichtesten Dienste.

Lebensmittel gab es hier in Menge; nur musste man das Regenwasser anderthalb Stunden weit herbeiholen, obgleich auf der Pflanzung in grossen Wasserbehältern solches im Ueberfluss war. Das Detachement lebte aber in grosser Feindschaft mit dem Director derselben, der sogar behauptete, Sergeant und Soldaten seyen seinen Hühnerställen gefährlicher, als Tigerkatzen und Awaris (Beutelratzen).

Diese Behauptung war freilich nicht ganz ungegründet; denn manche Ente und mancher Truthahn, welche sich erfrechten, das herumliegende Welschkorn in der Kaserne aufzupicken, kehrte nicht mehr nach der Plantage zurück.

Eine alte Negerin der Pflanzung, welche die Aufsicht über das Federvieh hatte, bekam dann regelmässig eine Tracht Schläge. Der Director liess sogar nach Federn im Umkreise der Kaserne suchen, um seine Anklagen beweisen zu können; aber die Soldaten waren so klug, und sandten sie mit der Ebbe in die See.

Nach sechs Wochen langweiligen Aufenthalts wurde ich zu meiner grossen Freude wieder abgelöst und nach dem Hauptquartier versetzt.

Sechster Abschnitt.
Abreise nach der Marowyne. Seekrankheit. Haferey. Posten Prinz Willem Frederik. Erste Beschäftigungen. Umgebung des Postens. Stranden der Catharina Jakoba. Raubsucht der Matrosen. Ueberfluss auf dem Posten. Interessante Soirée. Abholen der Güter von Bord. Brodtrunkenheit der Soldaten und Matrosen. Ankunft des Kommandanten. Das Wrak. Ein Possenreisser. Abfahrt der Soldaten nach Armina. Kriegsmatrosen und Arowack-Indianer. Nachtbilder in der Bäckerei. Lebensweise, Sitten und Gebräuche der Caraiben. Zurückkunft des Schooners. Die Haushälterin. Wohlfeiler Tabak. Seeschildkröten. Mosquittosplage. Bremsen. Arbeiten am Wrak. Reise nach Armina. Leben der Soldaten dort. Handel. Kauf des Wraks. Fahrt nach dem Kloster Mana. Die Aebtissin. Das Etablissement Mana. Bevölkerung. Reinlichkeitssinn. Bereitung des Tapioca. Weitere Arbeiten am Wrack. Verkauf desselben. Besuch auf Mana. M's. Streit mit der Aebtissin. Der Rokou oder Orleanbaum. Gefahr auf der Zurückreise. Muschelfang. Die Seekuhkreek. Traurige Nachricht. M's. Abreise. Die Chika oder Sandfloh. Der Mosquittoswurm. Vampyre. Schlangen. Klapperschlange. Streit mit einem Indianer. Besuch der französischen Leproserie. Bau neuer Häuser auf dem Posten. Der Geelbakker. Krankheit. Die Pompaschlange. Zurückreise nach Paramaribo.

Ich hatte nun von 4 Dienstjahren 2½ Jahre auf Posten zugebracht und glaubte desshalb, beim Anfang des Jahres 1840, wenn die Posten gewöhnlich abgelöst werden, in Garnison bleiben zu dürfen.

Diess war aber nicht der Fall, denn ich wurde nach dem entlegenen Posten Armina, dessen sämmtliche Wachmannschaft abgelöst wurde, beordert.

Unser Detachement bestand aus dem Kommandanten, einem zweiten Lieutenant der Colonial-Guiden, einem Sergeanten, einem Korporal, 10 Jägern und 3 Kanonieren. Die Haushälterin des Sergeanten (eine Mulattin mit ihrem Kind) vermehrte die Gesellschaft. Ausserdem waren noch 10 Matrosen von allen Farben, sowie ein Kapitän, an Bord.

Es war der Schooner Beschermer, der früher auf Nickerie als Wachtschiff gedient hatte und ganz besonders darin geschickt war, die zur Seekrankheit geneigten Constitutionen so krank und elend, als möglich, zu machen.

Die für den Posten bestimmten Lebensmittel und das Gepäck der Offiziere füllten den Raum des an sich schon kleinen Fahrzeuges so an, dass es unmöglich war, einen Fuss auf das Verdeck zu setzen. Selbst für unsere Kisten fand sich kein Platz mehr und sie mussten desshalb auf dem Verdeck stehen bleiben.

Es war Ende Januars, als wir Paramaribo verliessen und noch war die Mündung des Flusses noch nicht erreicht, als schon die meisten von uns, und ich wohl am ärgsten, von der Seekrankheit befallen waren. Man hörte nichts als Klagen und Stöhnen, und einer fiel über den andern. An Essen und Trinken war bei mir wenigstens nicht zu denken und immerwährendes Erbrechen schwächte mich so, dass selbst der Lieutenant, der sonst nicht viel weggab, mir eine Tasse Kaffee anbot.

Glücklicherweise währte die Reise nicht lange; denn schon am Morgen des vierten Tages lagen wir in der Mündung der Marowyne vor Anker.

Kaum hörte man das Brausen der Fluth an den vielen Sandbänken, welche diesen Strom so gefährlich machen, als der Kapitän die Anker lichten liess und unter beständigem Looden hineinsegelte.

Noch hatten wir drei Faden Wasser, als kaum eine Minute später der Schooner mit solcher Gewalt an eine Bank stiess, dass wir Alle zu Boden stürzten.

Jetzt folgte Stoss auf Stoss, so dass das Steuerruder losriss und der lose Kiel sich ablöste. Die Sache sah sehr gefährlich aus, denn es zeigte sich ein bedeutender Leck. Anhaltend musste man pumpen; überhaupt wurden alle erdenklichen Mittel angewendet, um das Fahrzeug wieder flott zu machen.

Obgleich die Sache weniger lebensgefährlich war, weil in den zwei Booten des Schooners wir uns Alle leicht hätten retten können, so stand doch die Ladung auf dem Spiel.

Der sonst so bedächtige Kapitän hatte den Kopf ganz verloren; doch wurde das Fahrzeug bei aufsteigender Fluth wieder von selbst flott und unter immerwährendem Pumpen erreichten wir glücklich den Posten Prinz Willem Frederik, der von Ferne einem halbverfallenen Indianerdorfe nicht unähnlich sah.

Abends 5 Uhr betraten wir mit unsern Habseligkeiten das Land, wo wir den Kommandanten und den Doctor von Armina trafen. Sogleich traf man Anstalten, um den Schooner auszuladen und wir waren beinahe die ganze Nacht damit beschäftigt, Fleisch-, Mehl- und Salzfässer nach dem Posten zu rollen. An Schlaf war bei der Unzahl von Mosquittos gar nicht zu denken.

Der Posten selbst war wirklich noch tausend Mal schlechter, als er, vom Strande aus gesehen, schien; denn er bestand nur aus drei Hütten, von welchen die erste, am Strome stehende, grossartig Kommandanten-Wohnung genannt wurde. Eine andere hiess Kaserne, diese lehnte sich unter einem Winkel von beinahe 40° an die Bäckerei an, welche eine entgegengesetzte Richtung angenommen hatte. Alle drei waren aus Pallisaden gebaut, mit Pinablättern gedeckt und so gut gegen Regen und Mosquittos verwahrt, dass, wenn Thüren und Fenster geschlossen waren, die Ziegen durch die Lücken der fehlenden Palissaden ins Haus kommen konnten. Beim Regen blieb kaum ein Plätzchen übrig, um die Gewehre trocken zu halten, und bei heftigem Winde flüchtete man aus guten Gründen ins Freie.

Ein weites Feld für einen wirksamen Geist, dachte ich, als der kommandirende Korporal, den ich ablösen musste, mir einige Tage später nebst dem Inventarium den Posten übergab und mit wichtiger Miene, als gäbe er Juwelen weg, die alten Schaufeln, Rechen u. s. w. zustellte. Die Geräthschaften waren überhaupt so alt und abgenutzt, dass man in der Amsterdamer Judenbrenstrasse keine schlechteren finden wird.

Die Soldaten, welche zur Ablösung des Postens Armina bestimmt waren, wurden gleich am Tage nach unserer Ankunft im grossen Boote des Postens dahin abgeschickt, und wir mussten dem Kapitän des Beschermers bei der Reparation seines unglücklichen Fahrzeuges helfen. Da der als trefflicher Segler bekannte Schooner ungemein spitz und tief gebaut war, der Leck aber unten am Kiel sich befand, so kostete es keine geringe Mühe, das Fahrzeug so hoch ans Land zu schaffen, dass man dem Schaden abhelfen konnte. Endlich war er wieder so weit in Stand gesetzt, dass man die kleine Reise nach Paramaribo mit ihm wagen konnte.

In den letzten Tagen des Januar schiffte sich der abgehende Offizier mit seinen Untergebenen ein, und ich dankte Gott für die Erlösung von einer Truppe, für welche es bei den schlechten Lokalitäten noch an Platz fehlte.

Zum Unglück stiess der Beschermer in der Mündung des Stromes abermals auf eine Bank, verlor das Ruder und bekam einen solchen Leck, dass es nur unter anhaltendem Pumpen möglich war, die Stadt zu erreichen, wo seine Ausbesserung über 2000 fl. kostete.

Einen Tag nach der Abreise des Detachements machten sich auch der Lieutenant und der Doctor auf den Weg nach dem Hauptposten. Ersterer lud so viel als möglich in seine zwei Boote und segelte unter meinem herzlichen Glückwunsch einer glücklichen Reise davon.

Ich bezog nun die Kommandanten-Wohnung, welche ebenfalls aus Pallisaden bestund, doch in einem etwas besseren Zustand, als die Kaserne sich befand.

Zum Glück war eine hinreichende Menge von Nägeln und neuen Pallisaden vorräthig, so dass ich mit Hülfe meiner 5 Soldaten mein Haus nothdürftig ausbessern und wenigstens so weit herrichten konnte, dass die Ziegen nicht mehr herein konnten.

Mein Geschäft auf dem Posten war ein sehr einfaches und geringes und die Besatzung, welche aus einem Korporal und 5 Soldaten bestand, unter welchen ein Bäcker war, hatte nichts zu thun, als für ihren Unterhalt zu sorgen. Sah man auf der See ein Schiff in der Richtung nach Westen, so zog man die holländische Flagge auf, und nahm sie wieder weg, wenn dasselbe passirt war.

Ausserdem mussten die Lebensmittel, welche alle drei Monate auf einem Schooner von Paramaribo aus hieher geschickt wurden, so lange verwahrt werden, bis sie nach und nach vom Hauptposten Armina abgeholt wurden. Dieser lag etwa achtzehn Stunden weiter landeinwärts, diente zur Vertheidigung gegen die Buschneger und war mit 1 Offizier, 1 Sergeanten, 13 weissen und 6 schwarzen Soldaten besetzt. Ueberdiess waren noch etwa 8 Neger zum Unterhalt des Postens und zum Transport der Lebensmittel bestimmt. Ein Doctor und ein Krankenwärter besorgten das Hospital.

So wenig wir nun auch auf unserem Posten zu thun hatten, so ärmlich wäre unser Leben gewesen, wenn uns nicht bei jeder Gelegenheit von Armina her Bananen geschickt worden wären; denn der Posten selbst war auf einer Sandritze und der unfruchtbare Boden brachte nur wenige Awarapalmen hervor, die ein undurchdringliches Gesträuch bildeten.

Hinter dem Posten waren Sümpfe, die nur in den grossen Trockenzeiten zugänglich waren und längs des aus Sand bestehenden Seestrandes, auf welchem man zur Zeit der Ebbe fünf Stunden westlich gehen konnte, zog sich ein Saum von Hochwald hin, worin Cokus-, Haiawa- und andere Bäume des Hochlandes gefunden wurden, hinter welchem Süsswassersümpfe, bewachsen mit Schilf und Gras, parallel mit der Küste liefen. Längs des Strandes fand man stellenweise ganze Gruppen von Cactuspflanzen (Cactus sexagonus), die manchmal 25' hoch und über und über mit Stacheln bedeckt waren. Eine rothe, faustgrosse Feige wuchs in Menge an ihr, diese war zwar süss von Geschmack, aber zäh und selbst von den Indianern wenig beachtet.

Meine erste Arbeit nach der Ausbesserung meines Hauses war die Reparation meines Bettes.

Es befand sich nämlich in meiner Kammer eine aus alten Brettern zusammengenagelte Bettstelle, deren vier verlängerte Pfosten da waren, um mit Gardinen behangen zu werden. Diese waren aus alten Hosen und Hemden meiner Vorgänger zusammengeflickt und hatten so viel Löcher und Risse, als Tage im Jahr sind, daher die Mosquittos freien Eingang hatten. Nach zwei Tagen, welche ich mit Schneiden und Nähen zubrachte, war die Bettlade im besten Zustand und es fehlte nichts mehr, als eine Art Strohsack, wenn ich nicht auf den harten Brettern liegen wollte. Doch zu einem solchen fehlte es an Zeug und ich musste mich bequemen, auf getrocknetem Gras und Laub meine Nächte zu durchträumen.

Vom Lieutenant hatte ich auf Credit mehrere Ziegen gekauft, die sein Vorgänger ihm zurückgelassen hatte, und so konnte ich nun meinen Caffee mit Milch trinken; überdiess hatte ich noch einige Hühner. Auch meine fünf Mann liessen sich, wenn kein Dram zu bekommen war, zu Manchem gebrauchen, und so war ich in meiner neuen Lage sehr wohl zufrieden.

Der ganze, bedeutende Strom war ausser den beiden Militärposten bloss von Indianern und weiter landeinwärts vom Hauptstamme der Buschneger, den Aukanern, bewohnt. Ein ziemlich bedeutendes Caraibendorf lag bloss eine Viertelstunde vom Posten entfernt, und die Bewohner desselben besuchten mich beinahe täglich. Die Lebensweise, Sitten und Gebräuche dieser Menschen werde ich später weitläufig beschreiben, um jetzt an ein Ereigniss zu kommen, das eine bedeutende Rolle während meines Aufenthaltes auf dem Posten Prinz Willem Frederik spielte, und aus dem ich einen bedeutenden Vortheil hätte ziehen können. Wenn ich auch hier, wo durch Zufall das Glück mir lächelte, nur so schüchtern zugriff und nicht nach dem Beispiel meines Kommandanten, der mehr Routine hatte, mich richtete, so war diess gerade nicht Folge einer übertriebenen Ehrlichkeit, sondern ich fürchtete mich theils vor der Strafe, theils regte sich der Wunsch in mir, mich in dieser Sache vortheilhaft auszuzeichnen.

Ich war nämlich seit der Abreise des Offiziers kaum acht Tage frei und ohne Zwang auf meinem Posten, als wir am frühen Morgen des 7. Septembers das Boot eines grossen Schiffes, das seit zwei Tagen in der Mündung des Stromes vor Anker zu liegen schien, auf unsern Posten zukommen sahen. In diesem befand sich der Kapitän desselben mit der ganzen Equipage, nebst zwei Passagieren. Sie hatten ihr reichbeladenes, nach Paramaribo bestimmtes Schiff, ein grosses holländisches Backschiff, Catharina Jakoba, das auf einer Bank des Stromes gestrandet war, verlassen. Sie hatten vorher die Rettung des Schiffes vergeblich versucht und dabei beide Anker verloren. Kapitän und Passagiere, die über den Verlust ihrer hoch versicherten Ladung getröstet schienen, sahen bald ein, dass wir in Ermangelung eines Fahrzeuges nichts zur Rettung des Schiffes beitragen konnten. Doch gab mir Ersterer die Erlaubniss, an Bord gehen zu dürfen und auf Rechnung der Assecuranz, welche doch den ganzen Plunder, der zu 45,000 fl. versichert war, bezahlen musste, abzuholen, was ich für gut fände.

Es war diess das erstemal, dass ich in einen solchen Fall kam, der mich um so mehr in Verlegenheit brachte, als in meinen Instruktionen, in denen es keineswegs an kleinlichen Clauseln fehlte, kein Wort über einen solchen Fall vorgemerkt war. Ich fragte desshalb den Kapitän um Rath, dieser übergab mir das Handelsgesetzbuch und überliess es mir, die betreffenden Stellen herauszufinden. Bald war ich darüber im Reinen und ich erklärte dem Kapitän, dass ich mit Hülfe der Indianer so viel als möglich von der Ladung ans Land schaffen, davon ein Inventarium aufsetzen und diess dem Gouverneur übersenden wolle; überdiess werde ich den Vorfall dem Kommandanten auf Armina per Expressen anzeigen und innerhalb zwei Tagen einen Extrarapport durch Indianer über See dem Gouverneur zuschicken. Hierauf wurde ich vom Kapitän mit dem Inhalt der Ladung bekannt gemacht, welche, ausser einer Menge feiner und ordinärer Lebensmittel, in Manufakturwaaren und über 1200 Kisten Genever bestand. Wegen der Menge der verschiedensten Weine und geistiger Getränke konnte ich auf den Beistand der Soldaten, welche Erztrunkenbolde waren, nicht rechnen: denn die Gegenstände, welche ich von Bord abzuholen gedachte, mussten wegen Mangels an Raum unter freiem Himmel aufbewahrt werden und waren somit jedem Angriff blossgestellt.

Ich sprach jedoch mit meinen fünf Mann, bat sie aufs Dringendste, sich nicht zu betrinken, mir in Allem getreulich beizustehen, setzte ihnen auch auseinander, welchen Vortheil wir aus diesem unglücklichen Zufall ziehen könnten, und gebrauchte dabei alle Ueberredungskunst, die mir zu Gebot stand. Hierauf erhielt ich von ihrer Seite das heiligste Versprechen, dass sie sich lieber die Zunge abbeissen, als einen Schnaps trinken wollen, um diese Vortheile doch ja nicht entschlüpfen zu lassen.

Die Matrosen waren gegen Mittag in ihrem Boote abgefahren, um, wie sie vorgaben, ihre zurückgelassenen Kleidungsstücke abzuholen.

Voll vom Gedanken an Reichthum und Ehre, lief ich, wiewohl es beinahe Hochwasser war, und ich stellenweise bis um den Hals in demselben gehen musste, nach dem ersten Indianerdorf, um noch denselben Abend so viel als möglich von dem Schiff abholen zu können. Es war aber gerade Tanzunterhaltung im Dorfe und ein ganzes Boot stand voll Tapana zum Labsal der Tanzenden in der grossen Hütte. Desswegen war es für heute nicht möglich, weder durch Belohnung noch Drohung Corjaalen zu bekommen, weil sie sich in ihrer Freude nicht stören lassen wollten. Doch versprach mir der Kapitän des Dorfes, am andern Morgen mit wohlbemannten kleinen und grossen Corjaalen zu kommen.

Schon glaubte ich, meinen Plan, noch diesen Tag an Bord zu gehen, aufgeben zu müssen, als sich ein fremder Indianer anbot, mich in seinem kleinen Corjaal, das kaum zwei Menschen fassen konnte, auf das Schiff, das wohl eine Stunde seewärts vom Posten lag, zu bringen.

Glücklicherweise war es stilles Wetter und bei der Ebbe, die unterdessen eingetreten war, gelangten wir schnell an Bord.

Es bemerkte mich kein Mensch; denn alle Matrosen waren unterm Verdecke, wo Kisten und Ballen aufgeschlagen und aufgeschnitten wurden, um so viel als möglich plündern zu können. Das war eine Haushaltung zum Entzücken! Hier ward eine Kiste mit Leinwand, dort eine Porzellankiste erbrochen und was den rohen Kerls nicht anstand, wurde in Scherben zerschlagen. Fässchen Butter, die ihnen im Wege standen, wurden nicht auf die Seite gesetzt, sondern muthwillig zertrümmert, so dass die schöne Butter, welche sonst für die Soldaten meist nur ein Schauessen blieb, in allen Ecken herumspritzte. Lampenballons, von welchen das Stück 4-5 fl. kostete, hatten, wie so manches andere Werthvolle, dasselbe Schicksal.

Kaum hatte man mich erblickt, so wurde ich mit einem Hurrah empfangen und vom Bootsmann mit einer diesen Leuten eigenen Höflichkeit zum Essen eingeladen. Das Aufgetischte war freilich nichts Warmes, bestand aber doch in Sachen, die nie auf dem Küchenzettel eines Korporals figuriren. Man hatte nämlich eine Kiste voll blecherner, luftdicht verschlossener Büchsen gefunden, welche gebratene Feldhühner, Gänse, Fleischspeisen, Salm und andere Leckereien enthielten und man las mir, während ich mit einem alten Messer eine Büchse Feldhühner öffnete, all' das Köstliche vor, wovon ich Gebrauch machen könne, verbunden mit der Aufforderung, zu essen, bis mir der Bauch berste. Zugleich holte der Küchenjunge weissen Zwieback und der Steuermann öffnete eine Kiste mit feinem Rheinwein, wozu der dienstfertige Bootsmann noch als Dessert eine grosse Flasche Confect beifügte, von welchem man gerade eine Kiste gefunden hatte.

Nachdem sie sich davon überzeugt hatten, dass ich mit allem zu einem guten Diner Nöthigen versehen war, gingen sie an ihre fernere Untersuchung, während welcher ich bei schrecklichem Appetit, da ich seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte, eine treffliche Mahlzeit hielt, obgleich Löffel und Gabel mir dabei fehlten.

Wein trank ich wenig; denn ich hatte mir fest vorgenommen, mir in diesem Wirrwarr meine fünf vollen Sinne zu erhalten.

Kaum war ich fertig, so gab man mir durch ein Freudengeschrei aus dem untern Raum zu erkennen, dass man einen angenehmen Fund gethan habe. Dieser bestand in einer Kiste seidener Tücher und Westenzeuge, wovon man mir mit einem halben Dutzend Foulards ein Geschenk machte. Leider wurde mir dieses, wie noch so manches Andere von Matrosen oder Soldaten aus meiner Kiste gestohlen, und es blieb mir von allen diesen Kleinigkeiten am Ende beinahe nichts übrig. Endlich hatten die Matrosen ihre Kisten vollgepfropft, an Lebensmitteln und Getränken so viel mitgenommen, als man laden konnte und segelten damit nach dem Posten, während meine ganze Ladung nur in drei Fässchen Butter bestand, weil ich nicht mehr mitnehmen konnte.

Zu Hause traf ich schon Alle betrunken an, und Nachts sah ich Bacchanalien, worüber ich erstaunte, obgleich ich doch schon manche solche Partie mit angesehen hatte. Kapitän, Passagiere und Steuermänner logirten in meiner Wohnung; die Matrosen aber, deren es etwa acht waren, bei den Soldaten in einer Kammer von 16' Länge und 9' Breite, aus der die Kaserne bestand, in welcher nun zwölf Personen campiren sollten. Ans Schlafen wurde natürlich bei dem Ueberfluss an Genever nicht gedacht; denn jeder wollte diese Gelegenheit benützen, um sich einmal wieder etwas zu gut zu thun. Alles lagerte sich im Kreise um ein Licht, das alle Augenblicke auslöschte, weil der Wind von allen Seiten durch die Wände blies. Endlich stellte man es in eine leere Geneverkiste, wodurch die Hälfte der Gesellschaft sich immer im Dunkeln befand. Zwei offene Kisten Genever und Branntwein, nebst acht grossen Gläsern Confect, von deren einem ich schon auf dem Schiff gegessen hatte, standen zur Verfügung der ehrbaren Gesellschaft.

Gesang und sittsame Erzählungen wechselten ab, und um diese Soirée noch interessanter zu machen, zog sich einer der Soldaten nackt aus, theils um die Gesellschaft durch allerlei gymnastische Sprünge und Stellungen zu unterhalten, theils um den Schiffsjungen, die über Mosquittosstiche klagten, zu zeigen, wie wenig er darauf achte. Ich liess sie machen, was sie wollten, weil ich fest davon überzeugt war, dass ein Verbot nichts helfen würde. In der Bäckerei sass ich die halbe Nacht, mit dem Schreiben eines langen, ausführlichen Rapports an den General-Gouverneur beschäftigt, was bei der Unzahl von Mosquittos, die in Legionen mich umschwärmten, keine Kleinigkeit war. Meine Hände waren auch in Folge unzähliger Stiche so rauh, wie ein Reibeisen geworden und das Papier war mit Blutflecken besäet. Zum Glück war es jedoch nur das Concept, das ich bei Tag ins Reine schrieb. Es war bereits nach Mitternacht, als ich in meine Wohnung mich zurückzog, um da eine Schlafstelle zu suchen.

Der Lärm in der Kaserne war verstummt; denn die meisten lagen wie bewusstlos am Boden und fühlten keine Mosquittosstiche mehr; nur die Schiffsjungen, welche noch keine solche Säufer waren, liefen heulend und fluchend umher.

Ich hatte mein Bett an den Schiffskapitän, einen schon bejahrten Mann abgetreten; die zwei Passagiere hatten sich aus meiner und den Schiffsflaggen eine Art Zelt über ihre Matratzen gemacht, die Steuerleute aber und ich lagen auf dem Fussboden der Aussenkammer, wo es nicht möglich war, vor dem Gesumse und den Stichen dieser diabolischen Insekten ein Auge zu schliessen.

Mit Sehnsucht erwartete ich den Morgen. Plötzlich vernahm ich ein jammervolles Angstgeschrei, das auf dem Platze erscholl, und eilte hinaus, um die Ursache zu erfahren. Einer der Schiffsjungen, der noch nie in einem Tropenlande gewesen war, kam mir zitternd entgegen und erzählte von einem schrecklichen Thiere, das unter einem Stapel Bretter, worunter er sich vor den Mosquittos habe verstecken wollen, sässe. Ich untersuchte nun den Stapel und fand eine grosse Kröte, die durch ihren dumpfen Schrei den armen Jungen so erschreckt hatte.

In der Frühe des andern Morgens kamen beinahe alle Indianer des Dorfes mit ihren Corjaalen, von welchen die grösste, dem Kapitän der Indianer, Christian, gehörig, wenigstens 50' Länge und 5' Breite hatte. Er selbst, neugierig gemacht durch die Erzählungen des Indianers, der mich den vorigen Tag aufs Schiff brachte, hatte seine drei Weiber mitgenommen, von welchen die jüngste, kaum 16 Jahre alte, ihm besonders ans Herz gewachsen zu seyn schien.

Wir kamen schnell an Bord, und jetzt sah ich erst, wie gräulich die Matrosen den Abend zuvor hier gehaust hatten. Im Schiffsraum lag Alles durcheinander, wie Heu und Stroh, und vor den Glas- und Porzellanscherben war den Indianern besonders bange. Ich fand glücklicherweise einen Korb mit Stiefeln und Schuhen, von welchen ich den Männern austheilte, die freilich für ihre niedlichen Füsse die meisten zu gross fanden. Nun zog man ans Licht, was mir von Bedeutung zu seyn schien, und es wurden so schnell als möglich alle Corjaalen damit beladen. Es kostete wirklich keine geringe Mühe, das Völkchen im Zaume zu halten und grössere Trunkenheit zu verhüten.

So verschiedene Getränke und Leckereien auch an Bord waren, so machte doch nichts auf diese Menschen Eindruck; nur Genever, Zwieback und Stockfische wurde von ihnen in Anspruch genommen.

Gleichgültig luden sie Alles, was ich ihnen bot, in ihre Corjaalen; nur als ich zufälliger Weise einige grosse Schachteln mit seidenen Frauenhüten, Blumen und Bändern fand, kamen Alle auf mich zu, mich darum zu bitten. Als ich ihnen den Plunder, der doch nicht viel werth war, überliess, fielen sie wie reissende Thiere darüber her, und die Vordersten, welche das Glück hatten, mehrere zu bekommen, setzten sie übereinander auf, während die, welche keine bekamen, sich nicht zufrieden geben wollten.

Mehrere blechene Büchsen voll sogenannter St. Nicolas-Kuchen, welche allerlei Figuren, als Dampfboote, Thiere u. s. w. vorstellten und mit kleinen Stückchen Schaumgold beklebt waren, erregten ihre Aufmerksamkeit in ebenso hohem Grade und zwar nicht wegen seines feinen Geschmackes, denn keiner wollte auch nur die Probe machen und davon essen, sondern wegen der Figuren, die sie so drollig fanden. Sie machten Schnüre daran und trugen sie so lange um den Hals, bis der Kuchen, von Schweiss und Wasser durchnässt, als Brei an ihnen herabfloss. Man denke sich nun ein paar Dutzend rothe, nackte Menschen in Stiefeln und Schuhen, mit stapelweise übereinander gesetzten und mit Blumen garnirten Damenhüten, behangen mit Colliers von Lebkuchen, die Masten und Schiffsleitern auf- und abklettern, Kisten und Fässer einladen und die Flaschenzüge versetzen, so kann man wirklich nichts Barockeres sich vorstellen.

Indessen wir Alle aus Kräften arbeiteten, sass das Oberhaupt mit seiner Frau in der Kajüte und trank eine Flasche nach der andern aus. Die mancherlei Getränke, welche sein junges Weibchen getrunken hatte, verursachten ihr einen solchen Rausch, dass sie ohne Bewegung am Boden lag, und mit starren Augen wie ein Schaf blöckte. Trostlos sass der total betrunkene, alte Mann neben seiner Liebsten, unvermögend, ihr beizustehen.

Das Boot war unterdessen geladen und die Indianer drangen auf die Abreise, weil die Fluth mit Gewalt heraufkam, und es gefährlich war, länger zu verweilen. Nach manchem vergeblichen Versuche, die Frau wieder zur Besinnung zu bringen, rieb ich ihr das Gesicht mit Eau de Cologne, von welchem eine Kiste voll der schlechtesten Sorte sich an Bord befand. Es mochte ihr vielleicht etwas davon in die Nase gekommen seyn, denn sie fing an, schrecklich zu niesen und machte ein Gesicht, das mir so komisch vorkam, als ihr mit Lebkuchen geschmücktes Volk.

Mit Mühe klomm endlich Christian in die Corjaal und empfing sein Weibchen sanft in seinem Schoos. Wir hatten ihr ein Tau um den Leib gemacht und sie wie ein Fass in die Corjaal gelassen.

Die See war unterdessen so ungestüm geworden, dass mir für die Ladung und mein Leben bange war und das Jammern und Streiten der furchtsamen Weiber war gar nicht geeignet, mir Muth einzuflössen. Die Corjaal war übermässig geladen; denn ausser 400 Fässchen Butter, à 14 Pfd., 10 Fässern Madeira im Werthe von 1200 fl., war noch eine Menge Wein und Lebensmittel, Quincaillerie und Federbetten aufgethürmt. Dabei sassen mit Alt und Jung gewiss 40 Personen darin. Endlich waren Alle eingestiegen und schon liess man das Tau los, um abzufahren, als eine Welle das Brett (den Stern), woran an grossen indianischen Corjaalen das Steuerruder befestigt ist, herausschlug und das Wasser wie durch eine geöffnete Schleusse in die Korjaal strömte. Ein Zetergeschrei der Weiber erfüllte die Luft. Schnell aber hatte der Steuermann sich mit seinem Hintern in die Oeffnung gesetzt, um das weitere Eindringen von Wasser zu verhüten, während ein anderer Brett und Steuer wieder befestigte und die Risse mit Stücken seines Camises ausstopfte, wodurch dem Schaden abgeholfen war. Ich dankte Gott, als ich zu Hause ankam.

Hier wurde nun Alles in grösster Eile ausgeladen und am Strand niedergelegt. Die Sorge für Weiterschaffung und Aufbewahrung des Mitgebrachten wurde mir allein überlassen. Mit zwei Kisten Genever fuhr mein Völkchen nach seinem Dörfchen, um sich da recht gütlich zu thun. Meine Soldaten waren wieder in dulci jubilo und konnten sich kaum auf den Füssen halten.

Die Matrosen schliefen, somit war ich genöthigt, Alles selbst zu thun.

Auf Brettern, welche ich in den Sand gelegt hatte, rollte ich die schweren Fässer aufwärts in die Mitte des Platzes. Mit schweren Kisten formte ich ein Carré, in dessen Mitte die kleineren Gegenstände, als Butter-, Weinfässchen, Kisten u. s. w. niedergelegt wurden. Hierauf überdeckte ich Alles mit Brettern, um den Regen und die Sonnenhitze abzuhalten. Es herrschte nun ein Ueberfluss auf dem Posten, bei welchem die Soldaten weder Maas noch Ziel kannten. Was sie nicht von den Matrosen bekommen konnten, suchten sie von meinen mitgebrachten Waaren, über welche ich ein geregeltes Inventarium führte, wegzunehmen. Sie assen und kochten gemeinschaftlich mit den Matrosen, wobei die vielen, vom Schiffe abgeholten Lebensmittel die besten Mahlzeiten gegeben hätten. In Folge des beständigen Trinkens aber verwendete man keine besondere Sorgfalt auf die Küche. So wurde einmal ein ganzes etwa 10 Pfd. schweres Fässchen gesalzener Bratwürste in den Topf gethan; dadurch wurde das Essen so salzig, dass man es nicht mehr geniessen konnte, und man vor Zorn den ganzen Frass zur Thüre hinauswarf, wo die auflauernden Stinkvögel königlich schmausten, und wobei es lustig anzusehen war, wie sie sich um die noch aneinandergereihten Bratwürste herumzerrten.

Den zweiten Tag fuhr ich mit so vielen Corjaalen, als aufzutreiben waren, wieder an Bord, und weil da die grosse Corjaal von den zwei Passagieren, welche den andern Tag nach Paramaribo fahren wollten, gemiethet wurde, so fuhr ich des Abends abermals ans Schiff, um heute noch so viel als möglich abzuholen.

Von jetzt an gebrauchte ich die Vorsicht, alle feineren Weine und theuren Leckerbissen in der Vorkammer meines Hauses niederzulegen und so aus den Klauen der Soldaten und Matrosen zu retten. Mit diesen hatte ich meine liebe Noth; denn sie waren nicht mehr mit Genever und rothem Wein, von welchem ein Fass offen dalag, so dass sie trinken konnten, so viel sie wollten, zufrieden, sondern verlangten Rheinwein und Madeira, wovon ich Fässer und Kisten im Hause aufbewahrte.

Da ich ihnen erklärte, dass ich nicht befugt sey, über diese Güter, welche der Assecuranz gehörten, zu disponiren, und natürlich das Verlangte verweigerte, so beschlossen sie, mich zu zwingen und das Haus zu stürmen. Diess wäre nun gerade kein Hexenwerk gewesen; denn ausser dem alten und kränklichen Kapitän und den zwei Passagieren befanden sich darin nur noch die zwei Steuermänner, welche aber geheime Ursachen dazu hatten, auf Seiten ihres Schiffsvolkes zu bleiben. Sie marschirten nun mit Aexten und Säbeln bewaffnet, heran, und forderten mich noch einmal zur Herausgabe von Rheinwein auf. Statt der Antwort lud ich meine zwei Gewehre und drohte, den ersten, der über meine Schwelle käme, niederzuschiessen. Der Kapitän kramte gegen sein Volk alle seine Beredtsamkeit aus und stellte ihnen vor, welchen Strafen sie verfallen würden.

Sie zogen sich endlich unter allerlei bekannten Einladungen, die sie an mich ergehen liessen, zurück, und tranken nun wieder Schiedams edlen Trank, der ihnen kurz zuvor viel zu schlecht gewesen war.

Bei dieser Scene waren die Matrosen die Aergsten gewesen, und sie hatten offenbar die Soldaten dazu aufgewiegelt.

Am dritten Tag kam Christian mit seiner Corjaal, um die beiden Passagiere nach Paramaribo zu bringen. Ich setzte durch, dass auch zwei der schlimmsten Matrosen, welchen ich nicht trauen konnte, mitgeschickt wurden. Der Kapitän wollte noch einige Zeit bleiben, um das Schicksal seines Schiffes abzuwarten.

Sonderbar schienen mir die Gesetze der Assecuranz zu seyn, weil er es nicht wagte, etwas von Bord zu holen. Eine grosse Barkasse, mit welcher man in 4-6 Tagen bei anhaltender Thätigkeit die ganze Ladung ausser den Backsteinen, welche als Ballast dienten, leicht hatte retten können, lag unbenützt am Strand, und so war ich genöthigt, ohne die mindeste Hülfeleistung von Seiten des Schiffsvolks, die Sachen nach und nach ans Land zu bringen.

Die Passagiere hatten meinen Rapport an den General-Gouverneur, dem ich ein Inventarium über alle bis jetzt ans Land gebrachten Güter beigelegt hatte, mitgenommen. Einen andern Rapport hatte ich den Tag zuvor dem Kommandanten auf Armina durch Indianer zugeschickt.

Mir war nun nach der Abreise der zwei Passagiere und Matrosen wieder leichter ums Herz, weil ich einerseits mich vor Revolutionen auf meinem Posten gesichert glaubte, anderseits desswegen, weil ich wieder in meiner eigenen Kammer logiren konnte.

Täglich fuhr ich mit Corjaalen an Bord; aber da diese nur klein waren, so war auch das ans Land Gebrachte von geringer Bedeutung.

Da das Schiff auf seiner Sandbank jedem Wellenschlag zu trotzen schien, und selbst nach sechs Tagen noch kein Leck an ihm zu bemerken war, so war ich auch fest davon überzeugt, dass bei eifriger Arbeit Ladung und Schiff hätten gerettet werden können.

Acht Tage nach dem Stranden des Schiffes kam mein Kommandant von Armina in Begleitung des Doctors. Er war sogleich nach Empfang meines Schreibens abgereist; denn die Sache lag ihm sehr am Herzen, und er bedauerte nur, dass ich die armen Schiffbrüchigen nicht genugsam unterstützen konnte. Auch von dem, auf dem Posten herrschenden Wirrwarr und Wohlleben war er durch meinen Brief und den Ueberbringer desselben hinlänglich unterrichtet, und er hatte desswegen ausser einigen Boschen Bananen nicht das Mindeste mitgebracht, das zur Unterstützung der Armen hätte dienen können.

Der Doctor, welcher den Kommandanten begleitete, merkte so gut wie dieser, dass es hier etwas zu verdienen gäbe. Seine Menschenfreundlichkeit war also nicht der geringste Grund, diese Reise zu machen, bei welcher ihn der Kommandant nur mit Widerwillen mitgenommen hatte, und blos desswegen, weil er sich auf keine Weise zurückhalten liess. Ich machte sogleich nach der Ankunft des Kommandanten ihm den pflichtschuldigen Rapport, zeigte ihm das Inventarium, und gab ihm auch das Concept des, an den General-Gouverneur abgesandten Briefes. Letzteren missbilligte er höchlich, weil ich als Korporal nur an ihn zu rapportiren, und durch mein eigenmächtiges Handeln mich eines unverantwortlichen Fehlers gegen die Disciplin schuldig gemacht habe, wesswegen auch ohne Zweifel ein ernstlicher Verweis wegen eines solchen gesetzwidrigen Schritts vom Gouvernement erfolgen werde. Ich machte mir darüber keine Sorgen, weil ich wohl einsah, dass der Unzufriedenheit des Lieutenants über meine Anmasung ganz andere Motive zu Grunde lagen, als die eines Versehens gegen die Dienstordnung.

So unangenehm ihm mein eigenmächtiger Schritt auch war, so beruhigte er sich doch wieder bei der Masse von Gegenständen, welche theils noch an Bord sich befanden und zu bekommen waren, theils seit der Absendung meines Inventariums durch mich wieder abgeholt worden waren.

Das gemeinschaftliche Interesse, welches wir bei der Sache hatten, hob so ziemlich die Scheidewand auf, welche zwischen mir als Corporal und den beiden Officieren bestand, und es herrschte eine Vertraulichkeit unter uns, als wären wir aus einem Teige gebacken.

Inzwischen fuhren die zwei Boote, welche der Kommandant mitgebracht hatte, alle Tage an Bord und holten den grössten Theil der Güter ab.

Das Schiff sank später immer tiefer, so dass bei hoher Fluth die Wellen manchmal darüber hinschlugen und den untern Raum bald mit Wasser ausgefüllt hatten. Man war desshalb genöthigt, einige grosse Löcher hineinzuhauen, damit das Wasser mit der Ebbe wieder herauslaufen konnte. Viele hundert Körbe mit Erdäpfeln und Zwiebeln füllten den vordern Theil des Raumes aus, wo ich sie gelassen hatte, weil sie mir von zu geringem Werth waren.

Diese waren nun dem Seewasser ausgesetzt und verfaulten mit unerträglichem Geruche, von welchem wir selbst auf dem Posten die Nase voll hatten, wenn der Wind nordöstlich wehte.

Einige Tage nach der Ankunft des Kommandanten wurden die Soldaten, welche sich so schlecht betragen hatten, mit Ausnahme von einem, der mir zuweilen noch ein wenig geholfen hatte, nach dem Posten Armina gesandt. Ihre Kisten wurden zuvor auf dem Platze vom Kommandanten untersucht und ihnen Genever und Branntwein abgenommen, weil auf der Reise dahin leicht ein Unglück hätte entstehen können.

Nun war unter den Abgehenden ein junger Kerl, der durch fröhlichen Humor und seine Possenstreiche Jedermann belustigte.

Der Lieutenant hatte, um seinem Respecte nichts zu vergeben, die leuchtenden Zeichen seiner Würde auf seinen Schultern hangen, und war gerade an der Kiste des Possenreissers beschäftigt, als dieser hinter dem Rücken des Officiers eine abscheuliche Maske mit langen, grauen Bärten aufsetzte, die er wahrscheinlich von einem Matrosen bekommen hatte. Doctor, Kapitän und ich sahen dem Spasse zu, und die Neger, Indianer, Matrosen und Soldaten, welche den Kommandanten umstanden, erwarteten begierig das Ende.

Endlich wandte sich dieser um, und vor ihm stand die gräuliche Gestalt des Spassvogels, der sich überdiess noch höchst barock herausgeputzt hatte.

Entsetzt wich der Kommandant zuerst etliche Schritte zurück, verfolgte denselben aber sogleich unter dem schallenden Gelächter der Umstehenden bis in die Savannen.

Nachdem der Kapitän, die Matrosen und Soldaten abgereist waren, war ein stilles, angenehmes Leben, bei welchem man Alles recht untersuchen konnte, ohne gestört zu werden, an die Stelle lärmender Bewegung getreten.

Es waren vier Neger zurückgeblieben, welche mit mir oder dem Doctor täglich an Bord fuhren. Bei unserer Zurückkunft überraschte uns der Kommandant, der ein Meister in der Kochkunst war, mit den delicatesten Mahlzeiten, welche aus dem Ueberflusse unter seiner Leitung bereitet wurden.

Das Boot kam endlich von Armina an und brachte drei schwarze und einen weissen Soldaten.

Zugleich kam ein Schooner mit einem Gouvernementsbefehl an mich, worin mir das Gouvernement seine besondere Zufriedenheit über die von mir getroffenen Maasregeln bezeugte, und mir zugleich befohlen war, die geretteten Güter mit dem Schooner abzuladen, an dessen Bord sich sechs Kriegsmatrosen befanden, um dem Kapitän, einem alten, schlauen Engländer, dem solche Affairen nichts Neues waren, beizustehen. Jetzt machte sich der Kommandant, nachdem er noch so viel als möglich in seine zwei Boote gepackt hatte, mit dem Doctor davon, über die Unmöglichkeit seufzend, dass man nicht das ganze Schiff nach Armina transportiren könne.

Der Kapitän war nun vor der Hand damit beschäftigt, Schiffsartikel, als Segel, Tauwerk u. s. w., seinem Schooner anzupassen, so dass dieses alte, gichtbrüchige Fahrzeug bald ein gar stattliches Aussehen hatte und alle seine Räume und Ecken für die Zukunft mit brauchbaren Gegenständen ausgefüllt waren.

Die Kriegsmatrosen hatten während dieser Zeit freien Lauf und benützten diese auch auf's Köstlichste. Am Tage ihrer Ankunft war gerade eine indianische Arowackenfamilie bei mir auf Besuch gekommen. Es waren meistens Weiber, welche der Schnaps angelockt hatte. Die Matrosen nahmen nun von meinem Haufen, dessen Gegenstände verzeichnet waren, ein paar Kisten Branntwein, und bald lag das ganze Völkchen besinnungslos auf der Savanne. Es war gerade nicht nöthig, dass die Nacht ihren Schleier über diese Scene warf; denn die Indianer waren so betrunken, wie ihre Weiber, dass sie die Fehltritte derselben nicht bemerken konnten.

Ich hatte mich in mein Haus eingeschlossen und lag schon in tiefem Schlaf, als ein höllisches Geschrei und Gepolter, das aus der Bäckerei zu kommen schien, mich weckte. Mit dem Licht in der Hand lief ich sogleich hin, um dieses Nachtstück zu beleuchten. Dort fanden sich zwei Matrosen mit zwei indianischen Weibern, welche, um sich vor Mosquittosstichen zu schützen, in's Bett des Bäckers gekrochen waren, das er gutmüthig ihnen abgetreten hatte. Dieses, aus Mehlfassdauben zusammengenagelte, wurmstichige Möbel, das schon seit Olim's Zeiten ein Bäcker dem andern überlieferte und blos für einen Mann bestimmt war, brach unter seiner Last und fiel mit derselben auf die, unter ihm liegenden Mehlfässer.

Diese (der Teufel hatte offenbar sein Spiel dabei) waren mit der Schlafmaschine einige Schritte fortgerollt und stiessen an den Backofen an, der, ebenfalls schon lange im schlechten Zustande, einige Risse bekam. Die Matrosen und ihre Schönen waren bei dieser Rutschparthie mit heiler Haut davon gekommen; dem Bäcker aber, der sich im Backtroge gebettet hatte, fiel in Folge der Erschütterung der Deckel desselben auf den Kopf und verursachte ihm einige Beulen.

Ich fand, als ich mit dem Lichte kam, noch Alle voll Bestürzung. Die Indianerinnen schoben ihre Feigenblätter (Kwejus) wieder zurecht, und die Matrosen tranken auf diesen Schrecken mit dem Bäcker einige Gläser Branntwein.

Nach etwa vierzehntägigem Aufenthalt, während welcher Zeit der Kapitän seine legale und nicht legale Arbeit verrichtet hatte, zog auch er mit seinen Matrosen von dannen.

Jetzt hatte ich wenigstens einige Wochen vor Besuchen Ruhe, und wendete diese Zeit zu häufigen Besuchen bei meinen Nachbarn, den Indianern, an, um ihre Sitten und Gebräuche kennen zu lernen.

Sie gehören, wie die meisten der Indianer, zum Stamme der Caraiben; ihr ganzes Dorf mochte etwa 100 Köpfe stark seyn. Das Oberhaupt, ein 55-60 Jahre alter Mann, hiess Christian. Er hatte von verschiedenen Weibern wenigstens 12 Kinder, von welchen die meisten erwachsen und verheirathet waren. Er stand bei allen Indianern als Piaiman, d. h. Doctor oder Zauberer, in grossem Ansehen und wurde, wenn Jemand ernstlich krank war, sogleich gerufen. Ich hatte später Gelegenheit, seine Beschwörungen mit allen Zubereitungen in bester Form zu sehen.

Die Lebensweise der Caraiben ist im Allgemeinen von der der Arowacken nicht sehr verschieden, nur sind diese sanfter von Character. Auch die Gesichtszüge der Arowacken, besonders die der Frauen, sind feiner und gefälliger und haben nicht den derben Ausdruck der Caraiben.

In Beziehung auf die Reinlichkeit ihrer Haushaltungen und ihres Körpers sind die Caraiben viel pünktlicher, und obgleich beide Stämme in Freundschaft mit einander leben, verachtet doch einer den andern. Die Arowacken sind meist gute Jäger; dagegen scheinen die Caraiben den Fischfang besser zu verstehen, auch sind letztere im Bau der Corjaalen und in der Führung derselben bei stürmischem Wetter jenen überlegen.

Die Caraiben sind ein schöner, kräftiger Menschenschlag; die Männer sind selten über 5½' hoch, die Weiber aber bedeutend kleiner. Sie tätowiren sich nicht, bemalen aber zur Zeit ihrer Feste, und besonders, wenn sie von Reisen zurückkommen, den Leib mit dem Safte einer Frucht (Taburiba), der das Eigenthümliche hat, dass er sich durch nichts abwaschen oder ausbeizen lässt, aber täglich blässer wird, und mit dem achten Tage ganz verschwindet. Die Farbe dieses Saftes ist schwarz und wird mit einer Federspule auf den Leib aufgetragen. Das Bemalen aber, dem sich Männer und Weiber unterziehen, ist ein langweiliges Geschäft, das mehrere Stunden dauert, weswegen man auch nur wenige so bemalte Indianer sieht. Die Meisten begnügen sich damit, dass sie den Saft auf den Leib spritzen und denselben mit der Frucht einreiben.

Die Haare werden mit einer Salbe von Rocou (Orlean) und Crapatöl beschmiert, und diese besonders auf der Stirne beinahe fingersdick aufgetragen. Die Füsse werden ebenfalls bis zu den Knieen roth gefärbt. Auf dem Gesichte werden mit einer Farbe, Crawaru, vermischt mit dem angenehm riechenden Harze (Arakasiri), Striche und Punkte angebracht. Federkronen, Colliers von Affen-, Pakir-, oder Caimanzähnen vollenden den Putz.

Ihre Weiber sind von denen der Arowacken besonders leicht zu unterscheiden, denn die Caraibinnen tragen statt des niedlichen Perlenschürzchens, das deren einzige Bedeckung ist, ein langes, dunkelblaues Tuch, das durch einen Gürtel von Affenhaaren (vom Stentor ursinus) befestigt ist, und durch die Beine gezogen, zu demselben Zweck dient. Ihre schönen, schwarzen Haare sind auf der Stirne glatt abgeschnitten, meistens los, aber auch oft in Zöpfe gebunden. Die Unterlippe ist von einer grossen Stecknadel durchbohrt, deren Spitze nach aussen gekehrt ist und als Waffe gegen unerlaubte Freiheit dienen kann.

Manche caraibische Schöne trägt in ihren Ohrläppchen Pröpfe oder Knochen, welche zuweilen daumendick sind. Das Auffallendste aber sind ihre Waden, welche gleich kleinen Fässchen hervorstehen. Die starken baumwollenen, 3" breiten Bänder, mit welchen das kleine Mädchen oberhalb der Knöchel und unterhalb der Kniee gebunden wird, und die nie abgenommen werden, hindern das natürliche Wachsthum und machen, dass die Waden so unförmlich heraustreten.

Die jungen Mädchen sind, diesen Misswachs abgerechnet, niedliche Geschöpfe, werden aber, wenn sie älter werden, übermässig breit, platt wie eine Bratpfanne, und ihre Brüste, an welchen manchmal Kinder, Affen und junge Hunde zugleich saugen, haben besonders in ihren späteren Jahren so ziemliche Aehnlichkeit mit schweinenen Tabaksblasen.

Wie ganz anders ist dagegen eine junge Buschnegerin gestaltet! Welches Ebenmaas, welche Fülle der Glieder! Die schwarze, atlasfeine Haut, die üppigen Verhältnisse der Glieder würden einem Bildhauer das reinste Modell eines schönen Weibes liefern. Nur Schade, dass diese schwarzen Schönheiten einen Geruch um sich verbreiten witch all the perfums of Arabia not can sweeting, eine Eigenschaft, welche die Indianer nicht besitzen.

In ihren häuslichen Verhältnissen findet zwischen den Caraiben und Arowacken wenig Unterschied statt. Die Meisten begnügen sich mit Einem Weibe. Man findet aber auch solche, die zwei, drei oder mehr Weiber haben, von welchen jede eine besondere Hütte für sich und ihre Kinder hat. Kommt nun ein Mann, der einen solchen Harem besitzt, nach Hause, so wird ihm von seinen Weibern sein Essen vorgesetzt, das immer in Cassavebrod und einer, aus zahllosen spanischen Pfeffern gekochten Sauce, nebst Wild und Fischen besteht, wenn er solches mitbrachte. Jede dieser Weiber bringt ihr Essen dem Mann, setzt es vor ihm nieder und entfernt sich sogleich wieder, ohne ein Wort zu sprechen. Man kann desshalb aus der Anzahl der Schüsseln errathen, wie viele Weiber ein Mann hat. Nach dem Essen nimmt jedes Weib wieder ihre Schüssel weg und verzehrt den Ueberrest mit den Kindern in ihrer Hütte.

In solchen polygamischen Ehen gibt es aber manchmal Mordspektakel, und die Autorität des Mannes wird, wenn die Damen einmal in der Wuth sind, wenig mehr beachtet. Ehliche Treue ist unter ihnen gar nicht zu finden, und es geschieht häufig, dass ein Weib monatelang sich bei einem andern Indianer aufhält, und nachher wieder zu ihrem Manne zurückkehrt. Ebenso ist es nicht selten, dass Männer ihre Weiber und Kinder verlassen und sich an andern Plätzen wieder ansiedeln.

Es gibt gewiss kein unbeständigeres Volk, als die Indianer. Der kleinste Umstand kann ihre Laune ändern und machen, dass sie Aecker und Wohnungen, selbst wenn diese erst neu angelegt sind, sowie ihre Familien verlassen, und sich lieber mit unsäglicher Mühe an andern Plätzen wieder anbauen, die ihnen bei weitem den Vortheil ihrer verlassenen Heimath nicht geben. Und wie die Alten, so die Jungen!

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Kinder von 10-12 Jahren von ihren Eltern weglaufen, und nach andern, oft weit entfernten Dörfern, wo sie Bekannte haben, gehen. Eine Hängematte, Pfeil und Bogen und vielleicht noch ein altes Messer sind der ganze Reichthum eines solchen kleinen Vagabunden, der aus jeder Eidechse, jedem Vogel oder Fisch, den sein Pfeil erreicht, seine Mahlzeit zu bereiten weiss.

Eltern- und Kinderliebe gehört zu den Seltenheiten, und für Alte und Kranke scheint man ganz gefühllos zu seyn. Selbst Mütter, deren Kinder des Nachts aus ihrer Hängematte ins Feuer fielen und sich auf schauderhafte Weise verbrannten, liessen diese armen Würmer ohne Hülfe wimmern und tanzten ungerührt beim Tapanafeste in den Reihen der Uebrigen.

Solche Brandwunden kommen sehr häufig vor, weil die Indianer immer Feuer unter der Hängematte haben, und manches Kind, das von der betrunkenen Mutter wegkroch, ins Feuer fällt.

Die Dörfer sind ohne alle Symmetrie, meist dicht an einem Flusse oder einer fahrbaren Kreek angelegt, und die Häuser stehen ohne alle Ordnung in die Kreuz und Quer da, wo sie eben die Laune des Eigenthümers hinstellte.

Jede Familie hat ihre eigene Hütte, die so lange benützt wird, bis sich kein Plätzchen mehr findet, an welchem die Hängematte vor Regen geschützt ist. Der Bau dieser Hütten ist zweckmässig und sehr einfach. Zwei oder drei etwa 8 Zoll dicke Pfosten von schönem, geradem Holze werden so weit von einander in die Erde eingegraben, als die Hütte lang werden soll. Sie sind 10-12' hoch und tragen eine starke Querstange, die so lang ist, als das Haus, und zum Tragen des Daches bestimmt ist. Vier Pfosten von etwa 4' Höhe sind an vier Ecken in die Erde eingerammt, und tragen zwei mit der Mittelstange parallel laufende Stangen von gleicher Länge. An dieses Rahmenwerk wird eine gewisse Anzahl leichter Stangen mit Buschtau festgebunden und im Gipfel des Hauses an die grosse Querstange befestigt.

Die Blätter der grossen Heliconie werden in der Mittelrippe zusammengelegt, und ein Blatt neben das andere mit Lianen angereift.

Nachdem durch das Zusammenfügen vieler dieser grossen Blätter ein ansehnliches Stück des Daches gemacht ist, wird dieses mit Sparren und Stangen beschwert und bleibt so lange auf dem, zuvor sorgfältig gesäuberten Boden liegen, bis die steifen Blätter etwas welk geworden sind und das ganze Stück sich zusammenrollen lässt. Man befestigt sodann das eine Ende am Giebelbalken mit starken Lianen, und entrollt die Decke. Diese Stücke sind gerade so lang, als die Blätter breit sind, etwa 7-8' lang, und es werden desshalb ihrer so viele verfertigt, als die Länge des Hauses erfordert. An das erste wird das zweite, etwas über jenes, und so jedes Stück gelegt, damit der Regen nicht eindringen kann.

Sind beide Seiten des Daches auf diese Weise gedeckt, so wird mit künstlich zusammengeflochtenen Cumublättern der Giebel bedeckt.

Alles dieses wird mit Lianen ans Rahmwerk festgebunden. So leicht diese Dächer auch sind, so undurchdringlich sind sie doch für den Regen. Eine solche Hütte ist 2-3 Jahre in gutem Zustand, und wenn sie dem Winde nicht zu sehr ausgesetzt ist, noch von längerer Dauer.

Fleissige Indianer pflegen auch noch ein Schlafgemach zu bauen. Die Hütte wird dann bedeutend höher, und etwa 6' vom Boden sind über die ganze Breite desselben sogenannte Pallisaden gelegt, die den Fussboden bilden. Die Giebelseiten werden sorgfältig mit Tas oder andern Palmblättern verschlossen, und nur auf einer Seite wird eine Oeffnung, welche die Thüre vorstellt, gelassen, die des Nachts mit einer, ebenfalls aus Palmblättern geflochtenen Decke verschlossen wird.

Zu diesem Schlafzimmer führt eine Treppe, welche aus einem Baumstamme roh gearbeitet ist.

Auch hier hat jedes Individuum sein Feuerchen unter der Hängematte, und es ist in der That unbegreiflich, dass nicht mehr Brandunglück entsteht. Die Palissaden werden zu diesem Zwecke mit alten Scherben bedeckt, auf diese wird etwas Erde geschüttet und hierauf das Feuer angemacht. Das Holz hiezu schaffen die Weiber herbei, deren Aufgabe auch das Anmachen der Feuer ist.

Am frühen Morgen (denn mit anbrechendem Tage verlässt alles die Hängematte, um sich im Strome zu waschen) reinigen die Weiber die Hütte, backen Brod und kochen das Essen.

Die Männer gehen hierauf auf die Jagd, fischen manche Körbe, oder liegen wieder in die Hängematte und bekümmern sich nicht im mindesten um die Haushaltung.

Die Caraibinnen sind sehr geschickt im Verfertigen von Krügen, Töpfen und grossen Trögen, worin Casiri und Tapana gebraut wird. Ebenso haben sie eine grosse Geschicklichkeit in der Verfertigung von Hängematten. Die Töpfe werden aus einem grauen oder röthlichen, sehr fetten Lehm gemacht, den sie meist weit her holen. Dieser Lehm wird zuerst von allen Unreinigkeiten gesäubert und mit dem Pulver der zu Kohlen verbrannten Rinde des Kwepiebaumes vermischt und dann mit den Händen so lange gerieben, bis sich alles gleichmässig vermengt hat. Die Werkzeuge zu dieser Töpferarbeit sind sehr einfach und bestehen bloss aus einem Brettchen, auf welches das zu Verfertigende gestellt wird, einigen Stücken Calabassen, die wie Löffel oder Spatel gestaltet und zum Abkratzen des überflüssigen Thons, sowie zur Glättung des Werks bestimmt sind, auch aus einer Calabasse mit Wasser, um das Werk zu befeuchten.

Der Thon wird zu dünnen, langen Würstchen ausgerollt, auf dem Brettchen ein runder Boden verfertigt, an den diese Würstchen angeklebt und immer in der Runde mit dem Spatel bearbeitet werden. Ist die Arbeit fertig, so stellt man sie an einem luftigen Ort zum Trocknen auf.

Die Schüsseln werden sodann von innen mit Orlean und einer Art Firniss von Copal bestrichen, nachdem sie zuvor mit einem rothen, jaspisartigen Stein, der in der Correntin oder dem Maho gefunden wird, geglättet wurden.

Sind die Töpfe oder Krüge trocken genug, so wird ein Feuer aus Baumrinde um sie angemacht, und sie dann, wenn sie vortheilhaft ins Auge fallen sollen, mit dem Safte eines Käfers, welcher braun färbt, bemalt.

Diese Wasserkrüge sind in der ganzen Colonie im Gebrauche, und es erhält sich das Wasser auch sehr kühl in ihnen, weil sie porös sind und immer schwitzen.

Eine andere bedeutende Beschäftigung ist die Verfertigung von Hängematten.

Cattun, den sie theils selbst um ihre Hütten pflanzen, theils von den Plantagen eintauschen, wird in müssigen Stunden von ihnen gesponnen, und dann, wenn eine hinreichende Quantität, etwa 10-15 Pfund Garn vorhanden sind, der Webstuhl aufgeschlagen. An zwei aufrecht stehenden Pfosten sind zwei andere so weit auseinander befestigt, als die halbe Länge der Hängematte betragen soll. Um diese Pfosten wird nun der Zettel gewunden, der Eintrag durch Aufhebung der Zettelfäden durchgeschoben und mit einem harthölzernen, glatten Lineal festgeklopft.

Dass diese Arbeit sehr langsam fortschreitet, ist leicht begreiflich. Diese Hängematten sind aber sehr dicht und warm, und werden mit 25-30 fl. bezahlt. Die andern Hängematten werden aus Schnüren, welche aus den Blättern der Mauritia geflochten sind, gewoben, gleichen aber einer Art Netzwerk, und sind nicht dauerhaft.

Die Bebauung der Felder ist ebenfalls den Weibern überlassen. Die Männer fällen zwar die schweren Bäume mit der Axt, aber die Weiber müssen das kleinere Gesträuch mit den Hauern abschlagen. Nachdem nun alles in vier bis sechs Wochen gut ausgetrocknet ist, steckt man den Haufen an der Windseite in Brand. Was nicht verbrannte, wird in kleinere Stücke gehauen und wieder angezündet, und das thut man so lange, bis man einen hinlänglichen Platz zur Anpflanzung der Cassavestöcke hat. Auf einem solchen Acker sind bei weitem nicht alle Bäume verbrannt, sehr viele liegen noch durcheinander am Ort, wo sie gefällt wurden, und es ist desshalb eine Promenade in einem indianischen Acker sehr ermüdend, weil man bald über Bäume klettern, bald unter ihnen durchkriechen muss.

Beim Beginn der kleinen Regenzeit, Anfangs December, wird der Acker mit Cassave oder Maniok bepflanzt. Die knotigen Zweige dieses Strauches werden in 3-4 Fuss lange Stücke zerbrochen, und zwei oder drei derselben etliche Zoll unter dem Boden kreuzweise übereinandergelegt und vergraben. In einigen Tagen schon schlagen die Stöcke aus und wachsen sehr schnell, so dass bei gutem Boden die Wurzeln oder Knollen in neun Monaten reif sind. Mais und Ananas wird zwischen den Maniok hinein gepflanzt, auch Yamswurzeln oder dergleichen, aber alles ohne die mindeste Ordnung.

Wird ein solcher Acker nicht fleissig gejätet, so findet man nach zwei bis drei Monaten mehr Unkraut als Früchte darauf. Stachlichte Solaneen, Brennnesseln und schneidende Grasarten überziehen den Boden und die Gewächse, und ein Indianer nur kann sich in solcher Wildniss zurecht finden.

Das Reinigen dieser Felder, ein nicht gar leichtes Geschäft, bleibt den Weibern überlassen, welche auch die Wurzeln ausgraben und nach Hause bringen. Die Körbe, in welchen diese Feldfrüchte, Holz und andere Gegenstände getragen werden, hängen auf dem Rücken und sind mit einer starken Liane um die Stirne befestigt.

Auf dem Kopfe wird nichts getragen, während die Neger die grössten Lasten auf dem Kopfe schleppen.

Die Männer sind sehr geschickt im Verfertigen von Pagaals, einer Art viereckiger Körbe, die aus der Rinde eines Rohres (Warimbo) gemacht werden. In die Deckel dieser Körbe werden verschiedene Figuren eingeflochten. Da sie sehr dicht geflochten sind und den Regen nicht durchlassen, so sind sie überall im Gebrauche und der Haupthandelsartikel der Indianer.

Andere kleine Körbe, welche zur Aufbewahrung von Krabben, Maniokwurzeln und dergleichen bestimmt sind, nennt man Kurikuri und sind ebenfalls aus Warimbo geflochten. Bogen, Pfeile, Corjaals und Pagait werden ausschliesslich von den Männern gemacht, die trotz ihrer unvollkommenen Werkzeuge in der Verfertigung sehr behend sind.

Die Bogen werden aus 6' langen Stöcken eines harten Holzes, meist Letter oder Konordeppi, geschnitzt. Sie haben in der Mitte etwa 1¼" Durchmesser, sind halbrund und laufen von der Mitte aus allmählig spitzig zu. Die meist schlaffe Bogensehne ist aus Bromelienflachs gedreht. Die etwa 3' langen Pfeile werden aus einer Art Schilfrohr gemacht; am einen Ende sind zwei durchschlitzte Federn, um den Flug zu regeln, am andern aber ist die, etwa 1½' lange, aus sehr hartem Holze gemachte Spitze. Pfeilspitzen für grössere Fische sind von Eisen, und werden aus alten Reifen, zerbrochenen Hauern und Messern gefeilt. Sie haben zwei Widerhaken und werden Tokosi genannt. Man bindet sie an die hölzerne Verlängerung des Pfeils mit Bromelienflachs, den man mit einer Pechart, Mani, dem Harze des Manibaumes (Symphonia coccinea) bestreicht, Pfeile für Tiger, Pakire und grosses Wild sind ebenfalls von Eisen, aber stärker, während die Pfeile für Vögel und kleinere Fische verschiedene, auseinander laufende Spitzen von Palmholz haben.

Die Pfeile, welche beinahe so lange als die Bogen sind, werden mit demselben in einer Hand getragen, während das Jagdmesser im Gürtel steckt. Auf der Jagd gehen die Indianer so geräuschlos, dass man sie kaum hört, und Gehör und Geruch sind so fein, dass sie beim geringsten Geräusch im Gesträuch oder auf den Bäumen augenblicklich wissen, welches Thier dasselbe verursachte. Ich habe diess mit Verwunderung manchmal beobachtet. Nie, wie sehr ich auch meine Augen anstrengte, konnte ich die Fische bemerken, auf welche sie schossen, und wenn auch nicht immer, doch meistens trafen.

Sehr selten ist es, dass ein Indianer ohne Beute von der Jagd nach Hause geht. Findet er auch kein Wild, so bringt er doch Eidechsen, Anamueier (vom Pesus serratus) oder Kabbiswürmer in seinem Jagdsacke, und er ist doch nicht genöthigt, ohne Wild die unentbehrliche Pfeffersauce zu essen. Aber meistens sind sie zum Jagen zu faul und bleiben tagelang zu Hause, wo sie sich mit Kindereien beschäftigen und meistens in der Hängematte liegen.

Wie bei den Weibern die Verfertigung einer Hängematte vor allen andern Beschäftigungen hervorgehoben zu werden verdient, so ist bei den Männern der Bau einer Corjaal das wichtigste Geschäft, und Hängematten und Corjaalen werden daher nur im dringenden Falle verfertigt.

Der Indianer, welcher sich entschlossen hat, eine Corjaal zu bauen, sucht einen schönen, geraden, so dicht als möglich am Wasser stehenden Wanabaum. In der Nähe desselben wird nun eine temporäre Hütte errichtet und der Baum gefällt. Ist derselbe gesund, ohne Risse und Höhlungen, so wird das tauglichste Stück in derjenigen Länge abgeschnitten, welche die Corjaal erhalten soll. Die Werkzeuge, deren sie sich dabei bedienen, sind ein Beil und eine Hohlaxt. Der Baum wird nun von aussen so zugehauen, wie die Corjaal werden soll. Ist man mit der äussern oder untern Seite fertig, so wird der ganzen Länge nach Holz heraus ausgehauen, und wenn eine genügende Höhlung entstanden ist, Feuer darin angemacht. Nun sorgt man, dass die Seiten der Corjaal, noch ehe sie auseinandergetrieben werden, die nöthige Dicke erhalten. Ist diese Arbeit alle gethan, über welcher manchmal mehrere Wochen, ja Monate hingehen, so werden die Seiten der Corjaal, welche bis jetzt noch einer zugespitzten Walze gleicht, durch Stöcke, welche man quer über hineinzwängt, auseinandergetrieben. Damit nun durch das gewaltsame Auseinandertreiben der Seiten keine grossen Risse entstehen, wird in und unter derselben immer Feuer unterhalten. Es werden nun immer längere Stöcke hineingetrieben, so lange, bis die Corjaal ihre gehörige Weite hat. Diess letztere Geschäft erfordert grosse Aufmerksamkeit und Sorgfalt; denn obwohl alle Corjaalen dabei Risse erhalten, so kann ein Sachkundiger es doch so einrichten, dass diese auf Stellen fallen, wo sie weniger nachtheilig sind.

Ist das letzte Geschäft gethan und das Boot so weit vollendet, dass es in's Wasser gebracht werden kann, so wird ein Weg bis zu dem Fluss oder der Kreek geebnet, runde Stöcke oder Rollen werden auf ihn gelegt, und dann wird die Corjaal von einer gehörigen Anzahl Indianer in's Wasser geschafft. Die Risse werden mit Bienenwachs oder Mani bestrichen, und Bänke, Querstangen u. s. w. mit Lianen befestigt.

Hat nun eine Familie sich einen Vorrath von Schüsseln, Krügen, Pagaals u. s. w. verfertigt, und ist sie im Besitze eines Boots, so wird eine Reise nach Paramaribo oder den Pflanzungen unternommen. Da diese meist über See geht, so werden an der Corjaal lange, dünne Bretter, die aus dem weichen Holz des Trompetenbaumes (Cecraphia peltata) gehauen sind, an beiden Seiten befestigt, um dieselbe dadurch ein wenig höher zu machen und die überschlagenden Wellen abzuhalten. Diese Brettchen sind so lange als die Corjaal und 6-12" breit, durch Lianen und Querhölzer an diese befestigt. Die Fugen zwischen den Brettern und der Corjaal werden mit harzigen Fasern, die man aus einer gewissen Baumrinde schabt, und welche die Stelle des mit Theer getränkten Werges vertreten, ausgefüllt.

Segel werden verfertigt, indem man die Blattstiele der Mauritia trocknen lässt, den äussern Bast abzieht und die markige Substanz mittelst eines Bindfadens in ¼" dicke, 1½" breite und 4' bis 6' lange Latten schneidet. Diese, mit Bindfaden aus Bromelienflachs so dicht als möglich aneinander befestigt, geben ein gutes und leichtes Segel von beliebiger Länge, das man leicht zusammenrollen kann.

Indessen der Mann für die Ausrüstung des Fahrzeuges sorgt, beschäftigen sich die Weiber mit der Zubereitung von Kost und Getränke. Kassavekuchen werden in Menge gebacken und in der Sonne getrocknet. Ausgepresster Maniok (Madappi) wird in Körbe verpackt und mehrere Püllen (grosse steinerne Krüge) werden mit Tapana und Cosiri gefüllt.

Eine Hauptsache aber darf bei einer Seereise nicht fehlen, das ist Sacura, eine Art Mus, das aus gekautem Cassavebrod, gekochtem Yams und dergleichen besteht. Man mengt hievon eine Hand voll unter eine Kalabas Wasser, das der Indianer beinahe nie ohne Beimischung trinkt, und bereitet auf diese Weise eine Art Suppe, welche zu kosten ich nie über's Herz bringen konnte.

Ist nun endlich die ganze Haushaltung: Menschen, Affen, Hunde, Papagayen, Hühner und Schildkröten im Boote, so setzt sich der Eigenthümer desselben gravitätisch an's Steuer, und die Männer blasen auf ihren Pfeifen, dass man Ohrenweh bekommt; alsdann fährt man ab.

Da man die Zeit sehr wenig schätzt, so gehen solche Reisen manchmal sehr langsam von statten. Ist es stilles Wetter, so schiessen die Männer auf jeden auftauchenden Fisch, und an der ersten besten, günstigen Stelle wird angehalten und gekocht. Da die Küste sehr nieder ist und mit jeder Fluth überschwemmt wird, so sind sie häufig genöthigt, ihre Mahlzeiten im Boot zu bereiten. Man holt dann grosse Stücke schlammigen Lehms aus dem Wasser, breitet dieselbe in der Corjaal aus, und macht hierauf das Feuer an.

Manchmal werden auch in den niedrigen Zweigen der Parcagesträuche Holz und Lehm so hoch aufgethürmt, dass sie das Wasser nicht erreichen kann; kommt nun die Fluth, so geschieht es nicht selten, dass eine Welle Feuer und Topf fortspült, und man mit hungrigem Magen weiter ziehen muss. Daraus macht sich aber der Indianer nichts, und man muss sich darüber wundern, dass Hunger und Durst ihn wenig aus seiner guten Laune bringen. Ich bin manchmal mit Indianern gereist, die 12 Stunden hintereinander kräftig pagaiten, während dieser Zeit nichts genossen, und doch immer lustig und aufgeräumt waren. Bei den stärksten Drohungen würde ein Neger diess nicht thun, und man findet selten Neger, welche eine Fluth (6 Stunden) rudern, ohne etwas genossen zu haben.

Hat man nun die Pflanzungen erreicht, so wird beinahe Alles für Branntwein vertauscht, und selten bringen sie nützliche Dinge, als: Zeuge, Beile, Messer u. s. w. in ihre Heimath zurück. In Paramaribo verweilen sie bloss einige Tage, begaffen das ihnen Ungewohnte ohne besondere Theilnahme und laufen meist betrunken in der Stadt herum.

Mit Dram, Melassin und etwas Salz betreten sie den Rückweg, der, weil ihnen nun Wind und Strömung entgegen sind, viel schwieriger ist, als die Herreise. Hier hilft nun kein Segel, man muss pagaien und fährt desshalb auch meist nach Mitternacht, wenn der Wind sich gelegt hat und die See stiller ist. Den Tag über liegt man an einer ruhigen Stelle vor Anker, d. h. an einem in den Boden befestigten Stock. Das Ankertau ist gedreht aus dem Baste des zum Geschlecht der Hibiscus gehörigen Strauches Maho, der am sandigen Ufer wächst; es entspricht seinem Zweck auf kürzere Zeit vollkommen.

Ist man des Pagaiens müde, so laufen die Männer wohl halbe Tage lang im Wasser und ziehen die Corjaal fort. Hat man das sandige Ufer der Mündung erreicht, so wird bei Ebbe das Fahrzeug an einem langen Tau durch zwei oder drei Männer gezogen, während einer am Steuer sitzt und dafür Sorge trägt, dass das Fahrzeug sich nicht zu sehr dem Lande nähert.

Bei der Ankunft im Dorfe wird natürlich bestialisch getrunken; doch finden sich noch immer einige im Dorfe, die abwechselnd nüchtern sind.

Man sieht dann allenthalben tolle Lustbarkeiten und Schlägereien, und es ist für einen Nüchternen allerdings interessant, den Einfluss des Drams auf die verschiedenen Gemüther zu beobachten. Man sieht häufig in derselben Hütte die Weiber sich an den Haaren herumzerren und mit Feuerbränden das Fell vergerben, Männer mit Hauern sich oft gefährliche Wunden schlagen, total Betrunkene auf dem Boden liegen, und Halbbetrunkene in ihren Hängematten ein Lied auf der Flöte herheulen.

Zu dieser Musik kommt noch das Geschrei der Betrunkenen (denn so stille und geräuschlos der Indianer im nüchternen Zustand ist, so lärmend und polternd macht ihn die Betrunkenheit), das Zetergeschrei der Kinder, das Gekreisch der Papagayen, das Gekläff der Hunde, die aus einem Winkel in den andern flüchten, und das Gewinsel der Affen. Da jedes männliche Individuum, das die Reise mitmachte, seine Waaren selbst vertauscht und nichts gemeinschaftlich hat, so traktirt nun auch jeder seine Freunde insbesondere, so dass der Vorrath von Dram, sey er auch noch so gross, in wenigen Tagen getrunken ist.

Im Rausche vorgekommene Injurien und Schlägereien werden, wenn sie auch von noch so arger Art waren, nachher nicht mehr beachtet und bleiben vergessen auf die einfache Entschuldigung hin: Ich war betrunken; damit ist allem Processiren ein Ende gemacht.

Ein anderes Vergnügen eigenthümlicher Art sind ihre Tänze, bei welchen man sie recht in ihrer Nationalität, unvermischt mit andern Sitten, beobachten kann. Diese Tanz- oder vielmehr Trinkbelustigungen werden theils von einzelnen Familien, die einen ziemlichen Vorrath an Cassave haben, oder vom ganzen Dorfe, wobei dann jede Familie das Ihrige beiträgt, veranstaltet. Ist der Tag, an welchem ein Tapanafest begangen werden soll, bestimmt, so wird durch die Weiber eine hinlängliche Menge Maniokwurzeln vom Acker geholt. Diese werden nun auf Brettchen, welche Simari heissen, und in welche spitzige, harte Steinchen dicht nebeneinander eingeschlagen sind, so dass sie die Stelle der Reibeisen vertreten, zerrieben [1].

Der hierdurch entstandene Brei wird in einem Madappi ausgepresst, und das nun von seinem giftigen Safte befreite Mehl etwa zollhoch auf grossen, runden, eisernen Platten, unter welchen ein Feuer brennt, ausgebreitet [2]. Das noch etwas feuchte Mehl klebt durch die Hitze zusammen und es entsteht ein Kuchen, welcher umgedreht wird, wenn er auf der einen Seite gebacken ist. Zum gewöhnlichen Gebrauch werden diese Kuchen bei mässigem Feuer gebacken, um das Anbrennen zu verhüten; zum Tapanatranke aber werden sie absichtlich der Hitze so lange ausgesetzt, bis sie auf beiden Seiten verbrannt sind.

Der Saft der Maniokwurzel, der, wie ich schon früher bemerkte, giftig ist, wird etwa auf die Hälfte eingekocht und dadurch unschädlich gemacht. Man vermischt diese Brühe mit den schwarzgebrannten Broden und lässt das Ganze ein bis zwei Tage lang gähren. Inzwischen haben nun die Männer in die beste und grösste Hütte des Dorfes eine sauber gewaschene Corjaal gebracht, und sie mit Wasser angefüllt, damit in ihr das köstliche Getränk gebraut werden kann.

Es wird nun eine Menge Cassavebrod an Gross und Klein im Dorfe vertheilt, und Alt und Jung ist damit beschäftigt, dasselbe zu kauen und in Kalabassen auszuspucken, welche sie zu diesem Zweck bei sich haben. Sind diese voll, so wird das appetitliche Mus in die Corjaal geleert, und von Neuem mit dem Kauen fortgefahren, bis die ausgegebene Quantität zweimal die Kinnladen des Volkes in Bewegung gesetzt hat, um als Trank noch zweimal dieselben zu passiren.

Ist Alles fertig, so wird die Corjaal mit Palmblättern dicht verschlossen, um so schnell als möglich die Gährung zu bewirken.

So eckelhaft auch diese Zubereitung ist, so angenehm und erfrischend schmeckt der fertige Trank, der beinahe den Geschmack von saurer Rührmilch hat, sich aber nicht lange hält, und in grosser Menge genossen ebenso trunken macht, wie das Bier.

Am Morgen des Trinktages sind die Männer meistens mit der Ausbesserung der Wege, welche zu ihrem Dorfe führen, oder mit der Verrichtung sonstiger gemeinnütziger Arbeiten beschäftigt. Gegen Mittag beginnt das Fest.

Jedes hat sich hiezu nach seinem Geschmack und Vermögen herausgeputzt. Die Männer sind, wie ich oben bemerkte, mit Rocou und Tapuriba bemalt und haben ihre längsten und besten Camisen umhängen. Bogen und Pfeile, sowie eine viereckige Keule aus hartem Holze, Abadou genannt, dürfen dabei nicht fehlen. Hiezu kommen noch Colliers von Pakir-, Affen- oder Kaimanszähnen, Federkronen in allen möglichen Farben und eine Unzahl Glasperlen.

Die Weiber und besonders die jungen Mädchen haben sich prächtig herausgeputzt. Ihre Lippen stecken voll Nadeln, die kohlschwarzen Haare sind sorgfältig gekämmt und anstatt der Pommade mit Capatöl beschmiert. Rothe Flecken und Streifen geben den Gesichtern etwas tigerähnliches, und der durch Tapouriba schwarzgefärbte Leib sticht grell gegen die feuerfarbenen, mit Rocu gewichsten Waden ab. Dabei sind sie mit Glaskorallen von allen Grössen und Farben behangen, und nicht selten zieren sie ihren Hals mit Ketten, worin sich alle Arten Silbergeld eingefädelt finden. Ich habe an einer solchen über 100 Franken gezählt.

An den Seiten der Hütte sind lange, plump aus Cedernholz geschnitzte Bänke angebracht, deren Ende Krokodil- oder Tigerköpfe vorstellen. Auf diesen Bänken nehmen nun die Familienhäupter Platz, und die Weiber kredenzen den köstlichen Trank in Kalabassen oder irdenen Schüsseln. Mehrere Weiber und Mädchen umfassen sich mit den Armen und bilden einen Halbkreis um den, welchem sie den Trank bringen. Nach einem jämmerlichen Gesang biegen sie taktmässig die Kniee und den Oberleib, ohne übrigens von der Stelle zu kommen, und singen nun in einem wehklagenden Ton einige Dutzend Male denselben Vers. Hat der damit Beehrte getrunken, so kommt die Reihe an einen andern. Grosse Trommeln, mit Hirsch- oder Pakirfellen überzogen, hängen an langen Schnüren von der Decke herab, und werden von jungen Männern nach dem Takte ihrer Lieder, welche ganz dieselbe Melodie, wie die der Weiber haben, geschlagen. Auch sie bewegen sich auf dieselbe Weise, ohne vom Platze zu kommen.

Es ist unglaublich, welche Menge dieses Trankes bei einer solchen Tanzparthie getrunken wird. Sowohl das damit angefüllte Boot, als auch die Töpfe sind des Abends gewöhnlich ausgetrunken. Sind bei einem solchen Gelage hundert Personen, die Kinder mitgerechnet, anwesend, so bin ich überzeugt, dass mehr als zehn Fässer, je 320 Flaschen enthaltend, verbraucht werden.

Hat der Indianer so viel getrunken, dass er die von den Weibern dargebotene Schüssel nicht mehr leeren kann, so erbricht er sich, um aufs Neue trinken zu können. Dieses Vomiren geschieht nicht heimlich; es gehört gewissermasen zum Feste selbst; denn er erhebt sich nicht einmal von seinem Sitze. Der Boden des Tanzhauses gleicht alsdann einer Pfütze, in welcher man bis um die Knöchel im Tapana herumwatet.

Ausser den angeführten Tänzen sah ich bei dieser Gelegenheit einen andern, welchen zwei Männer ausführen. Jeder hat ein aus Thon gemachtes, rothbemaltes Blasinstrument, das zwei aufeinandergesetzten Trichtern gleicht und auf beiden Seiten eine kleine Oeffnung hat, in welche hineingeblasen wird. Unter den sonderbarsten Wendungen und Verdrehungen des Körpers, indem sie sich bald entfernen, bald nähern, auf den Bauch legen, oder auf allen Vieren herumlaufen, endigt sich diese Scene nach etwa einer Viertelstunde unter dem Gelächter der Uebrigen.

Des Nachts ist zwar das Fest beendigt, aber am andern Morgen thut man sich mit dem Ueberrest gütlich, wenn ein solcher noch vorhanden ist.

Einen andern Tanz sah ich mehrere Jahre nachher.

Der Piaiman Thomas war auf einer Reise nach den Pflanzungen plötzlich gestorben, und seine Wittwe gab zur Erinnerung ein Jahr nach seinem Tode eine Tanzparthie.

Ich sah wohl im Hause derselben Cassave backen, Tapana und Casiri zubereiten, aber weitere Vorbereitungen fanden nicht statt. Der Tag wurde wie gewöhnlich beschlossen; einer nach dem andern legte sich in die Hängematte, und man sah nirgends das mindeste Zeichen einer Festlichkeit.

In der grössten Hütte des Dorfes hingen die Hängematten der ledigen Personen in die Kreuz und Quere, und nur beim Schein des Feuers, das unter jeder brannte, konnte man sich zurechtfinden.

Auf einmal hörte ich aus einer Ecke der Hütte ein jämmerliches Geheul und Wehklagen. Ich lief dahin und fand die Wittwe, welche wie eine Schildwache unbeweglich stand und in der Hand Bogen und Pfeile, sowie einen alten Strohhut ihres verstorbenen Mannes hatte. Mit einem Feuerbrand beleuchtete ich sie auf allen Seiten, was sie aber keineswegs irre machte; denn sie heulte ihren wehklagenden Gesang unter beständigem Schluchzen und einer Fluth von Thränen.

Die Indianer erklärten mir den Inhalt ihrer Worte so: Es ist nicht gut, dass du uns verlassen hast, dein Knabe ist noch zu jung, um für mich zu jagen und Fische zu fangen u. s. w. [3].

Nachdem dieses Geheul beinahe eine halbe Stunde ohne Unterbrechung gedauert hatte, trat eine kleine Pause ein, und in einer andern, ebenso dunkeln Ecke erschien ein anderes altes Weib, das ein so jammervolles Geheul anhub, als wäre der Verstorbene ihr Mann oder nächster Anverwandter gewesen. Nachdem dieses Geheul ebenso lang, wie das der noch unbeweglich in ihrem Winkel stehenden Wittwe gedauert hatte, heulten beide miteinander wie Schlosshunde, so dass ich es beinahe nicht mehr in der Hütte aushalten konnte. Da übrigens jedes Ding sein Ende hat, so war endlich auch der Thränenquell beider Weiber gänzlich versiegt, und man schritt zu einem neuen ganz besondern Tanze, zu welchem sich nach und nach mehrere Weiber und Kinder eingefunden hatten. Alle bildeten einen Kreis, wobei sie sich um den Hals schlangen; ein Lied wurde wieder auf ihre eigenthümliche Weise angestimmt, die Kniee und der Oberleib hin- und hergebogen, und endlich rasch hintereinander der Kreis umlaufen. Es herrschte hiebei eine tolle Fröhlichkeit, und auch die Worte schienen nichts Trauriges zu enthalten, obgleich ich den Sinn derselben nicht verstand.

Meiner selbst wurde in diesem Gesange mehrere Male gedacht; auch schloss ich mich dem Kreise an und tanzte zur allgemeinen Belustigung mit. Während des Tanzes, welcher beinahe bis zum Morgen währte, machte man Gebrauch von den bereiteten Getränken.

In den Lebensmitteln vegetabilischer und animalischer Art, welche Gewässer und Wälder liefern, sind die Caraiben nicht sehr wählerisch, indem sie beinahe Alles, nur wenige Thiere ausgenommen, essen. Schlangen und grosse Seeschildkröten sind zwar von ihrer Tafel verbannt; dagegen werden aber wieder Pipa-Kröten, Laubfrösche, Wespenlarven, Ameisenweibchen, die Larven verschiedener Rüsselkäfer, sowie die Käfer, welche die Blumen der Wasserlilie zerfressen, und alle Arten Eier mit grossem Appetit verspeist.

Feinschmecker sind die Indianer eben nicht, und wenn sie auch gewisse Gerichte vorziehen, so ist es ihnen ziemlich gleichgültig, ob z. B. das Fleisch halb oder ganz gar, versalzen oder ohne Salz gekocht ist. Wenn es nur den Magen füllt und mit den Zähnen zerrissen werden kann. Zu ihren vorzüglichen Delicatessen gehört besonders der Leguan. Ich habe mich oft darüber gewundert, wie sie dieses Thier auf den dichtbelaubtesten Bäumen entdeckten und mich häufig geärgert, wenn sie meiner Bitten und Drohungen ungeachtet Jagd auf dieses harmlose Thier machten, und dadurch die Reise verzögerten, ungeachtet Fleisch und Fisch in Ueberfluss im Boote war.

Eine andere Leckerei sind Haifische, die an seichten Stellen der See geschossen werden, und kleine Kaimans, welche entweder am Ufer der Flüsse und Kreeken liegen, oder die Schnauze aus dem Wasser strecken. Die Indianer bedienen sich beim Fischfang nie der Netze, sondern immer der Angeln; auch schiessen sie die Fische, oder betäuben dieselbe mit dem Stinkholz, Nekko.

Kleine Fische werden auf gewöhnliche Weise mit Angelruthen gefangen; grosse Fische aber mit Wurfleinen, etwa 100' langen, aus Bromelienflachs geflochtenen, starken Schnüren, an deren Ende ein Stück Blei ist, und nahe bei demselben drei bis vier kürzere Schnüre sind, an welchen die Angeln sitzen.

Das Tau wird vom Boote oder Lande ausgeworfen, und das andere Ende so lange in der Hand behalten, bis man merkt, dass ein Fisch angebissen hat. Eine andere Art von Angeln sind die Springangeln, bei welchen ein starker, elastischer Stock im Wasser befestigt wird, an welchem ein langes Tau mit der Angel hängt. Dieser Stock wird nach unten gespannt und durch ein klammerförmiges Hölzchen, das in der Mitte des Taues sitzt, in dieser Spannung erhalten. Schnappt der Fisch nach der Angel, so springt die Klammer los und der Stock schnellt in seine natürliche Lage zurück; zugleich zieht er den Fisch halb aus dem Wasser. Oft findet daher der Fischer blos die Köpfe, weil auf das Gezappel des Fisches die Kaimans und besonders die gefrässigen Pirais herbeikommen, und so viel abbeissen, als sie bekommen können. Die Art und Weise, wie der Fischfang mit Maschoas betrieben wird, habe ich schon früher beschrieben, den mit Stinkholz aber sah ich zuerst an der Marowyne. Die Indianer gebrauchen dreierlei mir bekannte Pflanzen, durch deren Saft die Fische betäubt werden.

Die erste und gewöhnliche ist eine, im Hochwald wachsende, manchmal schenkeldicke Liane, welche zum Geschlechte der Papilionaceen (Lonchocarpus) gehört. Die zweite ist eine Syanthere, der Conamistrauch, der um die Häuser gepflanzt wird, und dessen Blätter und Blüthen zu einem Brei gestampft werden. Die dritte ist das Bäumchen Gunapalu, eine Euphorbiacee mit herzförmig zugespitzten Blättern, die wahrscheinlich mit den Jatrophas verwandt ist. Auch diese wird um die Häuser gepflanzt, und ich bin nicht gewiss, ob sie hier einheimisch ist. Die sehr milchigen Blätter und Zweige werden ebenfalls zerstampft, und wie die der Conami mit dem Wasser vermischt.

Zur Zeit der Fluth, die sich in der untern Marowyne 8-10' erhebt, ziehen die Flussfische in die Buchten und Kreeken, wo sie, bis die Ebbe eintritt, ihrer Nahrung nachgehen, die theils in Baumfrüchten, welche ins Wasser gefallen sind, theils in Würmern und andern Fischen besteht.

Will man nun mit Stinkholz, oder den zwei andern betäubenden Pflanzen fischen, so wird, sobald die Fluth ihre grösste Höhe erreicht hat, eine geschickte Kreek abgeschlossen, so dass den Fischen der Rückweg in den Strom abgeschnitten ist. Diess geschieht mit einem sogenannten Paarl, der aus etwa 8' hohen Stäben aus Palmblattstielen besteht, welche mit Lianen so an einander befestigt sind, dass zwischen jedem Stab eine Oeffnung von etwa 1" Breite gebildet wird und eine Art spanischer Wand entsteht, durch welche das Wasser ungehindert ablaufen kann.

Ist nun das Wasser bedeutend gefallen, so begeben sich einige Männer mit grossen Stücken Stinkholz, das man zuvor durch Schlagen mit harten Stücken Holz zerfetzt und locker gemacht hat, an das obere Ende der Kreek, wo man durch beständiges Reiben und Schlagen im Wasser alle giftigen Theile der Pflanze demselben mittheilt.

Nach wenigen Minuten bemerkt man bereits die Wirkungen an den Wasserbewohnern. Kleine Fischchen schwimmen auf dem Bauche herum, Krabben und Krebse suchen ans Land zu flüchten und wackeln wie besoffen hin und her und es schnellt bald da, bald dort ein Fisch aus dem Wasser oder streckt die Schnauze hervor.

Die ganze Mannschaft ist längs der Kreek vertheilt und schiesst mit Pfeilen auf die auftauchenden. Weiber und Kinder waten im Schlamm umher, um die berauschten Fische herauszuziehen. Alles, was Leben hat, stirbt in dem vergifteten Wasser und wird eine Beute der Indianer. Diese sagen, dass in einer solchen Kreek lange nicht mehr gefischt werden könne, weil sich der giftige Geruch den im Wasser liegenden Baumstämmen und selbst dem Schlamme mittheile, auch nur langsam wieder verliere.

Beim Fischen mit Conami und Gunapalu wird der Brei mit dem Wasser vermischt und hat ganz denselben Erfolg. Das Fischen auf diese Weise heisst man Ponsen; es ist jedenfalls sehr schädlich, weil auch eine Menge Laich und Brut dadurch zu Grunde geht.

Beim Beginn der Regenzeit, wenn die Buschfische aus den Strömen und grösseren Kreeken in kleinere Bäche und Sümpfe ziehen, dämmt man diese gewöhnlich mit Paarls und Pinablättern ab.

Die dadurch in ihrem Lauf aufgehaltenen Fische suchen über das Hinderniss wegzuspringen und fallen dabei in eine, zu diesem Zweck dahinter gelegte Corjaal. Wenn die Fische recht im Zug sind, kann man des Morgens Hunderte derselben in der Corjaal finden.

Ist der Fischfang so ergiebig, dass man auf mehrere Tage Vorrath hat, so werden die Fische gebarbakot (geräuchert). Man nimmt dabei bloss die Eingeweide heraus und legt sie ungesalzen auf eine Art Rost, der aus Stöcken gemacht ist. Unter demselben unterhält man so lange Feuer, bis die Fische gebraten und getrocknet sind. Ebendesswegen halten sie sich auch bloss einige Tage und wimmeln häufig von Würmern, die aber dem Indianer seinen Appetit nicht benehmen. In der Regenzeit (Mai, Juni) legen die rothen Ibise, hier fälschlich Flamingos genannt, sowie andere reiherartige Vögel ihre Eier in die Gebüsche am niederen Seestrande und brüten.

Eier und junge Vögel werden von den Indianern besonders geschätzt, und sie scheuen daher die Reise nach den Legeplätzen nicht.

Zwei grosse Corjaalen meiner Nachbarn kamen eines Tages an den Posten, um auf eine solche Eierexpedition auszugehen. Man gelobte mir, nachdem ich die Mannschaft mit Branntwein erquickt hatte, auch einen Korb voll Eier mitzubringen.

Wenige Tage nachher kamen beide Corjaalen wieder zurück, vollgeladen mit Eiern und einer Menge junger, sehr mager aussehender Vögel. Ich bekam nun etwa hundert von diesen Eiern, welche grün und schwärzlich gedupft und von der Grösse kleiner Hühnereier waren. Sogleich machte ich mich daran, einen Eierkuchen zu backen, fand aber zu meinem Verdruss, dass nur ein frisches Ei dabei war. Alle übrigen waren entweder halbbebrütet und stinkend oder enthielten schon beinahe reife Vögel, welche sich noch bewegten. Desshalb glaubte ich, dass man wirklich dieses Geschenk für mich ausgelesen habe. Da ich nun aber durchaus Eierkuchen essen wollte, so fuhr ich sogleich in meiner Corjaal nach dem Dorfe, wo ich in jeder Hütte die Weiber mit dem Kochen der Eier beschäftigt antraf. Diese waren aber ebenso, wie die meinigen. In einer Brühe von stinkenden Dottern schwammen Vögel von allen Brutprocessen, reichlich mit spanischem Pfeffer gewürzt, und dieses Mahl wurde mit wahrem Heisshunger verzehrt.

Man würde bei einer solchen Lebensweise sich nicht verwundern, wenn gefährliche Krankheiten entständen; es ist diess aber nicht der Fall, und nur selten findet man kränkliche Personen.

Ausser den, mit den hier zu Lande herrschenden entsetzlichen Krankheiten, als Lepra und Elephantiasis heimgesuchten Personen, findet man höchst selten Gebrechliche, weder Krüppel noch Krumme, und wenn man an den nackten Leibern Wunden oder Narben wahrnimmt, so sind es immer ehrenvolle Zeichen eines Kampfes oder eines, in der Trunkenheit geschehenen Falles. Zeitenweise kommt es vor, dass Dissenterie unter ihnen grassirt, auch sind Wechselfieber häufig. Sie kennen übrigens eine Menge vegetabilischer Arzneien, welche meist von guter Wirkung sind. Ist die Krankheit ernsterer Natur, so wird ein geschickter Doctor oder Piaiman zu Rathe gezogen. Dem Kranken wird in seiner Hütte eine Art Zelt aus Camisen und anderen Tüchern zurechtgemacht und seine Hängematte darin aufgehangen. In einem andern ähnlichen Zelte sitzt der Piaiman, der die unentbehrliche Maraka (eine runde, hohle, kugelförmige Kalabas, durch deren Mitte ein Stock geht, dessen oberes Ende mit Rabenfedern geziert ist, und welche runde Quarzkörner oder Marowynesteine enthält), bei sich hat. Er bespricht sich in seinem Zelte mit dem bösen Geiste, der die Krankheit verursacht. Sein Gespräch ist bald flehend, bald drohend, jetzt brüllend, dann wieder mit Schluchzen und Weinen vermischt.

Je schwerer die Krankheit ist, um so mehr gibt sich der Piaiman Mühe, durch seine Drohungen dem Geiste Furcht einzujagen.

Man muss beinahe bezweifeln, dass eine Person im Stande ist, so verschiedene Stimmen nachahmen zu können; denn auf Alles, was der Piaiman dem bösen Geiste vorsagt, antwortete er selbst mit veränderter Stimme. Dabei tönt unaufhörlich die Maraca, deren Laut dem Gerassel von Erbsen in einer trockenen Blase gleichkommt.

Das Piaien dauert Nächte lang ununterbrochen fort, nur dass von Zeit zu Zeit der Doctor dem Kranken Tabaksrauch ins Gesicht bläst, oder seine Beschwörungen an der Hängematte selbst vornimmt. Als Hauptgenesungsmittel in äusserst schwierigen Fällen dient der Saft des Dakinibaumes, welcher sehr selten zu seyn scheint. Um diesen zu bekommen, hat der Piaiman erst die Erlaubniss der den Baum bewohnenden Geister nöthig, und erst nach manchen Unterredungen mit ihnen haut er die Oeffnung, aus welcher der Saft fliessen soll, in den Baum. Der Patient trinkt nun denselben als letztes Mittel, und es versteht sich von selbst, dass bei einer so wichtigen Kur der Piaiman die ganze Nacht bei dem Kranken zubringt und die Geister beschwört. Diese schweigen aber auch nicht still, sondern lassen sich in verschiedenen Stimmen, bald als Poweesen, Agamis, bald als Affen und Tiger hören.

Diesen Kuren habe ich noch nie beigewohnt, aber schon manche Nacht auf den Dörfern zugebracht, in der mich der Piaiman am Schlafen hinderte.

Auf Arzneien der Europäer setzen die Indianer wenig Vertrauen; sie gebrauchen dieselben zuweilen, nehmen aber, wenn nicht gleich ein günstiger Erfolg erzielt wird, sogleich ihre Zuflucht wieder zu ihren Hausmitteln. Chinin übrigens, das so schnell vom Fieber hilft, hat ihnen grosse Achtung eingeflösst. In dem Charakter des Indianers sind nicht viele Laster, aber auch wenige Tugenden vereinigt. Der Hauptzug, den die Caraiben mit den Arowacken gemeinschaftlich besitzen, ist Gleichgültigkeit. Der Augenblick regiert ihn und sein Interesse berücksichtigt er nur dann, wenn seine Laune hiezu gestimmt ist. Wie ein Kind wünscht er bald dieses, bald jenes zu besitzen, und scheut keine Mühe, um in den Besitz desselben zu gelangen. Vom Worthalten hat er keine Idee, und man kann sich desswegen nie auf ihn verlassen. Ebenso wenig weiss er, was Wahrheit ist, und lügt, wenn es sein Interesse erfordert.

Bei ihren wenigen Bedürfnissen achten sie auf ihr Eigenthum wenig; wenn sie z. B. Monate lang sich damit abgemüht haben, ein langes Stück Salemporis (blaugefärbter Baumwollenzeug) zu verdienen, so wird dieses entweder als Segel gebraucht, wenn sie kein anderes haben, oder in Fetzen zerrissen, um die Corjaalen damit zu stoppen.

Misstrauen hegen sie keines, verlassen Tage lang ihre Hütten, ohne ihr Eigenthum zu verbergen; die Diebstähle kommen selten vor; doch sind Getränke und Esswaaren vor ihnen nicht sicher, auch lassen sie wohl andere Gegenstände, die ihnen anstehen, mitspazieren. Im Allgemeinen sind sie faul und man findet desshalb wenige, die bemittelt sind.

Ihre Wanderlust ist sehr gross und wegen der unbedeutendsten Vorfälle machen sie grosse Reisen. Früher pflegten sie aus dem Lande der Makusis am Rupununi und Maho im Innern Guyana's Sklaven zu holen; doch scheint diess nicht mehr vorzukommen. Ich kannte noch ein solches Sklavenmädchen, welches Christian gehörte.

Ihre Leidenschaften sind, die Liebe zum Trunk ausgenommen, viel gemässigter, als die der Nordamerikaner; daher bezweifle ich auch, dass die Civilisation grosse Fortschritte bei ihnen machen wird.

Es wird freilich von uns gar nichts gethan, um sie auf eine höhere Stufe sittlicher Bildung zu bringen. Aber auch bei unsern Nachbarn, den Franzosen, welche sich die Bildung der Indianer sehr angelegen seyn und sie in Schulen unterrichten lassen, bemerkt man keine grössere Fortschritte. Der einzige Magnet, der sie anzieht, ist leider der Branntwein, und die Schnapsflasche darf nie leer werden, wenn sie Dienste leisten sollen. Wer ihnen einschenkt, ist ihr Freund. Für andere Dienste und Wohlthaten sind sie gefühllos; Dankbarkeit ist ihnen fremd. Auch Beleidigungen werden vergessen, und nie habe ich bemerkt, dass Händel oder Thätlichkeiten vorfielen, wenn der allgemeine Friedensstörer, der Branntwein, die Gemüther nicht erhitzt hatte.

Obgleich ihre Sinneswerkzeuge so ausgebildet und fein wie die der Nordamerikaner seyn mögen, so scheinen sie diesen doch im Allgemeinen nachzustehen, wozu freilich auch das milde Klima viel beiträgt, das bei so leichter Mühe alle Bedürfnisse befriedigt, während der Nordamerikaner bei ungleich rauherer Witterung sich alle Bedürfnisse erringen muss.

Mein Detachement, das aus dem Bäcker und zwei schwarzen Soldaten bestand, wurde abermals abgelöst und durch vier Weisse ersetzt, zu welchen der Bäcker den fünften ausmachte. Die Besatzung war desshalb wieder auf dem alten Fusse.

Ich hatte mir bis jetzt alle Mühe gegeben, von den Indianern eine Corjaal zu kaufen, um selbst kleine Wasserfahrten machen zu können. Sie hatten aber, so viel ich auch um eine bot, keine überflüssige für mich. Endlich fand ich zufälligerweise eine schöne, 18' lange Corjaal von Cedernholz, die von irgend einem Indianerdorfe vom Strom mitgeführt und durch die Fluth an den Strand war geworfen worden. Sie hatte ihrer ganzen Länge nach drei ungeheure Risse, und es kostete desshalb viele Mühe, bis das Fahrzeug von seinen Schäden kurirt war. Doch gelang diess nach zwei Tagen anhaltender Arbeit vollkommen. Die Risse hatte ich durch mit Werg umwundene Stöcke ausgefüllt, diese verpicht und darüber der ganzen Länge nach oben und unten lange Streifen Eisenblech genagelt. Meine Probefahrt nach der andern Seite des Flusses überzeugte mich von der Vortrefflichkeit meiner Arbeit.

Zu Ende März schrieb mir der Kommandant von Armina, dass der Schooner abermals unterwegs sey, um den Rest der geretteten Güter abzuholen, und dass er damit seine Frau (Haushälterin) erwarte. Zugleich ersuchte er mich, diese Dame freundlich zu behandeln und ihn von ihrer Ankunft sogleich in Kenntniss zu setzen. Ich hatte dieses Frauchen noch nie gesehen und erwartete desshalb in ihr eine Mulattin oder Mestizin, welche meistens die Haushaltung lediger Unteroffiziere führen, dieselben nach den Posten begleiten und sich manchmal mehr Autorität anmasen, als eine rechtmässige Frau.

Solche Missis verkauften (ich rede da von längstvergangenen Zeiten) gewöhnlich auf den Posten Alles, was der Soldat in seiner Junggesellenwirthschaft nöthig hat, als: Zucker, Caffee, Tabak, Butter, Käse, Saife u. s. w. an denselben auf Credit. Der Betrag wurde aber, wenn die Soldgelder von Paramaribo kamen, davon vom Kommandanten abgezogen. Geht ein Fahrzeug nach der Stadt, so hat der mitgehende Corporal tausend Commissionen in Paramaribo zu bestellen und ist er nicht eifrig genug, so weiss die Missi es ihm später schon einzubrocken. Oft geht aber die Dame selbst mit, um bekannte Pflanzungen heimzusuchen, und sich dort mit Zucker, Caffee, Dram u. s. w. zu versehen und in der Stadt recht billig einzukaufen. Der grösste Theil des Soldes wandert dann, besonders wenn sie noch unter der Hand Schnaps verkauft, was aber der Kommandant natürlich nicht wissen darf, in ihre Geldbüchse. Eine solche Dame dachte ich ebenfalls auf dem Schooner zu finden, und fuhr aus grosser Galanterie demselben entgegen.

Ich bewillkommte den Schatz meines Kommandanten auf negerenglisch, das ich in dieser Zeit zum Entzücken schlecht sprach. Die Dame gab sich mir aber sogleich als Holländerin zu erkennen, und enthob mich desshalb der Verlegenheit, in der armseligen Creolensprache mich auszudrücken.

Sogleich schrieb ich an den Kommandanten, dass seine Haushälterin (welches Wort ich aber bei reiflicher Erwägung zu anstössig fand und in Madame umwandelte) nebst dem Doctor angekommen sey. Um die glückliche Ankunft dem Lieutenant so schnell als möglich zu melden, sandte ich die ganze Besatzung bis auf den Bäcker weg. Da ich aber bloss einen einzigen Pagai im Vermögen hatte, so mussten drei der mitgehenden Soldaten bis zum nächsten Arowackendorfe mit den Samenkapseln der Maripapalme rudern; dort konnten sie von meiner Freundin, dem Oberhaupte des Dorfes, drei Pagais entlehnen.

Vier Tage später kam der Kommandant von Armina an, um seine Liebste abzuholen. Diese hatte unter Anderem ein ungeheures Fass ordinären Blättertabaks, von dem das Pfund 16-20 Cents kostet, mitgebracht, und das Detachement konnte es für Geld in Rauch verwandeln. Leider hatte sie auch Verschiedenes in Paramaribo gekauft, das durch den reichlichen Strandsegen entbehrlich geworden war und desswegen dem Kommandanten manchen Seufzer auspresste.

Das Fass Tabak, so erzählte die Haushälterin, wäge über 700 Pfd. und wenn sie das Pfund zu 1 fl. 50 kr. verkaufe, so geschehe diess mehr den Soldaten zu lieb, als des Nutzens wegen.

Kommandant, Doctor und Haushälterin segelten mit gutem Winde nach Armina und ich hatte gottlob wieder längere Zeit vor derlei Besuchen Ruhe.

Der Schooner hatte den Rest der geretteten Güter eingeladen und es blieb also nichts mehr übrig, als das Wrack, das sich bei der Fluth mit Wasser füllte und in dem Haie, Lumpen und andere Raubfische die verfaulten Kartoffel-, Zwiebel- und Käsereste durchschnoberten.

Jetzt war die Legezeit der grossen Seeschildkröten, die Nachts längs des sandigen Seestrandes ihre schwerfälligen Promenaden ausführten und an dem erhöhten Ufer, das über dem höchsten Wasserspiegel der Fluth lag, ihre Eier verscharrten.

Meist beim Mondlicht und in der Zeit des ersten und letzten Viertels kriechen diese schwerfälligen Thiere herauf, wühlen im Sand einen Platz von manchmal 200□' um, graben dabei die dicksten Wurzeln und Gesträuche aus, bis sie eine günstige Stelle gefunden haben.

Mit den Hinterfüssen wird sodann ein beinahe 2' tiefes und 8" weites Loch gegraben, und in dieses etwa 100-200 runde, mit einer pergamentartigen Haut überzogene Eier von der Grösse einer kleinen Billardkugel gelegt. Das Loch wird mit Sand ausgefüllt und das Thier geht in die See zurück. Die Spur der Füsse und des Schwanzes, welche durch das Auf- und Abkriechen entsteht, ist tief im Sande eingegraben und wellenförmig.

Ueberrascht man eine Schildkröte beim Legen, so schnaubt und bläst sie, setzt aber ihr Geschäft ruhig fort, es sey denn, dass man versucht, sie auf den Rücken zu legen, in welchem Falle sie dann wüthend um sich schlägt. Ein kräftiger Mann kann bei einiger Erfahrung leicht eine auf den Rücken werfen, obschon sie manchmal gegen 500 Pfund schwer sind. Umgedreht schlagen sie mit allen Vieren auf den Brustschild und wären wohl im Stande, den Unvorsichtigen schwer zu verletzen. Man bindet ihnen sodann die Vorderfüsse fest und ladet sie in die Corjaal.

Sie haben ein sehr zähes Leben und die Indianer, welche sie häufig zum Verkauf nach den Pflanzungen bringen, lassen sie manchmal 14 Tage auf dem Rücken liegen; es darf aber alsdann keine Sonne auf sie scheinen. Wenn schon Herz und Eingeweide herausgenommen sind, so zappeln sie noch stundenlang und das Schlachten derselben ist ein blutiges Gemetzel.

Gewöhnlich haben sie ausser den gelegten Eiern noch ganze Kübel voll Dotter bei sich und viele sind so fett, dass man aus einer 2-3 Gallons Oel ausschmelzen kann. Das Fett ist bekanntlich grün und das Fleisch liefert die berühmten Schildkrötensuppen, die man in London und andern Seeplätzen so theuer bezahlt. In Surinam ist es nicht geachtet und ich finde ebenfalls nichts Leckeres daran; denn es ist grob und faserig und das Fett hat einen eigenthümlichen, thranigen Geruch. Nur die Eier sind gut zu gebrauchen und sie waren während der Legezeit eine Hauptspeise auf unserem Küchenzettel. Das Weisse dieser Eier, das nie hart wird, wirft man weg.

Man kocht sie im Wasser mit Salz und isst ihren Dotter mit Pfeffer und Zitronensaft; auch lassen sich gute Pfannenkuchen daraus backen.

Um sie längere Zeit aufzubewahren, räuchert man sie, wobei aber das Eiweiss ganz eintrocknet. Die Begattungszeit fällt in den Februar; die Thiere bleiben alsdann Tage lang aneinander hängen und werden so häufig durch die Brandung auf den Strand geworfen, wodurch ihr angenehmes Geschäft unterbrochen wird.

Die Indianer schwimmen, wenn sie zwei solche Liebende erblicken, mit einem Strick auf sie zu und schieben den Vorderfuss des Männchens in eine Schlaufe, was von diesem erst bemerkt wird, wenn man es ans Boot zieht, wobei es dann unter wüthendem Gezappel seine Ehehälfte loslässt.

Die Männchen sind meistens fetter, als die Weibchen und haben dieselbe Grösse; nur ist ihr Schwanz bei 2' lang. Sie gehen nie ans Land und werden daher selten gefangen.

Die ersten Eier findet man in der Mitte Februars; im Mai werden die meisten gelegt und zu Ende Juli kommen die Jungen heraus. Diese kriechen meist Nachts in die See. Aus einem Nest kommen manchmal 30-40. Die anderen Eier verderben. Sie haben übrigens viele Feinde und besonders sind die Aasgeier auf sie erpicht. Auf der Stelle, wo eine Schildkröte gelegt hat, sticht man mit einem Pfeil oder glatten Stabe auf dem umgewühlten Platze an verschiedenen Stellen in den Sand. Findet man eine Stelle, wo der Pfeil leicht und ohne Widerstand eindringt, so gräbt man nach und findet die Eier.

Bereits sitzen auch mehrere Aasgeyer in der Nähe und warten nur, bis man weg ist, um die mit dem Pfeil durchstochenen Eier, welche man liegen lässt, zu fressen. Sobald sie damit fertig sind, fliegen sie voran zu einem neuen Haufen, um auch da ihren Finderlohn wegzuschnappen.

Im Mai und Juni kommen kleinere Seeschildkröten von einer andern Gattung, welche man Varana nennt, hervor. Diese werden bloss 80-100 Pfund schwer und legen kleinere, aber schmackhaftere Eier. An mondhellen Abenden laufen sie zu Dutzenden am Seestrande herum und, wie es scheint, nicht bloss um Eier zu legen, sondern auch zu ihrem Vergnügen. Sie sind bei weitem nicht so phlegmatisch, wie die grossen, lassen sich aber auch nicht so lange beim Leben erhalten.

Zuweilen, aber sehr selten, kommt auch die Carettschildkröte ans Ufer. Sie ist kleiner als die Riesenschildkröte und man erkennt ihre Spur am Zeichen des Kopfes, den sie im Sande zu schleppen scheint.

Die Seeschildkröten werden ausser dem Menschen bloss von dem Jaguar angegriffen, der mit seinen scharfen Krallen sie geschickt auszuhöhlen weiss. Die zwei mir bekannten Arten leben von Tangen und Seegras.

Die sonderbare Matamatta (Chelys infibriata) ist in Surinam nicht zu Hause, kommt aber häufig am Oyapok vor und wird von da nach Cayenne auf den Markt gebracht.

Die grosse Regenzeit war angebrochen und obgleich an der See die Regengüsse bedeutend schwächer sind, als im Innern des Landes, so war sie doch für uns desswegen höchst unangenehm, weil in den gewöhnlich stillen Nächten die Mosquittos in ungeheurer Menge alle lebenden Geschöpfe plagten. Wir schleppten den Tag über grosse Stücke Holz, welche die See anspülte, zusammen, und machten des Abends davon ein grosses Feuer, zu dem manchmal mehrere Klafter verbraucht wurden. Um dieses lagerten wir uns so, dass der Rauch uns bestrich, und meine Ziegen, welche sehr wohl merkten, was gegen die Mosquittosstiche schütze, drängten sich so dicht als möglich an uns an. Man unterhielt sich bei diesem Wachtfeuer mit Soldatengeschichten, die wohl überall über denselben Leist geschlagen sind. Wenn das Feuer erlosch und man zu schlafen versuchte, so ging's ans Fluchen und Lamentiren. Jedes Mittel wurde versucht; ja einige gruben sich förmlich in den Sand ein und liessen nur eine kleine Oeffnung zum Athemholen, bloss um einige Stunden Ruhe zu geniessen.

War das Wetter hell, so liefen wir stundenweit längs des Seestrandes hin und trieben unsere Spässe mit den Seeschildkröten. Manchmal sassen wir zu dreien auf eine, welche dennoch mit uns in die See lief. Fanden wir eine in der Nähe des Postens, so schlachteten wir sie zuweilen; mit weiter entfernten aber gaben wir uns keine weitere Mühe.

Eines Abends sass ich in meiner Kammer; auf einmal hörte ich ein starkes Klopfen an meiner Schwelle. Da auf meinen Ruf Niemand antwortete, so öffnete ich die Thüre und fand eine grosse Seeschildkröte, welche damit beschäftigt war, unter die Schwelle ein Nest zu graben. Ich wälzte sie auf den Rücken und wir schlachteten sie am andern Morgen.

Kamen wir von unsern nächtlichen Promenaden nach Hause, so war man so matt und müde, als hätten wir drei Tage lang nicht geschlafen. Der ganze Körper war auf einem solchen Marsche in fortwährender Bewegung, und man war gleichsam in einer Atmosphäre von Mosquittos, wo man immerwährend zu klopfen und zu wehren hatte. An Ruhen oder Sitzen war nicht zu denken, und wenn wir einen Augenblick ruhen wollten, so liefen wir gewöhnlich in die See und streckten bloss den Kopf aus dem Wasser. Kam nun der Morgen, so beeilte sich jeder, nach dem Frühstück die entbehrte Nachtruhe in der Hängematte nachzuholen. Wir konnten aber weder bei Nacht noch bei Tag ruhig schlafen; denn sobald es warm wurde, fand sich eine ganz besondere Art dreieckiger Fliegen oder Bremsen ein, die in den übrigen Kolonien nicht zu finden waren, und durch ihre Stiche die Schlafenden auf eine solche unbarmherzige Weise weckten, dass diese oft den Posten und sich vor Zorn in den Abgrund der Hölle wünschten.

Gegen das Ende des April kam unser Kommandant abermals, um die Lebensmittel fürs zweite Quartal, welche alle Tage erwartet wurden, in Empfang zu nehmen.

Fast zu gleicher Zeit kam aus Paramaribo ein Fischerboot mit vier Weissen, welche bei der Auction, wobei die vom Schiffe abgeholten Güter verkauft wurden, das Wrack um 100 fl. erstanden hatten. Sie kamen in Begleitung von vier Negern, mit deren Hülfe sie Alles abbrechen und nach der Stadt zum Verkauf bringen wollten. Sie hofften am Schiffsinventarium noch eine gute Beute zu machen, fanden sich aber in ihren Erwartungen getäuscht.

Vierzehn Tage waren sie unterwegs gewesen, hatten durch Sturm und Regen viel gelitten und kamen, von Allem entblösst, bei uns an.

Sie gingen nun mit Eifer ans Werk, untersuchten das Wrack und arbeiteten in den Zeiten der Ebbe, um Alles, was an Kupfer, Blei u. s. w. noch von einigem Werth war, auf den Posten zu bringen. Ihr Eifer erkaltete aber schon nach einigen Tagen; denn ausserdem, dass der Regen sie an ihrer Arbeit hinderte, sah man sie beinahe alle Tage betrunken und unter sich in Streit und Schlägereien gerathen.

Des Nachts liessen ihnen die Mosquittos keine Ruhe, ihre Neger waren abwechslungsweise krank; Bananen und Reis, was sie vom Kommandanten erhalten hatten, war bald genug aufgezehrt und unsere kargen Rationen mit diesen acht Menschen noch zu theilen, war nicht möglich. Der Lieutenant beschloss desshalb, von Armina, wohin das Boot zurückgekehrt war, noch einige Dutzend Boschen Bananen kommen zu lassen. Weil ich nun wünschte, den Strom, welchen ich noch nie befahren hatte, zu sehen, so ging ich mit meiner Corjaal, zwei Negern und einem Indianer, welchen ich auf eigene Kosten mitnahm, dahin ab. Vorher aber rieth mir der Kommandant, seiner Liebsten einige Dutzend Fläschchen Pomade und Riechwasser, welche er mit seinen Luchsaugen in meiner Kiste entdeckt hatte, als Geschenk mitzunehmen, obgleich sie weit über die Jahre hinaus war, in welchen diese Toilettmittel mit Erfolg angewendet werden.

Mit einem Segel auf meiner leichten Corjaal, fuhr ich am zweiten Mai mit gutem Winde ab und bald hatten wir die erste Inselgruppe, welche aus fünf mit Hochwald und niedrigem Gesträuch bewachsenen Inseln besteht, erreicht, und landeten am ersten Arowackendorf auf holländischer Seite, das Woman Contry (Weiberdorf) genannt wurde.

Das Oberhaupt war eine alte Frau, Saantje, welche mich, nachdem ich ihr eine Flasche Genever, den sie sehr liebte, gegeben hatte, mit Cosiri, Cassave und Ananassen beschenkte.

Auf der andern Seite des Stromes lag ein Caraibendorf, dessen Oberhaupt ebenfalls eine Frau war, welche Anna hiess.

Der Fluss, welcher oberhalb der ersten Insel sich auf die Hälfte seiner früheren Breite vermindert und bloss noch eine halbe Stunde breit ist, bildet beinahe ohne jede Krümmung eine acht Stunden lange Bucht, in welcher eine Menge Inseln liegen und deren südliches Ende sich wieder ganz in Wasser zu verlieren scheint.

Ein hoher Hügelzug ist aus der Ferne sichtbar; die beiderseitigen Ufer sind mit den schönsten Bäumen geziert, deren verschiedene Blüthen gegen das dunkle Grün der mannigfaltig geformten Blätter wunderschön abstechen. Besonders fällt die herrliche Caracalla, caraibische Knopojorogorli (Naranthea guianensis) mit ihren scharlachrothen, 1-2' langen, ährenförmigen Blüthen ins Auge. In gleicher Farbe glänzen die Blüthentrosse des Manibaumes (Symphonia coccinea), aus welchem die Indianer ein pechartiges Harz zu gewinnen wissen.

Auf beiden Seiten sieht man mehrere Indianerdörfer; der Boden, auf dem sie gebaut sind, ist meistens eine rothe, eisenhaltige Erde.

Wir übernachteten in einem dieser Dörfer, dessen Oberhaupt, Jan, sich längere Zeit in Cayenne aufgehalten hatte und desswegen gebildeter als die andern war.

Das immerwährende Klaffen der Hunde, denen ich fremd war und der Schall der Trommeln, durch welchen der böse Geist Jorka sollte verscheucht werden, liessen mich beinahe zu keinem Schlaf kommen. Man behauptet irgendwo, die südamerikanischen Hunde bellen nicht. Ich habe davon zur Genüge das Gegentheil erfahren; denn auf Buschneger- und Indianerdörfern sind die Hunde bei der Ankunft eines Fremden nicht zum Schweigen zu bringen. In der Frühe verliessen wir unser Nachtquartier und fuhren bis nach Kibido-County, einem Karaibendorfe, das auf der Südspitze einer langen Insel liegt. Hier kochten wir während eines heftigen Regens unser Mittagessen. Da die Fluth auf dem durch häufige Regengüsse angeschwollenen Strome nicht mehr wirkte, so miethete ich noch einen jungen Indianer.

Eine kleine Stunde weiter aufwärts liegt das letzte Caraibendorf. Hier trafen wir eine Menge Buschneger, die von Armina gekommen waren und nach Paramaribo gingen, und da ich ärgerliche Scenen befürchtete, so wollte ich ungeachtet der Bitten meiner Neger und Indianer hier nicht übernachten, wiewohl sie mich versicherten, dass in der Nähe kein Kamp mehr wäre und wir desshalb im freien Walde übernachten müssten. Da ich dergleichen Ausreden und Ausflüchte zu schätzen wusste, so liess ich mich nicht beschwatzen und sie fuhren mit Widerwillen weiter.

Das Ufer beider Seiten erhebt sich steil und bildet kleine Berge, welche sich ununterbrochen bis Armina hinziehen.

Der Abend brach an und das Geschrei der Papageyen, die meistens auf den Strominseln schlafen und, wenn es zuvor geregnet hat, ein wahrhaft höllisches Concert aufführen, war verstummt. Grosse Fledermäuse und Nachtschwalben umflatterten uns, und in der Dämmerung konnte man nur noch schwach die Umrisse einer kleinen Insel unterscheiden, auf welcher Hütten stehen sollten und der wir nun voll Hoffnung zusteuerten.

Wir erreichten bei Dunkel die Mündung der Siparawini, welche von Osten her in die Marowyne sich ergiesst und es kostete die angestrengtesten Kräfte von uns Allen, die reissende Strömung dieser Kreek zu überwinden und ihr südliches Ufer zu erreichen. Gerade vor dieser Mündung lag die kleine Insel, auf welcher wir zu schlafen gedachten; aber zu unserem grössten Verdruss fanden wir Alles unter Wasser stehend und bloss die Dächer ragten daraus hervor.

Jetzt war guter Rath theuer und ich bereute nun, nicht im letzten Dorfe geblieben zu seyn; denn eine Nacht, und wäre es auch die schönste, so enggepresst in einer kleinen Corjaal sitzen zu müssen, die bei der geringsten Bewegung rechts und links umzuschlagen droht, ist höchst mühsam und beschwerlich. Die Nacht war wirklich herrlich, der Himmel voll funkelnder Sterne und kein Lüftchen bewegte die Oberfläche des Wassers.

In dem dunkeln Wald sah man die grossen Leuchtkäfer, die sich im Innern des Landes aufhalten und in ihrem rothen und grünen Lichte wie Irrlichter herumschwärmen. Man hörte bloss das Gepfeife der Cicaden und zuweilen den melancholischen, einer Tonleiter ähnlichen Gesang einer Nachtschwalbe.

Die Neger sangen aus Verdruss, und der ältere Indianer, welcher in dieser Gegend nicht bekannt war und bei den Buschnegern unterwegs zu viel getrunken hatte, fluchte in allen Sprachen. Der jüngere war total betrunken und schlief.

Wegen der vielen Klippen, welche sich am Ufer des Stromes befinden, waren wir genöthigt, in der Mitte desselben zu fahren; auch hatten wir alle Hoffnung, noch unter Dach zu kommen, aufgegeben. Endlich hatte der Kleine seinen Rausch ausgeschlafen; er betrachtete die Ufer, zu deren Erkennung ein Paar Eulenaugen nöthig waren, und versicherte uns, dass nicht weit von hier auf der holländischen Seite ein paar Hütten oder Kampen sich befänden. Wir pagaiten munter darauf los und sahen bald durchs Gesträuch den Schein von Feuer blinken. Der Kleine blies, worauf wir sogleich durch geblasene Antwort erfuhren, dass zufälligerweise Indianer, welche nach Armina wollten, ihr Nachtquartier hier aufgeschlagen haben.

Bald erreichten wir die Hütten, nachdem wir vorher wohl hundert Schritte hatten durch den überschwemmten Wald fahren müssen. Ich war jetzt von Herzen froh, traktirte reichlich mit Schnaps, wofür der beste Platz einer Hängematte mir eingeräumt wurde.

So schliefen wir herrlich; mehrere aber wurden von Fledermäusen gebissen.

Des Morgens fuhren wir nun in Gesellschaft zusammen, immer das holländische Ufer entlang, und hatten wegen der reissenden Strömung eine langsame und beschwerliche Fahrt. Das Wetter war trübe. Gegen 10 Uhr erreichten wir die Ecke, welche der Strom dadurch bildet, dass sein südwestlicher Lauf plötzlich ein nordwestlicher wird.

Die grosse Bucht, an welcher der Posten liegt, lag vor uns. Die zahllosen Klippen, Bänke und Inseln, welche dieselbe ausfüllen, waren alle überschwemmt und während die vielen Cascaden und Fälle in der Trockenzeit ein betäubendes Getöse verursachen, hörte man nun nichts, als das sachte Murmeln des mit reissender Schnelligkeit dahinströmenden Wassers.

Etwas unterhalb ist der Landungsplatz der für den Posten bestimmten Güter und ein breiter Weg führt in einer halben Stunde nach Armina. In der Trockenzeit, wenn die Klippen bloss liegen und Cascaden und Wasserfälle die Fahrt nach Armina hemmen, wird Alles hier ausgeladen und dann weiter gerollt oder getragen. Jetzt war selbst der Weg überschwemmt und wir fuhren bis zum Posten, den wir gegen Mittag erreichten.

Die Haushälterin empfing mich und meine Riechfläschchen sehr artig und ich fand bei ihr einen kleinen Laden eingerichtet, in dem gar manche Gegenstände zur Schau stunden, die man mir oder den Soldaten auf dem Posten abgeschwatzt hatte.

Von allen Soldaten, die übrigens an jedem Kommandanten, und wäre es unser Herrgott selbst, etwas auszusetzen haben, hörte ich klagen über den hier herrschenden Handelsgeist; die den Soldaten unnöthigsten Dinge und Leckereien, die allemal noch vom Strandsegen übrig waren, wurden auf Krämerweise angepriesen. So wurden getrocknete Zwetschgen und Aepfel für den Fall einer Krankheit für 2 fl. die Flasche den Soldaten angeschwatzt, die natürlich der Käufer in einer halben Stunde mit dem besten Appetit aufass. Ja man verkaufte selbst Nachtgeschirre, ein Luxusartikel, den mancher erst bei dieser Gelegenheit gebrauchen lernte.

Man muss sich freilich wundern über den Leichtsinn der Soldaten, die für solche unnöthige Bagatellen ihren Sold ausgeben, den der Kommandant jeden Monat für seine gelieferten Waaren einstrich, während mancher im Besitze eines Nachttopfes war, oder seinen Sold für holländische Leckereien oder kölnisches Wasser, das einige nur desswegen kauften, um es als Schnaps zu trinken, missen musste, und dabei beinahe keine Hosen hatte, um auf die Wache zu ziehen.

Das ganze Detachement stand freilich auf einer sehr niederen moralischen Bildungsstufe, und die Behandlungsweise des Kommandanten war nicht geeignet, dieselbe zu heben.

Arbeit, auf welche der frühere Kommandant, das Gegentheil vom jetzigen, so sehr gesehen hatte, wobei der Soldat Feldfrüchte aller Art im Ueberfluss baute, seinen Sold sparen und seine Kiste mit Kleider füllen konnte, war ganz aus der Mode gekommen; denn man konnte ja Alles bei dem Kommandanten oder der Haushälterin kaufen. War nun ein leichtsinniger Kerl dem Kommandanten seinen Sold von drei und vier Monaten voraus schuldig, so wollte man natürlich nicht mehr borgen. Gleichwohl befürchtete man unangenehme Raisonnements und schickte desswegen solche zur Gesundheit nach meinem Posten, wo sie zerlumpt ankamen und bei ihrer kärglichen Ration Noth gelitten haben würden, wenn ich ihnen nicht hätte Gelegenheit bieten können, sie für Rechnung von Mana (davon später) etwas verdienen zu lassen.

Wegen der grossen Menge Vampyrs war man genöthigt, die ganze Nacht Licht in der Kaserne brennen zu lassen. Die Kerzen hiezu, welche das Gouvernement zum Dienste der Wachen liefert, verkaufte man dem Detachement, das gemeinschaftlich diese Auslage bestritt, um von dem Ungeziefer nicht gebissen zu werden. Daher war es kein Wunder, dass ein kleiner Aufruhr ausbrach, der den Kommandanten nöthigte, vier der ärgsten zu Lande nach dem Posten Gouverneurslust abzuschicken, wo sie vom Flügelkommandanten bestraft wurden. Ich besuchte, da sich das Wetter etwas aufheiterte, den grossen Mamabum und fuhr des andern Tages um 9 Uhr mit einigen Boschen Bananen von Armina ab.

Mit reissender Schnelligkeit ging die Fahrt stromabwärts. Da das Wetter hell war, so sah ich im Süden die Gebirge, welche am Tapanahoni liegen und wie ein blauer Dunst über die Wälder hervorragten.

Nachts 9 Uhr kam ich, ganz durchnässt von heftigen Regengüssen, wieder auf meinem Posten an.

Den 6. Mai kam der Schooner mit den erwünschten Lebensmitteln und der Kommandant reiste, nachdem er diese in Empfang genommen hatte, wieder nach Armina zurück.

Die vier Eigenthümer des Wracks luden alles Eisen, Kupfer, Tauwerk u. s. w., was noch von einigem Werthe für sie war, auf den Schooner und fuhren mit demselben nach Paramaribo ab. Mir boten sie das entmastete Wrack zum Kaufe an und gleichsam zum Spass wurden wir um 8 fl. handelseinig.

Jetzt glaubte ich für einige Zeit Ruhe zu haben; denn die Lebensmittel waren für sechs Monate zugleich gekommen und das geleerte Wrack konnte meinen Kommandanten nicht mehr reizen, mich mit Extrabesuchen zu beehren. Wiewohl ich das Wrack eigentlich nur zum Spasse gekauft hatte, hoffte ich dennoch nach näherer Besichtigung Vortheil daraus zu ziehen.

Unter den Soldaten hatte ich einen alten Kupferschmied, der, obwohl ein Erztrunkenbold, durch sein Handwerk doch von grossem Nutzen für mich war.

Gleich beim ersten Besuche an Bord fanden wir das Steuerruder, von dem wir die metallenen Nägel und Ringe, sowie die grossen gegossenen Hacken abschlugen. Blei und Eisen wurde ebenfalls nicht verachtet und um letzteres zu bekommen, steckten wir das Vordertheil des Schiffes in Brand, wodurch wir mehrere Centner Nägel und Stäbe erhielten, welche zu Hause gereinigt wurden.

Täglich gingen wir zu Viere an Bord, arbeiteten während der Ebbe und fuhren nach Hause, wenn das Wasser wieder zu hoch stieg. Dabei bekam jeder der mir Helfenden 50 Cents und zwei Schnäpse für die Reise, und ich hatte alle Ursache, mit ihrem Eifer zufrieden zu seyn.

Schon längst hatte ich gehört, dass auf der französischen Seite eines benachbarten kleinen Flusses ein Etablissement und ein Nonnenkloster wären, auch gleich in der ersten Zeit meines Hierseyns der Aebtissin geschrieben und sie um die Erlaubniss gebeten, ihr meine Aufwartung machen zu dürfen. Kurze Zeit darauf bekam ich auch eine förmliche Einladung, von welcher ich Gebrauch gemacht hätte, wenn nicht die Menge von Waaren, welche ich zu beaufsichtigen hatte, und die immerwährenden Besuche vom Kommandanten mich davon abgehalten hätten. Da alle diese Schwierigkeiten beseitigt waren, miethete ich zwei Indianer und fuhr in meiner kleinen Corjaal, die ich mit einigen Fässchen Butter und anderen Kleinigkeiten zum Verkauf beladen hatte, dahin ab.

Das Wetter war still und trübe und wir waren mit anbrechendem Tage an der französischen Seite der Marowyne. Eine wohl drei Stunden lange Schlammbank, die bei Ebbe trocken wird, erstreckt sich bis an die Mündung des Amanabo, an dessen linkem Ufer zwei Stunden aufwärts das Etablissement sich befindet. Vom rechten Ufer dieses Flusses aus erstreckt sich ebenfalls eine Bank weit in die See und beide bilden auf diese Weise einen schmalen Canal, durch welchen nicht tief gehende Schiffe einlaufen können. Wir fuhren ganz nahe am Ufer, da man ungeachtet der Fluthzeit die Wirkung derselben beinahe nicht verspürte. An beiden Seiten bildet der Mangrove einen schützenden Wall gegen das Schlagen der Wellen und an seinen zahllosen Zweigen und Ausläufern findet man bei der Ebbe eine Menge der köstlichsten Austern. Aber man muss diesen Genuss durch die Stiche von Millionen Mosquittos theuer erkaufen.

Etwa eine halbe Stunde flusseinwärts fuhren wir unter einem überhängenden Baume durch, auf dem ein prächtiger Jaguar lag, den wir an seinem herabhängenden Schwanze leicht in die Corjaal hätten ziehen können. Ohne sich von der Stelle zu rühren, sah uns das schöne Thier aufmerksam an und wir störten es auch nicht weiter, weil ich kein Gewehr hatte und die Indianer bloss mit Fischpfeilen versehen waren. Erst nachdem wir uns etwa 50 Schritte entfernt hatten, verliess auch er seine Stelle. Endlich gegen 10 Uhr erblickten wir das Zuckerfeld des Klosters und kurz darauf stiegen wir nahe am Jungfernzwinger ans Land.

Die Aebtissin und mehrere Herren kamen mir entgegen, empfingen mich wie einen alten Bekannten und da man gerade am Essen sich befand, das ganz klösterlich excellent war, so liess ich es mir köstlich schmecken.

Ma chère mère, so titulirte man die Aebtissin, war trotz ihres Alters eine sehr lebhafte Dame, so dass ich anfangs Mühe hatte, ihre schnelle Sprache zu begreifen und gehörig zu beantworten. Sie war die Stifterin des Ordens des soeurs de St. Joseph de Cluny, einer Congregation, die aus Nonnen besteht, welche sich meist dem weiblichen Unterrichte widmen und theils in Frankreich selbst, theils in den französischen Besitzungen in Ost- und Westindien und in Afrika zu diesem Zwecke sich aufhalten. Dieses Etablissement hiess Mana und war früher von freien Negern bewohnt, die aber meist durch Verrath und Krankheit weggerafft wurden.

Das französische Ministerium hatte diejenigen Neger, welche nach Schliessung des Tractats wegen Abschaffung des Sklavenhandels noch aus Afrika in Cayenne eingeführt wurden, frei erklärt, um sie aber von der Sklavenbevölkerung zu trennen, nach dem abgelegenen Mana gebracht, wo sie der Leitung dieser Madame Javouhey, Generaläbtissin, übergeben wurden. Ansehnliche Summen waren zu diesem Zweck bewilligt worden und das Etablissement Mana war gewissermaasen eine für sich selbst bestehende und von Cayenne beinahe unabhängige Colonie. Die Neger, etwa 600-700 Köpfe stark, bauten das Land und lieferten ihre Produkte, die in Erdfrüchten, als: Reis und Maniok bestanden, ins Magazin des Klosters ab, wo man sie ihnen theils mit Waaren, die sie nöthig hatten, theils mit Geld bezahlte. Ein grosser Theil der männlichen Bevölkerung fällte für Rechnung der Congregation Bau- und Möbelholz, das an den Ufern des Amanabo leicht und von vorzüglicher Güte zu bekommen war.

Ausser der schwarzen Bevölkerung befanden sich hier mehrere weisse Handwerker, ein Doctor, einige Intendanten, zwei Priester und etwa eilf Nonnen. Letztere mussten verschiedene Geschäfte verrichten; einige waren in der Kirche, andere im Hospital angestellt. Einige gaben den Kindern Unterricht, während andere im Garten, in der Bäckerei oder Zuckermühle die Aufsicht führten.

Das Kloster selbst hat bedeutende Aecker, die mit Zucker, Caffee, Bananen u. s. w. bepflanzt sind und von den Negern unter Aufsicht der Damen bearbeitet werden. Ein grosses Magazin, das mit Allem, was die Bevölkerung betraf, reichlich versehen ist, zieht so zu sagen Alles an sich, was die Neger verdienen und scheint der Congregation mehr abzuwerfen, als das ganze Etablissement dem französischen Ministerium. Die Nonnen sind meist bejahrte Damen und geborne Französinnen. Wiewohl sie in einer kirchlichen Uniform stecken, denken sie doch tolerant und ich zweifle, ob man etwaige Sünderinnen einmauern würde.

Ein Militär-Posten lag früher auf Mana, wurde aber eingezogen, weil Nonnen und Soldaten nicht gut harmoniren konnten.

Das Etablissement liegt am linken Ufer des Flusses auf einer sandigen Fläche, die bis an die Marowyne sich ausdehnt und grosse Sümpfe enthält, die selbst in den grossen Trockenzeiten schwer zu passiren sind. Die Häuser sind von Holz, und die Zwischenräume der Balken werden mit einem in Latten gespaltenen und sehr biegsamen Holze (bois golette) verflochten, sodann mit Lehm beworfen, auf welchen Kalk aufgetragen wird. Die Dächer sind wie in Surinam mit Schindeln bedeckt. So zweckmässig diese Bauart auch ist, so stehen doch die Häuser auf Mana den unsrigen an Zierlichkeit und Bequemlichkeit bei weitem nach. Ein grosser Hauptfehler, den man einem so gebildeten Volke gar nicht verzeihen kann, ist der Mangel an Abtritten. Man geht ganz ungenirt ins Freie, legt ab, was man nicht mehr tragen will, ob Leute in der Nähe sind oder nicht. Man denke sich nun die Verlegenheit eines Fremden, der in einer so ungraziösen Sitzung von einer Klosterfrau überrascht wird und doch aus Höflichkeit »bon jour ma soeur« sagen und mit der Hand die Mütze ziehen muss! Selbst in Cayenne herrscht dieser Mangel; doch hat man da eigene Kübel in der Küche, dem passendsten Orte, den man in einem so heissen Klima hiezu auswählen kann! Auch das Innere der Häuser ist sehr einfach und lässt sich mit dem der unsrigen nicht vergleichen. Die Küche ist überall excellent und da man isst, was der liebe Gott für die Flinte schickt und die lächerlichen Vorurtheile Surinams nicht kennt, so fehlt es beinahe nie an frischem Fleisch. Affenfricassées und Faulthiercarminaden werden von Jedem gegessen und sind wirklich excellente Speisen. Die Mahlzeiten werden um 10 und 4 Uhr gehalten; Wein und Brod darf dabei nicht fehlen.

So wie die gesammte Bevölkerung Surinams beinahe ausschliesslich von Bananen lebt und diese jeder andern Kost vorzieht, so ist hier das Mehl des Maniok, Qouak oder Tapioca genannt, das Hauptnahrungsmittel. Die Bereitung dieser nährenden und sehr zweckmässigen Speise, die viele Aehnlichkeit mit Sago hat, ist sehr einfach. Die Wurzel wird zerrieben und ausgepresst, die noch etwas feuchte Masse zerbröckelt und durch ein Menari oder Sieb auf eine kesselartig eingemauerte, heisse eiserne Platte gestreut, unter welcher Feuer unterhalten wird. Dieses Mehl wird nun einige Male umgerührt, um nicht festzubacken, und weggenommen, wenn es sich bräunt; dann wird anderes an seine Stelle gethan. Um den Qouak zu essen, wird er mit Fischbrühe oder andern Saucen befeuchtet, wodurch er wie das Cassavebrod anquillt.

Ein Schooner, der ebenfalls den Schwestern gehört, bringt die Erzeugnisse Manas monatlich nach Cayenne und holt dort alle anderen Lebensmittel und Bedürfnisse ins Magazin.

Die von mir mitgebrachten Sachen hatte ich gegen Hemde und Hosen, die wir alle sehr nöthig hatten, vertauscht.

Ein paar Backsteine und Ziegel, deren das Wrack noch 70,000 inne hatte, zeigte ich zur Probe der Aebtissin, in der Hoffnung sie werde mir das Wrack abkaufen. Hiezu schien sie auch nicht abgeneigt zu seyn; denn sie versprach mir, einen Sachkundigen zu schicken, der untersuchen solle, ob sich die Ziegel ausladen und transportiren liessen.

Abends 5 Uhr fuhr ich wieder ab. Das Wetter war trübe und kein Lüftchen kräuselte die Oberfläche des Flusses, dessen Mündung wir schon mit dem Dunkel erreichten. Der junge Indianer, den ich bei mir hatte, war eingeschlafen und sein Vater steuerte. Es war so finster, dass wir das Land nicht sahen, besonders auch, weil wir wegen der Bank weit von demselben entfernt bleiben mussten. Erst am Sandgrund, über den wir fuhren, erkannten wir, dass wir nahe an der Marowyne wären. Die Soldaten, welche mich zurückerwarteten, hatten als Leuchte für mich ein grosses Feuer unterhalten, das wie ein Stern über den breiten Strom schimmerte und uns die Richtung zeigte. Wir konnten desshalb nicht irren und langten wohlbehalten zu Hause an.

Gleich den andern Tag setzten wir unsere Arbeit am Wrack fort und glücklicherweise gelang es uns, die Poort (eine Art Thüre von 3' Breite und Höhe, wodurch man Holz und andere lange Stücke einladet und die, wenn das Schiff geladen ist, sorgfältig verschlossen und verstopft wird) zu öffnen und so mit der Corjaal ins Schiff selbst hineinfahren zu können.

Alles, was uns im Wege lag, wurde auf diesem Wege hinausgeschafft. Die Rudera von unzähligen Kisten und Erdäpfelkörben, nebst leeren Fässern bedeckten bald die umliegenden Sandbänke und wurden mit der Fluth in die Nähe unseres Postens gespült, wo sie uns zur Unterhaltung von Wachtfeuern dienten.

Wenige Tage nach meiner Zurückkunft von Mana kamen zwei Franzosen mit vier Negern an, um im Auftrag der Aebtissin das Wrack zu besehen. Wir fuhren zusammen dahin. Es war gerade sehr niedere Ebbe, daher die Zeit geschickt, den Schlamm im Schiff zu durchsuchen. Einer der Soldaten, der ein geschickter Taucher war, hatte ein schweres Fässchen entdeckt, das wir mit Mühe aus dem Schlamm hervorholten. Es war ein werthvoller Fund; denn es enthielt Nägel, die besonders auf Mana sehr gesucht waren. Unter dem ersten lag ein zweites, und nach und nach brachten wir deren 17 ans Tageslicht, von denen jedes 50 Pfund wog. Da wir nur einen kleinen Theil der gefundenen Fässchen mitnehmen konnten, so legten wir die übrigen auf den höchsten Theil des Wracks, die Cajütskappe, welche selbst bei einer Springfluth nicht ganz unter Wasser gesetzt wurde.

Mittags reisten die Franzosen wieder nach Mana zurück, nachdem sie mich versichert hatten, dass die Aebtissin mir das Wrack abkaufen werde. Diess war in der That auch für sie höchst vortheilhaft; denn bei eifriger Arbeit konnte man noch viele Bretter und Balken abbrechen und Steine und Kalk waren bei niederer Ebbe ganz leicht zu bekommen. Weil nun überdiess um diese Jahreszeit wenig Wind wehte, so war auch Alles leicht nach Mana zu transportiren. Alles dieses sah die Aebtissin eben so gut ein, als ich, und es währte desshalb auch keine zwei Tage, bis das Boot von Mana wieder zurückkam. Mit diesem kamen der Neffe der Aebtissin und der Intendant des Etablissements, um den Kauf mit mir abzuschliessen. Wir kamen dahin überein, dass ich um die Summe von 500 Frcs. das Wrack an die Congregation überliess, dass aber Alles, was ich bis jetzt abgeholt hatte, nicht im Kaufe eingeschlossen sey, sondern noch besonders bezahlt werden müsse. Einer der Herren, welche früher das Wrack untersucht hatten, blieb nun bei mir, um die Arbeiten der Neger und den Transport zu beaufsichtigen.

Ich hatte nun wieder mit einem verständigen Manne zu thun, der mir um so angenehmer war, als ich mich im Französischen tüchtig üben konnte. Hr. M., so hiess mein Gast, war ein Mann von 40 Jahren, sehr lebhaften Temperaments und kein Weinverächter. Er war verheirathet, seine Familie blieb aber auf Mana zurück. Es fand jetzt eine ununterbrochene Verbindung mit diesem Platze statt.

Einige Neger waren beständig damit beschäftigt, bei der Ebbe die Backsteine und Kalkfässer aus dem untern Raume aufs Verdeck zu bringen, während grössere Boote sie nach Mana brachten. Alles, was von Metall am Wrack war, wurde abgebrochen und sammt den noch brauchbaren Balken und Brettern mitgenommen.

Da man bloss periodisch arbeiten konnte, so hatten die Leute viel freie Zeit und ich fand an Hrn. M. einen angenehmen Gesellschafter. Leider aber wurde ihm seine Arbeit durch viele unangenehme Nachrichten aus Mana entleidet. Die Aebtissin, welcher die Arbeiten zu lange dauern mochten, machte ihm Vorwürfe darüber, und Zeichen von Misstrauen, die sie verschiedene Male gegeben hatte, erregten seinen Unwillen aufs Höchste. Er beschloss desshalb, selbst nach Mana zu gehen, um sich persönlich zu vertheidigen. Da ich weder Lieutenant noch Schooner zu erwarten hatte, so entschloss ich mich, ihn dahin zu begleiten, und wir fuhren den 20. Juni, an einem Sonntag, dahin ab.

Im Canot sass ausser ihm und mir noch ein Soldat meines Postens und ein Neger.

Ermüdet und von der Sonne verbrannt, kamen wir Abends nach 6 Uhr auf Mana an.

Die Aebtissin spazierte mit zwei Nonnen am Flusse auf und ab, und kam, als sie unser Boot bemerkte, an den Landungsplatz, um uns zu bewillkommen. Kaum aber hatte Hr. M. sie erblickt, als er, ohne ihren freundlichen Gruss zu erwidern, seinen Pagaal aus dem Canot nahm und ihr denselben vor die Füsse warf mit den Worten: Sehen sie nun selbst, ob etwas von dem Wracke Gestohlenes darin ist. Die Dame, dadurch höchst indignirt, fasste sich augenblicklich über diesen unerwarteten und brutalen Gegengruss und sagte: Wenn Sie, Hr. M., auch meinen Rang nicht achten, so wären Sie doch meinem Alter mehr Höflichkeit schuldig. So sprechend, grüsste sie mich freundlich, und setzte dann ihren Spaziergang fort.

Es that mir leid, Zeuge dieser Scene gewesen zu seyn, da ich eine traurige Figur dabei spielte. Später erfuhr ich, dass dergleichen Complimente auf Mana gar nichts Seltenes wären. M., der im Dienste der Aebtissin stand, verständigte sich am andern Morgen wieder mit ihr.

Während er nun seine Geschäfte besorgte und die Aebtissin in der Frühmesse war, ging ich ausserhalb des Dorfes in den Ländereien des Klosters umher. Man hatte hier früher Rockou oder Orlean (bixa orelana) bereitet und eine vierfache Allee dieser Bäume zog sich längs der Kartoffelfelder hin. Sie standen eben in voller Pracht da, mit Blüthen und Früchten bedeckt. Etwa 10' hoch, gleichen sie vollkommen den Aprikosenbäumen. Ihre purpurrothen, mit weichen Stacheln bedeckten Früchte und ihre grossen, weissen Blumen nehmen sich wunderschön aus.

Im französischen Guyana bestehen noch viele Rockou-Pflanzungen und da die Bereitung dieser Farbe einfach ist und wenige Maschinen und Manipulationen dabei nöthig sind, so wäre es auch für unsere Colonie ein Culturzweig, wobei kleinere Effecte besonders gut stehen würden.

Zucker und Caffee wird hier ebenfalls gepflanzt. Ersteres Produkt wird auf einer kleinen, durch Maulesel getriebenen Mühle gemahlen und aus dem Schaume Tafia (Zuckerbranntwein) destillirt.

Für die Caffeebäume scheint hier das rechte Land zu seyn, denn obwohl sie ganz ohne Schatten waren und bei weitem nicht so gut angepflanzt schienen, wie bei uns, brachen sie beinahe unter der Last ihrer Früchte. Der Reis ist, wiewohl nicht so schön weiss, wie der unsrige, viel billiger und von nahrhafterer Sorte.

Der Vormittag ging unter Besuchen und Einkäufen schnell vorbei und wir verliessen gegen Mittag Mana wieder.

Von M. hatte ich einen hübschen Affen zum Geschenke erhalten und die Aebtissin gab mir etwa zwanzig Ananas mit. Ueberdiess war die Corjaal mit allerlei Waaren, als Hemden, Wein, Seife u. s. w. beladen. Da wir auf Wind hofften, hatte ich meine Hängematte an einen kleinen Mast befestigt und so gerüstet fuhren wir ab. Es blieb aber die Luft zu unserem Leidwesen todtstille und die See war spiegelglatt. Durch Pagaien kamen wir jedoch bald an die Mündung der Marowyne. Das Wetter war trübe und schwarze Wolken hingen drohend im Osten. M. meinte, es wäre besser, mit der Ueberfahrt so lange zu warten, bis das Ungewitter vorüber sey; aber da diess lange zu dauern schien, so bestand ich auf alsbaldiger Abfahrt. Ein leichtes Windchen schien uns sehr zu Statten zu kommen; die Hängematte wurde desswegen gut befestigt und wir fuhren ab.

Rasch ging es vorwärts, während das Windchen bald zu einem Sturm anwuchs. Grosse Wellen erhoben sich und pfeilschnell flog die Corjaal über den Strom hin. Leider war aber der Mast zu schwach, um die Gewalt des Sturmes auszuhalten. Er brach und im Nu überschütteten uns die Wellen, so dass das leichte Fahrzeug sich umkehrte und wir mit allem Schwereren sanken.

Da ich nicht schwimmen konnte, so hatte ich den gewissen Tod vor Augen; denn an Rettung vom Posten aus war bei diesem stürmischen Wetter nicht zu denken. Statt aber, wie es sich in diesem kritischen Augenblick geziemt hätte, auf mein geistiges Wohl bedacht zu seyn, erinnerte ich mich meines zu Hause gelassenen Geldes, das etwa 200 fl. betragen mochte und ärgerte mich darüber, welche Freude meine Soldaten bezeugen würden, wenn sie meinen Tod vernähmen und sich in das Geld theilten. Solche Gedanken, in der Todesgefahr gehegt, waren ein Beweis dafür, dass ich noch nicht für den Himmel reif sey und glücklicherweise warf mich auch eine Welle wieder an die Corjaal, die, ihres Inhalts entledigt, wegen ihrer grossen Leichtigkeit nicht gesunken war. Ich klammerte mich daran fest und fand die Andern, welche sich bereits beim Sinken an ihr festgehalten hatten.

Wir wurden von den Wellen schrecklich hin- und hergeworfen; doch glückte es uns, die Corjaal umzukehren und über die Wölbung derselben hinüber zu liegen. Jetzt hatten wir das Aergste überstanden und ich dachte nun auch wieder an meine, von Mana mitgebrachten Waaren, von welchen der grösste Theil um uns herumschwamm. In dieser Inspektion wurde ich durch einen Schreckensruf M's. unterbrochen, der uns auf einen grossen Hai aufmerksam machte, welcher in einiger Entfernung die Ananas auffrass. Er hätte sehr leicht auch an uns kommen können, wurde aber zum Glück durch die immerwährende Bewegung unserer Füsse verscheucht. Auch M's. kleinem Hunde, der gleich uns herumschwamm und gerade einen Bissen für ihn ausgemacht hätte, widerfuhr kein Leid.

Wir hatten etwa eine halbe Stunde in dieser Lage zugebracht und waren durch die immerwährende Anstrengung, uns flott zu erhalten, todtmüde geworden, als wir das grosse Boot von Mana auf uns zukommen sahen. Es war eine Stunde nach uns von Mana abgefahren und gerade an der andern Seite angekommen, als der Wind unser leichtes Fahrzeug umgekehrt hatte. In Folge des schnellen Verschwindens unseres Segels ahnten die Neger unser Unglück. Bald sassen wir gerettet im Boote und auch der grösste Theil der noch herumschwimmenden Gegenstände wurde aufgefischt. Der erlittene Schaden war nicht sehr bedeutend und nur der Affe, welcher an die Corjaal angebunden war, ertrank.

Während unserer Ueberfahrt hatte mein Aufwärter einen enormen Pfannenkuchen von Schildkröteneiern auf das Feuer gethan, um uns bei unserer Ankunft sogleich regaliren zu können. Da man aber unsern Schiffbruch bemerkte, vergass man, die Pfanne vom Feuer zu nehmen und dieses Meisterstück verbrannte zu Kohlen.

Alle halfen mir nun beim Trocknen und da unser Schaden sonst nicht bedeutend war, so waren am Abend durch Wein und Genever wieder alle Gemüther in eine fröhliche Stimmung versetzt.

Kleine Streitigkeiten, welche Hr. M. theils wegen der Arbeiten am Wrack, theils wegen Familiensachen mit der Aebtissin hatte, wurden zwar stets wieder beigelegt, machten ihn aber gleichgültig gegen das ihm aufgetragene Geschäft.

Wenige Tage nach unserer gefährlichen Zurückreise von Mana hätte ich beinahe durch eigene Schuld mein Leben verlieren können. Es erstreckten sich nämlich vom Posten aus grosse, hohe Sandbänke tief in die See hinein. Diese sind vom Posten selbst durch ein etwa 150 Schritte breites, bei niederer Ebbe leicht zu durchwatendes Fahrwasser geschieden. Auf diesen Bänken fand man bei niederem Wasser in Menge eine essbare Muschel, die unterm Sand steckt und deren Daseyn man an zwei kleinen Löchern im Sande bemerkt. Auf diese Sandbänke ging ich eines Morgens bei sehr niederem Wasserstande, um Muscheln zu suchen. Ich fand deren eine solche Menge, dass ich, um sie mitnehmen zu können, meine Hosen auszog, diese unten zuband und dann damit anfüllte. Ganz in mein vortheilhaftes Geschäft vertieft, war ich beinahe eine Viertelstunde vom Posten entfernt, als ich die Fluth bemerkte, die in der Springzeit sehr schnell heraufkommt. Eilig lief ich nun mit meinen Muscheln dem Posten zu, aber das Wasser war schon zu angewachsen, um es durchwaten zu können. So befand ich mich denn in einer verzweifelten Lage auf der Bank, denn auf dem Posten war kein Boot und ich konnte nicht schwimmen. Das Wasser stieg immer höher und es ging mir auf der Bank bereits um die Hüften, als ein Indianer, der in der Nähe des Postens angelte, meine Noth bemerkte. Er rollte ein grosses angeschwemmtes Stück Holz ins Wasser und schwamm mit demselben auf mich zu. Es war die höchste Zeit, denn ich konnte weder vor- noch rückwärts. Ich legte meinen Muschelsack auf das Stück Holz, klammerte mich an dieses an und der Indianer schwamm mit der ganzen Ladung dem Posten zu. So war ich denn wieder um eine Erfahrung reicher. An einem schönen Sonntagsmorgen fuhr ich mit Hrn. M. nach der andern Seite der Marowyne, um auf ein an einer grossen Kreek, die wir die Seekuhkreek nannten, gelegenes Indianerdorf zu kommen. Diese Kreek, bloss eine Stunde von der See entfernt, hat an ihren Ufern hohes, bergiges Land, und soll, wie man mir sagte, in einem grossen Sumpfe ihren Ursprung nehmen.

Das Indianerdorf, etwa eine Viertelstunde von der Mündung der Kreek in die Marowyne gelegen, bestand bloss aus zwei Hütten und lag auf einem etwa 50' hohen Sandhügel, an dessen Fusse eine Quelle ihr reines, süsses Wasser mit dem faulen, trüben Kreekwasser vermischte. Eine ungemein üppige Vegetation ziert die Abhänge des Hügels; Maripa- und Cumu-Palmen mit grossen Heliconien wachsen an den Seiten, während in den feuchten Niederungen grosse Baumfarren und verschiedene Schlingpflanzen ein undurchdringliches Dickicht bilden. Die Ufer der Kreek sind an beiden Seiten mit einer stachlichten Papilionacee, hier Brandi Macca genannt, bewachsen, deren Blätter und junge Zweige sehr gerne von dem Manati gefressen werden. Diese Thiere halten sich desshalb sehr häufig in der Kreek auf, und werden manchmal von den Indianern harpunirt. Das Gesträuch selbst ist so dicht verworren und mit Dornen besetzt, dass beinahe keine Möglichkeit vorhanden ist, sich da durchzuhauen.

Wir fuhren in Begleitung eines Indianers, den wir vom Dorfe mitnahmen, weiter.

Nach einer etwa halbstündigen Fahrt theilte sich die Kreek in mehrere Arme, und weiter aufwärts in eine Menge kleinerer Kreeken, die manchmal kleine Inselchen bildeten, so dass es schwer war, in diesem Labyrinth sich zurecht zu finden.

Die ganze Umgegend hatte hier ein desolates Aeussere und schien sich jedem weitern Vordringen zu widersetzen. Die Seiten der Kreeken waren weit landeinwärts mit der obenerwähnten, stachlichten Papilionacee besetzt, aus denen eine Unzahl ganz mit Stacheln bedeckter Palmen hervorwuchs.

Nach einer etwa dreistündigen Fahrt weigerte sich der Indianer, weiter zu fahren, da, wie er sich ausdrückte, ein böser Geist hier haushalte. Wir kehrten desshalb zurück.

Bei der Mündung der Kreek fanden wir den Strom durch heftigen Wind aufgeregt, und nur unter mühsamem, unausgesetztem Pagaien erreichten wir die andere Seite.

Bei unserer Ankunft Abends 5 Uhr bemerkten wir durch das Fernrohr in der Nähe der Mündung des Amanabo ein Fahrzeug; wegen der grossen Entfernung waren nur die Spitzen der Masten sichtbar. Wir hielten es für das erwartete Boot, das nach der Messe Mana musste verlassen haben. Da M. seine Frau mit demselben erwartete, so zündeten wir Abends ein grosses Wachtfeuer an. Es kam aber nichts. Auch Montag Morgens war noch nichts zu sehen, und wir glaubten uns getäuscht zu haben. M. ging an seine Arbeit auf dem Wracke, nachdem wir zuvor verabredet hatten, dass, wenn je das Boot noch käme, ich die Flagge aufziehen wollte.

Gegen Mittag kamen etwa zwölf Indianer vom Nachbardorfe bei mir an und setzten sich wie gewöhnlich auf Stühle und Kisten, ohne ein Wort zu sprechen. Nachdem ich ihre Zungen erst durch einen Schnaps gelöst hatte, fragte mich einer im gleichgültigsten Tone, ob ich schon wisse, dass das Boot von Mana gestern Abend in Folge des Sturms umgeschlagen sey und alle Neger ertrunken wären? Wir waren, so ergänzte er seine Hiobspost, an der andern Seite mit dem Krabbenfang beschäftigt, und sahen das Boot aus dem Amanabo kommen, und ehe es die Mündung der Marowyne erreichte, umschlagen. Ja, ja, sie sind alle ersoffen, wiederholten die Uebrigen, um die Aussage ihres Kameraden zu bekräftigen.

Wie bestürzt ich bei dieser Nachricht war, kann man sich kaum denken; denn die acht Neger, welche gewöhnlich mit dem Boote kamen, waren brave Kerls und Familienväter, und es konnte dazu noch M's. Frau, welche er erwartete, dabei seyn. Ein hartes Stück Arbeit war nun, ihm diese Nachricht mitzutheilen und das Gejammer dieses leidenschaftlichen Mannes anzuhören. Ich zog eiligst die Flagge verkehrt auf, und kurze Zeit darauf kam M. an. Er zeigte sich, wie ich erwartet hatte, ganz trostlos, und wir brachten den Rest des Tages mit Seufzen und Stöhnen zu.

Noch ehe der Tag anbrach, verliess M. mit einigen Indianern den Posten, um nach Mana zurückzukehren und dort die fatale Nachricht bekannt zu machen, nachdem er mich noch dringend gebeten hatte, die Leichen dieser Unglücklichen zu begraben, wenn sie an den Strand getrieben würden. Ich versprach ihm dieses und ging, nachdem ich mein Frühstück getrunken hatte, wozu es mir nicht an Appetit fehlte, denn ein guter Schlaf hatte meine Traurigkeit sehr vermindert, und überdiess war mir die Sache zweifelhaft, mit zwei Indianern den Seestrand entlang. Wir waren wohl anderthalb Stunden fortgegangen, als wir in der Ferne eine Menge Aasgeyer um einen am Strande liegenden, schwarzen Körper versammelt sahen.

Bis jetzt hegte ich noch immer die Hoffnung, die Indianer hätten sich getäuscht; nun aber schien das Unglück sich gewiss ereignet zu haben, und nicht lüstern nach dem traurigen Anblick, schickte ich die Indianer voraus, während ich ihnen langsam folgte. Kaum waren sie bei dem todten Körper angekommen, so erhoben sie ein Freudengeschrei: Tamanoa, Tamanoa! denn wirklich war es die Leiche eines, wenigstens 8' langen Ameisenfressers (Tamanoa) (Myrmecophaga jubata), der beim Schwimmen über den breiten Strom seinen Tod gefunden hatte, und da angeschwemmt worden war. Die Indianer beraubten ihn seiner Krallen, während die Aasgeyer in der Nähe ruhig warteten, bis wir unsere Reise fortsetzten. Wir fanden auf dem weitern Wege ebenfalls nicht die geringste Spur, und kehrten Abends mit einigen geschossenen Vögeln nach Hause zurück.

Des andern Tages kamen die Indianer, welche M. nach Mana gebracht hatten, mit der frohen Nachricht zurück, dass das gesehene Fahrzeug die von Cayenne zurückkehrende Goelette des Klosters gewesen sey, und dass desshalb das Boot gar nicht von Mana abgegangen wäre. M. blieb aber auf Mana.

Nun war ich wieder bei meinen Soldaten und Indianern allein. Die Hauptbeschäftigung war, wie immer, Essen und Trinken, und die grösste Sorge, wie man sich vor den Mosquittos schützen könne. Des Morgens ging einer von uns den Seestrand entlang, um Schildkröteneier zum Frühstück zu holen. Bereits stand der Topf auf dem Feuer, und man bestimmte für den Mann eine Anzahl, die auch den Hungrigsten sättigen konnte. Man ass sie gekocht mit Salz, Citronensaft und spanischem Pfeffer zum Caffee, wozu meine Ziegen die Milch lieferten. Am Mittage paradirten auf der Tafel Fische, oder Schildkrötenfleisch, oder irgend ein Wild, das die Indianer brachten. Schildkrötenpfannenkuchen mit Caffee beschlossen den täglichen Küchenzettel. Ich hatte jedoch immer Leckereien von Mana, und auch noch vom Schiffe war das eine oder andere für magere Zeiten aufbewahrt. Nach der Mittagsmahlzeit legte sich jeder schlafen, um neue Kraft auf den Abend gegen die Anfälle der Mosquittos zu sammeln.

Ausser dieser Plage, die ohne Zweifel die grösste der Tropenländer ist, gibt es noch andere, die ebenfalls viel zu schaffen machen.

Von den Sandflöhen oder Siccas habe ich schon früher gesprochen. Auch hier fanden sie sich in grosser Menge; doch ist Reinlichkeit das beste Mittel gegen sie [4].

Eine andere Plage, und eigentlich den Schmerzen nach die grösste, sind die Mosquittenwürmer. Sie sind vermuthlich Larven einer grossen Fliege. Ich hatte deren einmal fünf in meiner Haut. Man erkennt sie an kleinen, rothen Punkten, die sich auf der Haut zeigen, und besonders wenn das Insekt sich bewegt, an entsetzlichen Schmerzen. Allmählig wie das Thier wächst, wird die Geschwulst grösser; es zeigt sich eine kleine Oeffnung, durch welche das Thier Athem holt, das man nur durch starkes Zusammenpressen der Haut heraustreiben kann. Manchmal aber nisten sie sich an Stellen ein, wo man diess nicht thun kann, z. B. auf dem Kopfe, und erreichen dann wohl ¾" Länge und die Dicke einer starken Federspule. Durch stundenlanges Anrauchen mit Tabak bringt man sie ebenfalls heraus. Die Thiere werden am meisten von ihnen geplagt: Kühe, Ziegen, Rehe, Hunde, Tiger u. s. w. haben sie manchmal bei Dutzenden in der Haut sitzen, und junge Vögel, besonders Cassicus, die doch in langen, wohlverschlossenen Nestern sitzen, sterben manchmal an dieser Plage.

Während der Trockenzeit, wenn der Seewind wehte, waren wir von der grössten Plage, den Mosquittos, ein wenig befreit; dann aber galt es, sich vor den Fledermäusen in Acht zu nehmen. Beinahe jede Nacht wurde der eine oder andere gebissen, und manchmal so stark, als hätte man zur Ader gelassen. Sie wählen meistens die Zehen, nur selten die Finger oder das Gesicht. Die Wunden, welche sie machen, sind zwar klein, heilen aber langsam. Einer meiner Soldaten wurde acht Nächte hintereinander gebissen, und war durch den Blutverlust so geschwächt, dass er beinahe nicht mehr gehen konnte. Ich hatte ihm schon manchmal angerathen, Strümpfe aus alter Leinwand zusammenzuflicken und seine Füsse damit zu bedecken, aber aus Faulheit hatte er es stets unterlassen. Da ich ihm aber mit Arrest unter dem Flaggenstock drohte, wenn er wieder gebissen würde, so nähte er sich solche Strümpfe zusammen, und war von nun an nicht mehr von den Fledermäusen geplagt. Auf Plätzen, die von blutsaugenden Fledermäusen häufig besucht werden, ist es schwierig, Rindvieh, Pferde, Hühner u. s. w. zu halten. Die Thiere magern ab und gehen bald zu Grunde. Ich habe alle Hühner, die nicht im Hühnerhause schliefen, auf diese Weise verloren, während meine Enten und einige zahme Poweesen nie davon gebissen wurden. Es ist übrigens nicht blos eine Art, sondern verschiedene grosse und kleine beissen, sie thun aber diess blos zeitenweise.

Die kleinste, doch gefährlichste Plage waren die Schlangen, die man im Palmdach der Kaserne, in Kisten und Fässern, oder im Hühnerstalle fand. Meist waren es giftige, was um so mehr zu verwundern ist, da man sonst überall vielmehr unschädliche und nur selten eine giftige sieht.

Ich schoss auf dem Posten mit einem Pfeile eine Klapperschlange, die bei einer Länge von 5' armsdick war, 28 Junge im Leib, und eine Klapper mit 12 Ringen hatte.

Die Verbindung mit Mana war seit M's. Abreise nicht mehr so lebhaft; doch kam noch jede Woche ein Boot, um so viel als möglich vom Wrack abzuholen. Die Aebtissin hatte mich ersucht, Kalk, Steine und Ziegel durch die Soldaten ausladen und ans Land bringen zu lassen, wofür jedem per Tag 1 Franc bezahlt wurde. So hatten wir nun wieder vollauf Arbeit, und die Soldaten konnten sich Kleider und Weisszeug kaufen, obgleich sie von ihrem Solde, den der Kommandant für verkaufte Waaren einsteckte, keinen Cent bekamen.

Mit meinen rothen Nachbarn lebte ich in fortdauernder Freundschaft, und wir besuchten einander gegenseitig beinahe alle Tage. Eines Tages kam Thomas, der Piaiman oder Doctor, welcher als ein falscher, streitsüchtiger Mann bekannt war, und schon zwei Weiber ermordet hatte, zu mir. Auch wir bekamen Streit, wobei ich ihn von meinem Rechte dadurch überzeugte, dass ich ihn mit einer Maulschelle beehrte, und zur Thüre hinauswarf. Er ging wider Erwarten geduldig nach Hause, und ich mit drei Soldaten nach dem Wrack, um Ziegelsteine und dergleichen abzuholen.

Als ich Abends zurückkam, fand ich die Thüre meines Magazins aufgebrochen, und statt des Hängeschlosses mit einem alten Lappen zugebunden. Aus einer offenstehenden Kiste waren zwei Flaschen Genever genommen worden. Sogleich hielt ich Untersuchung in der Kaserne, und fand einen der zwei zurückgebliebenen Soldaten betrunken in seiner Hängematte liegen. Ohne weitere Untersuchung liess ich ihn unter den Flaggenstock tragen und schloss ihn in Ermanglung einer Arrestkammer an denselben an. Umsonst betheuerte er, als ihm am Abend die Mosquittos seinen Rausch vertrieben, seine Unschuld, denn ich war zu sehr vom Gegentheil überzeugt.

Am andern Morgen aber kam der Sohn des Oberhauptes zu mir, und erzählte, dass Thomas aus Rache über die ihm angethane Unbill mein Haus aufgebrochen, Genever gestohlen, und mir überdiess noch schreckliche Rache geschworen habe. Er habe sogar gedroht, mich mit Pfeilen todtschiessen zu wollen, wenn ich mich wieder im Dorfe sehen lasse.

Auf diese unerwartete Nachricht hin liess ich sogleich meinen Arrestanten los und vergütete ihm mit einem Schnapse, seine schlaflose Nacht. Ich nahm mir nun vor, die Sache nicht kalt werden zu lassen, sondern den Dieb trotz seiner Drohungen zu arretiren, um in Zukunft meinen Nachbarn Respect vor fremdem Eigenthum einzuflössen.

Um die Sache noch ernster und drohender zu machen, zogen wir, das Erstemal seit sechs Monaten, unsere Uniform an, und ich marschirte, nachdem wir den Bäcker als Besatzung zurückgelassen hatten, mit meinen vier Soldaten dem Dorfe zu. Unserem Anzug fehlte nichts, als Schuhe, sonst war unser Aufzug tadelfrei und rein militärisch. Wie erstaunt waren daher die Indianer ob unserer noch nie gesehenen Pracht, als sie uns durchs Dorf marschiren sahen.

Thomas, der Unrath witterte, griff sogleich nach Pfeil und Bogen und nahm den Abadu zur Hand. Während er von meinen vier Mann in seiner Hütte bewacht wurde, sprach ich mit dem Oberhaupte und drang auf Auslieferung des Diebes, der sich am Eigenthum des Gouvernements vergriffen hatte, und den ich, da eine solche Frevelthat eclatant bestraft werden müsse, nach Paramaribo senden wolle.

Das Oberhaupt bat mich, die Sache ruhen zu lassen, und versprach mir Vergütung des Gestohlenen; die übrigen Indianer nahmen sich gar nichts um die Sache an und der Piaiman kam endlich selbst, mich heulend um Verzeihung bittend; er ging auch geduldig mit mir und wurde zur Strafe eine halbe Stunde unter den Flaggenstock geschlossen, damit war die Sache abgemacht und wir tranken hierauf neue Freundschaft, die auch bis an seinen Tod im April 1844 währte. Meinen Genever bezahlte er mir mit zwei hübschen Pagaalen.

Schon früher hatte ich mit Hrn. M. abgemacht, gelegenheitlich das Leprosenetablissement des französischen Guyana's, welches nur etwa vier Stunden von Mana entfernt ist, zu besuchen. In der Mitte Augusts fuhr ich desshalb nach Mana und fand M. sogleich bereit, das Reischen mit mir zu unternehmen.

Wir verliessen gegen Mittag das Dorf in meinem kleinen Canot in Begleitung zweier Indianer. Eine kleine Viertelstunde von dem Dorfe entfernt fuhren wir am linken Ufer des Amanabo in die Accarouanykreek, an der das Etablissement liegt. Die hohen Ufer dieser Kreek, welche in grossen Krümmungen von Süden kommt, sind mit prächtigem Hochwalde geziert, worin die Neger von Mana grosse Cederstämme zu Brettern sägen.

Ausser der Leproserie ist sie aber nicht bewohnt. Ihr Ursprung scheint in einem grossen Moraste zu seyn, der ein wahres Chaos von Sumpfpflanzen, Palmen, riesenmässigen Arums bildet, und zwischen dem Amanabo und der Marowyne liegt. Wahrscheinlich entspringt in ihm auch die Seekuhkreek, und es liesse sich daher vielleicht mit wenigen Kosten ein Kanal bilden, durch welchen man aus der Marowyne in den Manabo gelangen könnte, ohne den manchmal so schwierigen Weg über die See machen zu müssen.

Ein durch den Wald gebahnter Weg, der eine grosse Krümmung der Kreek abschneidet, brachte uns in kurzer Zeit nach dem Etablissement, während die Indianer mit der Corjaal viel später ankamen.

Das Dorf der Unglücklichen liegt auf einem Hügel von etwa 80' Höhe, an dessen Fusse die Accarouanykreek eine grosse, hufeisenförmige Bucht bildet. Es besteht aus einigen Strassen, die sich winkelrecht durchschneiden, und durch welche Alleen von Mangos nach dem Abhang des Hügels hin sich ziehen. Diese Häuser sind wie die auf Mana gebaut; eine kleine Kapelle, welche durch eine geistliche Schwester bedient wird, steht am Rande des Berges. Man war gerade oben im Baue zweier Häuser begriffen, von welchen eines für den Director, das andere der Nonne bestimmt war. Einstweilen aber logirten beide friedlich zusammen in einem Gebäude unten an der Kreek. Dieses enthielt drei Zimmer, wovon die Eckzimmer vom Director und der Nonne bewohnt, und allein durch das Speisezimmer (Salon) geschieden waren. Beide empfingen uns sehr freundlich, und die Schwester bedauerte nur, dass man uns aus Mangel an Fischen zum Abendessen keine Pimentade (Fischsuppe) vorsetzen könne. Inzwischen war unsere Corjaal angekommen, und M. präsentirte einen Kaiman, den die Indianer geschossen hatten, und der wegen seiner Grösse uns die Fische reichlich ersetzen konnte. Ma soeur verwunderte sich keineswegs über dieses seltsame Wildprät, sondern übergab den Kaiman dem Kochneger, der die besten Stücke davon abschnitt, und den Rest den Indianern zurückgab.

Bald wurde das Souper aufgetischt, und wir assen von dem Kaiman mit dem grössten Appetit. Der Wein, welcher hiebei nicht gespart wurde, machte gesprächig; und die Nonne machte die Honneurs der Tafel auf recht liebenswürdige Weise. Nach dem Essen präsentirte sie auf Anis gesetzten Tafia, den ich jedoch, weil ich nie dergleichen trank, nicht annahm.

Mein Gläschen war übrigens schon eingeschenkt, und die Nonne trank, indem sie sich darüber verwunderte, dass ich als Soldat nicht trinke, das meinige nebst dem ihrigen aus.

Nachts 11 Uhr verliessen wir L'Accarouany, und kamen um 3 Uhr Morgens auf Mana an.

Als ich des Nachmittags auf meinem Posten ankam, traf ich blos zwei Soldaten zu Hause an. Es waren Indianer aus Paramaribo zurückgekehrt, und ihre Ankunft wurde auf dem Dorfe durch eine Trinkparthie gefeiert, bei der sich wahrscheinlich ungeladen auch meine drei Jäger eingefunden hatten. Sie waren dabei nicht so bescheiden, als ich den Abend zuvor auf L'Accarounay, und kamen nicht sehr nüchtern, und mit einem Kruge des stinkenden Lebenswassers auf dem Posten an. Zwei davon fielen glücklicherweise in meine Hände, und mussten Quartier unter dem Flaggenstock nehmen; der dritte aber lief mit dem Kruge in den Awarrawald und drohte, den Verräther, der auf seinem Posten geblieben und pflichtgetreu mir diess erzählt hatte, todtzuschiessen. Der arme Mann, der die Tücke seines Kameraden im betrunkenen Zustand kannte, sprach kein Wort, sondern brachte die Nacht in meinem Hühnerstall zu, wo ihn die oben sitzenden Hühner über und über marmorirten. Des andern Morgens kam der Weggelaufene, welcher des Nachts die unter dem Flaggenstock Sitzenden mit seinem Kruge gelabt hatte, ganz nüchtern zu mir, und bat um Entschuldigung seines Fehltritts, sowie um seinen Schnaps, der ihm von rechtswegen gebühre, da solcher ein probates Mittel gegen jegliche Art von Katzenjammer wäre.

Einige Zeit nachher kam durch die Wanekreek eine Corjaal mit einem Weissen und vier Negern, die vom Forte New-Amsterdam gesandt waren, uns andere Häuser zu bauen.

Des erbärmlichen Zustandes unserer Wohnungen habe ich gleich Anfangs gedacht, und auf die vielen Klagen und Bitten unseres Kommandanten hatte sich endlich der Major des Genie oder Bauwesens erweichen lassen. Der Weisse war ein Kanonier und liess sich Zimmermann nennen, verstand aber so wenig von der Sache, wie drei seiner Untergebenen, während der vierte einmal Handlanger bei einem Häuserbau gewesen seyn mochte und die schwierige Sache leitete.

Man brach nun mein Haus zuerst ab, was eigentlich ein starker Wind hätte thun können, und errichtete aus Brettern eine temporäre Hütte, welche ohne Fussboden 20' lang und 8' breit war, und deren Gipfel ich in der Mitte mit dem Kopfe berühren konnte. Die ganze Baracke hatte kein einziges Fenster und war mit Brettern bedeckt, die mit einer Presailing (getheertem Segeltuche) überhangen waren. Den Tag über herrschte eine Backofenhitze darin, weil ausser der Thüre keine andere Oeffnung angebracht war. Man arbeitete nun auf die gewöhnliche langsame Weise und hieb die nöthigen Balken in der Umgegend. Die Zimmerneger fuhren beinahe jede Nacht in die Mitte des Stromes, um den Mosquittos zu entfliehen und Fische zu angeln. Manchmal brachten sie über 100 Pfund verschiedene Fische, von denen sich besonders einer durch seine Farbe auszeichnete. Er gehört zum Geschlechte der Welse, ist goldgelb, schuppenlos, und manchmal 50-60 Pfund schwer. Aus dem Kopfe kocht man gute Suppen, und die Schwimmblase, die bei grossen wohl ein Pfund und darüber schwer wird, gibt einen vortrefflichen Leim. Wir nennen diesen Fisch Geelbakker, die Franzosen heissen ihn Majoran.

Ein anderer, etwas kleinerer Fisch, ebenfalls ein Wels, ist grau und ungemein fett; er heisst bei den Arowacken Lau Lau, bei den Caraiben Pasisi. Das Geschlecht der Welse ist im Süss- und Salzwasser vorherrschend, und die Anzahl der Schuppenfische, wiewohl an Individuen reicher, ist an Gattungen ärmer.

Anfangs Oktober war mein Haus fertig, kunstreich zusammengeflickt aus den noch brauchbaren alten und einigen neuen Balken, die man in der Umgegend gehauen hatte. Es war kleiner als das frühere, mit Palissaden beschlagen und mit Pinablättern gedeckt. Auch hatte es einen Fussboden, und wurde von mir, nachdem es mit einigen Flaschen Genever eingeweiht war, sogleich bezogen. Man fing nun an der Kaserne an, deren Stützen man nur wegzuziehen brauchte, um sie über den Haufen zu werfen. Die Soldaten zogen indessen in meine Wohnung.

Wenige Tage nach unserem Einzug fühlte ich mich krank. Kolik, Schlaflosigkeit und Mangel an Appetit hielten mich mehrere Tage im Bett gefesselt, und weder meine, noch die von Mana geschickten Arzneien verbesserten meinen Zustand. Meine Krankheit ward auf allen Dörfern bekannt. So lag ich denn hoffnungslos auf meinem Lager, und Sterbegedanken, die mich sonst noch nicht viel beunruhigt halten, erfüllten meine Seele. Da besuchte mich etwa am achten Tage meines Uebelbefindens ein altes caraibisches Weib, und erkundigte sich genau nach allen Umständen meiner Krankheit. Sie versprach mir, am andern Morgen einen Trank zu bringen, der Kopf und Magen wieder ins rechte Geleis bringen sollte.

Der Trank, den sie mir auch wirklich brachte, war ein Decoctum aus einer Rinde, die einen bittern, aromatischen Geschmack hatte, und Aehnlichkeit mit der Samarubo hat. Die Caraiben nennen sie Sibiru; der Baum wächst im höhern Lande.

Kaum hatte ich diesen Trank, den sie mir in einer schmutzigen Calabasse brachte, im Leibe, als meine Leibschmerzen nachliessen und ich in einen, wohl fünf Stunden dauernden, erquickenden Schlaf fiel. Des Abends verschlang ich mit wahrem Heisshunger den köstlichen Blaff, den mein Aufwärter zubereitet hatte. Kurz gesagt, ich war vollkommen genesen und erlangte in wenigen Tagen meine Kräfte wieder.

Dass ich das alte Weib freigebig belohnte, versteht sich von selbst; nie ging sie an meiner Thüre vorüber, ohne dass ich ihr einen Labetrunk aus der Schnapsflasche gereicht hätte.

Anfangs October stellte sich der Kommandant und der Doctor wieder bei mir ein, um die Lebensmittel, welche man alle Tage erwartete, in Empfang zu nehmen.

Wir lebten auf die gewohnte Weise; der Kommandant sorgte für das Essen, dessen Zubereitung er meisterhaft verstand. Der Doctor und ich machten kleine Ausflüge nach den benachbarten Indianerdörfern, oder gingen auf die Jagd. Eines Morgens kamen zwei Indianer zu mir und erzählten, dass eine schöne Papa- oder Abgottschlange nicht weit vom Posten in einer Awarapalme verschlungen liege, und sich vielleicht lebendig fangen lassen würde.

Ich eilte schnell dahin und fand das wunderschöne Thier, das ruhig in den stachlichten Blättern verschlungen dalag, und seinen Kopf hart an den Stamm angeschmiegt hatte. Ihr Leib von der Dicke eines Mannsleibes, und ihre Länge mochte 10-14' betragen. Ich stand eine Weile unentschlossen da und liebäugelte mit der Schlange, die in träger Ruhe uns ganz gleichgültig begaffte. Da ich auf die Hülfe der Indianer nicht rechnen konnte, so war ich auf meine eigenen Kräfte angewiesen; aber der Wunsch, die schöne Schlange lebend zu bekommen, siegte über meine Bedenklichkeiten.

Ich holte nun vom Posten ein neues, ziemlich starkes Seil, woraus ich eine Schlinge machte. Aus der Schnur eines indianischen Bogens drehte ich eine kleinere und steckte den Kopf der Schlange ganz behutsam darein. Um den Stamm und den Leib befestigte ich die grosse Schlinge, welche mir ein Indianer, jedoch mit grossem Widerwillen hielt. Jetzt zogen wir, und ich fasste sogleich den Kopf, während der Leib sich langsam aus der Schlinge zog und sich mir um den Arm wickelte. Unterdessen lief ich mit der Schlange nach dem etwa 300 Schritte entfernten Posten, wo ein Guide mir das Thier vom Arm und der Hand abwickelte, um welche beide sie sich so fest geschlungen hatte, dass ich grosse Schmerzen empfand.

Ich warf sie nun in eine leere Weinkiste, wo sie einige Zeit betäubt lag. Jetzt erst fing sie an zu zischen und liess sieben Stunden lang einen Ton hören, der vollkommen dem Geräusche des aus einer Dampfmaschine strömenden Dampfes glich.

Ich liess eine passendere Kiste von Cedernholz für sie machen, in welcher man durch ein Gitter das Thier recht gut beobachten konnte, setzte die Kiste nun unter die Gallerie und war glücklich bei dem Gedanken, so wohlfeilen Kaufs in den Besitz eines so schönen Thieres gekommen zu seyn. Wie gross war daher mein Schrecken, als man mich in der ersten Nacht mit der Nachricht weckte, die Schlangenkiste wäre offen, und das Thier entflohen. Ein Soldat, der ohne Zweifel über mein Glück neidisch war, hatte die Kiste aufgemacht. Mein Jammer war gross! Aber ungeachtet alles Suchens mit Lichtern und Laternen in der Savanne und am Strand, fand man keine Spur von ihr. Auch als der Tag anbrach, und Kisten und Fässer weggerollt werden konnten, fand man keine Spur, bis man sie zufällig im Giebel des Hauses entdeckte, wo sie, in den Palmblättern verschlungen, ruhig dalag.

Bald darauf machte ich eine Reise nach Mana, wo ich gegen Mehl Seife und Wein für den Kommandanten eintauschte. Es war diess die letzte, denn am 29. Oktober kam der Schooner mit den Lebensmitteln und einem Korporal, der mich ablösen sollte. Man hatte mich zum Fourier gemacht, und ich musste desshalb in die Garnison zurück.

Schwerer, als von meinem Kommandanten, der mir wiederholt betheuerte, wie leid ihm meine Abreise thue, fiel mir der Abschied von meinen Indianern. Die Meisten derselben hatten sich am Ufer versammelt, und ich bekam noch von den Weibern eine Menge Wasserkrüge als Geschenk.

Bepackt mit meinen sieben Sachen, worunter eine Schlange, ein Kwatta und ein Eichhörnchen, bestieg ich den Schooner und verliess nicht ohne heimliche Thränen die mir so liebe Marowyne. Fest stand mein Vorsatz, nach Ablauf meiner Dienstzeit an ihren Ufern mich festzusetzen, um in reizender Abgeschiedenheit, ganz unabhängig in der freien Natur leben zu können.

Ich habe jetzt, indem ich die Blätter überlese, und manche wahre Bemerkung wegstrich, weil sie Anstoss hätte geben können, meinen Wunsch erreicht, aber nach wie vielen Mühen und Gefahren, Entbehrungen und Missgeschicken!

Siebenter Abschnitt
Ankunft in Paramaribo. Die Komödie »Thalia« und »Polyhymnia.« Vorstellung in letzterer. Huldigung des Königs. Militärische Ansprache. Dreiwöchentlicher Urlaub. Abreise nach dem obern Surinam. Aufenthalt auf der Judensavanne. Beschäftigungen. Abstecher nach Mauritzburg. Spinnenfang. Plantagen Worsteling Jakobs und Bergendaal. Der blaue Berg. Fahrt nach Victoria. Die Saramneen. Buschnegerdorf Tja Tja. Buschnegertanz. Abreise. Pflanzung Moria. Die Buschneger: ihr Ursprung. Frieden und Contracte mit der Regierung. Eintheilung in drei Stämme. Das Grossoberhaupt. Ihre Lebensweise und Gottesdienst. Aberglauben. Krankheiten. Bestrafung der Giftmischer. Handel mit den Weissen und ihresgleichen. Ende meiner Dienstzeit und Abreise nach Europa. Ueberfahrt. Ankunft in Holland.

Nach einer Reise von 24 Stunden landeten wir den 1. November in Paramaribo, und es fiel mir wieder aufs Neue schwer, mich ans enge Joch des Dienstes zu gewöhnen. Mein alter, mir wohlwollender Kommandant, welcher Kapitän meiner Compagnie war, hatte mir auch dieses Avancement ausgewirkt. Meine Finanzen und häusliche Einrichtung waren in guter Ordnung, und meine Lage und Aussichten ganz vortheilhaft. Dessenungeachtet fühlte ich stets in der Stadt den Mangel eines Freundes, der meine Freuden und Genüsse mitempfand, und zur Heiterkeit und angenehmen Gesprächen nicht erst durch den Geneverkrug gereizt werden musste. Auf den Posten hatte mich die freie Natur entschädigt, aber jetzt wurde der Wunsch, meine Freunde und Familie in Europa wiederzusehen, immer lebhafter. Es war aber noch ein langes, langes Jahr, und desshalb jeder 9. eines Monats ein kleiner Festtag, der die Zahl meiner Dienstmonate verminderte.

Während der Zeit meines Aufenthaltes an der Marowyne ward in der Stadt eine hübsche Komödie, die Thalia genannt, durch Actien errichtet, welche jeden Monat einmal das kunstliebende Publikum Paramaribo's in sich versammelte. Die Schauspieler sind Dilettanten, angesehene Bürger von Paramaribo oder Blanke. Meistens werden veraltete Kotzebue'sche Lust- oder Schauspiele aufgeführt.

Nicht das Spiel, das mittelmässig ist oder von dem grössten Theil der Zuschauer nicht beurtheilt werden kann, noch Decorationen oder Musik wären hier für einen Fremden das Merkwürdige, sondern die Zuschauer selbst, namentlich der weibliche Theil derselben. Von dem tiefsten Schwarz der wohlbeleibten Negerdamen, bis ins Bleiche der europäischen Schönen sieht man hier alle Nüancen aufgeputzt, nach oder über Vermögen mit Schmuck und Juwelen verschwenderisch behangen. Manche dieser Schönen leidet lieber Mangel, als dass sie diese Gelegenheit, wo sie sich zeigen kann, versäumt.

Die Preise der Plätze sind hoch, und das Parterre kostet als der niederste fl. 2. 50 Cent. Concerte sind selten. Sie werden ebenfalls von Liebhabern gegeben, und in ihnen verschiedene Instrumente meisterhaft gespielt.

Die Komödie Thalia, welche in der ersten Zeit häufig besucht wurde, spornte den Ehrgeiz einiger unternehmenden Mulatten an, eine Gesellschaft unter dem Namen Polyhymnia zu bilden, welche als Concurrent der Thalia bei niederen Preisen die zahlreiche Klasse der Farbigen belustigen und erfreuen sollte. Man eröffnete die Bühne mit einem Ziegler'schen Schauspiel: der Findling. Eine sogenannte Houtloots, ein bretternes, etwa 80' langes, 12' hohes und 25' breites, früher zur Aufbewahrung von Brettern und Balken bestimmtes Gebäude war nun zum Polyhymnias-Sitze provisorisch eingerichtet. Logen und Gallerien konnten natürlich bei der geringen Höhe und Breite des Hauses nicht angebracht werden. Man begnügte sich daher blos mit der Erhöhung des Fussbodens, so dass die auf dem letzten Platze Stehenden ihre Köpfe an die Decke stiessen. Dabei herrschte eine Hitze zum Ersticken.

Ganz Paramaribo strömte dahin; die Farbigen, um das Talent ihrer Gleichsortigen zu bewundern, die Weissen, um jene zu persifliren; und wie sehr man auch die Menschen aufeinanderstapelte, so mussten doch viele abgewiesen werden. Eine zum Ganzen passende Musik wurde glücklicherweise durch das Getöse der Zuschauer unhörbar gemacht.

Nach einem Prologe, der hierin ein Geschick mit der Musik theilte, begann der erste Akt. Die Rolle der Prima Donna ward bei dem Mangel einer Actrice durch einen schlanken Mulattenjüngling gegeben; und jede neu auftretende Person, der ehrwürdige, mit schneeweisser Halskrause versehene (Neger) Pfarrer mit lautem Hurrah des fröhlichen Publikums begrüsst. Es war des Applaudirens kein Ende, so dass die hinten Stehenden wenig sprechen hörten, und nur an den ausdrucksvollen Pantomimen den Zusammenhang des Stücks erriethen. Beim Schlusse fand das Quasi-Fräulein seine Mutter wieder, die der Pfarrer verschleiert hereinführte. Sie schlug, um die wiedergefundene Tochter zu umarmen, den Schleier zurück, worauf ein Gelächter erschallte, dass man glauben sollte, das Haus stürze davon ein; denn die zärtliche Mutter wurde von einem Neger gespielt, dessen Gesicht mit Locken sich zum weissen Kleide und Blumenhut allerliebst ausnahm. Doch man sah und hörte beim Schlusse vor Getümmel und Beifallrufen nichts mehr, und ging nach Hause, ohne Reue, sein Geld weggegeben zu haben. Eine Restauration in der Nähe des Tempels sorgte ihrerseits für gute Erfrischungen, und Mancher, der auf den Bänken eingeschlafen war, fand sich bei seinem Erwachen unter denselben.

Der Ruf der Polyhymnia war nun begründet, und diese Muse, zu langsilbig und fremd für die Farbigen, wurde desshalb bei Verkürzung Pulehembi genannt, welches Wort verdeutscht: »Zieh das Hemd aus« bedeutet. Der Reiz der Neuheit war aber schon nach wenigen Vorstellungen verschwunden und die Gesellschaft der Pulehembi löste sich auf.

Im Anfang des Jahres 1841 war die Huldigung für unsern König Wilhelm II. Ein schöner, heiterer Tag begünstigte diese Festlichkeit. Würdevoll und wohlklingend war die Rede, welche der General-Gouverneur bei dieser Gelegenheit den versammelten Truppen hielt und sie verfehlte den Eindruck nicht, den sie machen sollte. Den meisten Gefangenen wurde der Rest ihrer Strafzeit geschenkt; auch Alexander Bariteaud war in dieser Amnestie mitbegriffen und verliess nach siebenjähriger Gefangenschaft Surinam.

Bei dieser Gelegenheit erinnerte ich mich einer andern militärischen Ansprache, welche kurze Zeit nach meiner Ankunft in Surinam der älteste Kapitän an das versammelte Bataillon und insbesondere an mehrere Soldaten richtete, die wegen langjähriger Dienstzeit kupferne oder silberne Medaillen mit oder ohne Geldgeschenk erhielten, die nun der Kapitän, an welchen sie vom Kriegsministerium gesandt waren, vor der Front des Bataillons auszutheilen hatte. Er trug das Geld und die Medaillen in seinen Hosensäcken und lief damit die Front des Bataillons entlang, indem er an die Betreffenden ihre Auszeichnung mit den Worten überreichte: Ihr bekommt eine kupferne, Ihr eine silberne Medaille, Ihr bekommt dabei 6 fl., Ihr nichts u. s. w. Nachdem er alle ausgetheilt hatte, sprach er die Beschenkten also an: Diess gibt Euch nun Euer König, weil Ihr ihm treu gedient habt und damit Ihr auch ferner treu dienen sollt; aber wenn Ihr sie putzt, d. h. glänzend reibt, so steck ich Euch 14 Tage ins Loch! Eingerückt!

Mein Garnisonsleben war natürlich viel einförmiger, als das auf den mir so lieben Posten, wo ich stets mein eigener Herr war, während hier so mancher an mir meistern konnte. Doch war der Dienst leicht und ich wurde von meinen Vorgesetzten stets wohlwollend behandelt. Die Sonntage, an welchen man weder exerzirte, noch arbeitete, waren von mir meistens zur Insektenjagd in der Umgegend benützt und ich kam so zu einer schönen Sammlung, die ich nach Europa mitnehmen wollte.

Ich hatte nun im Laufe von 5 Jahren die entferntesten Posten der Colonie besucht und schon längst war es mein Wunsch gewesen, das höhere Land am Surinamstrome und die Dörfer der Buschneger zu sehen. Meine militärischen Verhältnisse aber und noch mehr die, mit solchen Reisen verbundenen Kosten, setzten, wenn ich sie auf eigene Rechnung unternommen hätte, grosse Hindernisse in den Weg. Es kam mir daher die Einladung eines deutschen Doctors, Hrn. H. in Paramaribo, der am oberen Surinam Pflanzen und zoologische Gegenstände sammeln und mich zu seinem Begleiter haben wollte, sehr erwünscht. Leicht erhielt ich einen dreiwöchigen Urlaub und wir fuhren Mitte Augusts in einem sechsriemigen Tentboote dahin ab. Die langen, lästigen Regengüsse der nassen Jahreszeit hatten aufgehört. Zwar war das Land noch überschwemmt und der Strom in Folge der Menge Wasser aus dem obern Lande reissend, doch schien uns ein heiterer Himmel zu begünstigen.

Mit anbrechender Nacht landeten wir auf einer Zuckerpflanzung, deren Director ein Freund Hrn. H's. war und Allem aufbot, seinen Gast recht gut zu bewirthen. Die Tafel war wohlbesetzt mit inländischen und europäischen Früchten und Speisen. Wein war in Hülle und Fülle aufgetischt und sie bildete desswegen einen mächtigen Contrast mit der Mittagstafel der Unteroffiziere in Paramaribo, auf welcher als Krone der ausländischen Speisen eine Schüssel graue Erbsen oder Sauerkraut prangte, deren Inhalt mit klarem Brunnenwasser hinuntergespült wurde.

In der Frühe des andern Morgens setzten wir unsere Reise in einem andern unbedeckten Boot fort, das mit Lebensmitteln, Rum für die Indianer und Neger, Kisten zur Aufbewahrung von Naturalien, Gewehren u. s. w. so bepackt wurde, dass uns beinahe kein Plätzchen zu freier Bewegung übrig blieb. Es herrschte eine drückende Hitze; kein Lüftchen regte sich und selbst das Stromwasser, in dem wir von Zeit zu Zeit Gesicht und Hände wuschen, war lau und unangenehm. Nachdem Gesicht und Hände von der Sonnenhitze fürchterlich verbrannt waren, landeten wir auf der Zuckerpflanzung Chatillon, auf welcher auch von der bekannten Gastfreundschaft der Plantagenbewohner keine Ausnahme gemacht wurde.

Des Abends fuhren wir weiter. Als die Sonne sank und die Luft milder wurde, zog ein fürchterliches Gewitter heran. Der Regen floss in Strömen herab und die heftigsten Donnerschläge folgten rasch aufeinander. Dabei herrschte eine egyptische Finsterniss. Wir waren gerade in einer Gegend, wo wenige Pflanzungen liegen und mussten desshalb geduldig das Ende des Gewitters abwarten. Gegen Mitternacht erreichten wir die Judensavanne, wo wir in einem leeren Hause, das man Hrn. H. zur Verfügung gestellt hatte, unsere Hängematten aufhingen und bald in den Armen des Schlafes uns von den Strapazen des Tages erholten.

Kaum war der Tag angebrochen, so erhob eine Negerin in dem angrenzenden Hofe ein gräuliches Klagegeschrei, weil ihr in der Nacht eine Henne gestohlen ward; sie verwünschte den Dieb unter allen nur möglichen Flüchen. Gleichzeitig mit diesen Exclamationen erscholl aus dem nebenanstehenden Hause der Schmerzensruf einer alten Jüdin, die an der Kolik litt, und kaum öffneten wir die Läden unserer Zimmer, als schon einige Kranke Hrn. H., der als ein geschickter Doctor sehr gesucht war, besuchen wollten. Es waren diese Besuche um so lästiger, als Hr. H. sich bloss mit der Natur hier beschäftigen wollte und ihn nach keiner Praxis verlangte. Wir eilten desshalb, um allen Besuchen vorzubeugen, in die Savannen. Die Vegetation derselben war gerade in der schönsten Pracht und die Savannen, welche einige Monate später so trocken und öde erschienen, waren mit den herrlichsten Blumen und Sträuchern bedeckt. Ein Neger trug das zum Einlegen nöthige Fliesspapier, nebst dem Schmetterlingsnetz und einer Flinte. Wir verliessen den gewöhnlichen Pfad und kreuzten rechts und links durch die wilden Ananas, die in dichten Gruppen unter dem niedrigen Gesträuch stehen und besonders den nackten Negern und Indianern keine Rosen in den Weg streuen. Wir erreichten bald ein Indianerdorf, das aus einigen Hütten bestand, die von Caraiben bewohnt wurden. Kleine Kinder, welche spielten, meldeten schreiend unsere Ankunft und die wenigen Indianer, welche zu Hause waren, erkundigten sich hauptsächlich nach unserem Rumvorrath. Wir ruhten hier ein wenig aus und assen Cassavebrod mit Ananas, da wir, durch die freundschaftlichen Besuche der Juden verhindert, nur ein sehr mässiges Frühstück genossen hatten. Mit Pflanzen beladen kehrten wir am Abend nach unserem Hause zurück, begleitet von einem jungen Caraiben, den der Anblick des vielen Rums, von welchem wir sechs grosse Krüge, jeder drei Gallonen enthaltend, im Hause stehen hatten, so für uns einnahm, dass er sich sogleich anbot, bei uns zu bleiben und uns seiner Freundschaft bis auf den letzten Tropfen Rum versicherte.

Den folgenden Tag durchstreiften wir auf gleiche Weise die Umgegend und wurden dabei von unserem Indianer an Plätze geführt, an die wir ohne Führer nicht leicht hätten gelangen können. Ueberdiess schoss er mit stumpfen Pfeilen Kolibris und andere kleine Vögel und ruderte, wenn die Reise zu Wasser vor sich ging. Einer von Hrn. H's. Negern, ein guter Jäger, versah die Küche mit Wildprät, indem er bald Pakire, Ameisenfresser oder Papageyen und hühnerartige Vögel nach Hause brachte, die verspeist, skelettirt oder ausgestopft wurden.

An jedem der folgenden Tage hatten wir Arbeit genug und sassen manchmal noch bis Mitternacht beim Sortiren und Trocknen der Pflanzen.

Eines Morgens gingen wir in Begleitung eines jungen Negers durch die endlosen Savannen, um an einen alten Judenkirchhof zu kommen, welcher oberhalb des Dorfes am Strome lag. Die Savannen waren mit baumartigen Sträuchern bewachsen, welche blauschwarze, süssliche Beeren trugen, die man Schwarzbeeren (Blakabeeri) nennt und von den Eingebornen gerne gegessen werden. Unter diesen Sträuchern stehen wilde Ananase in solcher Menge, dass man sich mit dem Säbel den Weg bahnen muss. Eine Menge Orchideen, mit langen Bulben und wohlriechenden Blumen bedeckt, wachsen zwischen den krummen Aesten und Wurzeln der Sträucher. Wir irrten drei Stunden lang durch den glühenden Sand, abgemattet von der Hitze, welche durch kein Windchen gemildert wurde und konnten den verwünschten Kirchhof nicht finden, obwohl er nur eine gute Viertelstunde vom Dorfe ab lag. Mit Ananasen und den in der Erde wachsenden länglichen Früchten einer Bromeliacee löschten wir unsern Durst; aber der herbe Saft dieser Früchte machte uns das Zahnfleisch bluten und die Zähne so stumpf, dass wir am andern Tag noch Mühe hatten, das Essen zu kauen.

Endlich erreichten wir den Wald, der in Schluchten und auf Hügeln den Strom umsäumt und bemerkten, dass wir uns gänzlich verirrt hatten. Abermals liefen wir eine gute Strecke, um einen Ausweg zu finden und den langweiligen Rückweg durch die Savannen zu ersparen. Es war aber keine Spur von einem Weg zu finden. Ungeheure, in Folge ihres Alters umgesunkene Bäume, die auf ihrer halbverfaulten Rinde eine ganze Flora von Wucherpflanzen trugen und zwischen deren Aesten ein, viele Klafter langes, schneidendes Gras, Babunnefi (Affenmesser) üppig wuchs, lagen überall herum und mussten durchkrochen oder überstiegen werden. Wir warfen den grössten Theil der gesammelten Pflanzen wieder weg, da auch der Negerjunge zu schwach war, um sie zu tragen.

Glücklich erreichten wir den Strom, dessen Ufer von lothrechten Felsen gebildet werden und sahen dicht bei uns den Jagdneger, der mit den Indianern von der Jagd zurückkam. An Lianen, die von den Bäumen herabhingen, kletterten wir in die Corjaal und erreichten nun in wenigen Minuten den Begräbnissplatz. Der Weg, welcher vom Strom dahin führt, ist von hohen Bäumen überwölbt und mit Mimosen (Sinnpflanzen), die beinahe Mannshöhe erreicht hatten und bei unserem Durchgange die Zweige ehrerbietig neigten, dicht bewachsen. Der Ort selbst liegt auf einer kleinen Anhöhe in der Mitte von Cumu-, Maripa- und Awara-Palmen, wird aber seit vielen Jahren nicht mehr benützt, obgleich es hier so freundlich und still ist, dass man nicht leicht ein passenderes Plätzchen finden könnte.

Nach sechstägigem Aufenthalt auf der Judensavanne ging ich mit dem Negerjungen auf meinen alten Posten Mauritzburg, um auf den ihn umgebenden Savannen eine Art Vogelspinne, die in der Erde lebt und sich dort häufig aufhält, zu holen.

Ich besuchte meine alten Freunde, die Arowacken, von welchen ich, da sie gerade ein Bienennest gefunden hatten, mit Honig tractirt wurde. Der Junge trug eine mit Rum gefüllte Flasche, in welche ich die Spinnen werfen wollte. Kaum war diese vom Familienvater Bakrafassi erspäht, so verlangte er ganz natürlicherweise davon zu trinken. Ich erklärte ihm mit Bedauern, dass ich diese zum Tödten der Spinnen nöthig hätte, worüber er sich höchlich entsetzte. Doch solchen köstlichen Trank zu so profanem Zwecke gebrauchen zu lassen, konnte er nicht übers Herz bringen und meinte, ich könne die Spinnen am Leben lassen und doch in die Flasche thun. Als ich ihm aber bemerkte, dass sie sich auf diese Weise auffressen würden, so rieth er mir an, jede einzeln zu bewahren und verfertigte sogleich zu diesem Zweck aus trockenen Parasalla-(Heliconia-)Blättern kleine nette Häuschen, die mit einem Awarastachel geschlossen werden mussten. Ich überliess ihm nun die Flasche mit der Herzensstärkung und wir gingen dann zusammen auf den Spinnenfang. Diese Thiere halten sich in den Savannen und an Wassergräben auf, haben etwa fusstiefe, runde Höhlen, die in schiefer Richtung nach unten laufen und bis an die Oeffnung umsponnen sind, so dass weder Erde noch sonst etwas hineinfallen kann. In dieser Höhle sitzt das Thier nahe am Eingang und lauert auf die vorüberziehenden Passagiere, als Käfer, Grillen und kleine Eidechsen, welche sie im Sprunge fängt und in ihre Höhle schleppt. Unten in derselben befindet sich immer Wasser, worin vielleicht die Beute erst ertränkt wird. Die Spinne selbst hat ausgespannt etwa 14" im Umkreis, der Thorax ist von der Dicke eines Mannesdaumens und der Leib von der Grösse eines Taubeneies; die acht Füsse und zwei Fangspitzen sind schwarz und haben der Länge nach laufende, weissgelbe Streifen; die rothbraunen Fresszangen sind beinahe ½" lang. (Im April 1841 erhielt ich eine solche Spinne, die mit ausgespannten Füssen die Grösse eines grossen Esstellers hatte und deren Hinterleib so gross wie ein Hühnerei war. Sie war sehr wild und sprang auf mich los.)

Bakrafassi gab mir seinen Sohn Walekuleh zur Begleitung nach der Judensavanne mit und wir traten des andern Morgens unsere Rückreise dahin an.

Nach zehntägigem Aufenthalt verliessen wir die Judensavanne und fuhren in Begleitung des Arowacken und Caraiben den Strom weiter aufwärts. Die beiden Indianer, so ziemlich von gleichem Alter, doch verschiedenen Stammes, waren bald die besten Freunde und da keiner des andern Sprache verstand, so hielten sie ihren Diskurs im Negerenglisch, welches beide gleich schlecht sprachen und uns damit sehr belustigten.

Die Pflanzungen oberhalb der Judensavanne sind klein und gering und liefern keine Produkte. Bloss Zimmerholz und Bretter werden von hier aus zum Verkaufe nach der Stadt gebracht.

Wir fuhren bis zu der dem Gouvernement gehörenden Pflanzung Worsteling Jakobs, wo man früher die zu Fundamenten und Brustwehren nöthigen Steine sprengte. Jetzt war sie der Wohnort zweier Herrnhuter Missionäre, die von da aus Reisen nach den umliegenden Pflanzungen machten, um die Sklaven zu bekehren. Die dieser Secte eigene Einfachheit und Reinlichkeit herrschte hier im Hause, das, umgeben von Palmen und andern tropischen Gewächsen, am Strome lag.

Eine mit Hochwald bedeckte Insel und mehrere Felsenblöcke, an denen sich das Wasser schäumend brach, vollendeten das ländliche Bild. Wir wurden freundlich aufgenommen und bewirthet und fuhren des andern Morgens weiter. Die Meeresfluth hatte hier beim hohen Wasserstande gar keinen Einfluss mehr und je höher wir den Fluss aufwärts fuhren, desto mühsamer wurde das Fahren gegen denselben. Die einst zahlreichen und gut bebauten Niederlassungen sind grösstentheils verfallen und mit Wald bedeckt, nur wenige unansehnliche sahen wir im Laufe des Tages.

Durch Pflanzensammeln längs des blühenden Waldsaumes hatten wir uns so verspätet, dass wir bei Anbruch der Nacht noch ziemlich weit von der Pflanzung Bergendaal, wo wir verweilen wollten, entfernt waren. Es war eine herrliche, kühle Nacht. Hr. H. und ich legten uns, so gut es anging, in der Corjaal nieder, bedeckten das Gesicht, um dem Mondschein nicht ausgesetzt zu seyn und schliefen, bis wir durch das höllische Gebell der Hunde auf Bergendaal geweckt wurden. Es war 11 Uhr und Alles schlief schon auf der Pflanzung. Der Director derselben, ein alter Mulatte, kam auf den Lärmen der Hunde unter erzwungener Freundlichkeit herbei. Im Nu waren unsere Hängematten aufgehängt und bald herrschte die vorige Stille wieder. Ich hatte schon Vieles von dieser Pflanzung erzählen hören und stand desswegen mit Tagesanbruch auf; denn ich war neugierig, sie zu sehen. Dieses Vergnügen musste ich aber noch einige Stunden entbehren, bis der Nebel, der Fluss und Berge einhüllte, sich verzogen hatte.

Die Pflanzung liegt am Fusse einer Hügelkette auf dem linken Ufer des Flusses. Diese Hügelkette zieht sich südwestlich und dicht an ihr erhebt sich am Flusse der sogenannte blaue, etwa 200' hohe Berg. An diesen Berg angebaut befindet sich das schöne und geräumige Wohnhaus in einem Garten von wohlriechenden Sträuchern. Mehrere Seitengebäude ziehen sich zwischen dem Berge und Flusse hin. Das Negerdorf besteht aus netten hölzernen Häusern, die mehrere Strassen bilden und überschattet von Kokosbäumen einen freundlichen Anblick gewähren. Die Arbeiten der Sklaven, deren es etwa dreihundert sind, sind sehr gering, und sie benützen ihre übrige freie Zeit zum Anbau von Erdfrüchten, die sie mit den Ponten, welche Bretter nach der Stadt bringen, zum Verkaufe dorthin senden. Schweine und Federvieh ziehen sie in Menge und verschaffen sich desshalb auf diese Weise manche Annehmlichkeiten, welche die Sklaven anderer Pflanzungen entbehren müssen.

Auf einer kleinen Anhöhe neben dem Dorfe steht eine hübsche Kirche. Die Herrnhuter Missionäre haben beinahe alle Neger dieser Pflanzung zum Christenthum bekehrt und es wird täglich Schule und Gottesdienst gehalten. Diesem Geschäft unterzieht sich ein junger Neger, der von den Herrnhutern dazu unterrichtet wurde. Alle 14 Tage kommt ein Missionär von Worsteling Jakobs, dann ist grosser Buss- und Bettag. Dass aber bei diesem vielen Beten viel weniger gearbeitet wird, als auf andern Pflanzungen, ist ebenfalls wahr; denn Beten und Arbeiten ist für die Neger zu viel.

Als sich der Nebel verzogen hatte, bestieg ich den blauen Berg, von dessen Höhe und Steilheit, sowie von der herrlichen Aussicht auf demselben ich schon so viel hatte reden hören. Der Wald auf und an ihm ist gänzlich ausgerodet und nur schlechtes, schneidendes Gras wächst auf der rothen und eisenhaltigen Erde, aus der grosse Quarzblöcke hervorstehen. Seine Abhänge sind sehr steil und von der Seite des Flusses mühsam zu erklimmen. Ein kleines Häuschen steht auf seinem Gipfel, der wirklich eine überraschende Aussicht gewährt. Ungeheure Waldungen bedecken das Land nach allen Richtungen hin und ausser dem unten liegenden Negerdorfe ist auch nicht eine Spur menschlicher Cultur zu entdecken. Gegen NNW. und NO. breitet sich der Wald flach wie ein ungeheurer Teppich in den herrlichsten Nüancen von Grün aus, durch den der Surinam wie ein breites, silbernes Band sich schlängelt. Nach SO., S. und SW. sieht man Hügel und Berge, über die im fernen Horizont hohe, blaue Gebirge hervorragen. Einzelne Rauchsäulen, welche man aus dieser grünen Masse aufsteigen sieht, erinnern daran, dass das Land bewohnt ist. Auf dem Berge ist der Begräbnissplatz der Herrnhuter Neger.

Die Waldungen sind hier an guten Holzarten reich, aber der Transport (der des Zimmerholzes geschieht durch Ochsen und die Bretter müssen oft stundenweit getragen werden) ist bei dem bergigen Terrain sehr mühsam. Vor etwa hundert Jahren bildete sich in Holland eine Actiengesellschaft, welche in dem bergigen Theile Surinams nach Mineralien forschen lassen wollte. Man machte mit dem blauen Berge eine Probe und legte einen Stollen an, dessen Oeffnung man noch jetzt sieht. Die Ausbeute war aber sehr gering und die Bergleute wurden entweder von Krankheiten dahingerafft oder von den damals rebellischen Buschnegern überfallen und ermordet, so dass der Sache schnell ein Ende gemacht wurde. Ueberhaupt ist Bergendaal und noch mehr das weiter landeinwärts liegende Victoria nicht gesund und mehrere Directoren, Creolen aus Surinam, litten beständig am Wechselfieber. Hr. H., der sich immer mit Botanisiren beschäftigte und dabei der Nässe zu sehr ausgesetzt hatte, litt ebenfalls daran, wodurch er verhindert wurde, den Strom weiter aufwärts zu fahren. Ich beschloss desshalb, allein nach dem noch vier Stunden weiter aufwärts liegenden Posten Victoria, welcher die Grenze des bewohnten Landes bildete, zu gehen, und trat, nachdem ich einige Tage auf Bergendaal zugebracht hatte, die Reise dahin an. Vom Bastian der Pflanzung lieh ich eine kleine Corjaal, die etwa 12' lang und 2' breit war, packte meine Habseligkeiten in den Pagaal und verliess, von dem Arowacken begleitet, Mittag um 1 Uhr Bergendaal. Der Strom, welcher nach Osten hin eine wohl zwei Stunden lange Bucht bildet, war reissend und wir pagaiten desshalb tüchtig darauf los, um noch vor der Nacht Victoria zu erreichen. Ein starker Regenguss nöthigte uns aber, ein Obdach im Walde zu suchen, wo wir, bedeckt von Heliconienblättern, wohl eine Stunde lang unbeweglich sassen, bis der Regen nachliess. Weder ich noch der Indianer hatten je die Reise gemacht und wir wussten desshalb, als der Abend anbrach und keine menschliche Seele in dieser Wildniss sich zeigte, nicht, wie weit wir noch zu fahren hatten.

Endlich um Sonnenuntergang waren wir am Ende der langen Bucht und der Strom kam wieder aus S. Viele übereinander geschichtete Felsen trugen Bäume, an denen mehrere Dutzende von den sackförmigen Nestern des rothen und gelben Cassicus hingen. Diese Vögel, welche wir aus ihrer Ruhe aufstörten, erhuben ein höllisches Geschrei. Die Breite des ganzen Stroms beträgt hier an dieser Stelle, wo er durch Felsen und ein hohes Ufer eingezwängt ist, kaum 20 Klafter; dabei ist er so reissend, dass es uns beinahe unmöglich war, aufwärts zu pagaien und wir unsere Hände voll Blasen bekamen. Todtmüde und hungrig kamen wir nach 10 Uhr auf dem Posten an. Ich polterte an der Thüre der Kaserne; denn ausser der Wache lag Alles in tiefem Schlaf. Die dadurch Aufgeweckten fingen an zu fluchen und meinten, es seyen die Kühe der Pflanzung, die zuweilen da Kurzweil zu treiben pflegten. Man öffnete und war höchlich verwundert, mich zu sehen; denn einen Besuch von mir hatte man gar nicht erwartet. Schnell wurde ein Feuer angemacht, an dem Kaffee gekocht, Bananen mit Speck geröstet wurden und ich und mein Indianer hatten bald die anstrengende Reise vergessen. Man hing meine Hängematte auf, warnte mich vor den Fledermäusen und bald lagen wir in den Armen des Schlafes.

Des Morgens kam auch der Kommandant des Postens, ein Sergeant, um mich zu bewillkommnen. Hierauf ging ich mit einigen Soldaten nach dem etwa 200 Schritte entfernten Holzgrunde Victoria, wo ich vom Director desselben, einem portugiesischen Israeliten, ebenfalls herzlich empfangen wurde.

Dieser Mann ist wegen der weiten Entfernung anderer Pflanzungen einzig auf die Gesellschaft seiner Nachbarn, der Soldaten beschränkt, und da die ganze Sklavenmacht blos aus ungefähr 40 Köpfen besteht, und in der Trockenzeit wegen des niedrigen Wasserstandes alle Verbindung mit Paramaribo gehemmt ist, so ist seine Stellung weder vortheilhaft noch angenehm. Er war übrigens ein sehr gefälliger Mann, der mir in der Folge uneigennützig manchen Dienst leistete.

Ein alter Soldat, der früher mit mir auf Mauritzburg gelegen hatte, liess es sich besonders angelegen seyn, mich festlich zu bewirthen. Der Director ward ebenfalls zu dem Essen eingeladen, das um zwölf Uhr in der Kaserne aufgetragen werden sollte. Die Zeit bis dahin wurde von mir benützt, mich in den Wäldern umzusehen.

Der Posten und die Pflanzung liegen auf einer grossen Savanne, die gegen Osten von dem Fluss begrenzt, und auf allen Seiten von Hochwald umgeben ist. Der Boden, sowie auch das umliegende Land ist hügelig und bildet Berge und Thäler, die mit Hochwald bedeckt sind. In den Bergschluchten, worin das Regenwasser abläuft, findet man stellenweise eine Menge Bohnerz, und die Felsen sind wie auf Bergendaal sehr eisenhaltig. Die Wälder sind besonders von Tapiren bevölkert, und Poweesen, Marai's und andere hühnerartige Vögel halten sich in Menge hier auf. Häufig trifft man hier den schönen Sonnenvogel (Ardea helios), der sich gern an kleinen, dichtbeschatteten Kreeken aufhält.

An Fischen ist die Gegend arm; desto reichlicheren Stoff aber bietet dem Botaniker die Pflanzenwelt dar. Die Ufer dieses Flusses sind besonders reichlich mit dem Copaivabaum und verschiedenen Ingaarten bewachsen. In den Wäldern findet man viele Palmen, als Murru Murru (Astrocaryon murru murru) u. s. w., die im niedrigen Lande nicht vorkommen, und in den Bergschluchten wuchern die interessantesten Arten von Farnen.

Ebenso reich ist hier die Gegend an Insekten, und ich fing Schmetterlinge, welche ich auf andern Plätzen der Colonie nie sah.

Erst um 1 Uhr kam ich von meiner Wanderung zurück, und ich that den mir vorgesetzten Leckerbissen alle Ehre an. Freilich gebrach es theilweise an Tellern und Gabeln, aber die Hauptsache war das Essen, und man kann zur Noth wohl jene Accessoirs missen.

Auf dem Posten befand sich zugleich der Secretär (Bylegger) der Saramaccaner-Buschneger, ein Weisser, der von der Regierung beauftragt ist, den nach der Stadt gehenden Buschnegern ihre Pässe auszufertigen, ihre Anliegen schriftlich einzusenden, und die Beschlüsse der Regierung ihnen wieder mündlich mitzutheilen. Da überhaupt ohne seine Erlaubniss Niemand über den Posten hinausgehen durfte, so bat ich ihn um Erlaubniss, die vier Stunden von Victoria abliegenden Dörfer der Buschneger an der Sarakreek besuchen zu dürfen, und erhielt dieselbe auch ohne Schwierigkeit.

Am andern Tage, einem Sonntag, war ich mit meinem Indianer früh um 6 Uhr reisefertig, und mit zwei Negern der Pflanzung, welche von mir gut bezahlt wurden, fuhren wir ab. Die Corjaal, die für zwei Menschen nicht zu gross war, musste nun vier Personen fassen, und war desshalb auch zum Sinken geladen. Ich selbst sass bewegungslos da und wagte nicht zu pagaien, da wir kaum zwei Finger breit Bord hatten. Alle Felsen und Sandbänke waren unter Wasser, und nur die darauf wachsenden Gesträuche ragten aus demselben hervor. Der Strom war überdiess reissend, und wegen der vielen verborgenen Klippen höchst gefährlich zu befahren.

Zwei Buschneger, deren einer Kapitän eines Dorfes war, begegneten uns in einer ziemlich grossen Corjaal, und da sie sahen, dass die meinige zu klein war, so bot mir der Kapitän seine grössere an, und versprach, noch diesen Abend, wenn er seine Geschäfte auf Victoria besorgt hätte, nach seinem Dorfe zurückzukehren und die Corjaalen auszuwechseln. Ich machte von diesem freundlichen Anerbieten Gebrauch und fuhr nun in der grösseren Corjaal auf bequemere Weise weiter.

In der Trockenzeit ist der Fluss an vielen Stellen so seicht, dass man kaum mit kleinen Corjaalen fahren kann. Grosse Sandbänke erstrecken sich manchmal über seine ganze Breite, und lassen blos kleine Kanäle offen, durch welche das Wasser mit grosser Schnelligkeit läuft. Auf den Felsen wächst meistens eine Art Guiaba (Psidium aromaticum), deren Blätter ungemein wohlriechend sind, und in den Felsenspalten hält sich den Tag über eine besondere Art Nachtschwalbe auf, die ich ebenfalls häufig auf den Felsen von Armina gesehen habe.

Nach einer sechs Stunden anhaltenden Fahrt kamen wir gegen Mittag in die Nähe des ersten Dorfes Tja Tja, das auf einem Hügel gerade über der Sarakreek liegt.

Meine Neger feuerten viermal zum Zeichen, dass ein Weisser bei ihnen wäre, worauf das Echo an den Bergen und Felsen donnernd wiederhallte. Ich sprang schnell ans Land, und ohne auf meine Neger zu warten den ziemlich steilen Hügel hinauf. Oben am Eingang des Dorfes stand unter dem Bogen einer wunderlich wie ein Korkzieher zusammengewachsenen Liane ein rohgeschnitztes, hölzernes Götzenbild, dessen Augenhöhlen mit zwei rothen Bohnen ausgefüllt waren.

Der Kapitän des Dorfes, durch die Schüsse von der Ankunft eines Weissen unterrichtet, war eben mit dem Anziehen eines Hemdes beschäftigt. Es war diess nun gerade ein neues, eben aus dem Laden gekommenes, dessen Halskragen noch zugeknöpft war. Er hatte diess in der Eile übersehen und konnte den Kopf nicht durchbringen, als ich vor seiner Hütte stand. Gewaltig verstimmt, weil ich ihn so im Negligée sah, und ihm keine Zeit zum Ankleiden gelassen hatte, machte er mir Vorwürfe darüber, und arbeitete sich aus seinen Aermeln heraus. Ich versicherte ihn aber, dass ich ihn auch ohne Hemd für den Kapitän angesehen hätte, was ihn beruhigte. Den Männern theilte ich Schnaps, den Weibern aber Nähnadeln aus, welche ich zum Aufstecken der Schmetterlinge mitgenommen hatte, und wurde von ihnen mit Cassavebrod und Eiern beschenkt. Das ganze Dorf hatte sich um mich versammelt, und drei Corjaalen mit Buschnegerweibern folgten der meinigen, als ich nach der Norakreek überfuhr. Wiewohl man diese Kreek mehrere Tage aufwärts fahren kann, so ist sie doch von geringer Breite, stellenweise von Sandbänken und Felsen, und durch übergefallene Bäume versperrt.

Eine halbe Stunde vom Fluss entfernt liegt das Dorf Kreki, wo das Oberhaupt dieser Aucanerabtheilung wohnt. Alle zu demselben führenden Pfade sind mit Fetischen und hölzernen Puppen versehen, und grosse, mit beiden Enden in die Erde gesteckte Stücke der oben erwähnten, wunderlich gedrehten Liane bilden Bögen, unter denen jene Narrheiten angebracht sind. Das Oberhaupt war ein stattlicher Neger, der ebenfalls seinen Staatsrock, d. h. einen alten Schlafrock angezogen, und den silbernen Halsschild, das Zeichen seines Ranges, umgehängt hatte. Er erwartete mich am Eingang.

Die Hütten stehen, wie auf den Indianerdörfern, kreuz und quer und ohne alle Ordnung. Sie sind meist mit den dauerhaften Blättern der Taspalme hübsch gedeckt, und die Seitenwände zierlich aus Pinablättern geflochten. An Reinlichkeit übertreffen sie die indianischen weit. Nach jedem Essen wird das Haus und der Platz vor demselben mit dem Blüthentross der Pinapalme, der als Besen dient, gefegt; Töpfe und Geschirre werden gewaschen, und die Calabassen mit Sand gescheuert. Auch sind hier, wie auf allen Buschnegerdörfern, Apfelsinen-, Kokos- und Caffeebäume gepflanzt, deren Fruchtbarkeit man durch angehängte Fetische, als getrocknete Eidechsen, kleine hölzerne Puppen, zusammengebundene Vogelfedern und dergleichen zu vermehren sucht. Der Caffee, der ohne sonderliche Pflege bei den Buschnegern wächst, ist von guter Qualität und beweist, dass der Boden im obern Lande ganz für dieses Produkt taugt.

Ein altes Weib mit schneeweissen Haaren, das seine Hütte nicht verlassen konnte, liess mich bitten, sie zu besuchen. Ich traf sie umringt von einer Truppe junger Mädchen und von wenigstens 20 Papageyen, die bei meinem Eintritt unter greulichem Geschrei herumflatterten und im nahen Gebüsch sich versteckten. Sie beschenkte mich mit einem Körbchen spanischem Pfeffer, der Jahrelang zum Verpfeffern meiner Suppen gereicht hätte, und ich vergalt ihre Freigebigkeit mit den letzten Nadeln, welche mir noch übrig geblieben waren.

Nach nur kurzem Aufenthalte – das Sehenswürdige war bald gesehen – fuhren wir nach dem am Surinam liegenden Dorfe Cassaveondro, dessen Oberhaupt mir seine grösste Corjaal geliehen hatte, und von Victoria schon wieder zurückgekommen war. Es fuhren mit mir ausser dem Indianer und den zwei Plantagennegern noch acht Buschneger, jeder mit Gewehr und Hund, nach dem Dorfe. Dadurch war auch diese Corjaal so geladen, dass sie jeden Augenblick unterzusinken drohte. Unter vielem Lärmen und Gelächter wurde von Allen gepagait, und mir war auf der sehr angeschwollenen und reissenden Kreek nicht gut zu Muthe.

Das wilde Volk erblickte eine Wasserschildkröte, und man ruderte aus allen Kräften, um dieses Thier, dem Pirais drei Füsse abgebissen hatten, zu erreichen. Während sie die Schildkröte ins Boot zu ziehen suchten, füllte sich dieses halb mit Wasser, und es wäre gewiss gesunken, wenn die Buschneger nicht augenblicklich herausgesprungen wären. Doch diese waren schnell bei der Hand, schöpften im Schwimmen das Wasser mit einer Calabasse heraus, und stiegen mit grosser Kunstfertigkeit nach einander wieder ins Boot. Dieser Unfall, der auch für mich von sehr üblen Folgen hätte seyn können, machte nicht den mindesten Eindruck auf die Buschneger, die unter gleicher Lustigkeit ihren Weg fortsetzten.

Bei unserer Ankunft auf Cassaveondro empfing uns beinahe das ganze Dorf am Landungsplatz, und man veranstaltete augenblicklich mir zu Ehren einen Tanz, der für die zwei Plantageneger um so grösseres Interesse hatte, als einige aus der Stadt zurückgekommene Corjaalen mit Dram beladen am Landungsplatz lagen. Alles versammelte sich in der Hütte des Kapitäns, wo der Tanz vor sich gehen sollte und Männer, Weiber und Kinder sassen oder lagen, wie es gerade der spärlich zugemessene Raum gestattete. Ein Mann und eine Frau, die durch Gesang, sowie durch Klappern mit einer holzichten Frucht ein schreckliches Getöse machten, drehten sich unter allerlei gar oft unsittlichen Geberden herum. Ein ausgehöhlter, mit einem Fell überspannter Baumstamm diente als Trommel und war das Hauptmusikinstrument. Das Ganze unterschied sich in keiner Hinsicht von den Tänzen, welche man am neuen Jahr oder bei andern Gelegenheiten auf den Pflanzungen sieht und die mir jedesmal Kopfweh und Schwindel verursachten, wenn ich sie nur einige Minuten lang ansah. Die einzige Abwechslung in dieser monotonen Parthie brachte der Rum hervor, der Allen recht schmeckte und bald darauf das ganze Ballpersonal betrunken machte.

So lange es noch Tag war, suchte ich in der Umgegend nach Insekten, mit einbrechender Nacht ging ich ins Dorf zurück, wo ich, umgeben von betrunkenen Negern, zwei höchst langweilige Stunden zubrachte. Mein Indianer war ganz nüchtern geblieben, denn er war mit den Buschnegern nicht bekannt, schien sie zu fürchten und verlangte so sehr wie ich nach dem Posten zurückzukehren.

Jede Negerin, welche ihren Tanz beendigt hatte, sprach mich um Geld an, so dass mich dieser Abend über 3 fl. Geschenke kostete. Endlich wurde in der Tanzraserei eine Pause gemacht und ich äusserte meinen Wunsch, abzufahren. Dazu hatten aber die Plantageneger wenig Lust und alle Buschneger bestürmten mich mit Bitten, erst am nächsten Morgen meine Rückreise anzutreten. Man bot mir Haus, Hängematte, ja sogar eine hübsche Negerin an und stellte mir vor, wie gefährlich es sey, in einer so dunkeln Nacht mit betrunkenen Negern und in einer so kleinen Corjaal über die vielen Klippen des reissenden Stromes zu fahren, wo man ja selbst bei Tage mit der grössten Behutsamkeit zu Werke gehen müsse. Ich beharrte aber auf meinem Vorsatz, weil ich dem Director der Pflanzung Victoria versprochen hatte, nicht über Nacht bleiben zu wollen. Da der Kapitän des Dorfes mich entschlossen sah, abzureisen, so gab er, um Unglück zu verhüten, den Plantagenegern, welche unter Schimpfen und Fluchen auf mich vom Ballpersonal Abschied nahmen, eine kleine Corjaal. Man beschenkte mich mit Apfelsinen, zwei Schildkröten und Cassave und unter immerwährendem Schiessen fuhr ich mit dem Indianer in meiner, die Neger in der andern Corjaal ab. Pfeilschnell flog das leichte Fahrzeug den Fluss hinab und Punkt zehn Uhr hatten wir den Posten erreicht.

Am andern Morgen verliess ich Victoria und war in zwei Stunden auf Bergendaal zurück. Hr. H., der immer noch am Fieber litt, erwartete mich, um nach Paramaribo zurückzukehren. Wir fuhren noch denselben Nachmittag ab, hatten aber noch keine halbe Stunde zurückgelegt, als der Regen, wie mit Eimern geschüttet, vom Himmel herabstürzte und uns augenblicklich bis auf die Haut durchnässte. Gleich stark regnete es zwei volle Stunden und da in dieser menschenleeren Gegend kein Obdach zu finden war, so mussten wir geduldig warten, bis es dem Himmel gefiel, seine Schleussen zu schliessen. Wir waren beide, da wir unter so viel Bagage wie eingemauert sassen, so kalt, als wären wir auf einer Reise nach Spitzbergen begriffen.

In einer solchen Lage ist ein guter Schluck Rum ganz zweckmässig und obwohl ich sonst nie solchen trank, machte ich doch hier eine Ausnahme. Weil auch einer unserer Neger das Fieber bekommen hatte, hielten wir, anstatt nach der Judensavanne zu fahren, auf dem kleinen Kostgrunde Moria an, um hier zu übernachten und unsere Effecten zu trocknen. Wie aus dem Wasser gezogen betraten wir das Haus und baten die zwei Mulatten, welche den Platz beaufsichtigten, um ein Zimmer für die Nacht. Gesellig und gastfrei, wie diese Menschen im Allgemeinen sind, stellten sie uns sogleich das ganze Haus zur Verfügung, entschuldigten sich aber, weil sie uns keinen Genever noch andern Spiritus anbieten konnten, mit dem komischen Schlusse, dass sie ganz auf dem Trockenen sässen. Das käme eben recht, meinte Hr. H., denn wir wären lange genug im Nassen gesessen. Es wurde nun gekocht und gebraten und bald sassen wir ganz behaglich um den dampfenden Topf. Hr. H. hatte Rum und Branntwein im Ueberfluss bei sich; die beiden Herren machten sich dieses zu Nutzen und leerten wohl ein Dutzend Gläschen miteinander, dass man zuletzt recht gut sehen konnte, wie sie aufs Nasse kamen. Durch ihr unerträgliches Geplauder nöthigten sie endlich Hrn. H., die Flaschen einzuschliessen und das Licht auszublasen, so dass bald allgemeine Ruhe im Hause herrschte.

Am Mittag des andern Tages fuhren wir, nachdem Alles getrocknet war, nach der Judensavanne zurück. Hier verliessen uns beide Indianer, welche in der kurzen Zeit, die sie bei uns zubrachten, die besten Freunde geworden waren. Walekuleh, der Arowack, kehrte nach seinem Dorfe auf den Savannen der Casewinika zurück. Nachdem er von uns reichlich beschenkt worden war, wanderte er mit seinen Siebensachen und mit seinem Freunde, dem Caraiben Kwaku, der ihn halbwegs begleiten sollte, wohlgemuth den glühenden Sandweg nach der Casewinika.

Am andern Abende waren beide Indianer wieder vor unserer Thüre; denn Walekuleh, den sein Freund Kwaku nicht nur halbwegs, sondern ganz bis in sein Dorf begleitet hatte, konnte es nicht übers Herz bringen, diesen allein nach der Judensavanne zurückkehren zu lassen und hatte desshalb seinerseits seinem Freunde das Geleite eben so weit zurückgegeben. Nach dreitägigem Aufenthalt verliessen wir die Judensavanne und kamen nach dreiwöchiger Abwesenheit wieder in Paramaribo an.


Ehe ich diese Schrift schliesse, will ich noch einige Bemerkungen und Notizen über die Buschneger beifügen, die, wiewohl kurz und oberflächlich, doch einen richtigen Begriff über ihre Lebensart und ihre Verhältnisse zu den übrigen Bewohnern der Colonie geben können.

Schon in der ersten Zeit der Colonie waren Sklaven von den Pflanzungen weggelaufen und hatten sich an verschiedenen, meist unzugänglichen Plätzen in grösserer oder kleinerer Anzahl eigene Dörfer angelegt und lebten vom Ertrage ihrer Aecker, von Jagd und Fischerei, oder auch vom Raub auf benachbarten Pflanzungen, mit deren Negern sie häufig in geheimem Einverständnisse standen. Diese Weglauferei fand häufig bei den neuangekauften Negern statt und nahm mit der Zeit so zu, dass die Weggelaufenen nicht mehr damit zufrieden waren, versteckt in ihren Wäldern leben zu können, sondern in grosser Anzahl auf den Pflanzungen einbrachen, sie zerstörten, die Sklaven wegführten und die Weissen aufs Grausamste ermordeten. Man war desshalb von Seiten der Regierung genöthigt, kostspielige und meist nutzlose Kriege, Buschpatrouillen genannt, gegen sie zu führen, die keinen andern Erfolg hatten, als dass man das Gesindel weiter in die Wälder jagte, aus welchen sie nach kurzer Zeit wieder aufs Neue zurückkehrten und ihr altes Unwesen trieben. Man war zwar so glücklich, mehrere ihrer Dörfer zwischen der Saramacca und dem Surinam zu entdecken, dieselben zu verbrennen und alle ihre Aecker zu vernichten; aber diese Feldzüge kosteten, so reich auch das Land in jener Zeit war, dennoch Summen, die in keinem Verhältnisse zu dem Errungenen standen und man kam endlich darauf, dass es das Beste wäre, mit diesem Gesindel Frieden zu schliessen, sie für unabhängig zu erklären und auf diese Weise die Ruhe der Colonie zu sichern. Dazu waren sie geneigt und es wurde ein Vertrag abgeschlossen, wobei ihnen das Gouvernement den innern und unbewohnten Theil der Colonie einräumte, auch Erlaubniss gab, in gewisser Anzahl Surinam zu besuchen und sich zu zeitweisen Geschenken, in Pulver, Gewehren, Leinwand, Säbel, Messern u. s. w. bestehend, bereit erklärte.

Das Gouvernement wählte sodann aus ihrer Mitte ein Oberhaupt, sowie auch mehrere Capitäne und es hielt unter ihnen einen Weissen als Posthalter, der Pässe nach Paramaribo ausfertigen und etwaige Befehle des Gouvernements ihnen verständlich machen musste, weil sie natürlich nicht lesen konnten. Dagegen gaben sie einige aus ihrer Mitte als Unterpfänder des Friedens nach Paramaribo, lieferten alle, nach Schluss des Vertrags zu ihnen übergegangenen Sklaven aus und verpflichteten sich, im Falle eines Aufruhrs auf Seiten der Kolonisten zu seyn.

Die Buschneger theilen sich in drei Stämme, welche nicht auf einmal, sondern zu verschiedenen Zeiten, doch alle im Laufe des vergangenen Jahrhunderts Frieden schlossen und den Namen: befriedigte Buschneger (bevreedigde Boschnegers) führen. Alle Bewohner des innern Landes über den Pflanzungen theilen sich in Aukaner, Saramaccaner und Bekou Moesinga- oder Matuari-Neger. Der Stamm der Aukaner ist der bedeutendste von allen. Er bewohnt das Land oberhalb der Zusammenflüsse der Lava und des Tapanahoni am oberen Marowyne, zwischen dem dritten und vierten Grad nördlicher Breite und etwa zwischen dem 54.-55.° östlicher Länge von Greenwich. Ein Theil dieses Stammes hat sich aber in der Sarakreek am Surinamflusse unter dem 5.° festgesetzt, während ein anderer Theil die Ländereien am oberen Cottika und Coermotiba unter 5-40° und 3-30° bewohnt. Der ganze Stamm wird nicht viel über 3000 Köpfe zählen. Sie sind in 14 Dörfer eingetheilt, deren jedes unter einem Oberhaupte oder Capitän steht, dessen Rangzeichen ein blaues, mit silbernen Borten besetztes Wamms, ein Hut mit silberner Tresse und Orangecocarde, ein Stock mit grossem, silbernem Knopfe, eine Kette mit einem silbernen Halsschild, der mit dem holländischen Wappen verziert ist, besteht. Das Oberhaupt über alle nennt man Granmann. Diess ist ein alter, bei feierlichen Gelegenheiten mit einer Generalsuniform behangener Neger, der aber in seinem Dorfe eben so nackt läuft und auf derselben Bildungsstufe steht, wie seine Untergebenen.

Die Saramaccaner sind am obern Surinam verbreitet und an Zahl den Aucanern ungefähr gleich. Sie stehen ebenfalls unter einem Oberhaupte und Capitäns und haben theilweise den christlichen Glauben angenommen, in dem sie von zwei Herrnhuter-Missionären, die bei ihnen wohnen, unterrichtet werden. Die Kirche, welche aus gehauenen Cedernbrettern gebaut ist, steht auf dem ersten Dorfe Jinjeh und wird ziemlich regelmässig von den Bekehrten besucht. Nur darf ihnen diess nicht viele Mühe machen; denn eifrig sind sie in ihrem Christenthum nicht. Es wurde im Jahre 1850 vom Gouvernement der Versuch gemacht, den Herrnhuter-Missionären Eingang bei den Aucaner-Buschnegern zu verschaffen, aber das Oberhaupt derselben widersetzte sich mit allen seinen Capitäns dieser Neuerung und die Missionäre mussten unverrichteter Sache wieder zurückkehren.

Der dritte Stamm sind die Matuari- oder Bekumusinga-Buschneger, deren Zahl zu 600-700 geschätzt wird und die den obern Saramacca-Fluss bewohnen.

Die Buschneger, meistens ganz schwarz von Farbe, unterscheiden sich von den Plantagenegern durch einen kräftigeren Körperbau und brutalere Manieren. In ihren Dörfern gehen sie immer nackt mit einer um den Leib gebundenen Binde (Camis). In der Stadt aber haben sie auch kurze Wämschen von farbigem Cattun an; Hosen tragen sie dagegen selten und Schuhe gar nie. Ihre wolligen Haare binden sie gerne in kleine Zöpfchen, die wie Hörner in die Höhe stehen. Um Fuss und Handknöchel tragen sie meistens Ringe von starkem Eisen oder Messingdrath und an den Fingern eine Menge Gardinenringe. Ueberdiess sind bei den meisten Knie, Knöchel, Arme und Hals mit Fetischen, hier Obias genannt, behangen, die ihre besondere Bedeutung haben und sie vor dem einen oder andern Unfall schützen müssen. Diese Obias werden aus allen möglichen Dingen zusammengestellt, z. B. aus Glasperlen, Käferhörnern, Tigerzähnen, Papageyenfedern, Schnecken oder selbst hölzernen Puppen und je toller die Zusammenstellung ist, desto kräftiger wirkt der Obia.

So roh und ungesittet dieses Volk auch ist, so kann man ihm doch gesunden Verstand und Urtheil nicht absprechen und eifrige Versuche, sie der Civilisation näher zu bringen, würden wohl gelingen. Aber dazu gehörte ein Mann mit eiserner Geduld, grosser Menschenliebe und Selbstaufopferung, der, aufs kräftigste vom Gouvernement unterstützt, mit Feuereifer ihre heidnischen Vorurtheile bekämpfte; ihnen sanftere Sitten einprägte, ohne dabei ihr physisches Wohl aus dem Auge zu verlieren und, unabhängig von einer handeltreibenden Congregation, nicht genöthigt wäre, auf deren materiellen Vortheile bedacht zu seyn, wodurch er in den Augen seiner Anvertrauten für eigennützig gelten könnte. Hiezu wäre wohl ein katholischer Priester die tauglichste Person, ein Mann mit den Grundsätzen des Las Casas. Auch die Ceremonien, Reliquien und Heiligenbilder der katholischen Kirche würden bei den Buschnegern willigeren Eingang finden, als der von allem äusseren Schmuck entblöste Herrnhuter Gottesdienst. Sie wären einigermasen in ihren Augen (man verzeihe mir das Wort) ihren eigenen Gebräuchen analog und würden mehr Vertrauen einflössen, als reiner intellectueller Unterricht. Die Buschneger haben keinen wahren Begriff von der Gottheit, obwohl sie ein höchstes Wesen anerkennen, das sie Gran Gado nennen. Neben dieser Gottheit bestehen zwar noch eine Menge anderer als: Ampoekoa, Buschgott, Toni, Wassergott und Geister oder Dämonen: Cromanti, Wintin, Tigri Wintin, Wauwaen u. s. w. – Sie lassen sich aber über die Natur und das Bestehen ihrer Götter nicht viel ins Philosophiren ein, sondern überlassen diess ihren Lukumans oder Sehern, die in grossem Ansehen bei ihnen stehen und bei jeder Gelegenheit um Rath gefragt werden. Diese sind auch die Verfertiger der Obias oder Fetische, welche gegen Krankheit, Gift, Schlangen und dergl. schützen und Glück im Handel und auf der Jagd verschaffen müssen. Auch Jagdhunde bekommen dergleichen Obias um Hals und Füsse und sind alsdann probat. Ausser diesen Talismanen bereiten diese Loekoemanns auch ein weisses Pulver zu demselben Zweck, das in Einschnitte der Haut eingerieben werden muss. Sie sind natürlicherweise ebenfalls Doctoren und ihre aus Kräutern, Wurzeln und Rinden zusammengesetzten und unter Beschwörungsformeln zubereiteten Medicinen werden vor den Weissen sehr geheim gehalten. Uebrigens setzen die Buschneger grosses Vertrauen in die Heilmittel der Weissen und scheuen bei gefährlichen Krankheiten die Reise nach Paramaribo nicht, wo sie auf Landeskosten verpflegt und geheilt werden. Wird der Buschneger von seinem Loekoemann behandelt, so muss er denselben vorausbezahlen. Ihre Krankheiten bestehen meist in syphilitischen Hautausschlägen, Fiebern u. s. w., auch richtet die Lepra bedeutende Verheerungen unter ihnen an.

So frei und unabhängig sie leben und so gering die Mühe auch ist, sich ihren Lebensunterhalt zu verschaffen, nehmen sie dennoch bedeutend ab, anstatt sich zu vermehren, was wohl eine Folge ihrer vielen Ausschweifungen seyn wird.

Beinahe jede Familie hat eine Pflanze vor ihrer Wohnung, die sie ehrt und anbetet und sorgfältig verpflegt, um ihr Wachsthum zu fördern. Im Allgemeinen ist diess der Seidenwollenbaum. In jedem Dorfe sind auch Hütten zum Aufenthaltsort ihrer Götter bestimmt. Man findet darin Figuren von Schlangen, Schildkröten, Kaimans und dgl., die aus einem weissen Thon (Pimpa) roh verfertigt sind. Grosse Kaimans, wie man sie im Innern findet und Papa- oder Abgottschlangen (Boa canina) werden ebenfalls verehrt und nie getödtet. Niemand unternimmt eine Reise, ohne vorher einen Kandu oder Schildwache vor sein Haus gesetzt zu haben. Dieser Kandu besteht meistens aus dem Blüthentrosse einer Palmenart, dem Horn einer Kuh, dem Stachel eines Rochen, einem Termitennest oder einer Papageyenfeder, kurz, was sie für gut finden, welche Stücke, an einem Stock befestigt, ihr Haus, Felder oder sonstiges Eigenthum, da, wo der Kandu steht, sichern müssen. Die Uebrigen, welche eine solche künstliche Schildwache sehen, werden es nie wagen, den ihnen dadurch verbotenen Platz zu betreten oder an demselben gar zu stehlen. Die am meisten gefürchteten Kandu's sind eine eiserne Schaufel, deren Stiel recht im Boden steckt, Hobelspäne von einem Sarge und ein roth gefärbtes Kuhhorn. Der Eigenthümer des Kandu glaubt, obgleich er denselben aus den unbedeutendsten Sachen selbst zusammenstellte, so fest an den Zauber, als die Uebrigen, und würde, wenn Jemand den Muth hätte, bei seinem Kandu noch eine Kleinigkeit, als todte Käfer, Schildkrötenschaalen u. s. w. als zweiten Kandu aufzuhängen, gewiss keinen Fuss mehr auf seinen eigenen Acker setzen, aus Furcht vor dem mächtigeren.

Von einem Leben nach dem Tode haben sie keinen Begriff; doch glauben sie an Gespenster von Menschen und Thieren, welche man Jorka nennt, und denen Opfer gebracht werden. Im Besitze einer beinahe uneingeschränkten Freiheit und im Genusse aller Erzeugnisse, welche der fruchtbare Boden des obern Landes bei geringer Arbeit hervorbringt, sollte man meinen, dass ihre Lage nichts zu wünschen übrig lasse. Aber Hass, Neid, Eifersucht und Misstrauen herrschen auf jedem Dorfe und Vergiftungen und Todtschläge kommen sehr häufig vor. Jeder etwas ungewöhnliche Todesfall wird dem Gift eines Feindes zugeschrieben und wehe dann der verdächtigen Person!

In einem aus gut gehobelten Pinalatten verfertigten Sarge wird die Leiche in schnellem Trab durchs ganze Dorf getragen und vor dem Hause, wo die Träger in Folge des Einflusses eines Geistes stille halten, wird der Bewohner desselben als der Thäter angesehen und des Mords beschuldigt. Ein solcher wirklicher oder bloss vermeintlicher Giftmischer wird auf furchtbare Weise misshandelt oder verbrannt. Der Verdächtige, dessen Missethat nicht bewiesen werden kann, muss einen fürchterlichen Eid, Leba, schwören, und wird, wenn er sich weigert, von den Aeltesten seines Dorfes auf ein Brett gebunden, in den Wald gebracht und mit den Füssen an ein Feuer gehalten, dessen Hitze ihm schnell das Geständniss auspresst oder ihn auf immer zum Krüppel macht. Ist die Missethat bewiesen, so wird er lebend von unten auf verbrannt oder, wenn man gnädig verfahren will, ihm mit einem Beil oder einer Keule (Apatu) die Hirnschale zerschmettert.

Von dem Augenblick an, dass Jemand der Giftmischerei (Wisi) beschuldigt ist, bis zum Tag der Bestrafung, an welchem es an Dram nicht fehlen darf, bleibt der Beschuldigte in seinem Dorf auf freien Füssen und es würde, im Fall er entflöhe, seine Familie für ihn büssen müssen. Offener Streit wird nie bestraft, auch wenn einer auf dem Platze bleibt.

Ihre Heirathen gehen ohne weitere Ceremonien vor sich. Sind die Aeltern und das Mädchen zufrieden, so ist die Sache abgemacht und die junge Frau zieht zu ihrem Mann. Die Mädchen sind bereits im dreizehnten Jahre heirathslustig und hängen sodann einen Lappen Kattun, den man Kwejo nennt, um, vorher aber laufen sie nackt.

Vielweiberei ist gebräuchlich; die Meisten haben mehrere Weiber, sind aber manchmal nicht damit zufrieden und verführen die Frauen Anderer, was entsetzliche Händel zur Folge hat.

Die Frauen führen allein die Haushaltung, pflanzen die Aecker und säubern dieselben. In ihrem Hauswesen sind sie sehr reinlich, waschen und putzen den ganzen Tag, sind somit in diesem Stück ganz das Gegentheil der Indianerinnen. Unter gewissen Umständen dürfen sie sich der Wohnung des Mannes nicht nähern, sondern müssen ihre Wohnungen verlassen und eigene Hütten beziehen, deren man in jedem Dorfe eine oder einige findet. Ein besonderer Weg führt von diesen Hütten, welche man Kaaihäuser nennt, nach dem Flusse, bloss um die Begegnung mit Männern zu verhüten, wodurch die Obias an Kraft verlieren würden.

Ihre Staatswirthschaft ist sehr einfach; Gesetze und Advokaten sind ihnen ganz fremd. Ueber jede Kleinigkeit, die sie nicht begreifen, über jeden neuen Vorfall in der bewohnten Colonie werden Palavers oder sogenannte Gruttus gehalten, zu welchen die Aeltesten und Kapitäne sich bei dem Oberhaupte versammeln, wo man um die Wette streitet und schreit, so dass man am Ende so weise nach Hause geht, als man gekommen ist.

In ihrem Umgange sind sie gegenseitig sehr höflich und tituliren einander mit Herr und Madame, äffen überhaupt in Allem die Weissen nach. Unter sich sind sie sehr gastfrei und geht einer in ein anderes Dorf, so findet er überall freie Kost und Wohnung; doch bestehlen und betrügen sie einander bei jeder Gelegenheit und sind eben so argwöhnisch gegen sich, als gegen die Blanken.

Obgleich Faulheit ein Hauptzug ihres Charakters ist, in dem sie den Indianern ziemlich gleichen, so haben sie doch bedeutend mehr Bedürfnisse, als jene, und sind daher genöthigt, zu deren Anschaffung Dinge zu pflanzen oder zu suchen, welche sie bei den Weissen austauschen können. Diese Handelsartikel sind bei denen, welche weit im Innern wohnen und auf ihren Reisen viele Wasserfälle zu passiren haben, meistens Tonkabohnen, die Früchte der Dipterix odorata, Reis, Schildkröten oder Jagdhunde, welche letztere sie von den Taruma- oder Barokotto-Indianern eintauschen, die zwischen dem 56.-57. Längengrade in der Nähe des Aequators wohnen. Diese Jagdhunde sind von mittlerer Grösse, kurzhaarig, meist weiss und schwarz oder roth gefleckt. Sie haben einen langen Schwanz und stehende Ohren und sind auf die verschiedenen Wildarten, als Tapire, Pingos, Pakire und Pakas abgerichtet und werden sehr theuer bezahlt. Sie sind bissig und falsch, vielen Krankheiten unterworfen und leben im niedern Lande nicht lang. Der Haupterwerb der Buschneger aber ist der Holzhandel. Sie fällen und behauen Bauholz in den unterhalb der Wasserfälle gelegenen Waldungen und bringen dieses in sogenannten Kokrokos zum Verkaufe nach der Stadt oder den Pflanzungen. Da die meisten Hölzer schwerer als das Wasser sind und in demselben sinken, so werden die Balken mittelst zweier Querhölzer, die über die Corjaal liegen, mit Lianen daran befestigt und auf diese Weise geflösst, wobei die Corjaal also den Gewichtsunterschied des Holzes im Wasser trägt. Da sie im Behauen des Holzes sehr geschickt und behend sind, dasselbe nichts kostet und sie überdiess ans Land keine Abgaben bezahlen, so kann man das Holz bedeutend wohlfeiler von ihnen bekommen, als es die Holzgründe liefern können. Sie sind also für diese gefährliche Concurrenten. Auf die Pflanzungen liefern sie ihr Holz gegen Dram, Melassin, Zucker und Bananen und die Quantität dieser Produkte, welche sie auf diese Weise jährlich ausführen, ist sehr beträchtlich.

Am Cottica beschäftigen sich schon seit vielen Jahren ungefähr 700 Aucaner-Buschneger allein mit diesem Holzhandel. Sie bauen keine Feldfrüchte, weil sie einen Theil ihres Holzes gegen Bananen auf den Pflanzungen austauschen, somit auf Kosten dieser leben, und wenn Misswachs oder Theurung eintritt, eine sehr fühlbare Last für die Colonie sind. Die Buschneger, welche den Landbau als ein erniedrigendes Geschäft ansehen und ihn nur dann treiben, wenn ihnen kein anderes Mittel zur Gewinnung ihres Unterhalts übrig bleibt, können an einem Tage durch Fällen und Bearbeiten des Holzes so viel verdienen, dass sie auf 3-4 Wochen Lebensmittel auf den Pflanzungen dafür erhalten können.

Ein Buschneger fällt und behaut ohne Mühe täglich 30 Cubikfuss, wodurch er à 25 C. 7 fl. 50 kr. verdient. Mehrentheils arbeiten aber verschiedene zusammen und helfen einander beim Umwälzen des Blockes und dessen Herausziehen an das Wasser. Von diesem so leicht Erworbenen leben sie unthätig so lange, bis neuer Mangel sie wieder zur Arbeit zwingt. Bietet sich aber die Gelegenheit dar, einzeln oder im Einverständniss mit den Plantagenegern Bananen oder andere Erdfrüchte oder überhaupt Brauchbares zu stehlen, so ziehen sie diess der Arbeit vor; denn ein Hang zum Stehlen ist dem Neger angeboren, wie den Katzen das Mausen, und weder Dankbarkeit und Strafe, noch die liberalste Behandlung hält sie davon ab.

Haben sie ihre Bedürfnisse in Paramaribo oder auf den Pflanzungen eingetauscht, so ziehen sie auf möglichst langsame Weise nach ihren Dörfern zurück, wo dann die Manieren der Blanken und die unterwegs erlebten Abentheuer reichlichen Stoff zu ihren Abendunterhaltungen geben.

Unter sich auf ihren Dörfern haben sie so wenig wie die Indianer Gewicht, Maase oder Münzen. In der Colonie aber wird ihnen ihr Holz nach dem allgemein üblichen rheinischen Fusse abgekauft. Sie berechnen ihre verkauften Waaren nach dem vor längerer Zeit hier gebräuchlichen surinamischen Kartengeld, von welchem der Gulden 32 Cents galt. Zehn solcher Gulden, also 3 fl. 20 kr., machen eine Biggi Kaarte (grosse Karte); 8 Cents oder der vierte Theil eines solchen Guldens heisst Schilling. Es ist besonders bei grossen Rechnungen äusserst schwierig, ihnen Alles begreiflich zu machen und ihr Misstrauen mag freilich manchmal nicht ungegründet seyn.

Ihre Zeitbestimmungen gehen wie bei den Indianern nach Nächten, d. h. wenn man z. B. fragt, wie weit man etwa von Paramaribo entfernt sey, so erhält man zur Antwort: man schläft 8, 12, 14 Nächte, ehe man dort ankommt. Ebenso geben sie, wenn sie auf Reisen gehen, den Zurückbleibenden eine Schnur mit so viel Knöpfen, als sie abwesend zu seyn gedenken. Man öffnet daran jede Nacht einen Knopf und ist keiner mehr da, so erwartet man den Reisenden zurück. Da sie aber ihre Zeit so gering anschlagen, so dehnen sie manchmal die Reisen über den gegebenen Termin aus und wenn Hunger oder andere Umstände sie nicht zur Heimreise nöthigen, so kommt es ihnen auf Wochen, ja Monate nicht an.

Eine Leiche bleibt gewöhnlich drei bis sechs Tage über der Erde, während welcher Zeit beständig Dram getrunken und geschossen wird. Ja manchmal wird der Körper erst begraben, wenn die Fäulniss bereits so überhand genommen hat, dass die faulende Jauche zum Sarge herausläuft.


So war denn meine Dienstzeit bis auf zwei Monate geschwunden und ich hatte in den verschiedenen Theilen der Colonie und unter verschiedenen Verhältnissen stets einer guten Gesundheit mich erfreut. Das Fieber, welches so häufig und unter so manchen Formen die Bewohner Surinams heimsucht, hatte ich bis jetzt nur dem Namen nach gekannt und hielt es für Weichlichkeit und Uebertreibung, wenn meine Kameraden, manchmal von ihm gerüttelt, sich unter wollene Decken und Mäntel verkrochen. Aber kaum war ich einige Tage von meiner Reise zurückgekommen, so erfasste mich der schlimme Gast mit seiner ganzen Stärke und alle gebrauchten Hülfsmittel konnten ihn nicht gänzlich vertreiben. Als um die Mitte Octobers die Lebensmittel nach dem Posten Nickerie gebracht werden mussten, erbat ich mir den Transport derselben, um auf der kleinen Seereise und dem mir so bekannten Beschermer durch die Seekrankheit mich besser auspurgiren zu lassen, als diess durch die Pillen und Tränke des militärischen Hospitals geschah.

Scheinbar gesund kam ich am 9. November wieder in Paramaribo, gerade an dem Tage, an welchem meine sechsjährige Dienstzeit beendigt war, an, und ich hatte nun wie Herkules am Scheidewege zu wählen, ob ich meine militärische Laufbahn fortwandeln oder in den Civilstand zurückkehren wolle. – Ich war lange unentschlossen, denn Surinam war mir theuer geworden und im Vaterlande hatte ich keine Aussichten mehr. – Im Militär-Stande, der mir nicht missfiel, hatte ich Aussichten auf Beförderung und im Civilleben hätte ich durch Einsammeln von Naturalien reichliches Auskommen finden können. – Ich beschloss endlich vorerst nach Europa zurückzukehren und erhielt, durch die Gunst des General-Gouverneurs, einen Urlaub, nach welchem es mir freistand, in Holland entweder mich aufs Neue zu engagiren oder den Dienst zu verlassen.

Ich hatte eine hübsche Sammlung Schmetterlinge im Laufe verschiedener Jahre zusammengebracht und gab dieselbe einem Kauffartheischiffe nach Amsterdam mit, wo ich dieselben bei meiner Ankunft zu finden hoffte und verliess nun am 25. November 1841 auf dem königlichen Dampfboote Curaçao, das uns an Bord des Transportschiffes, welches in der Coppename Schiffsbauholz einnahm, bringen sollte, Paramaribo. Zwölf Soldaten und ein Bataillonsschneider aus Curaçao, die ihre Dienstzeit ebenfalls beendigt hatten, machten die Reise mit. Der letztere, ein altes kränkliches Männchen, hatte seine Frau und zwei erwachsene Töchter bei sich. Es regnete am Tage unserer Abreise beständig, denn die kleine Regenzeit hatte sich mit Heftigkeit eingestellt. – Ich hatte bis tief in die Nacht geschrieben, gepackt und die Schreibereien der Compagnie meinem Nachfolger übergeben und mich dadurch zu sehr angestrengt; so kam es auch, dass, als ich kaum das Dampfboot betreten hatte, mich ein heftiges Fieber überfiel, das bei der Seekrankheit, die sich ebenfalls einstellte, und der Reue, Surinam zu verlassen, mich in einen mitleidwerthen Zustand versetzte. Man umhüllte mich mit Decken und ich lag die ganze Nacht abwechselnd in Frost und Hitze. Den 26. kamen wir an Bord des Transportschiffes, zufälligerweise derselbe Prinz Willem Frederik Hendrik, der mich vor sechs Jahren nach Surinam gebracht hatte. Den 28. gingen wir unter Segel, und der Doctor, ein für seine Kranken besorgter, menschenfreundlicher Mann, der seinem Stande Ehre machte, nahm mich in seine Behandlung. Die Seekrankheit und das Fieber setzten mir die ersten acht Tage sehr zu, doch erholte ich mich bald so weit, dass ich wenigstens die Universalkost, Erbsen, Speck und Fleisch, wieder schmackhaft fand. Der Schneider hatte mit seiner Familie ein kleines abgesondertes Kajütchen, und ich lebte mit ihm in der besten Freundschaft. Der Tag, den ich mit Lesen durchbrachte, wurde, wenn die See nicht zu unruhig war, mit Lotto oder Domino beschlossen. – Das Leben an Bord eines Kriegsschiffes habe ich schon am Anfange erwähnt, nur war der Unterschied mit meiner früheren Ueberfahrt der, dass Matrosen und Soldaten in der besten Einigkeit lebten und es nie Streitigkeiten gab.

Die Hitze verminderte sich, je nördlicher wir kamen, und die Kälte war um so empfindlicher für uns, da Keiner sich mit den für den Winter passenden Kleidern versehen hatte, denn solche in Surinam zu bekommen, hält schwer, da sie Niemand braucht. So liefen wir, als wir die Höhe Madeiras erreicht hatten, schon frostig und zitternd herum und sahen mit Schaudern dem europäischen Klima entgegen. Um diese Zeit hatte mir der Kommandant des Schiffes verschiedene Schreibereien aufgetragen und ich arbeitete desshalb den ganzen Tag im Longeroom, bis die Kälte das Schreiben im ungeheizten Zimmer nicht mehr zuliess und der Kommandant mich in seine warme Kajüte nahm.

Mein Fieber hatte sich auch wieder eingestellt, und obgleich ich genug Pulver verschluckte, so verliess es mich doch nicht wieder.

Unsere Reise ging ziemlich schnell, denn schon am 2. Januar waren wir vor dem Canal. Das Wetter war eisig kalt und obgleich ich mir ein wollenes Hemd an Bord gekauft hatte und in zwei wollenen Decken eingewickelt des Nachts in meiner Hängematte lag, so konnte ich doch vor Kälte keine Nacht vor 12 Uhr einschlafen und lag wie ein Igel zusammengeballt, nur beschäftigt, meine eiskalten Füsse durch Reiben und Drücken zu erwärmen. – Ebenso ging es den Soldaten, die noch weniger als ich hatten, aber gesund waren. – Man blieb meistens unter dem Verdecke, wo zur Ventilation den ganzen Tag ein Windsack uns mit so kaltem Hauche erfrischte, dass wir trotz des Verbotes ihn verschiedene Male zuknöpften. Das Aergste bei der Kälte war aber, ein gewisses natürliches Bedürfniss zu befriedigen. Der Ort dazu ist neben dem Bugspriet, wo aller Wind sich versammelt und die Bewegung des Schiffes am stärksten ist. – Da hinaufzuklimmen und entblösst der ganzen Gewalt des Windes preisgegeben, vom eiskalten Wasser bespritzt zu werden, war eine Affaire, der sich selbst die Matrosen nicht gerne unterzogen und die wir um so mehr fürchteten, als wir, wenn wir von den Wellen durchnässt waren, keine anderen Kleider zum Wechseln hatten.

Die Frauen, welche sich seit der Kälte in ihrem Kajütchen eingeschlossen hatten, mussten freilich diese Manöver nicht mitmachen, sondern hatten einen dazu bestimmten Topf, den eine von ihnen jeden Abend zur grossen Belustigung der Matrosen, die es dabei nicht an Glossen fehlen liessen, über Bord ausleerten.

Nun war eines Morgens dieser Topf, bei einer starken Bewegung des Schiffes, umgefallen, und hatte solch einen infernalischen Geruch zwischen der Decke verbreitet, dass jedes sich beeilte, ungeachtet die Grütze auf der Tafel stand, aufs Verdeck zu kommen, wo es dann ans Schimpfen und Fluchen ging. Es war eine grosse Verlegenheit für die armen Frauenzimmer, die sich den ganzen Tag nicht sehen liessen und also in der Atmosphäre ihres Topfes beinahe erstickten.

Der Wind, der uns bis an den Canal immer günstig gewesen war, verliess uns plötzlich und eine totale Windstille hielt uns 9 Tage lang wie angefesselt. Eine Menge Schiffe von allen Nationen war hier zusammengekommen und harrte, wie wir, auf günstigen Wind. – Mit gutem Westwinde erblickten wir am 12. Januar die englischen Küsten und pfeilschnell segelten wir durch den Canal. Am 16. Januar ankerten wir im Nieuwe Diep, nach fünfzigtägiger Fahrt. Wie öde und traurig zeigt sich im Winter die holländische Küste den aus dem Süden Kommenden, wie verfroren sehen ihre Einwohner aus und wie kahl seine Bäume.

Kaum war das Schiff im Hafen befestigt, als wir bestürmt wurden von Neugierigen: Fleischer und Bäcker kamen an Bord, um sich in die Gunst des Kommandanten zu empfehlen, Wirthe überreichten ihre Adressen, Waschweiber holten schmutzige Wäsche und Juden handelten um Affen und Papageyen.

Ich ging mit meiner Marschordre nach dem Heldos (einem Flecken, der stark befestigt ist), um die Befehle zur weiteren Reise abzuholen. Wir sollten in kleinen Tagereisen auf Wägen nach dem Orte unserer Bestimmung, dem langweiligen Harderwyk gebracht werden, da die Südersee und der nord-holländische Canal noch dicht befroren waren.

Den 18. Januar verliessen wir auf zwei Wägen, die mit dem Hausrathe der Schneiderfamilie vollgepackt waren, das Nieuwe Diep. – Wir waren auf eine Weise bekleidet, dass alle Leute uns neugierig anschauten. Bei jeder Station, wo man die Pferde wechselte oder Nachtquartier bestellte, wurden unsere Wägen von den Einwohnern umringt und wir wie fremde Thiere staunend begafft. Zu unserer leichten Uniform und weissen Hosen stachen unsere bleichen Gesichter wunderbar ab, und die Frauenzimmer, in grossblumigen Zitz gekleidet und mit leichten Strohhüten auf dem Kopfe, zitterten vor Kälte während dem Gelächter und den lieblosen Kritiken der Umstehenden. Zwei Papageyen und ein indianischer Rabe gehörten ebenfalls zu unserer Gesellschaft und zwei Töpfe mit rauchendem Torfe mussten unsere erstarrten Füsse der Reihe nach erwärmen. Nach sieben sehr kleinen Tagereisen, wo wir in Schagew, Alkmar, Haarlem, Amsterdam, Naarden und Amersford übernachtet hatten, langten wir den 24. Januar wohlbehalten in Harderwyk an. – Die meisten meines Detachements schützten Krankheiten vor, um bis zum Frühjahr im Hospital der Ruhe pflegen zu können; ich aber, wiewohl ich eine ärztliche Behandlung höchst nöthig hatte, that meinen Dienst, der freilich nicht sehr mühsam war. – Ich erwartete immer das Schiff, mit dem ich meine Insekten abgeschickt hatte, um dieselben sodann selbst nach Deutschland mitnehmen zu können, aber statt derselben kam die traurige Nachricht vom Stranden des Schiffes bei Dover an und meine schöne Sammlung war für mich verloren. Ich hatte nach reiflicher Ueberlegung beschlossen, den Militärdienst zu verlassen und mein Glück im Civilstand in Surinam zu suchen, und krank an Körper, und traurig über meinen Verlust, verliess ich am 1. März 1842 Holland, um vorerst meine Familie in Stuttgart zu besuchen.

Bemerkungen.

Zweiter Abschnitt (S. 22-50).

[1]: Matrosenponten oder Ponten nennt man viereckige, etwa 60' lange und 15' breite Fahrzeuge mit plattem Boden und einem Dache von Palmblättern. Es werden damit von den Pflanzungen die Produkte, als: Zucker, Kaffee, Melassin u. s. w. abgeholt und an Bord der Schiffe gebracht. Die Eigenthümer dieser Ponten sind meistens Juden, die in der Stadt ansässig sind. Die Miethe eines solchen Fahrzeuges mit 4 Rudernegern ist 10 fl. per Tag. Ein Weisser oder freier Farbiger, die ihren Lebensunterhalt auf keine andere Weise mehr verdienen können, führt darüber die Aufsicht und hat seine Wohnung in einem kleinen Verschlage im Fahrzeug. Ausser dem kärglichen Lohne, den er von dem Eigenthümer der Pont empfängt, lebt er hauptsächlich von den Geschenken, die man ihm aus Mitleiden auf den Pflanzungen reicht und vom Schleichhandel, den er mit den Negern treibt.

[2]: Das Auffallende, dass eine Stadt von höchstens 16,000 Einwohnern 8 Kirchhöfe hat, lässt sich dadurch erklären, dass jede Confession ihren eigenen Ruheplatz besitzt. Der Orangers-Kirchhof, »Niemde Oranjetuin«, ist nur für wohlhabende Protestanten, ein zweiter für weniger vermögende. Die Katholiken haben einen, die Juden zwei, die Soldaten, Neger und Herrnhuter jeder einen, die, die zwei ersten in der Stadt selbst befindlichen ausgenommen, alle im Umkreise derselben liegen, wodurch bei der Auferstehung kein Rangstreit vorkommen kann.

[3]: Die Bevölkerung Paramaribo's besteht aus etwa 2000 Weissen und 4500 freien Farbigen, also etwa 6000 freien Personen und die Sklaven aus etwa 9000, zusammen gegen 15,000 Menschen; durch den Abgang nach und die Ankunft von den Pflanzungen wechselt diese Bevölkerung beständig.

[4]: Dass man sich in Surinam nicht nach dem Range, sondern nach dem Vermögen einrichtet, ist sehr in die Augen fallend, und der Unterschied besonders zwischen hier und Deutschland sehr gross.

Der Bürger und Handwerker in Europa, wenn er auch grosses Vermögen besitzt, wird doch stets eine bürgerliche Haushaltung führen, die in keinem Vergleiche steht zu der eines höheren Beamten, der blos von seinem Gehalte leben kann. Hier findet unter den Reichen kein Unterschied statt. Ich kannte einen Handwerker in Paramaribo, der, als er nach Europa abreiste, zur Versteigerung seines Hausrathes ein Inventarium anfertigen liess, wo blos sein Silberzeug mehrere Blattseiten füllte.

[5]: Die Vertheilung der Pflanzungen besteht in 8 Divisionen, die nach den Flüssen, an welchen sie liegen, benannt sind. In jeder Division befindet sich ein Hauptmann, Offiziere und Unteroffiziere, die entweder Eigenthümer, Directoren oder Blankoffiziere sind und auf den Pflanzungen in ihren Divisionen wohnen. – Es sind blos zeitliche und unbesoldete Aemter, die sie verlieren, wenn sie von den Pflanzungen abgehen oder nach anderen ausserhalb ihres Distrikts liegenden versetzt werden. Der Hauptmann ist vom Gouvernement beauftragt, alle vorkommenden Fälle, als Geburten, Todesfälle, Weglaufen von Negern u. s. w. in seiner Division den betreffenden Behörden in Paramaribo mitzuteilen. Auf den Nickerie-Distrikten werden diese Beamten Landdroste genannt und beziehen, da sie in keinem particulären Dienste stehen, einen lebenslänglichen Gehalt von der Regierung.

Die Sklavenbevölkerung der Pflanzungen wird nicht viel über 40,000 betragen, während die Weissen oder Freien, welche auf den Pflanzungen wohnen, auf etwa 1000 Personen angeschlagen werden können.

[6]: Effect nennt man Alles, was zu einer Pflanzung, als: Boden, Gebäude, Sklaven, Revenüen u. s. w. gehört.

[7]: Der giftige Saft der bittern Cassavewurzel (Jatropha Maniok) hat, wenn er zu einem Syrop eingekocht ist, die Eigenschaft, das darein Gelegte, als Fleisch und Fisch, zu conserviren. Es werden desshalb die Ueberreste der Mahlzeit in einem irdenen Topfe in diesen Syrop »Cassiripo« genannt, gethan, und mit spanischem Pfeffer (Copsicum) stark gewürzt. Vor jeder Mahlzeit wird dieser Pfeffertopf auf das Feuer gesetzt und aufgewärmt. Gereinigt oder geleert wird derselbe nie und man hat Beispiele von Veteranen solcher Pfeffertöpfe, die zehn Jahre lang täglich auf die Tafel kamen und nie leer wurden.

[8]: Man nennt diese Barken Tentboote und wenn sie kleiner sind Tentcorjaalen. Die grösseren sind etwa 40 Fuss lang und 7 Fuss breit und werden durch acht Neger gerudert. Zwei Drittheile der Länge werden durch die Ruderneger eingenommen, auf dem letzten Drittheil befindet sich eine bedeckte, mit Jalousien und Fenstern versehene Kajüte, in der sich an beiden Seiten breite Bänke befinden, die mit Matrazzen bedeckt werden, auf denen man sitzt oder liegt. Die Barken sind von innen und aussen hübsch angestrichen und gefirnisst, manchmal mit Schnitzwerk und Vergoldungen verziert und kosten nicht selten bei 3000 fl. Die Ruderer derselben sind, besonders wenn sie höhere Beamte oder Eigenthümer von Pflanzungen führen, meistens in Livrée gekleidet und eine grosse holländische Flagge weht vom Hintertheil der Barke.

[9]: Die Kostäcker der Pflanzungen werden meistens blos von einem alten Neger bewacht, der am Eingang in dieselben eine Hütte von Palmblättern bewohnt. Einige Hühner sind sein ganzer Reichthum. Da nun häufig vorkommt, dass fremde Neger der benachbarten Pflanzungen des Nachts in seinen ihm zur Bewachung übergebenen Aeckern Bananen und Erdfrüchte stehlen, er selbst aber zu alt ist, um dagegen etwas zu thun, so bedient sich mancher dieser Wächter einer List, die den Dieben sehr übel bekommt. Er schnitzt aus hartem Holze 3-4 Zoll lange Stifte, die sehr spitzig in ein Brettchen eingeschlagen werden, so dass die Spitze etwa 3 Zoll hervorragt. Auf einem Brettchen befinden sich manchmal zwanzig solcher Spitzen. Diese Brettchen werden nun überall im Grase und an den Gräben versteckt, wo die Diebe vorbeigehen oder darein springen müssen. In diesem Falle durchstechen sie den Fuss, brechen ab und verursachen, besonders wenn nicht schnelle Hülfe angewendet wird, meistens den Brand. Die weggelaufenen Sklaven verstecken diese »Pennen« überall im Umkreise ihrer Schlupfwinkel, als Vertheidigungsmittel vor Ueberfällen der Buschpatrouillen.

[10]: Wie gross die Dieberei der Neger ist, will ich blos durch Folgendes zeigen. Eine Pflanzung in der Matappica-Kreek lieferte die jede Woche nöthigen Bananen für den Posten Gouverneurslust, was etwa 80 bis 100 Busche betrug und die in einer kleinen Pont durch drei Neger und einen Guiden auf jener Pflanzung abgeholt wurden. Die Lieferungszeit war zu Ende und ich wurde vom Kommandanten beauftragt, irgendwo auf einer andern Pflanzung wieder einen neuen Akkord einzugehen. Es war im Monat Mai 1838, als ich von Gouverneurslust nach der Matappica-Kreek reiste und auf der Pflanzung Constantia, woher wir unsere Bananen bisher bezogen hatten, mich nach andern Lieferanten erkundigte. Es befand sich da gerade ein Director, der in der Nähe wohnte und mir versprach, den Akkord mit dem Posten einzugehen. Er schickte auch sogleich durch seinen Voeteboy Befehl an den Bastian seiner Pflanzung, die nöthige Anzahl Bananen abhauen zu lassen, bis wir am Abende selbst kommen würden. Da ich nun den Mittag über auf Constantia blieb, so liess ich meine Pont voraus nach jener Pflanzung Bruinendaal gehen, um am Abend selbst zu Fusse mit dem Director dahin zu kommen. Bei unserer Ankunft lag die benöthigte Anzahl Bananen bereits am Landungsplatze, um, nachdem der Director sie nachgesehen hatte, in meine Pont geladen zu werden. Als ich aber in dieses mit einem Pinadache bedeckte Fahrzeug trat, fand ich bereits über hundert Busche Bananen, die, wie mir der Guide offenherzig gestand, er von den Plantagenegern eingehandelt hatte und mich um Gotteswillen bat, dem Director nichts davon zu sagen. Ich unterliess es auch, weil ich befürchtete, dass mein eingegangener Akkord dadurch zu Nichte gehen könne. Mit diesen Bananen wird dann auf den höher gelegenen Pflanzungen wieder Handel getrieben und von den Sklaven der Zuckereffecte Zucker, Likker oder Dram eingetauscht und letzteres auf dem Posten zu Geld gemacht.

[11]: Die Hauptgemeinde der Herrnhuter ist aber in Paramaribo, wo in dem grossen Bethause dieser Missionäre jeden Tag Schule gehalten und jeden Freitag gepredigt wird. Wenn es ihnen auch nicht gelingt, allen Aberglauben und heidnische Begriffe unter ihrer Gemeinde zu vertilgen, so muss man doch bekennen, dass sie eifrig bemüht sind, denselben, die aus dem grössten Theil der freien Neger und Farbigen, und einem grossen Theil der Sklaven Paramaribo's besteht, Ordnung und häusliche Tugenden beizubringen und ihre Sitten zu verbessern. Es sitzt im Neger leider zu wenig Geist und Energie, um eine Religion anzunehmen, die er nicht begreifen kann; wenn ihm dieselbe nicht dazu nützt, dass ihm seine Arbeit erleichtert wird, so wird er trotz allen Belehrungen nie einen Werth auf sie legen. Dasselbe flaue Christenthum findet man auch unter den französischen Negern, wo die katholischen Priester dieselben mit dem grössten Eifer unterrichten und keine noch so ekelhafte Krankheit scheuen, um sie zu besuchen und zu unterrichten, und welchen Dank sie haben, wird man im Laufe dieser Skizzen sehen.

Vernunft und gute Eigenschaften, wie sie der Weisse besitzt, kommen beim Neger beinahe nie vor und Charaktere, wie der gute Onkel Tom, sind Chimären. Man sehe die Neger in den nördlichen Staaten der Union, wo sie schon seit Generationen frei sind und eben den Unterricht sich verschaffen können, den der Weisse geniesst. Schwingen sie sich je über den Rang eines Bedienten?

[12]: Und es ist nicht allein Gefahr, seine Gesundheit zu verlieren und ein Opfer der Lepra zu werden, es ist der schlechte Charakter der Neger selbst, der ihm am meisten droht. Erst im October 1851 wurde der Priester des Etablissements Batavia, ein Mann, der auf diesem so abgesonderten Platze unermüdet und eifrig in ihren physischen und moralischen Leiden ihnen beistand, von einem dieser Elenden, weil er ihm, um der Trunkenheit vorzubeugen, einen Krug Dram abgenommen hatte, aus Rache vergiftet.

Dritter Abschnitt (S. 50-67).

[1]: Paramaribo wurde in der Mitte des 17. Jahrhunderts durch Engländer angelegt und bestand bei der Uebernahme der Colonie durch die Holländer nur aus wenigen Häusern. Ueber den Ursprung ihres Namens ist man noch nicht im Reinen. Man meint aber, dass ihm dieser zu Ehren des Lord Porham, der unter König Karl dem Ersten von England Besitzungen hier hatte, gegeben wurde. Die Indianer nennen die Stadt Pramorbo, was in ihrer Sprache Blumenplatz bedeuten soll.

[2]: An den Ufern des Tapanahoni wohnen die Aucaner Buschneger, von denen ich später reden werde. Wenn man ihren Aussagen Vertrauen schenken darf, so kann man diesen Fluss noch vierzehn Tagereisen aufwärts fahren, worauf man ihn verlässt und über Berge und Savannen zieht, deren Boden aus spitzigen Steinen besteht, wesshalb sie sich mit aus Moos geflochtenen Schuhen versehen. Nach einem dreitägigen Marsche kommen sie an die Dörfer der Indianer, von welchen sie gegen Messer, Beile, Glasperlen u. s. w. künstlich geflochtene Hängematten und vortreffliche Jagdhunde mitbringen, welche letztere sie auf den Pflanzungen theuer verkaufen. Ich habe durch Buschneger Arbeiten von diesen Indianern bekommen, deren Geschmack und Schönheit ich bewunderte. Es waren Kronen und Schürzen von Federn, meist des Tukans, der Arras und Cassicus und eines hier ganz unbekannten gelben Papageyen. Haben die Buschneger ihre Waaren vertauscht, so helfen die Indianer ihnen das Gekaufte bis an den Tapanahoni tragen, wobei die Buschneger die Stärke dieser Indianer besonders rühmen. Sie sollen, versichern die Buschneger, wenn sie ermattet sind, sich mit einer Schneckenschale die Haut aufritzen und in das Blut ein weisses Pulver reiben, wodurch ihre Kräfte sich sogleich wieder erneuern und sie ihre Reise wieder fortsetzen können. (Etwas Aehnliches fand Schomburgk auf seinen Reisen im britischen Guyana.) Diese Indianer, welche die Buschneger Acouri und Trio nennen, stehen wieder mit den weiter aufwärts wohnenden Salmoës in Verbindung, welche letztere die Pflanzungen der Portugiesen am Amazonenstrome besuchen. Es ist höchst wahrscheinlich, dass die Indianer, mit welchen die Buschneger Handel treiben, die Taruma oder Barokotos sind, die unterm Aequator und zwischen dem 57.-58. Längengrade von Greenwich wohnen. Die Länge des Weges erklärt dieses, denn obwohl die Buschneger sehr langsam reisen, wobei theilweise die Wasserfälle und Strömungen der inneren Gewässer schuld sind, so müsste doch in kürzerer Zeit in jeder anderen Richtung ein französisches oder portugiesisches Etablissement erreicht werden.

[3]: Vor mehreren Jahren, ich glaube im Jahr 1832, ehe man einen Communikationsweg nach dem Posten Armina aus der oberen Comowyne angelegt hatte, ging jeden Monat regelmässig eine Patrouille, welche die militärischen Papiere zu besorgen hatte, vom Posten Prinz Willem Frederik nach Oranje. Es waren jedesmal drei Soldaten, die auf den Sandbänken längs der Küste liefen, bis etwa halbwegs die schlammigen Ufer anfingen, die bis zu dem Posten Oranje sich ausdehnen. Man schlug, wenn man an diese Schlammbänke kam, den Weg landeinwärts ein, um eine Sandritze zu finden, die ebenfalls bis an diesen Posten sich hinzieht. Dabei schlief man eine Nacht im Walde und erreichte am andern Tage den Posten. Im Jahr 1832 nun machte ein erst vor Kurzem aus Europa gekommener Korporal die Reise mit und blieb, um ein natürliches Bedürfniss zu befriedigen, hinter seinen Begleitern zurück. Da er nicht nachfolgte, so kehrten seine Kameraden um, ihn zu suchen, fanden aber keine Spur mehr von ihm, und da sie keinen Vorrath an Wasser hatten, so konnten sie ihre Nachforschungen nicht weiter ausdehnen. – Obwohl man sogleich von Oranje Soldaten aussandte, ihn aufzusuchen, so war doch alle Mühe fruchtlos und man nahm an, dass er verirrt und dem Durste erlegen sey. Ein Jahr darauf landeten Caraiben, die aus Paramaribo nach der Marowyne zurückkehrten, bei stillem Wetter am Seestrande und liessen, während sie Krabben fingen, ihre Weiber im Boote. Plötzlich wurden die Weiber von Wegläufern überfallen, die ihnen ein junges zehnjähriges Mädchen raubten, und ehe die Männer auf das Hülfegeschrei der Weiber herbeieilen konnten, mit ihrer Beute flüchteten. Es kehrten nun sogleich alle Indianer nach Paramaribo zurück und baten den Gouverneur, eine Militär-Patrouille in diese Gegend machen zu lassen, wozu sie ihre Hülfe anboten. Es wurde nun sogleich mit den Indianern eine starke Militär-Patrouille ausgesandt, um das geraubte Kind zu finden und die Dörfer der Wegläufer zu zerstören. Man fand auch ein bedeutendes, und es glückte, mehrere Neger und Negerinnen lebend zu fangen. In einer der Hütten fand man die Uniform des vermissten Korporals, sein Gewehr und die Ueberbleibsel seiner goldenen Uhr, aus deren Gehäuse die Neger Ringe gemacht hatten. Die Gefangenen erzählten auch ohne Scheue, dass sie den unglücklichen Verirrten nahe bei ihren Dörfern gefunden, ihn geschlachtet und gegessen hätten.

Vierter Abschnitt (S. 68-101).

[1]: Die Kordonwege sollten die Kolonie gegen die Ueberfälle von weggelaufenen Sklaven und Buschnegern, die die Pflanzungen immer beunruhigten, beschützen. Sie zogen sich, der rechte Flügel vom Surinam bis an den Comowyne, der linke von da bis zur See. Die Wege waren ungefähr 80 Fuss breit und hatten, wenn sie durch Waldungen sich zogen, an beiden Seiten 4 Fuss tiefe und 10 Fuss breite Gräben, in denen die Waldwasser sich sammelten und die einen Abzug nach den Flüssen oder Kreeken hatten. Alle Viertelstunden waren Wachthäuser und Pikete, die theils vom Hauptposten besetzt wurden, theils eine bleibende Besatzung hatten. Das Feldgeschrei durchlief in wenigen Minuten den Cordonweg von einem Ende bis zum andern. Der Unterhalt der Wege, Gebäude und Besatzungen verursachte grosse Kosten. Seit dem Frieden mit den Buschnegern wurden die Posten vermindert und kamen immermehr in Verfall, bis endlich im Jahr 1844 beide Cordonwege verlassen wurden und man jetzt beinahe die Spur nicht mehr davon entdecken kann.

[2]: Maschoas sind etwa 5 Fuss lange, aus Palmblattstielen gemachte und mit Lianen verflochtene, spitz zulaufende Körbe oder vielmehr Schläuche, deren Oeffnung etwa 9 Zoll Durchmesser hat. Die Palmstäbe stehen etwa ½ Zoll von einander, so dass das Wasser durchlaufen kann. Um sie zu gebrauchen, dämmt man mit Palmblättern und Stöcken ein Waldwasser oder den Abfluss eines Sumpfes ab, so dass kein Fisch durchdringen kann. In diesen Damm werden nun so viele Abzuglöcher gemacht, als man Maschoas setzen will und diese in die Löcher gesteckt, so dass die weite Oeffnung des Maschoas dem Laufe des Wassers entgegensteht. Fische, kleine Wasserschildkröten und dgl. gerathen nun in diese Körbe, in deren spitz zulaufendem Ende sie stecken bleiben. Jeden Morgen und Abend untersucht man dieselben und kann sich auf diese Weise das ganze Jahr über mit Fischen versorgen.

[3]: Diese Schlange bekam ich im August 1842 lebendig und hatte sie mehrere Wochen lang wohlverwahrt in einem Käfig. Sie frass durchaus nicht und wie man sie auch plagte, so gebrauchte sie doch nie ihre tödtlichen Waffen. Als ich eine Reise zu machen hatte, wollte Niemand dieses gefährliche Thier in Bewahrung nehmen; ich tödtete es desshalb. Ein Neger packte sie beim Kopfe, worauf ich ihr den Bauch aufschnitt. Sie wendete alle Kraft und Mühe, um sich loszuringen und drehte ihre giftigen Zähne hin und her; als sie sich nicht mehr zu helfen wusste, entledigte sie sich ihres Giftes, das wie ein feiner Strahl aus den Rinnen ihrer Zähne auf meine Hand fiel. Das Gift war hell und farblos.

[4]: In der Mitte der trockenen Zeit flogen wenigstens 6 Wochen lang eine solche Menge gelber Tagschmetterlinge von der Grösse der Zitronfalter längs des etwa 80 Fuss breiten Cordonweges, dass ich manchmal drei auf einen Schlag mit dem Netze in der Luft fing. Der Schwarm kam etwa um 10 Uhr des Vormittags an und dauerte ununterbrochen bis 3 Uhr Nachmittags. Sie flogen in einem fort, ohne sich zu setzen, immer von Osten nach Westen, sowohl dicht über der Erde, als bis auf eine Höhe von 50 Fuss. In den Waldungen und über dieselben flogen nur wenige. Der Hauptschwarm blieb im Wege selbst. Wo sie herkamen und hinzogen weiss ich nicht; die Raupen so vieler Millionen aber müssen ganze Waldungen abgefressen haben. Ich habe noch mehrere Male ähnliche Wanderzüge bemerkt. Man betrachtet sie als Vorzeichen einer grossen Trockenzeit.

Fünfter Abschnitt (S. 102-149).

[1]: Drei Tage vor und nach neuem und vollem Monde steigt die Meeresfluth bedeutend höher als in den Zwischenzeiten und während der Unterschied zwischen hohem und niederem Wasser an den Flussmündungen bei den gewöhnlichen (todten) Fluthen 6-7 Fuss beträgt, so steigt er in jenen auf 9-10. Die Fluth läuft dann gewöhnlich viel rascher und man wählt meistens zum Reisen diese Zeit. Auch auf den Zuckerpflanzungen, welche keine Dampfmaschinen haben, wird das Rohr in dieser Zeit gemahlen. Man öffnet bei der Fluth die Schleusse des Mühlgrabens, durch welchen das Wasser des Flusses diesen füllt. Hat das Wasser seine höchste Höhe erreicht, so wird die Schleusse niedergelassen. Ist das Wasser im Flusse etwa 3 Fuss gefallen, so öffnet man eine andere Schleusse, die vom Mühlgraben in die Mühle führt, wodurch das ausströmende Wasser ein grosses, unterschlächtiges Rad treibt, das die Walzen, welche das Rohr zerquetschen, in Bewegung bringt. Die höchsten Springfluthen sind am Anfang April und September, wenn die Sonne den Meridian, unter dem die Seeküste liegt, (6° nördl. Breite) durchschneidet. Das Wasser steigt dann noch um 2 oder 3 Fuss höher und setzt manchmal die halbe Stadt Paramaribo unter Wasser und überströmt schlecht eingedämmte Pflanzungen.

[2]: Der Zitteraal (Gymnotus electricus) kommt im innern Lande, wo das Wasser durch das Seewasser nicht mehr getrübt wird, häufig vor. Er erreicht manchmal eine Länge von 7 Fuss und die Dicke eines Mannesarmes. Seine elektrische Eigenschaft ist hinlänglich bekannt. Die Indianer schiessen ihn mit Pfeilen und fangen ihn häufig mit Stinkholz (siehe Lebensweise der Caraiben). Dieser Aal, der aus beinahe nichts, als Schwanz besteht, ist sehr fett, sein Fleisch locker und wird bloss von den Eingebornen gegessen. Sie werden leicht zahm und man kann sie dann in die Hand nehmen, ohne dass sie Schläge ertheilen.

[3]: Ein gegohrenes Bier aus gekochten Erdfrüchten, dem man noch den Saft von Ananas oder indianischen Pflaumen beimischt.

[4]: Pagaien nennt man schaufelförmige, etwa 5 Fuss hohe, aus hartem Holze geschnitzte Ruder, die man in schmalen Kreeken oder engen Plätzen gebraucht.

[5]: Hr. James B., der Eigenthümer dieser Pflanzung, ist im August 1841 auf derselben gestorben. Seinen Reichthum hatte er in vielen Legaten theilweise selbst an seine Neger vertheilt. Die Tochter erhielt ein bedeutendes Vermögen und kaufte kurze Zeit nach dem Tode ihres Vaters die Freiheit. Nach dem ausdrücklichen Willen des Verstorbenen wurde ein grosses Begräbnissmahl veranstaltet, bei dem der Todte im Sarge selbst präsidirte und woran alle Honoratioren des Distriktes theilnahmen. Nach dem Essen wurde die Leiche in einem in aller Eile auf ebener Erde aufgemauerten viereckigen Behälter aus Backsteinen beigesetzt, wo zwischen der Mühle und dem Kochhause die Sklaven sein Monument beständig im Auge haben.

[6]: Der Kwi Kwi (Callichys subulatus) ein 6-7 Zoll langer Fisch, zum Geschlechte der Welse gehörend, ist über den ganzen Leib mit hornigen, harten Schienen, wie mit einer Art Panzer, bedeckt. Der Kopf ist breit, der Mund und die Augen sehr klein und unter dem Munde sind vier Fühlfäden oder Bärtel, wie bei den Barben. Die Kiemenflossen werden bei ihm durch 1½ Zoll lange krumme Hacken oder Knochen ersetzt, mit denen er kneipen kann; eine ähnliche rechtstehende ist auf dem Rücken. Gefangen gibt er einen trauernden Laut von sich, der durch das Reiben dieser Hacken und seiner Panzer entsteht. Wenn die Sümpfe eintrocknen, so verkriecht er sich so tief, wie möglich, ins feuchte Erdreich, bis die Regenzeit eintritt. Auch erzählen die Indianer, dass er, wenn ein Sumpf austrockne, mehrere hundert Schritte über Land krieche, um wasserreichere Stellen zu suchen, was ich gerne glauben will.

[7]: Die Menge Schnepfen oder Strandläufer auf den Schlammbänken längs der See und in den angrenzenden Morästen übersteigt allen Glauben. Man sieht mit aufkommender Fluth Wolken dieser Vögel, die wirklich auf kurze Zeit die Luft verdunkeln. Ein Schuss mit feinem Hagel schlägt manchmal 2-300 nieder. Die kleinen, nicht viel grösser als eine Schwalbe, sind die zahlreichsten. – Ich ging einmal bei einbrechender Nacht vom Posten Oranje über eine solche nur spärlich mit niederen Gesträuchen bedeckte Schlammbank, um zu meinem Boote, das in einer kleinen Kreek am Meeresufer lag, zu kommen. Es hatte sich auf dieser Bank ein Schwarm solcher kleiner Schnepfen zum Schlafen gesetzt und war durch mich aus seiner Ruhe aufgejagt; der ganze Schwarm flog ohne alle Ordnung auf und flatterte um mich herum. Hunderte habe ich vielleicht zertreten und die Flügelschläge einer solchen Menge Vögel verursachte eine Hitze und Beklommenheit, dass ich herzlich froh war, als ich dieses Schnepfenheer im Rücken hatte. Die Indianer wissen ebenfalls die Schnepfen durch leises Pfeifen zu locken. – Ich konnte nie erfahren, wo diese Vögel nisten; wahrscheinlich wohl auf den mehr südlicher liegenden Inseln der Mündung des Amazonenstromes.

[8]: In der Trockenzeit des Jahres 1849 zeigten sich die Moschusenten in unserer Kolonie und im französischen Guyana besonders zahlreich. Es wurden in Paramaribo mehr zu Markte gebracht, als seit Menschengedenken geschah. In der ganzen Kolonie herrschte dieser Ueberfluss. Dabei waren die Enten so fett und schwer, dass sie einer Gans an Gewicht so ziemlich gleich kamen. Die Indianer brachten mir viele, sowohl frisch als geräuchert. Auf Mana liessen die Neger alle Arbeit liegen und schossen Enten, die man zuletzt nicht mehr kaufen wollte. Dennoch ist die Moschusente bei uns kein Zugvogel und ich kann mir bloss diese Menge dadurch erklären, dass vielleicht in anderen Gegenden Südamerika's eine ungewöhnliche Regen- oder Trockenzeit diese Vögel nöthigte, ihre Nahrung anderswo zu suchen.

[9]: Unter der Menge von Wespen-artigen Insekten, die, was Verschiedenheit von Sorten und Anzahl betrifft, im Verhältniss zu Europa hier gewiss wie 25 zu 1 vorkommen, ist eine Art besonders lästig und gefährlich. Man nennt sie schlechtweg Marabonzen (die Franzosen nennen sie Mouche à drague). Sie halten sich vornehmlich in Häusern auf, die wenig oder nicht bewohnt sind, oder in den Zuckermühlen und machen ihr Nest aus verfaultem Holze, das sie von den Schindeln abnagen. Es gleicht einer grauen Masse von Fliesspapier und wird an den Dachsparren oder Gesimsen befestigt. Die Zellen öffnen sich nach unten und haben keine äussere Schutzumgebung, wie die der Wespen, auch keine Etagen. Die Wespe selbst nährt sich von Zucker, Blumensäften und Früchten, ist von der Grösse einer Hornisse, braunroth, hat einen schwerfälligen Flug und gibt einen angenehmen, aromatischen Geruch von sich. Ihr Stich verursacht beinahe immer gefährliche Entzündungen und Fieber. Wo sich diese Insekten eingenistet haben, sind sie eben so schwierig zu vertreiben, als die durch ihren widerwärtigen Geruch und Schmutz lästigen Fledermäuse.

[10]: Der Lokusbaum (Hymenaea courbaril) wächst meistens auf Sandritzen und erreicht einen Durchmesser von manchmal 6 Fuss. Sein rothes, schweres Holz nimmt eine herrliche Politur an und wird zu Meubles und Maschinen verwendet. Am Stamme und an den Wurzeln findet man bei alten Bäumen in grossen Klumpen den Copalgummi, der zu Firnissen verwandt wird. Die Frucht ist eine manchmal 6 Zoll lange und 2 Zoll breite rothbraune Schote, die mit einem trockenen, gelben, süssschmeckenden Mehle angefüllt ist, in dem sich die harten braunen Bohnen befinden. Es hat den Geschmack des Johannisbrodes.

[11]: Die Awara-Palme (Astrocaryou vulgare) wächst stets im Sandboden und liefert dem Indianer Manches in seine Haushaltung. Der Baum wird manchmal 30 Fuss hoch, ist über und über mit 4 Zoll langen, sehr spitzen, schwarzen Stacheln bedeckt und die Krone theilt sich in 12-15 etwa 25 Fuss lange gefiederte Blätter. Die Blattstiele, so wie die Seiten der Blättchen, die etwa 4 Fuss lang und 1 Zoll breit sind, sind ebenfalls dicht mit Stacheln bedeckt, so dass man keinen Theil der Pflanze berühren kann, ohne sich zu stechen. Die Samenkapsel ist etwa 3 Fuss lang und 1½ Fuss breit, oval und braunroth von Farbe. Die Frucht, von der Grösse einer welschen Nuss, ist mennigroth und besteht aus einem süssen, sehr fetten Fleische, das den harten, schwarzen, runden Stein umgibt. Der Fruchttross enthält mehrere Hunderte solcher Nüsse, die im Monat Februar reifen. Die Indianer stampfen in einem hölzernen Mörser das Fleisch von den Steinen und pressen in einem Madappi das rothe Oel aus, das sie zum Schmieren der Haare gebrauchen. Die Früchte werden vom Wild gerne gefressen und die Schweine werden besonders fett davon. – Aus den noch nicht ganz entwickelten Blättern machen die Indianer Fächer u. s. w.

Sechster Abschnitt (S. 150-233).

[1]: Diese Reibeisen, Simaris, werden von den Makusi-Indianern am obern Rupumuni, im britischen Guyana verfertigt und von den Caraiben, die manchmal Reisen dahin machen, durch Tausch erhalten.

[2]: Madappis sind 4 Fuss lange, 4 Zoll im Diameter haltende cylinderförmige elastische Schläuche, die aus dem Baste einer Marantiacee geflochten werden und haben oben eine Oeffnung, worin man das noch nasse Cassave-Mehl schüttet und den Schlauch an einer Schleife aufhängt. Unten ist derselbe zugebunden und es wird durch eine am Ende befindliche andere Schleife ein Stock befestigt, auf den sich die Weiber setzen, wodurch sich der Schlauch zusammenzieht und der Saft abfliesst.

[3]: Die Indianer geben nicht gerne Aufschluss über die Bedeutung ihrer Gebräuche und Gesänge, und ihre sehr reichhaltige Sprache zu erlernen, fällt sehr schwer, und es ist Niemand in der Kolonie, der ausser ihnen dieselbe versteht.

[4]: Die Chike, auch Sicca genannt, ist ein kleines hellbraunes Insekt, ganz von der Gestalt einer Floh, aber bloss halb so gross und hüpft ebenso, aber nur nicht so weit. Sie hält sich sehr häufig in sandigen trockenen Plätzen auf, kriecht Menschen, Hunden und Katzen unter die Nägel der Zehen oder in die weicheren Theile des Fusses, wo sie sich ins Fleisch einfrisst. Man bemerkt ihr Daseyn an einem leichten Jucken, und an der Stelle, wo das Insekt sitzt, ist die Haut ein wenig entzündet, und man sieht dasselbe als einen kleinen schwarzen Punkt im Fleische stecken. Man zieht es mit einer Nadel heraus. Fühlt man es aber nicht und bleibt es im Fleische sitzen, so geht eine wunderbare Vergrösserung mit ihm vor. Sein Leib schwillt an und ist strotzend voll von Eiern, die nach und nach ihre natürliche Grösse erhalten und dem kaum bemerkbaren Insekte die Grösse einer kleinen Erbse geben. Wird es nun aus dem Fleische herausgenommen, so entsteht ein ziemliches Loch, das besonders bei Leuten, welche barfuss laufen, sich mit Sand und Unreinigkeiten füllt und manchmal bedeutende Geschwülste verursacht. Ich selbst habe auf dem Posten Nepheusburg in der Trockenzeit jeden Abend wohl 25 dieser Insekten, welche sich den Tag über eingebissen hatten, herausgezogen. Nachlässige Leute, die zu faul sind, an ihren Füssen nachzusehen und diese Flöhe in solcher Menge und Grösse bei sich beherbergen, bekommen bedeutende Geschwüre und werden manchmal zur Arbeit untauglich.

Hinweise zur Transkription

Der Text des Originalbuches wurde grundsätzlich beibehalten, einschließlich ungewöhnlicher und uneinheitlicher Schreibweisen, mit folgenden Ausnahmen,

Seite 26:
"lezteren" geändert in "letzteren"
(Die letzteren Kunden sind die häufigsten)

Seite 38:
"technicher" geändert in "technischer"
(auch in technischer Beziehung eine gute Schule genossen haben)

Seite 55:
"Meerresküste" geändert in "Meeresküste"
(von der Meeresküste ab, da wo das Flusswasser rein)

Seite 56:
"Mauiok" geändert in "Maniok"
(dem Anbau der Maniok-Wurzel (jatropha) besonders günstig ist)

Seite 57/58:
"Regen" geändert in "Regen-"
(hohen Wasserstande der Regen- und dem niedrigsten der Trockenzeit)

Seite 68:
"dasselbst" geändert in "daselbst"
(Mauritzburg. Kurzer Aufenthalt daselbst.)

Seite 79:
"Manick" geändert in "Maniok"
(und die dortige Besatzung von Reis, Mais und Maniok leben musste)

Seite 93:
"maschiren" geändert in "marschiren"
(in einem Brei von stinkendem Schlamm marschiren musste)

Seite 94:
"mitgebrachten" geändert in "mitgebracht"
(Bananen, welche die Guiden mitgebracht hatten)

Seite 113:
"Mosquitos" vereinheitlicht zu "Mosquittos"
(alle Soldaten, ungeachtet der vielen Mosquittos)

Seite 115/116:
"errrichtet" geändert in "errichtet"
(wurde mit ungeheuren Kosten eine Dampfsägmühle errichtet)

Seite 124:
"Nickerikreek" vereinheitlicht zu "Nickeriekreek"
(ein kleines Sommerhäuschen in die Nickeriekreek hineingebaut)

Seite 147:
"Schidwache" geändert in "Schildwache"
(Die Schildwache, unter deren Aufsicht er stand)

Seite 149:
"anderhalb" geändert in "anderthalb"
(musste man das Regenwasser anderthalb Stunden weit herbeiholen)

Seite 159:
"Apetit" geändert in "Appetit"
(bei schrecklichem Appetit, da ich seit dem Morgen nichts mehr)

Seite 168:
";" geändert in ","
(vier Neger zurückgeblieben, welche mit mir)

Seite 174:
"'" eingefügt
(Vier Pfosten von etwa 4' Höhe sind an vier Ecken)

Seite 175:
"Individium" geändert in "Individuum"
(hier hat jedes Individuum sein Feuerchen unter der Hängematte)

Seite 181:
"Aussgepresster" geändert in "Ausgepresster"
(Ausgepresster Maniok (Madappi) wird in Körbe verpackt)

Seite 183:
"Vergnüngen" geändert in "Vergnügen"
(Ein anderes Vergnügen eigenthümlicher Art sind ihre Tänze)

Seite 184:
"diesselben" geändert in "dieselben"
(um als Trank noch zweimal dieselben zu passiren)

Seite 197:
"Pagaai" vereinheitlicht zu "Pagai"
(ich aber bloss einen einzigen Pagai im Vermögen hatte)

Seite 198:
"ief" geändert in "tief"
(ist tief im Sande eingegraben und wellenförmig)

Seite 198:
"sie" eingefügt
(welche sie häufig zum Verkauf nach den Pflanzungen bringen)

Seite 210:
"Ansehnliclhe" geändert in "Ansehnliche"
(Ansehnliche Summen waren zu diesem Zweck bewilligt worden)

Seite 210:
"Maniko" geändert in "Maniok"
(die in Erdfrüchten, als: Reis und Maniok bestanden)

Seite 216:
"Guiana" vereinheitlicht zu "Guyana"
(Im französischen Guyana bestehen noch viele Rockou-Pflanzungen)

Seite 226:
"Pagalen" vereinheitlicht zu "Pagaalen"
(Meinen Genever bezahlte er mir mit zwei hübschen Pagaalen)

Seite 243:
"Mach" geändert in "Nach"
(Nach zehntägigem Aufenthalt verliessen wir die Judensavanne)

Seite 250:
"Casavebrod" vereinheitlicht zu "Cassavebrod"
(wurde von ihnen mit Cassavebrod und Eiern beschenkt)

Seite 257:
"gänze" geändert in "ganze"
(Der ganze Stamm wird nicht viel über 3000 Köpfe zählen)

Seite 279:
"Tode" geändert in "Todte"
(bei dem der Todte im Sarge selbst präsidirte)

Seite 282:
"ensteht" geändert in "entsteht"
(so entsteht ein ziemliches Loch)






End of Project Gutenberg's Sechs Jahre in Surinam, by August Kappler

*** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK SECHS JAHRE IN SURINAM ***

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