The Project Gutenberg eBook, Jugend, Liebe und Leben, by Emil Peters This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org Title: Jugend, Liebe und Leben Körperliche, seelische und sittliche Forderungen der Gegenwart Author: Emil Peters Release Date: December 5, 2013 [eBook #44368] Language: German Character set encoding: ISO-8859-1 ***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JUGEND, LIEBE UND LEBEN*** E-text prepared by Norbert H. Langkau, Iris Schröder-Gehring, and the Online Distributed Proofreading Team (http://www.pgdp.net) Anmerkungen zur Transkription: Das Original ist in Fraktur gesetzt. Im Original in _Antiqua_ gesetzter Text wurde mit _ markiert. Im Original ~gesperrt~ gesetzter Text wurde mit ~ markiert. Im Original #fett# gesetzter Text wurde mit # markiert. Doppelte Anführungsstriche wurden durch » (unten) und « (oben) ersetzt. Einfache Anführungsstriche wurden durch > (unten) und < (oben) ersetzt. JUGEND, LIEBE UND LEBEN Körperliche, seelische und sittliche Forderungen der Gegenwart von EMIL PETERS [Illustration: Dekoration] Volkskraft-Verlag ~Konstanz am Bodensee~ * * * * * * Bücher von Emil Peters ~aus dem Volkskraft-Verlag in Konstanz am Bodensee:~ #Strahlende Kräfte.# Wege zu Glück und Erfolg durch Charakter-, Willens- und Menschenbildung. Mit Titelbild von Fidus. 10. Tausend. Geheftet M. 5.50. Gebunden M. 7.70. Geschenkband mit Goldschnitt M. 8.25. Porto bei direkter Zusendung 25 Pf. #Kranke Seelen.# Wege des Lebens für die Einsamen und Unverstandenen, die Ruhelosen und Nervösen, die Unzufriedenen, die Unglücklichen, und Seelenleidenden. Mit Bildnis des Verfassers, Umschlagzeichnung und Innenbildern von Prof. Richard Pfeiffer. Geheftet M. 6.--. Gebunden M. 8.25. Porto bei direkter Zusendung 35 Pf. #Die das Glück suchen....# Brücken von der sichtbaren in die unsichtbare Welt und in die geheimen Lebensgesetze der Seele. Deckelzeichnung von E. Anslinger-München. Geheftet M. 5.50. Gebunden M. 7.50. Vornehmer Geschenkband mit Goldschnitt M. 8.50. Porto bei direkter Zusendung 25 Pf. #Unbekannte Gedankenkräfte.# Geistige Lebensgesetze und seelische Welten. Deckelzeichnung von E. Anslinger-München. Geheftet M. 2.75. Gebunden M. 4.40. Porto 15 Pf. #Kinderzeit.# Fröhliche Erziehung. Ernstes und Heiteres aus natürlicher Erziehung. Mit 16 Bildern nach photographischen Aufnahmen von des Verfassers Kindern. Geheftet M. 5.--. Gebunden M. 7.50. Porto bei direkter Zusendung 25 Pf. #Schaffende Menschen!# Charakterbildung, Energie und Erfolg in Leben und Arbeit. Umschlagzeichnung von E. Anslinger-München. Geheftet M. 5.50. Gebunden M. 7.70. Porto 25 Pf. #Arbeit, Kraft und Erfolg.# Wege zur Steigerung der Leistungsfähigkeit in körperlichem und geistigem Schaffen. Deckelzeichnung von E. Anslinger-München. Geheftet M. 4.--. Gebunden M. 6.--. Porto bei direkter Zusendung 25 Pf. Die Bücher sind auch in jeder guten Buchhandlung zu haben. Ausführliche Verzeichnisse der Bücher von ~Emil Peters~ versendet der obenstehende Verlag oder besorgt jede Buchhandlung. ~Alle Rechte vorbehalten.~ _Copyright 1920 by Volkskraft-Verlag Konstanz am Bodensee._ Den Druck besorgte die Pierersche Hofbuchdruckerei Stephan Geibel & Co. in Altenburg, S.-A. Diese Buch ist auch in hübschem Einband als Geschenkband beim Verlag oder in jeder Buchhandlung vorrätig. * * * * * * [Illustration: Dekoration] Vorwort zur zweiten Auflage. Dies Buch, das in seiner ersten Auflage »Wenn ihr ins Leben tretet!« hieß, erscheint in seiner zweiten Auflage unter neuem Titel und in anderem Gewande. Es entspricht darin mehr den Vorträgen, die ich allerorten hielt. Der Gegenstand ist ernst und schwer in seiner Darstellung. Es gibt Dinge, die so grenzenlos traurig und häßlich sind, daß die Feder oft zögert, sie niederzuschreiben. Aber wer, wie ich, das Menschenleben zu schöneren, höheren und edleren Formen bringen will, der darf, wo er das Licht zeichnet, auch die Schatten zu malen nicht vergessen. ~Jugend und Liebe~ -- sie sind beide das Licht, das leuchtend und glückselig eine Weile über unserem Wege steht. Aber ~Irrtum und Schuld~ verschlingen die unglückseligen Hände und reißen die Menschen in die Tiefen, wo in Unglück und Krankheit, in Nacht und Chaos die Liebe erstickt. Das Häßliche ist hier wahrlich nicht um des Häßlichen willen geschildert worden. Nein, die Feder stockt dabei, und Scham durchzog den Sinn. Aber mutig galt es die Aufgabe zu lösen und jungen Menschen, die klopfenden Herzens vor dem Wundergarten der Liebe stehen, den rechten Weg zu zeigen. Wer das Dunkel geschaut, dessen Auge ist dankbar für das Licht. So soll dies Buch verstanden sein. Nicht ein »Aufklärungsbuch« im landesüblichen Sinne soll es sein. Es soll nicht mit kaltem Verstande Dinge sagen, die zu wissen noch nicht sittliche Kraft bedeuten. Weh uns, wenn Wissen und Verstand der Liebe die Tiefen rauben, wenn wir nicht mehr erröten und die Rätsel der Liebe uns nicht mehr die Pulse stocken machen! Nicht dem Verstand und dem kalten Wissen -- nein, der ~Seele~ wollte ich die Geheimnisse junger Liebe ablauschen. Was nutzt »Aufklärung«, wo die seelenvolle Menschlichkeit, die sittliche Persönlichkeit fehlt! Erzieherisch ging ich zu Werke, von innen -- nicht von außen her. Worte und Begriffe sind dem Verständnis junger Menschen angepaßt. Eltern mögen das Buch schulentlassenen Jünglingen in die Hand geben. Es soll ihnen Wegweiser sein. Und wenn die traurigen und schreckensvollen Dinge dieses Buches auch mit Wehmut ihre Seele füllen und in den Freudenkelch der Jugend bittere Tropfen fallen, so wird die Wahrheit doch denen nicht den Zauber junger Liebe rauben, die »frei von Schuld und Fehle« mit diesem Buche den glücklichen Weg des Reinen gehen. ~Neuenhagen~ (Ostbahn) bei Berlin. #Emil Peters.# [Illustration: Dekoration] Erster Teil. Die einsamen Triebverirrungen der Jugend. Einleitung. Wir wollen miteinander über Dinge sprechen, über die man eigentlich -- nicht spricht. Jedenfalls nicht allgemein und vor allem nicht so, wie man über andere Dinge spricht. Das ist das Geschlechtliche. Wie merkwürdig, daß es etwas im Menschenleben gibt, von dem es scheint, daß es verborgen werden müßte. Und doch ist es nicht weniger natürlich, als alles andere, ja, natürlicher und selbstverständlicher wohl. Aber wer viel in der Irre ging, der findet nachher den rechten Weg nicht mehr. So haben die Menschen in den geschlechtliche Dingen durch viel, viel Irrtümer eine Wirrnis geschaffen, in der nun mancher nicht ein und aus weiß. Er möchte fragen, den oder jenen: »Was ist's mit der Geschlechtlichkeit? Mit all den aufsteigenden Empfindungen, die mich quälen und freuen, die mir unruhige Stunden machen und bunte Bilder vorgaukeln?« Aber wen soll er, ja, wen darf er fragen? Der Frage folgt Schweigen oder verlegenes Lächeln. Das Leben hat den Erwachsenen die Antwort schwer gemacht. Trübe Ereignisse und Reue verstellen der Wahrheit den Weg. Aber wer in Gefahr war, sollte den Neuankommenden warnen. Wer strauchelte, sollte verhüten, daß auch der andere strauchelt. Darum ist es nicht gut, wenn du noch unbelehrt und ungewarnt bist. Ich will niemandem einen Vorwurf machen, am allerwenigsten deinen Eltern oder deinen Lehrern. Sie haben dich gefördert, wie sie nur konnten. Aber dies Geschlechtliche, siehst du, nimmt in allen Dingen des Lebens eine Ausnahmestellung ein. Es schlummert in ihm -- und darum auch in dir -- etwas Gefährliches, das man durch Schweigen dämpfen möchte; denn niemand kann sagen, ob Glück oder Unglück daraus entspringt. Ich aber meine, im Dunkeln sei kein Weg zu finden. Licht soll auf alle Lebenswege fallen. Darum will ich dir die Wahrheit sagen, will mit dir über ein paar Lebensfragen sprechen, damit dein Leben Halt und Festigkeit und Richtung bekommt. Und insbesondere will ich dir alle deine stummen Fragen beantworten, die scheu und geheimnisvoll-verlegen dem Geschlechtlichen entsteigen und neugierig das Geschlechtliche umflattern. 1. Vom Sinn des Lebens. Hast du schon einmal darüber nachgedacht, welchen Sinn wohl das Leben haben könne? Ja, hast du versucht, die Lebenserscheinungen denkend zu einer Lebens-»Anschauung«, zu einem Lebensbild, zu vereinigen und dein eigenes Denken und Tun mit diesem Lebensbild in Einklang zu bringen? Ich glaube nicht. Denn das Elternhaus hat dich treusorgend bewahrt. Den Tisch fandest du stets gedeckt, und manche Sorge ums Alltägliche und um das, was die nächsten Tage bringen werden, haben die Eltern dir ferngehalten und allein ihre Stunden damit ausgefüllt, während du lachen und scherzen oder schlafen konntest. Die Schule setzte dir fertiges Wissen vor. Du nahmst, was andere gedacht, und warst des eigenen, tieferen Denkens enthoben. Nun aber trittst du ins Leben hinaus. Nun beginnt auch für dich der Kampf. Die Pflichten mehren sich, und der Tag ist nicht mehr fern, an dem auch deine Schultern tragen sollen, was ein Mensch zu tragen vermag. Und zeitweilig noch mehr. Da gilt es, Kräfte zu sparen und stark zu werden, um mutig und aufrecht den Lebensstürmen zu trotzen. Es mag ein banges Zagen dich beschleichen, wenn du daran denkst, bald ganz auf dich allein gestellt zu sein. Du zweifelst, ob deine Kräfte ausreichen werden. Aber sei getrost! Nicht als ein Fertiger tritt der Mensch an seine Aufgaben heran, sondern die Pflicht steigert die Kraft. Alles in der Natur und im Leben ist ein Werden, ein Wachsen. Alles Leben ringt nach Vollendung und vollendet sich im Kampf. Der Starke triumphiert im Kampf, bleibt Sieger. Den Schwachen zerbricht das Leben. Wohlan! Sei ein Starker! Fasse Mut, und freue dich der wachsenden Kraft! Kleine Widerstände geben dir Mut, dich an großen zu messen, und ehe ein paar Jahre ins Land gegangen, schaust du deinen Weg zurück und lachst der Zaghaftigkeit, die dich heute beschleicht. Und da haben wir schon einen Blick aufs Ganze. Da sehen wir schon Richtung und Weg und Ziel, und langsam formt sich aus den Nebeln der Unreife und Unklarheit ein Lebensbild. Schau um dich in der Natur! Roh und formlos ist der Anfang. Gott aber blies allem seinen »lebendigen Odem« ein. Was heißt das? Das heißt, daß in die brodelnden Urgewalten das Gesetz der Entwicklung hineingeworfen wurde, daß eine unendliche Harmonisierung den Lauf des Lebens begleitet, daß alles, was in die Bahn des Lebens geworfen wird, um seines Daseins Kreise zu vollenden, dem Göttlichen sich entgegen entwickeln soll. So gehörst du nicht dir selbst, du bist ein Teil des Weltgeschehens, bist eine von den zahllosen Formen, in denen die Natur das Leben neu erzeugt, und in dir schlummert der göttliche Funke, der dich zum Menschen macht, der Funke, der durch dein Leben zur Flamme angeblasen werden soll, die dich läutert. Dieser göttliche Funke ist dein Gewissen, ist das Menschheitsgewissen, jener oberste Richter über Gut und Böse, der Ewigkeitsgesetze geschrieben hat und heute wie vor Tausenden von Jahren herrscht. Die Menschen leben um des Besten willen. Die Entwicklung geht den Weg des Guten; denn das Gute ist die Entwicklung. Das Schlechte stirbt in sich, weil es dem Gesetz der Entwicklung widerstrebt. So siehst du, werden wir Menschen durch ein geheimnisvolles und gewaltiges Gesetz geführt. Dies Gesetz, der sittliche Grundgedanke, zeichnet der Entwicklung ihren Weg. Wer sich gegen dies Gesetz vergeht, sei es, daß er dem unkontrollierten Genuß des Augenblicks huldigt, oder im materiellen Vorteil das Gewissen schweigen heißt, der versündigt sich gegen die Majestät der Menschheit, und er fühlt den leisen Mahner in seinem Innern, der ihm sagt. »Das durftest du nicht tun.« -- Diese Sauberkeit und Klarheit des Gewissens mußt du dir erhalten, denn damit hast du die nötige Festigkeit in dir, um jenen Hohlköpfen und Wichten zu begegnen, die ihr Leben auf sich selbst, und damit auf nichts, gestellt haben; denn sie sind nichts, und das »Ich«, das sie in ihrer Phrase vom »Sichausleben« in den Vordergrund drängen, ist wie eine taube Nuß. Je weniger fest und stark das Leben im Innern ist, desto ruheloser und schwankender wird es nach außen. Darum gerade verfallen sie einem unruhevollen Geschlechtsgenuß und ertränken ihr Gewissen in Lärm und Alkohol und vielen Phrasen von »Individualität« und »Männlichkeit«. Diese Worte aber sind nichts als Angst und sind ein Versuch, den Starken, der wie ein stiller Vorwurf neben ihnen herschreitet, aus dem Wege zu räumen, das heißt, durch philosophische Phrasen zu sich hinabzuzerren und für ihre eigene Hohlheit breitzuschlagen. Wenn du diesen Menschen begegnest, so wehre dich gegen sie! Wenn sie dir sagen. »Der Mensch gehört sich selbst, und niemand ist Richter über ihn,« so antworte ihnen: »Nein! das Leben ist ein Geschenk der Natur. Niemand ist auf sich selbst gestellt, niemand gehört sich selbst. Feine Fäden verbinden die Menschheit in Glück und Leid miteinander, und jede schlechte Tat vermehrt das Leid und das Unglück, jede gute Tat aber ist ein kleiner Schritt weiter auf dem Wege der Bereicherung und Verschönerung des Lebens.« 2. Volkstum. Tiefgreifende Besonderheiten haben von jeher die Menschheit in Rassen und Völker geschieden. Du gehörst dem deutschen Volke an! Vergiß das nicht! Und vergiß nicht, wenn du das Wort »Deutsch« sprichst, daß es nicht eben bloß ein Wort ist wie tausend andere, sondern daß es aus fernen Jahrtausenden zu uns herübertönt mit ehernem Klang, einer Fanfare gleich, die schmetternd zum Appell ruft. Deutsch sein! Diesem Schlachtruf unterlagen die römischen Legionen in den finsteren germanischen Wäldern. Für diesen Begriff blutete Deutschland aus immer wieder frischen Wunden. Unter diesem Zeichen siegten wir und wurde unser Volk stark und groß. Deutsch sein! das ist nicht ein bloßes Wort, nein, das ist Blut und Mark und Saft von besonderer Art. Die Form des Kopfes, Farbe und Glanz des Auges, Empfindung, Denken und Tun: all das ist deutsch, ist anders als das der anderen Völker. Um dies Deutschsein haben Tausende auf rauchenden Schlachtfeldern gelitten und gestritten, Tausende haben sich in der Ferne in Sehnsucht nach der Heimat verzehrt, und Jubel und Jauchzen erfüllte ihre Brust, wenn sie an Rückkehr denken durften. Deutsch sein! dafür haben wir vier Jahre lang dem Ansturm einer ganzen Welt standgehalten, bis das Aufgeben dieses Deutschseins uns die Waffen aus den Händen schlug, uns wehrlos machte, daß wir zusammen brachen. Nun merke auf! Es gibt Menschen von fremder, heimatloser Art um dich und charakterlose Schwätzer, die deinen Rassen- und Volksbegriff leugnen und zerstören möchten. Sie setzen viel hohle Phrasen an die Stelle des greifbaren Volkstums. Laß dir dies Rassen- und Volksbewußtsein, diesen völkischen Stolz, nicht rauben! Schlage die Blätter der Weltgeschichte um! Blatt für Blatt erkennst du das gewaltige Ringen der Völker um ihre angestammte Art. Und du erkennst, daß nur dann ein Volk stark nach außen sein kann, wenn es zugleich stark nach innen ist, gesund und fest in seinem Kern und sittenstark. Die sittliche Kraft in einem Volke war stets auch seine politische Kraft. An der Sittenlosigkeit, in der geschlechtlichen Ausschweifung, gingen die Völker, die Staatengebilde zugrunde. Kennst du das Beispiel Roms? Lerne es fürchten! Weißt du, daß die morsche, sinnliche römische Kultur dem Ansturm Odoakers erlag, der mit den heldenhaften und sittenstrengen Söhnen der germanischen Wälder heranrückte? Lerne dies deutsche Volk um seiner großen Vergangenheit und seiner Tugenden willen lieben! Aber zugleich beobachte, daß der Sittenverfall auch bei uns sich ausbreitet, daß zerstörende Mächte an den alten, festen Grundlagen unserer Volksart tätig waren, und daß wir längst im Innern morsch waren, ehe die Übermacht der Feinde uns auf die Knie zwang. Nun aber wollen wir wieder hochkommen, wollen wieder die Schmach von uns abwaschen, wollen unsere Kraft und unsere Ehre wiedergewinnen -- und dazu muß jeder Einzelne bei sich selber anfangen. ~Sittliche Reinheit!~ so heißt der Wahlspruch. Hier hast du ein zweites Lebensziel: Liebe dein Volk und lebe für dich so, wie du möchtest, daß das Ganze sei: stark und gesund und rein. Was nützen all die schönen Worte von Vaterland und Volk und Ruhm und Zukunft, wenn nicht jeder Einzelne sein Teil Verantwortung für das Ganze in sich trägt und danach lebt. Dem politischen Ehrgeiz eines Volkes muß eine gesunde und sittliche Lebenshaltung die treibenden Kräfte geben. Darum ist es betrübend, zu sehen, wie Staatsmänner und Politiker starke Worte machen und heftige, erbitterte Parteikämpfe ausfechten, ohne doch der Notwendigkeit zu gedenken, daß all dies Mühen nur ein Tageserfolg ist, wenn er nicht aus der klug gepflegten Volkskraft dauernd gespeist werden kann. Eine zahlreiche, körperlich und sittlich starke Jugend ist der Lebensquell des Volkes, und dies Bewußtsein muß jeder junge Mensch in sich tragen. Du siehst, auch hier gehörst du nicht dir selbst. Ein zweiter Wegzeiger ist in deinem Leben. Er zeigt auf dein Volk. Ihm gehörst du mit deiner ganzen Art, mit Leib und Seele, mit dem Wollen und Wünschen. Und darum muß dein Leben sich so gestalten, daß es deinem Volke nicht Schaden bringt. 3. Die Familie. Von der Volkseinheit und -Eigenart trennt sich die Einheit und Eigenart der Familie ab. Und hier erblüht dem Baume deutscher Art die schönste Blüte: das deutsche Familienleben. Wie ist es besungen worden, und wieviel schöne Erinnerungen an das Elternhaus tragen wir mit uns in das Leben hinein. Sorgende Liebe erfüllt die Räume. Milde und Strenge paaren sich, um die Buben und Mädchen zu bilden zu tüchtigen Menschen, damit sie einen Platz im Leben ausfüllen können. Und jeder von ihnen tritt in das Leben hinaus und wird und will wieder eine Familie gründen. Was er zu Hause Gutes sah, pflegt er weiter und verbindet's mit Neuem. Wohl ihm, wenn er nur Gutes sah, wenn recht viel gute Erinnerungen ihn begleiten. Was die Eltern Gutes an ihren Kindern gewollt, das müssen die Kinder zu erreichen trachten. Denn darin liegt ein Dank für die dahingegangenen Geschlechter und ein großes, starkes Versprechen an die kommenden. Die Eltern denken Gutes von dir, die Brüder und Schwestern tun es auch. Wie kannst du darum Schlechtes tun und dann ein schlimmes Geheimnis mit dir herumtragen, das zu verraten du kaum den Mut findest? Die Familie ist der Hort der guten Sitten. Ehre die Stätte, der du entstammst, und tue nichts, was nicht jeder wissen darf. Zum dritten Mal stecke ich dir ein Lebensziel, zeige dir einen Maßstab und eine Grenze deines Tuns: deine Zugehörigkeit zur Familie. Zum dritten Male sage ich dir, daß du nicht dir selbst gehörst, sondern gebunden bist im Denken und Tun an die Gesamtheit, an die Familie, an das Volk, an die Menschen überhaupt. Dein Wohl ist das der anderen. Die Kraft und die Ehre der Gesamtheit liegen für dein Teil in deiner Hand. 4. Das »Ich« und die Freiheit. Du wirst mir entgegenhalten. »Bin ich, ich selbst, denn gar nichts, daß ich nur aufgehen soll im Ganzen? Daß ich immer nur an die anderen denken soll?« Ja, du bist, und dein »Ich« soll stark und stolz dir zum Bewußtsein kommen. Nicht niederdrücken, schwach und zage machen soll dich deine Zusammengehörigkeit zur Familie, zu Volk und Menschheit, nein, aufrecht und freudig sollst du es empfinden; denn in dir verkörpert sich die Familie, in deiner Art erkenne ich ihre Art, in dir lebt die Art des ganzen Volkes, in dir glüht der heilige Funke der Menschheit. Das Leben drängt sich immer wieder, um neu zu erblühen, in eine enge Form, das ist der persönliche Mensch, das Individuum. Der persönliche Mensch ist die höchste Steigerung der Natur, ist der höchste Wille der Schöpfung. Dieser persönliche Mensch muß frei sein. Damit meine ich nicht jene rohe Freiheit, die sich hinwegsetzt über gesetzliche und gesellschaftliche Schranken. Das ist Willkür und rohes Triebleben. Diese rücksichtslose Freiheit, die da glaubt, alles tun zu dürfen, was ihr in die Sinne steigt, ist doch nur bemitleidenswerte Gebundenheit an die Tiernatur. Ich meine vielmehr jene sittliche Freiheit, die mit einem geschlossenen Willen sich der Gedankenlosigkeit der Menge entgegenstemmt. Die Freiheit, in der im Gehorsam gegen selbstdiktierte sittliche Gesetze der Mensch triumphiert. Diese Überlegenheit über die Gedankenlosigkeit, das stumpfe Triebleben, die oberflächliche Genußsucht anderer, ist wahrhaftig Freiheit, eine Freiheit, die in wichtigen Lebensfragen nur sich selbst befiehlt und gehorcht, keinem andern, am allerwenigsten der Menge. Der Geist muß wach bleiben und muß mit heller, scharfer Kritik über die Regungen der Sinne wachen. Der Gedankenlose verliert sich an die stumpfen und dumpfen Triebe der Menge. Er glaubt dann Freiheit gefunden zu haben und verlor doch nur sein »Ich«, seine Persönlichkeit. Du siehst also, daß das »Ich« nur triumphiert, wenn es sich selbst Gesetze gibt. Darum darfst du nicht aufgehen in der Menge, die dich hinabzieht, sondern mußt jenen Größten nacheifern, in denen unseres Volkes Art sich am reinsten verkörperte. »Die Menschen leben um des Größten willen,« sagt Carlyle. In ihnen glüht der göttliche Funke des Menschentums am stärksten. Hast du Vorbilder, so gehst du mit deinem Wollen auf in der Menschheit, im Volk, in der Familie. Du hast damit starke und große Ideale in dein Leben hineingestellt, und diese Ideale werden dich erziehen. So, siehst du, ist das ausgeprägte »Ich«, ist der persönliche Mensch, der höchste Wille zum Guten. Indem du stolz dein »Ich« erhebst, beugst du dich unter das große Entwicklungsgesetz der Menschheit. 5. Die Fortpflanzung. Alles Leben hat nur eine Quelle: die Fortpflanzung. Und sie ist umwoben und durchflochten von der Liebe, von jenem wunderbaren Empfindungsgewoge, das unser Leben schön und glücklich macht; oder auch häßlich und traurig und unglücklich. Wie man's lebt. Die Natur schuf zwei Geschlechter. Und an dem Gegensatz zwischen männlicher und weiblicher Art erkennst du, wie unbeholfen und roh die Auffassung derer ist, die das Geschlecht nur als etwas Körperliches sehen, die beim Worte »Geschlecht« nur an Geschlechtsorgane denken. Schon beim Spiel der Kinder unterscheidet sich der wilde Wagemut des Knaben von der stilleren Art der Mädchen. Das ist wie ein Symbol fürs ganze Leben. Das Geschlechtliche wurzelt tief in der Seele, und du darfst es nicht so ohnehin als das bloß Sinnliche auffassen. Denn es ist mit dem ganzen Körper, mit allen Sinnen, mit dem Denken und Fühlen innig verwebt und verschmolzen. Der Mann denkt, fühlt, urteilt, handelt anders als die Frau. Das eben ist der tiefgreifende Geschlechtsunterschied zwischen beiden, der jedem eine andere Stellung in der Natur und in der Welt und darum auch eine andere Gefühlswelt gibt. In Mann und Weib verschmilzt das geheimnisvoll-ewige Sehnen der Menschheit nach Vollendung. Denn jedes der beiden Geschlechter birgt eine Hälfte menschlicher Eigenschaften in sich. Der Mann Kraft, Mut, Wille, Entschluß, Edelmut, Ritterlichkeit; das Weib Milde, Sanftmut, Mutterliebe, Gefühlstiefe; beide aber Treue, Schamhaftigkeit, Ehrgefühl. Das eine Geschlecht sehnt sich nach dem andern, um zu gewinnen, was es nicht hat, sich so zu ergänzen, zu vervollkommnen. Dieser tiefe Lebenswille der Natur lebt in beiden, und der Fortpflanzung entsteigt das Kind als eine höhere Entwicklungsstufe. Es ist auch wieder entweder männlich oder weiblich, aber es trägt von beiden Eltern ein Teil in sich. Ein gutes oder ein schlechtes, je nachdem, was das stärkere war. In der Geschlechtlichkeit, in der Zeugung, erhebt sich der Mensch zur höchsten Bedeutung. Er selbst wird ein Schöpfer, wird ein Neugestalter des Lebens. Was Menschheit, Volk und Familie ihm gegeben haben: Leben, Kraft, Gesundheit, Menschenwürde, das gibt er einem von ihm in Liebe erzeugten Wesen wieder. Darin liegt ein Teil Unsterblichkeit. Es gab eine Zeit, da erzählte man dir vom Storch, der die kleinen Kinder bringe und sie aus dem Brunnen oder einem großen Teich hole. Ja, ja, aus dem großen Meer der Schöpfung sind sie ja gekommen; aber es war nicht jener Verlegenheitsstorch der Fabel, der sie brachte, sondern die Liebe, die geschlechtliche Verbindung deiner Eltern, die den Werdekeim entfachte. So wie die Natur für alles in unserem Tun ein bestimmtes Organ, ein Körperglied mit einem besonderen Zweck, schuf, wie sie uns zum Gehen Beine und Füße, zum Greifen Arme und Hände, zum Sehen die Augen, zum Kauen die Zähne gab, so verlieh sie auch dem gewaltigen Sehnen nach Liebe und Zeugung, das die Menschen in sich tragen, bestimmte Organe, durch die der Wille der Natur und das Liebesgefühl der Menschen einen körperlichen Ausdruck finden kann. Diese Geschlechtsorgane sind bei Mann und Frau ganz verschieden. Sie liegen teils außerhalb, teils innerhalb der Leibeshöhle, teils sind es Brutstätten, Werkstätten für die Erzeugung der Keimzellen, teils Wege, diese Keimzellen zum Ausstoßen und zur Vereinigung zu bringen. Beim weiblichen Organismus liegen in der Leibeshöhle die sogenannten Ovarien, die Eierstöcke, in denen während einer Fruchtbarkeitszeit von etwa 30 Jahren rund 400 Eichen (das ist allmonatlich eins) reifen und ausgestoßen werden. Beim Manne wird der Samen in den beiden Hoden bereitet, aber nicht nur 400 Samenzellen, sondern viele Millionen. Die Geschlechtserregung nun, die den erwachsenen Menschen von Zeit zu Zeit ergreift, läßt alle Empfindung in die Geschlechtsorgane strahlen. Alle Wünsche schweigen. Alle Kräfte von Körper und Seele beugen sich dem großen Zeugungswillen der Natur und konzentrieren sich im Zeugungsakt. Die Geschlechtsorgane vereinigen sich, und die männlichen Samenzellen werden ausgestoßen in die weiblichen Organe und suchen in großer Zahl das weibliche Ei. Aber nur die stärkste Samenzelle, die die größte Kraft und Lebensenergie hat, erreicht -- allen anderen voraus -- die Eizelle, durchbohrt sie, und die Befruchtung ist geschehen. Jeder weiteren Samenzelle ist dann der Eintritt verwehrt. Hier sehen wir im kleinen und doch so gewaltig-großen Zeugungswunder, daß das Leben sich immer nur aus der verhältnismäßig größten Kraft aufbaut, daß darum der Stärkste und Beste das größte Recht auf Leben und Zeugung besitzt. Der Kampf der Samenzelle um die Eizelle ist wie eine Darstellung des menschlichen Lebenskampfes. Obwohl das alles so natürlich, so groß und schön ist, hat man dir die Wahrheit nicht sagen wollen, ist alle Welt mit der Geschichte vom Storch, mit Unsicherheit und Verlegenheit, um dich herumgegangen. Warum? wirst du fragen. Das hat zweierlei Gründe, einen guten und einen schlimmen. Der gute liegt in der Sache selbst. Das Geschlechtsempfinden gehört nicht dem lauten Lärm des Alltags. Der feinfühlende Mensch wird das, was in Schönheit und geheimnisvoller Spannung in seinem Innern aufkeimt, was ihm das Herz zum Springen füllt, und was so viel Sehnsucht in ihm reifen läßt, er wird das alles nicht mit nüchternem, lautem Wort in den Kreis der alltäglichen Dinge ziehen. Dies Geschlechtsempfinden, das soviel ganz Persönliches, soviel unaussprechlich Feines und Zartes in sich birgt, wird dem feinfühligen Menschen sein Allerheiligstes sein, das er der Welt und der Neugierde anderer verbirgt. Darum ist das Geheimnisvolle im Geschlechtsleben eben gerade das Menschliche, die ästhetische Verfeinerung eines im Anfang rohen und wilden Triebes. Diese ästhetisch-geheimnisvolle Umschleierung ist unlösbar mit unserem Glücksbestand verbunden; denn das Geschlechtliche, das zugleich Urgewalt und feinste Kulturblüte ist, enthüllt so sehr das innerst Persönliche eines Menschen, daß es sich nur schwer in Worte fassen läßt. Zwischen starken Empfindungen und ruhig-erklärenden Worten liegt immer ein Widerstreit. Darum rang man nach Worten, um dir die Wahrheit über das Geschlechtliche zu sagen, und schließlich fand man die Worte nicht und darum auch nicht den Mut. Der andere und schlimmere Grund aber ist der, daß der Geschlechtstrieb in der Allgemeinheit des Volkes überstark und krankhaft geworden ist und sich nun dem Leben und der Persönlichkeit als etwas Feindseliges entgegenstellt. Man fürchtet, ihn durch Belehrung zu wecken, und glaubt, ihn durch Schweigen im Zaume zu halten. Das ist ein Irrtum. Der große und manchmal so hoffnungslose und traurige Kampf mit dem krankhaft gesteigerten Geschlechtstrieb brachte die tiefe Zweiteilung von »Fleisch« und »Geist«. Die Sinnlichkeit wurde »Sünde« genannt. Und sie ist doch nur Natur. Dieses feindselige Denken gegen die Geschlechtlichkeit hat die Prüderei geboren, die ängstlich darüber wacht, daß auch nicht eine Silbe über diese Dinge gesprochen werde, und die doch weiß, daß viel Häßliches geschieht. Es ist nicht gut, etwas, was in der Natur liegt, für unnatürlich und »sündig« zu halten; denn damit geraten wir in Zweifel. Und wenn dieses Etwas dann als ein starker Trieb in uns Menschen groß wird, das mit unserem Wesen, unserem Charakter sich verbindet und zuzeiten uns ganz allein auszufüllen scheint, so ist es richtiger, einen festen, klaren Blick dem Geschlechtlichen gegenüber zu behalten, um es zu beherrschen und zu bemeistern, nicht aber ängstlich, prüde und verlegen zu sein, den Trieb für tierisch zu halten und dadurch von einem Konflikt in den andern zu stürzen. Schließe dich nicht dieser unwahren, lebensfeindlichen Denkart an, sondern erkenne im Geschlechtstrieb die Quelle alles Empfindungslebens, erkenne ihn als die Grundmauer des Lebens und die treibende Kraft aller Entwicklung. Sage nicht, daß er tierisch und häßlich und sündig sei, sondern daß durch ihn der Mensch erst wahrhaft Mensch wird, daß durch ihn der göttliche Wille des Schöpfers in jeden einzelnen Menschen gelegt worden ist, und daß gerade im Liebesgefühl und im Liebesleben der Reichtum der Menschennatur sich entfaltet, so wie im Blütensegen des Frühlings die Natur in ihrer Schöpferkraft jubelt. Verstehe mich nicht falsch! Du sollst dem Geschlechtstrieb stark und ehrlich und mutvoll gerade ins Auge sehen. Sollst ihn erkennen als das Schöpfungswunder der Natur und als die in dich selbst gelegte Schöpferkraft, mit der du dem Willen der Natur dienen sollst. Aber darum darfst du nicht sagen: »Dieser Trieb ist mein Recht! Habt ihr prüde jedes Wort von ihm vermieden, so ist er doch in mir emporgewachsen, und nun lebt er in mir, und ich will und darf ihn betätigen.« Schau um dich in der Natur! Auch die jungen Bäume treiben Blüten, aber sie tragen noch keine Frucht. In der Natur herrscht ruhige und langsame Entwicklung; denn nur die Ruhe ist Kraft. Alles vorschnell Entwickelte trägt schon den Verfall in sich. Wenn im Geschlechtlichen das Leben sich aufbaut, dann muß auch gerade das Geschlechtliche den Zerfall bringen, wenn es dem Mißbrauch entgegentreibt. ~Das ist die große Wunde am Leben der Völker: der Geschlechtsmißbrauch!~ Daran sind sie zugrunde gegangen, die Kulturvölker des Altertums, und das ist es, was heute noch die Völker zerstört: die Vergeudung der Geschlechtskraft! ~Denn Geschlechtskraft ist Lebenskraft!~ Wer das eine verschwendet, der zerstört das andere. Aus dem Geschlechtsmißbrauch kam die Degeneration in die Völker. Die Geschlechtlichkeit, die der Kraft und dem Aufstieg des Lebens dienen sollte, wurde dem Menschen zum Verhängnis, ja zum Fluch. Die Sünden der Väter wurden heimgesucht an den Kindern bis ins dritte und vierte Glied. Von allen Lebewesen ist der Mensch das einzige, dessen Geschlechtstrieb unter die Herrschaft der Vernunft gestellt wurde. Indes: »Er nennt's Vernunft und braucht's allein, Um tierischer als jedes Tier zu sein!« Gerade die ideale Verbindung des Körperlich-Sinnlichen mit der Gesamtheit geistigen Lebens, eine Verbindung, die so viel Schönheit und so viel Möglichkeiten kluger Beherrschung und sittlicher Gesetze in sich birgt, ist verhängnisvoll geworden; denn das Geistige (Gedanke, Empfindung, Vorstellung, Kunst) wird zum Einfallstor des Sinnlichen, und bei gar zu vielen liegt die Vernunft in ewiger Fehde mit dem sinnlichen Trieb. Das ist es, was so viel schwüles Schweigen erzeugt: Die lüstern lockende Geschlechtsempfindung im Innern, mit der man ringt, und das böse Gewissen, die trübe Erinnerung an vieles, was nicht gut war. Aber soll das weiter und immer so bleiben? Sollen wir ruhig danebenstehen, wenn starke und mannhafte Geschlechter im Geschlechtsirrtum ihre Kraft verlieren? Wenn wir sehen, daß junge Menschen durch krankhafte Erregungen zur Erschöpfung getrieben werden? 6. Die Verirrungen der Jugend. Alle Welt kennt das große und traurige Geheimnis, das junge Menschen mit sich herumtragen, das drückende Geheimnis der Geschlechtsverirrung, der Onanie. Nur ganz wenigen ist der Sinn frei davon geblieben, und diese kennen nicht den bitteren Kampf, den der sittliche Wille mit dem Triebe führt, der sich quälend und entnervend im Körper und in den Sinnen breit gemacht hat. Immer wieder rafft man allen Willen zusammen, immer wieder bäumt sich der Stolz auf, und man sagt »Ich will nicht«, aber so oft ist dieser Trieb der Stärkere. Es ist wie ein Ringen um die Oberherrschaft. Je schwächer das Nervensystem und je nachgiebiger und schlaffer das Denken, desto mehr reißt der sinnliche Trieb die Oberherrschaft an sich. Ein offenes, freies Wort würde den Kampf mildern, ein Freund, ein Vertrauter, dem man von sich in diesen Dingen sprechen kann, würde die seelische Bedrücktheit verscheuchen und den Mut heben können. Aber alle jungen Menschen sind ratlos, tragen ihr Geheimnis weiter mit sich herum und -- verfallen weiter in der Einsamkeit dem wühlenden sinnlichen Trieb. Dies traurige Schauspiel muß vor allen Dingen der Einsamkeit und dem Schweigen entrissen werden. Man muß darüber sprechen, deutlich und ernsthaft, damit der Vergeudung der Lebenssäfte Hemmnisse in den Weg gelegt werden, damit die geschwächten Körper wieder frischer und gesunder, der Wille wieder zuversichtlicher, der Mut wieder froher und das Auge wieder klarer wird. Es soll alles aus dem Leben heraus, worüber man sich schämen muß. Die Onanie tritt oft schon in sehr frühem Alter auf. Desto gefährlicher ist sie. Dann handelt es sich aber um einen Organismus, der wahrscheinlich erblich geschwächt ist, eine »nervöse Anlage« hat. Solch ein geschwächter Organismus ist ungemein empfänglich für alles Sinnliche. Worte, Bilder, die auf das Erotische Bezug haben, sind wie ein Feuerfunken in einen Strohhaufen. Ja, wie mit einem schwülen Drang wird aus allen Gesprächen, aus Bildern und Büchern das Geschlechtliche hervorgesucht. Diese grüblerisch-ungesunde Art raubt dem Betreffenden viel frischen Sinn für das Wirkliche, viel Arbeitskraft und Lebensfreude. Immer lenkt das Geschlechtliche seinen Blick ab, und es ist nicht jeder unter den jungen Menschen stark genug, sich frisch loszureißen von der schwächlich-lüsternen Phantasiearbeit. Gehirn und Zeugungsorgane scheinen sich da in einem schwächlichen und verderblichen Reizabhängigkeitsverhältnis voneinander zu befinden. Und oft ist es so, daß die Betreffenden von sinnlichen Bildern geradezu verfolgt werden, daß sie harmlosen Worten eine sinnliche Bedeutung geben, daß sie ein angeschautes Bildwerk oder eine Plastik zu sinnlichen Vorstellungen gebrauchen, daß sich in die Lektüre, in das Studium, in das Anhören eines Vortrages oder namentlich der Musik ein bestimmtes erotisches Bild einschiebt, von dem sie nur schwer wieder loskommen. Gewisse angeborene Neigungen, die sich am Gesicht oft erkennen lassen, spielen hier eine Rolle. Das ganze Leben scheint da in die fieberhafte Geschlechtserregung hineingezogen zu werden, und die Gefahr der Selbstbefleckung rückt immer näher. Nicht lange dauert es, dann kommt es zu Berührungen der Geschlechtsteile, in denen diese Empfindungen sich konzentrieren. Durch diese Berührungen und Bewegungen kommt es zum krampfhaften, konvulsivischen Höhepunkt geschlechtlicher Erregung, und zum ersten Male findet beim Knaben ein Verlust von Samenflüssigkeit, beim Mädchen eine starke Absonderung gewisser Drüsen statt. Warum hat dir bisher niemand die Gefahr gezeigt? Warum antwortete man deiner stummen Frage nicht und gab dir Anlaß, dich mit deinen Bekannten oder mit anderen insgeheim über diese Dinge zu besprechen? Und wie es so oft vorkommt, kam's vielleicht da zur Verführung. Ältere Schulkameraden oder häßlich denkende andere Menschen, Dienstboten, Arbeitsgenossen usw. vergnügen sich oft damit, in den jüngeren den geschlechtlichen Sinn zu wecken. Wenn's eine Strafe für sie gäbe, könnte sie nicht scharf genug sein. Gar zu viele wissen davon zu berichten, daß in der Jugend die Dienstboten für sie die Lehrer dieser geheimen Fehler gewesen sind, und sie fühlen es ganz genau, welch ein Maß von Kraft sie dabei eingebüßt haben. Die besonderen Brutstätten dieser geheimen Verfehlungen aber sind die Schulen. Und man sieht, wie das Übel sich in den Klassen forterbt, wie es von einem frivolen Schüler, einer Schülerin, durch Verführung auf die anderen übergehen kann. Ja, die jüngeren denken sich nicht einmal was dabei, wenn die älteren sie dazu verleiten, an versteckten Orten mit den Geschlechtsorganen zu spielen, bis dann der geweckte Trieb sich schwer wieder eindämmen läßt und die Erregungen zur willkürlichen Gewohnheit werden. Das trübe, schlaffe, verlegene Aussehen, der unreine Teint vieler Kinder sollten Eltern und Lehrer darüber belehren, wie dieses Übel der Selbstbefleckung gerade in den Schülerjahren und in den Schulen ausgebreitet ist. Hüte dich, mit deinesgleichen oder überhaupt mit anderen über das Geschlechtliche zu sprechen, wenn du nicht weißt, daß sie dir wohlwollen. Und meide alle jene lüsternen, schmutzigen Unterhaltungen, die sich nur um das Geschlechtliche bewegen. In Schulen, Internaten, Seminaren sind die Gespräche der Schüler, wenn sie allein sind, oft von beschämender und empörender Häßlichkeit, und man kann es kaum fassen, wie das Schamgefühl so weit erstickt werden konnte. Die Lüsternheit verzerrt die Mienen, und die Unsauberkeit des Denkens weicht oft nicht mehr von dem Gesicht. Halte deine Phantasie rein von schmutzigen Vorstellungen, dein Denken gesund! Weise die leichtsinnigen Zungen ernst und überlegen zurück und stelle eine geistige Scheidewand zwischen dich und sie! Beschäftige dich auch nicht mit sinnlich erregender Lektüre oder lüsternen Bildern, die oft geheimnisvoll unter den Schülern und Schülerinnen verbreitet werden. Wenn Eltern wüßten, in welch eine sinnlich schwüle Atmosphäre sich Kinder verirren, sie würden offenere Augen haben und die Gefahren abzulenken suchen, ehe es zu spät ist. Die Reue über das Falsche und Schädliche, was man getan, läßt die Erinnerung daran wachbleiben. Und es ist zu beobachten, daß wohl alle jungen Menschen Scham empfinden. Die fröhliche Offenheit, mit der sie sonst alles Tun vollziehen, macht vor ihren sinnlichen Fehlern halt; denn hier sagt schon ohne alle äußerliche Belehrung der natürliche Instinkt, daß man Unrechtes tut, und diese geheimnisvolle Triebverirrung sucht stets ein Versteck. Ja, das Bewußtsein des Unrechttuns ist so lebendig, daß bei den jungen Menschen oftmals das schlechte Gewissen sich in dem scheuen Blick kundgibt, der nichts mehr hat von der reinen, unschuldigen Natürlichkeit eines Kinderauges. Sie glauben sich beobachtet und in ihrem geheimen Treiben erkannt und werden deshalb oft verwirrt und untauglich für gesellschaftlichen Umgang. Sie lieben es, allein zu sein, zu grübeln, weil sie mit der Geschlechtskraft zugleich jene antreibenden Kräfte erschöpfen, welche einen jungen Menschen in das Leben hinaustreiben und seine sozialen Fähigkeiten entwickeln. So ist aus der Erschöpfung der in sozialer Hinsicht antreibend wirkenden Geschlechtskraft durchaus jene geistige und gesellschaftliche Unfreiheit zu erklären, die den richtigen Onanisten oft durch das ganze Leben hindurch verfolgt. In gesunder Geschlechtskraft liegen die Wurzeln zu sozialer Entwicklung. Der Verlust der Lebenssäfte untergräbt die Energie, und das drückende Bewußtsein des geheimen geschlechtlichen Unrechts prägt sich störend und hemmend der Persönlichkeit und dem ganzen Auftreten der Betreffenden auf. Je fester aber diese einsame Triebverirrung den jungen Menschen umklammert, desto schwerer wird es, von der unsauberen Gewohnheit zu lassen. Je häufiger ein menschlicher Trieb rein körperlich und losgelöst von seinen geistigen Beziehungen betätigt wird, desto mehr sinkt er ins Körperliche hinab und verliert seine geistige Beherrschung. Immer wieder triumphiert der dumpfe, schwüle Geschlechtsdrang über den sittlichen Willen, und jede Niederlage schwächt den Glauben an die eigene sittliche Kraft, zumal jeder einzelne Akt der Onanie die allgemeine Kraft verringert und die nervös-geschlechtliche Erregbarkeit vermehrt. Dann sieht es oft verworren und trostlos im Innern solcher Menschen aus. Und mancher hat schon vor mir gestanden mit tränendem Auge und zuckendem Munde, weil die Scham über seine Schwäche ihm namenlose Qual verursachte. Der Onanist träumt sich selbst in die Gewalt der sinnlichen Empfindung hinein und treibt dadurch jedesmal wieder seinem Fehler entgegen. Und doch wäre es ratsamer, wenn er sich vorher jenen Zustand von Mattigkeit, herabgesetzter Spannung, schwächerer Atmung und Herztätigkeit, Reue und sittlichem Elend vorstellen wollte, der dem Samenverlust folgt. Dies Bild wäre wohl imstande, seine sinnliche Erregung zu verdrängen. 7. Die Folgen der sinnlichen Fehler. Man muß die Gefahr in ihrem ganzen Umfange kennen, wenn man ihr überlegen begegnen will. Darum will ich dir vorerst einmal sagen, welchen Schaden diese krankhafte Erregung mit dem Samenverlust bringt. Ich will nicht übertreiben; denn deine einsamen Verirrungen haben dir Sorge und Angst genug gemacht. Und ich warne dich vor jenen albernen und dummen Büchern, die dir das Gespenst eines schrecklichen körperlichen und geistigen Verfalls vor die Augen malen. Gerade die übertriebenen Schreckbilder haben schon viel Schaden angerichtet. Ich will die Wahrheit über die Folgen nicht übertreiben; aber du sollst die Wahrheit auch nicht fürchten. Also höre! Die einmalige Onanie ist von einer starken Erregung begleitet, die alles Leben rascher in dir antreibt. Die Pulse fiebern, das Gesicht rötet sich, der ganze Körper ist angespannt und wird von dieser einen verzehrenden Empfindung beherrscht. Es gibt aber ein Gesetz in der Natur und im Organismus, daß jeder Kraftsteigerung ein Nachlassen der Kraft, jeder Erregung eine Erschlaffung folgt. So auch hier. Und diese Erschlaffung zeigt sich auch äußerlich, je mehr die Onanie sich wiederholt, in blassem Aussehen oder bei gutem Aussehen in merkwürdiger Unreinheit der Gesichtsfarbe, in dunklen Ringen unter den Augen, in dem Erscheinen von Pickeln auf der Stirn, in schwitzenden Händen und oft in gestörter Verdauung. Es ist leicht einzusehen, daß ein Schaden, dem jugendlichen Organismus zugefügt und in die Wachstumsjahre fallend, weit nachteiliger sein muß, als wenn er in reiferem Alter einen festen und kräftigen Körper trifft. Dies ist der Fall bei den sinnlichen Fehlern der Jugend, deren größte Gefahr eben in der frühzeitigen, unbehinderten und häufigen Ausübung liegt. Denn es gibt viele Knaben und Mädchen, die dem Übel der Selbstbefleckung längere Zeit hindurch mehrmals am Tage verfallen. Der Organismus zieht aber alle Reservekräfte heran, um dem Schaden zu begegnen. Er überwindet ihn einmal, zweimal, zehnmal und noch öfter. Der starke Erregungsvorgang setzt sich aber schließlich im ganzen Nervensystem fest. Denn das Nervensystem ist dasjenige Organ, das alle diese Vorgänge vermittelt. Die Erregung wird also bleibend, wird zu einer besonderen Eigentümlichkeit des ganzen Menschen. Eine Zeitlang ist das Leben dann von besonders kraftvollem Ausdruck, körperlich und geistig herrscht Hochspannung. Das ist in den zwanziger Lebensjahren, und viele meinen da, die Onanie habe ihnen nichts geschadet, weil sie womöglich gut aussehen und keine Klage über mangelhafte Gesundheit zu führen haben. Trotzdem sie vielleicht gerade noch in dieser Zeit häufiger onanieren. Aber gemach! Es ist immer oberflächlich, die Dinge nur so zu beurteilen, wie sie im Augenblick erscheinen. Es gibt keinen festen Punkt in der Natur und im Leben, alles ist ein Werden oder Vergehen. Nicht eine Sekunde steht das Leben still. Auch hier schreitet es weiter, aber nicht mehr aufwärts, sondern abwärts. Es beginnt die Erschlaffung, der Kraftverlust. Wie ist das zu erklären? Kennst du ein elektrisches Element? Das ist ein Gefäß, das verschiedenartige chemische Stoffe enthält, durch die der elektrische Strom erzeugt wird, den dann der metallische Draht an seinen Verbrauchsort leitet. So ist es mit der Kraft im Körper, der Lebenskraft. Sie entsteht und wird frei in der chemischen Umwandlung des Körperstoffes. Wir können also sagen, Lebenskraft sei tierische Gewebselektrizität. Speisest du mit den elektrischen Elementen etwa eine Klingelanlage oder sonst einen elektrischen Betrieb, so bedeutet jeder Gebrauch eine elektrische Entladung, also eine vorübergehende Erschöpfung der Elemente. Das Element, also die Brutstätte des Kraftstromes, sammelt in der Ruhe wieder die notwendige Kraft. Wird es aber überstark, ohne genügende Zwischenpausen, also mißbräuchlich benutzt, so erschöpft sich das Element vollkommen, wird also zerstört, unbrauchbar. Genau so ist es im Körper, der auch ein Element, eine allgemeine Brutstätte für Lebenskraft ist. Die in den Geweben erzeugte Elektrizität wird als Kraft durch das Nervensystem allen Teilen des Körpers zugeführt. Die Onanie bringt eine Steigerung der gesamten Lebenstätigkeit, eine schnellere Entwicklung, etwa so wie man Pflanzen durch die schwüle Treibhaushitze zu schnellerem Wachstum, aber auch zu schnellerem Verblühen bringt. Infolgedessen wird zwar im Körper Kraft verbraucht, aber auch rascher neu erzeugt, weil der junge, in der aufsteigenden Entwicklung stehende Körper sich wie ein Akkumulator immer wieder mit neu erzeugter Kraft ladet. Schließlich aber erschöpft sich die Brutstätte und erschöpft sich das Krafthauptlager, als das wir das zentrale Nervensystem -- Rückenmark und Gehirn -- erkennen. Die Geschlechtsorgane sind eine Stätte für elektrische Entladungen. Und sicher ist, daß beim normalen Zeugungsvorgang zwischen Mann und Weib eine Stromübertragung stattfindet, die bei der Befruchtung und für dieselbe eine große Rolle spielt. Mann und Weib sind Gegenpole, auch im rein elektrischen Sinne aufgefaßt. Der Stromentladung folgt eine Ladung von seiten des Gegenpols. Dem Kraftverlust folgt ein Zustrom an Kraft, und dieser Vorgang fehlt bei der Onanie gänzlich. Sie ist nur und ausschließlich Entladung, nur Kraftverlust. Und wenn auch der junge Körper eine Zeitlang immer wieder den Ausgleich schafft, so vermag doch -- namentlich wenn die Onanie zu häufig ausgeübt wird -- der Körperakkumulator sich nicht wieder genügend und völlig zu laden. Der Kraftstrom wird immer geringer. Die Kraft schwindet, und die chronische, also dauernde Schwäche schleicht heran und breitet sich im ganzen Organismus aus. Im Nervensystem zeigt sich dieser Zustand in der Veränderung der Marksubstanz. Das Nervenmark verliert seine Geschmeidigkeit und gleichmäßige Verteilung. Und weil es gewissermaßen den Strahlpunkt und den Kernstoff des Lebens bildet, so kann man wohl verstehen, daß das Leben selber, nun, wenn es seinen gar zu frühzeitigen Höhepunkt überschritten hat, langsam zurückgeht. Nun haben alle Tätigkeitsgruppen des Organismus im Gehirn und im Rückenmark ihre ganz bestimmte Lagerung. Mit diesem Teile steht die Atmung und die ganze Lungentätigkeit in Verbindung, mit jenem Teil das Herz, mit einem dritten die Haut, und so fort. Die Fortpflanzungstätigkeit hat zum großen Teil ihren Strahlpunkt im mittleren (Kreuz-) Teil des Rückenmarks. An den Kreuzschmerzen nach geschlechtlichen Ausschweifungen und bei Geschlechtskrankheiten ist das sehr wohl zu erkennen. Der Grenzbezirk der Geschlechtlichkeit im Rückenmark ist aber nur sehr schwer zu trennen von demjenigen der Verdauungs- (Magen- und Darm-) Tätigkeit. Und diese Tatsache ist einerseits sehr folgenschwer für den Geschlechtsmißbrauch, andrerseits aber ein klarer Beweis für die Richtigkeit der von ~Dr. Damm~ aufgestellten Behauptung, daß der Geschlechtsmißbrauch weit mehr als alle anderen Schäden als die Hauptursache der Degeneration, d. h. des dauernden Kraftverlustes, anzusehen ist. Das gilt für den einzelnen Menschen genau so wie für das ganze Volk. In der Tat macht sich der Kraftverlust meist zuerst in Störungen der Magen- und Darmtätigkeit bemerkbar. Und die geschwächte Verdauungstätigkeit ist so bezeichnend für das Gesamtbild onanistischer Folgen, daß wir außer der nervösen Schwächung durch den krankhaften Geschlechtsreiz auch eine auf gleicher Ursache beruhende Verminderung der inneren Ausscheidung annehmen müssen. Denn das Nervensystem bringt alle Teile des Organismus zueinander in rege Beziehung, und wenn die krankhafte Geschlechtserregung sich eine Zeitlang dem ganzen Körper mitgeteilt hat, dann tritt in allen Teilen eine gewisse Erschöpfung ein. Der Magen wird schwach und zeigt Reizbarkeit und eine Art von Launenhaftigkeit, die sich in Merkwürdigkeiten des Appetits äußert. Zeitweilig schwindet der Appetit, zeitweilig aber auch tritt er heftiger hervor, und man vermag zu beobachten, daß mancher geschlechtlich ausschweifende Mensch einen auffallend gesteigerten Appetit hat. Es scheint dann, als wolle die Natur den Verlust wieder ersetzen. Aber da durch eine Herabsetzung der inneren Absonderungen die aufbauende Kraft vermindert ist, so kann die Nahrung nicht »anschlagen«. Trotz guter Ernährung findet sich dann ein Gefühl der Schwäche, der Mattigkeit und Erschöpfung ein, was oft durch das ganze fernere Leben hindurchgeht und oft allein vom Magen seinen Ausgang nimmt. Auch Darmstörungen, meist Trägheit und Verstopfung, sind bezeichnende Folgen geschlechtlichen Mißbrauchs, und mancher Verdauungsneurastheniker wird gestehen müssen, daß in oder nach den Jahren der Onanie seine Verdauungsbeschwerden und seine Mattigkeit begannen. Darunter leidet natürlich bald die Ernährung und der Neuaufbau des Körpers, ebenso die Blutbildung und das gute Aussehen. Die Herz- und Muskelkraft und das Muskelgewebe erleiden eine Einbuße, und die Freudigkeit an der Körperarbeit, an Gymnastik, Sport und Spiel läßt nach. Es ist wohl zu verstehen, warum gerade ein Organ, wie das Herz, das an allen Erregungen des Körpers und der Sinne direkten und unmittelbaren Anteil nimmt, durch häufige und starke Geschlechtserregungen besonders erschöpft werden muß. In der Tat treten oft schon nach den zwanziger Jahren nervöse Herzbeschwerden auf, zunächst als beschleunigter, oft ganz heftiger, beängstigender Herzschlag sich zeigend, während später eine gewisse Herzschwäche sich einstellen kann. Der verminderten Stoff- und Säfteumwandlung in den Geweben folgt auch eine Verminderung der Wärmebildung, und leichtes und öfteres Frösteln, Gefühl von Unbehaglichkeit, tritt auf. Kalte Hände und Füße, dazu beide leicht schwitzend, stellen sich ein. Die Hauttätigkeit kann gleichfalls erschlaffen; denn sie steht in regsten Wechselbeziehungen zu den Nervenzentren und vor allem zu der Geschlechtstätigkeit. Ebenso wie sie durch Rötung, Blutfülle, Schwitzen usw. an den Geschlechtserregungen teilnimmt, wird sich die organische Erschlaffung auch durch herabgesetzte Hautarbeit kennzeichnen. Es fehlt der Haut die pralle, blutreiche Straffheit. Sie beteiligt sich nicht mehr regsam genug am allgemeinen Stoffwechsel, verliert ihre Fähigkeit, sich zusammenzuziehen und auszudehnen und dadurch der wechselnden Witterung und plötzlichen Kälteeinflüssen sich anzupassen. Sie fröstelt leicht, es bilden sich krankhafte Schweiße, und namentlich im Kreuzteil des Rückens ist der Wechsel von heiß und kalt und jenes angstvolle Schwächegefühl oft eine ständige Erscheinung. Die Unreinlichkeiten der Haut, Pickel, Ausschläge, die schon während der jugendlichen Onanie so bezeichnend sind, kann man bei den geschlechtlich erschlafften Menschen oft im ganzen Leben beobachten. Das Haar verliert seinen Glanz und seine Triebkraft, und bald beginnt es grau zu werden oder auszufallen. Daß wir heute Kahlköpfe selbst unter den jungen Leuten sehen, ist kein Ruhmeszeichen für unser deutsches Volk. Denn wenn schon die Jugend Erscheinungen des Alters trägt, dann hat das Volk den Weg abwärts beschritten. Der Haarausfall hängt ganz sicherlich auch mit der Verminderung der ausdünstenden Tätigkeit der Haut zusammen, deren Gleichmäßigkeit eine notwendige Bedingung der Gesundheit ist. Der durch die erschlafften Gewebe bewirkte unvollkommene Stoffwechsel stellt eine Vergiftung des Körpers durch chemische und gasförmige Stoffe dar, die den Haarboden zerstören. Ebenso bedeutet aber auch die krankhafte Schweißbildung, die in den Folgen des geschlechtlichen Mißbrauches auftritt, eine nervöse und Gewebserschlaffung. Da nun das Leben und die mancherlei Berufe große Anforderungen an die Nervenkraft stellen, denen der geschwächte Organismus nicht mehr gewachsen ist, so sehen wir bald das Bild der Nervosität in all den trüben Farben, die uns jeder Tag und sozusagen jeder Mensch zeigt. Schlaflosigkeit, Unruhe, Zerfahrenheit, Zerstreutheit, Gedächtnisschwäche, Mangel an Konzentration und Willenskraft, Melancholie und alle diese Feinde eines gesunden, frischen Lebens stellen sich ein, die geistige Schwungkraft und Arbeitsfreudigkeit der Jugendjahre schwinden. Die Denkkraft vermindert sich, und der Kampf zwischen Wollen und Können endet oft in der bitteren und verzweifelten Erkenntnis des Nichtmehrkönnens. Wie viele sind es schon, die mir diesen beklagenswerten Zustand erzählt haben, viele, die ganz genau wissen, wie geistig munter sie früher waren, und welch ein geistiges Wrack sie nun geworden sind! Wie vielen habe ich in dieser Lage schon Trost und Mut und Rat für eine Lebensführung geben können, die den Körper wieder kräftigt[1]. Auch die Lungen und Bronchien leiden unter den erschöpfenden Erregungen und dem Samenverlust. Ist die Lunge von Haus aus schwach, so kann sie ernstlich erkranken. Ein durch sinnliche Fehler erschöpfter Organismus ist ganz sicher ein besserer Angriffspunkt für die Tuberkulose, für Lungenentzündung und für ungünstige klimatische Einflüsse als ein vollsaftiger Organismus. Die krankhaften Veränderungen des Seelenlebens, Gereiztheit, Launenhaftigkeit, Übelnehmen, Einbildung, Trübseligkeit und dergleichen machen den Menschen sich selbst und gegenseitig das Leben schwer. Wenn wir dann diese Veränderung des Charakters und die Abschwächung des Willens sorgfältig beobachtend verfolgen, so ist es durchaus einleuchtend, daß bei einem so untergrabenen körperlichen und sittlichen Fundament gewisse angeborene krankhafte Neigungen, wie Unverträglichkeit, Gehässigkeit, Neid, Trägheit, ja selbst verbrecherische Triebe, eine Steigerung erfahren können. Der Mensch und sein Leben sind nichts Fertiges und Unveränderliches, sondern sind ein immerwährendes Werden, ein Etwas, das sich aus Anlage und äußeren Einflüssen werdend ergibt. Sind die körperlichen Grundlagen erschüttert und die sittlichen Hemmungen geschwächt, so wird es einer krankhaften oder verbrecherischen Neigung leichter gemacht, zu triumphieren. Das erscheint mir durchaus logisch und bestätigt sich auch durch die Erfahrung. Überall hat die Onanie einer schlechten Anlage Vorschub geleistet. Und wenn dann dem großen Wollen und Wünschen im Leben sich Schwäche und Krankheit in den Weg stellen, wenn die frühzeitige Erschlaffung sich körperlich und geistig bemerkbar macht und der Organismus, den Blick auf das Lebensziel gerichtet, auf halbem Wege zusammenbricht, dann zieht oft trostlose Verzweiflung ins Gemüt. Reue und Selbstanklagen zermartern den Sinn; denn es wurde ja vorzeitig im Leben die Kraft vergeudet, die all dies große Wollen zur Tat werden lassen sollte. Die Reizempfänglichkeit des Körpers wird mehr und mehr auf geschlechtliche Eindrücke eingestellt, und er beantwortet schließlich mit geschlechtlicher Erregung auch solche Reize, die keinerlei geschlechtlichen Charakter tragen und an einem gesunden Organismus spurlos vorübergehen. Diese häufige Geschlechtserregung halten viele in einem bedauerlichen Wahn für Kraft. Sie ist aber meist das Gegenteil, ist nervöse Schwäche. Diese häufigen Erschütterungen von Rückenmark und Gehirn, an denen alle Organe, Herz, Lungen, Magen, Leber, Haut usw. teilnehmen, können schließlich jene äußerste Schwächung des Nervensystems im Gefolge haben, die wir als Neurasthenie kennen, und die mit ihren Erscheinungen endlich auch in das geschlechtliche Leben hineinragt, weil sie die geschlechtliche Kraft zu vermindern und mancherlei Störungen hervorzurufen vermag. Von diesen Störungen erwähne ich vor allem die Pollutionen, jene nächtlichen Samenergüsse, die als Zeichen der Lendenmarksschwäche häufiger auftreten. Sie werden ausgelöst durch viele äußere und innere Reize, die an sich ganz unbedeutend sein können und beim Gesunden auch tatsächlich keinen Eindruck machen. Hier aber wird der Schlaf sehr durch wollüstige Träume gestört, und Samenergüsse vermehren die allgemeine Mattigkeit und das Gefühl des körperlichen Elends. Der durch die sinnlichen Verirrungen bewirkten krankhaften Geschlechtserregung folgt fast mit Sicherheit im späteren Leben ein frühzeitiges Sinken der Geschlechtskraft. Und dieser disharmonische, unnatürliche Zustand, der das ganze Volk durchzieht, raubt den Menschen viel Liebesglück und Daseinsfreude und den Ehen sehr viel, oft alles, von der inneren Poesie. Bei der ausgedehnten und sehr feinen Durchnervung des gesamten Geschlechtssystems muß ja das Nervensystem unter geschlechtlichen Fehlern am meisten leiden. Das macht sich in der oft so grenzenlos matten und verzweifelten Stimmung bemerkbar, in ihrer raschen Wandelbarkeit und Sprunghaftigkeit, sowie in einer Reizbarkeit oder Abgestumpftheit der Sinne. Namentlich Augen und Ohren leiden. Denn während einerseits Sehschwäche, und zwar Kurzsichtigkeit, ganz sicherlich in vielen Fällen auf heftige Onanie zurückzuführen ist, finden wir andrerseits das Ohrensausen als ein ganz außerordentlich verbreitetes Zeichen nervöser Störungen. Auch der Geschmack leidet und richtet sich darum oftmals auf ganz merkwürdige Dinge. Vor allem ist oft das Sättigungsgefühl verloren, und dadurch kommt es zu überstarker Nahrungsaufnahme. Nicht jeden trifft's so schwer. Und wen die Vererbung mit großer Kraft bedachte, der vermag noch Leistungsfähigkeit ins spätere Leben hinüberzuretten. Aber doch sollte niemand die Gefahr verkennen und mit leichtem Sinn und scherzendem Wort über diesen tiefinneren Zusammenhang zwischen Geschlechtskraft und Lebensaufbau, zwischen Geschlechtsmißbrauch und Lebenszerfall hinweggehen. Wer nicht direkt und unmittelbar den Schaden der Kraftvergeudung verspürt, der darf darum nicht sagen, es habe ihm gar nichts geschadet. Denn in den Gesetzen des Nervenlebens liegt es, daß die feindseligen Reize zunächst eine Kraftsteigerung bringen, der aber früher oder später das Niedergehen der Kraft folgt. Der Kräftige hat freilich mehr Widerstand als der Schwächling, aber wohl jeder wird an einen Zeitpunkt gelangen, wo mit einem Male seine Widerstandskraft gegen Arbeit, Unruhe, Klima und Temperatur, schwerere Speisen, Ärger und dergleichen geringer wird und er mehr oder weniger klar empfindet, wie eng das mit der Kraftverschleuderung in den Jugendjahren zusammenhängt. Das Geschlechtsproblem löst sich nicht allein in der Zeugung und Fortpflanzung. Nach außen zwar läßt die Geschlechterliebe in der Tiefe der Leidenschaft ein neues Menschenleben entstehen. Aber ich wies schon darauf hin, daß in ihrer inneren Wirkung die Geschlechtlichkeit sowohl den männlichen wie den weiblichen Charakter ausgestaltet. Werden die Organe, in denen der Zeugungsstoff entsteht, also beim Manne die Hoden (Samenbereiter), auf operativem Wege entfernt, wie es bei der Entmannung in den morgenländischen Völkern und teilweise auch bei abendländischen geschah und geschieht, so sehen wir von derselben Stunde an eine völlig andere Entwicklung des betreffenden Individuums. Es entsteht ein von Grund aus anderer Charakter, der etwas Rückschrittliches, Unentwickeltes, darstellt und teilweise unangenehme Züge aufweist. Hier haben wir einen glänzenden Beweis für die entscheidende Bedeutung des Geschlechtlichen im Menschenleben. Und wir erkennen, daß der Geschlechtsmißbrauch auch eine Art Entmannung ist; denn er ist Verlust der Kraft auf andere Weise. Die Wissenschaft hat den hochwichtigen Beweis erbracht, daß der Körper in seinem Innern außer den Keimzellen in den Keimdrüsen noch durch einige andere Drüsen, die an der Entstehung des Geschlechtsempfindens mitbeteiligt sind, einen chemischen Stoff erzeugt, der im ganzen Körper anregend und belebend wirkt. Darum verstehen wir, warum die aufkeimende Liebesempfindung des einen Menschen zum andern so wunderbar fördernd auf ihn selber wirkt. Darum eben erkennen wir in dem Liebes- und Geschlechtsempfinden die Quelle alles Empfindens, alles Denkens und aller Kraft überhaupt. Es ist der geheimnisvolle Urquell all der wunderbaren Spannung, die die Jugend vor dem Alter auszeichnet. Gerade darum aber wirst du auch verstehen, warum diese jugendliche Spannung, diese Kraft und Frische, dieser schnell erfassende Geist, dieser rasche Entschluß, dieser feste Wille, dieser Reichtum des Empfindens, warum das alles schwinden und der trübseligen Schwäche Platz machen muß, wenn in der häufigen Onanie die Zeugungskeime verschwendet werden und jenem wunderbaren chemischen Lebensstoff der Weg zu seiner Wirksamkeit verlegt wird. Von allen Seiten türmen sich Gründe auf, aus denen du selbst den Schluß ziehen kannst, daß die geschlechtliche Reinheit, das Freisein von geschlechtlicher Ausschweifung, die wichtigste Entwicklungsfrage deiner Jugend ist. 8. Die Hoffnung auf neue Kraft. Glaube nicht, daß ich in irgendeinem Punkte übertrieben habe, oder daß ich nur deshalb übertrieb, um dich von falschem Tun abzuschrecken. Und wenn du schon ein Opfer krankhafter geschlechtlicher Erregungen wurdest, so möchte ich nicht, daß meine Worte in dir Verstörung, Angst und Verzweiflung erregen. Das, was geschah, war nicht gut, war schädlich. Gewiß! Aber laß es dich nicht niederdrücken! Trage nicht die Ketten trüber Erinnerungen mit dir herum, sondern schau auf die nächste Zukunft. Wir Menschen irren viel. Und wenn's geschah, soll die Erkenntnis niemanden niederdrücken, sondern Mut und Entschluß geben zu einem kraftvolleren, gesunderen Leben. Der Wille zum Guten muß vorhanden sein, der rasche, frische Wille. Laß dich das Bild der Folgen nicht niederdrücken, aber laß es dir den energischen Entschluß geben, von heute ab den ruhigen, verständigen Kampf gegen die einsame Verirrung aufzunehmen. Zähme deine Ungeduld und lasse nicht erneute Trostlosigkeit einziehen, wenn die Schäden der Verirrungen nicht gleich verschwinden. Es braucht dazu oft viel Zeit und viel Geduld. Nicht jeder kehrt wieder zur ursprünglichen Kraft zurück. Wenn's auch bei dir so ist, so wisse, daß dein Leben sich den krankhaft veränderten Verhältnissen in deinem Organismus anpassen muß. Verringerte Kraft bedingt ein weniger ergiebiges Leben. Dies alles, also die Grundlagen deiner zukünftigen Lebensweise, lernst du kennen aus _Dr._ ~Alfred Damms~ Reizlehre, und du kannst sie aufmerksam studieren in meinem Buche »Der nervöse Mensch«.[2] Lasse dich nicht täuschen durch die Anpreisung von Heilmitteln und von Stoffen, die entweder nur vorübergehend als Reiz wirken und Gesundung vorspiegeln oder aber einige Erscheinungen unterdrücken und dadurch zu einem weniger sorgfältigen Leben Anlaß geben, während doch zugleich die Schwäche weiter und geheimnisvoller sich im Körper einnistet. Viele solcher Mittel und Medikamente erhöhen nur den Geschlechtstrieb. Aber es folgt später eine um so tiefere Erschlaffung. Die Gesundung und Kräftigung kann immer nur aus dem Organismus selbst kommen, aus seinem verbesserten und vorsichtig überwachten Lebensbetrieb. Das ist ein zwar langer und langsamer Weg, aber einer, der sicher zum Ziele führt. Versuche nur niemals durch Reizmittel und starke Antriebe irgendwelcher Art deine Schwäche zu überwinden. Denn oft liegt gerade in dem Gefühl der Schwäche ein Bestreben des Körpers, Herr zu werden über einen krankhaften Vorgang, einen Überreiz zu beseitigen, eine besondere Anpassung oder Absonderung zu bewirken. Aus jenem obengenannten Buche über das Nervenleben wirst du erkennen, daß der Organismus ein einheitliches Getriebe ist, und daß alle günstigen oder ungünstigen Einflüsse nicht nur ein einzelnes Organ, sondern das ganze System treffen. So kann also die Kräftigung nur eine allgemeine organische, langsame, aber umfassende sein. 9. Die Kräftigung nach jugendlichen Verirrungen. Die Bekämpfung krankhafter Sinnlichkeit. Was soll ich nun tun, um mich wieder zu kräftigen? Und wie werde ich des Triebes Herr, der mich quält und unruhig mir im Fleisch sitzt? -- Diese Frage liegt dir auf den Lippen, und ich höre sie von Tausenden deiner Altersgenossen. Auch darüber wollen wir sprechen. Der Trieb kommt aus dem Fleische, aus dem chemisch-physikalischen Getriebe des Körpers, und darum ist es wohl ein Gebot der Klugheit, ihm zunächst mit den Waffen der körperlichen Pflege und der gesundheitlichen Zucht beizukommen. Das wird nicht von allen Seiten anerkannt, und es gibt Leute, die viele Worte machen und dicke Bücher schreiben, und entweder an der Onanie und den einsamen Leiden junger Menschen mit ein paar Worten vorbeigehen oder aber das Körperliche dabei kaum beachten. Ich will diesen Leuten keinen Vorwurf machen, so sehr der Ernst der Sache es rechtfertigen würde. Aber ich sage es, um dich ganz besonders auf die körperliche Entstehung des Geschlechtstriebes und damit auf die körperlichen Heilungsmöglichkeiten der Onanie hinzuweisen. Pflege deinen Körper! Halte dich gesund und frisch und straff! Ich sagte dir schon, daß ein geschwächtes und darum reizbares Nervensystem den sinnlichen Anreizen, die von überall herkommen, und die man nicht alle abwehren kann, keinen Widerstand entgegenzusetzen vermag. Es erliegt der geschlechtlichen Erregung. Der gesunde Körper, der Mark und Saft hat, bleibt eher im Gleichgewicht. Alles Gesunde ist in sich ruhig. Was gehört zur gesunden Lebensführung? Nichts weiter, als die einfache Befolgung der Naturgesetze, die sich für den Menschen aus der vergleichenden Naturbeobachtung ergeben. Ein gesunder Gebrauch der Kräfte und Organe, damit sie in ruhiger, gleichmäßiger Anstrengung erstarken. Aus Atmung, Ernährung, Muskelarbeit und Ausscheidung setzt sich das körperliche Leben zusammen. Atme planmäßig, tief und ergiebig. Besser, als du es bisher getan, und gründlicher, als es die meisten Menschen tun. Atmung ist Leben. Die Atmung ist die dynamische, das heißt die Antriebskraft für den ganzen Organismus. Von hier aus gehen die feinen Schwingungen, die überall die Organe zur Tätigkeit anregen. Der Atem ist Stoffwechsel. Denn wir entnehmen der Luft den belebenden Sauerstoff, das Brennmaterial des Lebens, und befreien im Ausatmen den Körper von der giftigen Kohlensäure. Die Kohlensäure ist ein lähmendes Gift, das, wenn es zurückgehalten wird, den Körper erschlafft, den Aufbau in den Geweben hemmt, den Geist träge macht und durch all dies der Geschlechtserregung die Tore öffnet. Tiefes Atmen, namentlich energisches Ausatmen, befreit den Körper von der Kohlensäure. Darum atme grundsätzlich dreimal jeden Tag etwa 10 bis 15 Minuten lang tief und ergiebig ein und aus. Etwa morgens gleich nach dem Erwachen, mittags vor dem Essen und abends vor dem Schlafengehen. Nimm dabei eine aufrechte Haltung mit zurückgebogenen Schultern an, und wenn du glaubst, gut ausgeatmet zu haben, dann versuche zum Schlusse noch -- ohne neuen Atem zu nehmen -- den Buchstaben _e_ langsam singend herauszupressen, solange du kannst, dann wird der letzte Rest verbrauchter Luft aus der Lunge entfernt sein, und du kannst die wundersame Saugkraft deiner Lungen wieder in einem nun um so tieferen Atemzug bewundern. Du wirst mir für diesen Rat dankbar sein, wenn du erkennst, welche Wunder solch ein tiefes, planmäßiges und vor allen Dingen tägliches Atmen an Körper und Geist zuwege bringt. Die zweite -- und sicherlich die wichtigste -- Forderung liegt in der Ernährung. Die Nahrung soll den Körper aufbauen, ihm seine Wohlgestalt und die Kraft zur Arbeit geben. Als die erzeugende Substanz der Kraft gilt das Eiweiß. Und weil davon das Fleisch besonders viel enthält, so ist seit langem in der Wissenschaft, und von da aus in den allgemeinen Anschauungen, der Satz feststehend, daß Fleisch = Kraft sei. Die praktische Folge davon ist, daß alle Welt gern und viel Fleisch ißt. Je mehr das Volk in seiner Gesamtheit degeneriert, desto mehr sucht es durch Fleischnahrung seiner sinkenden Kraft aufzuhelfen. Das ist verständlich, so groß auch wohl der Irrtum ist. Und die Vegetarier, das sind die ohne Fleisch und nur von Pflanzenkost lebenden Menschen, haben durch glänzende Siege bei sportlichen und gymnastischen Veranstaltungen längst jenen alten Satz der Medizin widerlegt. Unter den Siegern bei solchen Veranstaltungen sind die meisten Vegetarier. Jedes Nahrungsmittel hat seine ganz bestimmte chemische Zusammensetzung, und jeder von diesen chemischen Stoffen hat eine besondere Wirkung auf den Körper und damit auch auf den Geist. Sie können nun so wirken, daß sie die Blutbeschaffenheit beeinflussen, oder so, daß sie direkt das Nervensystem erregen, und schließlich so, daß sie bei der Ausscheidung ihrer Stoffwechselreste durch die Nieren ~reflektorisch~ erregen, d. h. erst die Schleimhäute der Harnwege und von diesen aus die Geschlechtsnerven erregen. In jedem Falle kann ein erregender Einfluß auf die Geschlechtsempfindungen zustande kommen, und das können wir vom Fleisch mit Bestimmtheit behaupten. Es wäre mit dem Fleisch nicht gar so schlimm, wenn man nicht zwei Übelstände nebeneinander sich ausbreiten sähe. Die Grenzlinie für eine normale, ausreichende Ernährung hat sich längst verschoben, und die Menge dessen, was viele Menschen essen, geht weit über das Maß des für sie Zuträglichen hinaus. Namentlich wird zu viel Fleisch gegessen. Andererseits fehlt aber das für eine solch starke Nahrungsmenge notwendige Maß von Bewegung, zumal Fleischnahrung an und für sich träge macht. So kommt also eine schädliche Wechselwirkung zustande. Die Pflanzenkost verlangt wegen ihres größeren Darmballastes mehr körperliches Bewegen; aber sie befähigt dazu auch in weit höherem Maße, denn Pflanzenkost macht den Körper frischer und beweglicher, den Geist und den Willen frischer und mobiler. Pflanzenkost hält auch die Darmtätigkeit rege, während starke Fleischnahrung nach einiger Zeit Darmträgheit, also Verstopfung, im Gefolge hat. Dadurch entstehen giftige Gase, die die Gewebe durchdringen und reizend und erregend auf die Geschlechtsnerven einwirken. Das tut ja nun das Fleisch schon an und für sich, und zwar durch Stoffe, die ohnehin in ihm enthalten sind, und durch andere Stoffe, die durch den Vorgang des Schlachtens oder denjenigen des Jagens in dem getöteten Tier erzeugt worden sind, und die man schlechthin als »Angststoffe« bezeichnen kann. Das Vorhandensein und die Wirkung dieser Angststoffe ist durchaus keine Phantasie, sondern eine durch nichts hinwegzudisputierende Tatsache. Jedem geistigen Vorgang geht ein bestimmter Stoffwechselvorgang parallel. Spritzt man den Angstschweiß eines gejagten Tieres einem anderen ins Blut, so kann dasselbe sterben. Ja, das geängstete Tier kann ebenso wie der geängstete Mensch am Herzschlag sterben. Das ist nur und ausschließlich die Wirkung der freigewordenen giftigen Angststoffe. Es ist verständlich, daß diese im Fleisch enthaltenen, durch das Töten vermehrten Stoffe auch auf den Menschen ihre reizende und erregende Wirkung entfalten. Dieser Reiz ist, weil widernatürlich, ein Überreiz, und er wirkt überall da am stärksten, wo die Widerstandsfähigkeit am geringsten ist. Wer zur Trägheit neigt, wird durch das Fleisch noch träger, wer jähzornig ist, wird durch das Fleisch noch mehr gereizt, und so wird durch das Fleisch auch die geschlechtliche Reizbarkeit gesteigert und die Onanie gefördert. Der Fleischgenuß soll also auf das geringstmögliche Maß herabgesetzt oder ganz ausgeschaltet werden. Es ist recht interessant, daß Kinder, die frühzeitig lebhaft nach Fleisch verlangen, zu frühzeitigem geistigem und körperlichem Verfall neigen, während andererseits Kinder, die sich dem Fleisch widersetzen, eine kräftigere, ruhigere, überhaupt normalere Entwicklung nehmen. Besonderer Gunst erfreut sich ja das Wildbret (Hasen-, Rehbraten u. dergl.). Und doch ist gerade von unserem Gegenstand aus vor dem Fleisch des Wildes zu warnen. Denn abgesehen davon, daß das Wild vor dem Tode gehetzt wurde, läßt man es meist vor der Zubereitung noch tage-, ja wochenlang (drei Wochen!) »abhängen«, um einen bestimmten Geschmack zu erzeugen, den man »_haut goût_« nennt. Dieser Geschmack ist aber nur die Folge eines Zerfall- (Verwesungs-) Vorganges, der bestimmte Zerfallsstoffe freiwerden läßt, deren Geruch und Geschmack dem unverdorbenen Menschen höchst widerlich sind, deren aufreizende Wirkung auf den Organismus jedenfalls sehr stark ist und nicht in Frage gestellt werden kann. Denn ausgesprochenermaßen ist das ja der Zweck des Wildbretgenusses. Noch vorsichtiger sollen alle diejenigen, die unter geschlechtlichen Anfechtungen leiden, mit dem Genuß von Wurst sein. Abgesehen davon, daß sie ein recht teures und an Nährwert dem Preise durchaus nicht entsprechendes Nahrungsmittel ist, wird einigen und gerade den besseren Sorten recht viel Gewürz (Pfeffer, Salz usw.) beigemengt, dessen Wirkung auf die Geschlechtserregung durch alltägliche Beobachtung bewiesen wird. Viel Aufhebens wird ja in der Ernährung des Volkes von Fleischbrühe und Fleischextrakt gemacht. Erstens herrscht darin die gedankenlose Überlieferung und zweitens die suggestive Macht der ungeheuren Reklame, die für künstliche Fleischextrakte gemacht wird. Es muß gesagt werden, daß der Gehalt an eigentlichen Nährstoffen bei der Fleischbrühe nur sehr, sehr gering ist, und man die anregende Wirkung nur jenen Auszugsstoffen zuschreiben muß, über deren reizende und erregende Rolle wir schon sprachen. Wenn die Fleischbrühe hier und da im medizinischen Sinne als Reizmittel Verwendung findet, so hat das seine Gründe. Als Nahrung aber ist die »Bouillon« nicht das, was man von ihr hält. Sie gehört mit zu jenen inneren Geschlechtsreizen, die um so gefährlicher werden, je weniger man sie in ihrem Wesen kennt, je häufiger und gedankenloser man sie also verwendet. Wer über seine Sinne wachen muß, der darf sich nicht am guten Willen genügen lassen, sondern muß jene oft handgreiflichen Triebkräfte seiner sinnlichen Erregbarkeit abstellen, damit nicht der Geist den Kampf gegen das -- »Fleisch« im doppelten Sinne zu führen hat. Auch andere Nahrungsmittel gibt es, die in diesem Sinne keineswegs unbedenklich sind. Ich nenne vor allem die Eier. Sie scheinen die Samenerzeugung zu steigern, haben aber besonders eine Wirkung auf den Blutdruck. Hoher Blutdruck drängt gewissermaßen zur geschlechtlichen Entspannung, durch die er herabgesetzt wird, weshalb alles, was ihn steigert, vermieden werden sollte. Das chemische Medium dabei sind die Alkaloide, die als »Harnsäure« eine nach verschiedenen Richtungen hin krankmachende Wirkung entfalten. Sie sind aber auch im Kaffee und im Tee enthalten, weshalb diese Getränke jedenfalls nicht gewohnheitsmäßig und nicht in starkem Aufguß genossen werden sollten. Ein schwacher Tee ist weitaus besser als der übliche Kaffee, der bei den meisten Menschen ganz bedenklich die Magenarbeit stört, die Nerven erregt und bei jungen Menschen recht geeignet ist, sinnliche Bilder in die Phantasie hineinzuspiegeln. Gewürze sind über ein gewisses Maß hinaus zu verwerfen. Denn als Fremdstoff üben sie eine reizende Wirkung auf die Geschlechtsnerven aus. Werden die Nahrungsmittel, besonders die Salate und Gemüse, richtig zubereitet, so verlangen sie nicht einmal so viele Gewürze, aber gerade weil man in der Ernährung den Boden des Einfach-Notwendigen verlassen und sich oft zur sogenannten »Delikatesse«, zur Feinschmeckerei, zur Raffiniertheit verstiegen hat, hat man den Geschmack an einfachen und natürlichen Nahrungsmitteln verloren und das Nervensystem in einen beständigen Aufruhr, in eine »Süchtigkeit« versetzt, die heftig das verlangt, an das es gewöhnt wurde, wenn es auch falsch war. An diesem Aufruhr ist das Geschlechtsempfinden beteiligt. Es wird aus der gesunden Ruhe aufgescheucht, zu krankhafter Erregung getrieben, und es wäre recht gut und förderlich, wenn alle die jungen Menschen, die in heißem Ringen um ihre sittliche Würde immer wieder der geschlechtlichen Anfechtung verfallen, ganz sorgfältig die Nahrung prüfen würden, damit die inneren Geschlechtsreize unterbunden werden, bevor man den sittlichen Willen in den Kampf schickt. Man darf behaupten, daß eine vegetarische Diät weit mehr den natürlichen Lebensgesetzen des menschlichen Organismus angepaßt und darum nach jeder Richtung hin geeignet ist, Unruhe und Krankheit aus dem Körper zu beseitigen und normale, ruhige, gesunde Verhältnisse wiederherzustellen. Dem menschlichen Geschlechtsleben ist der starke Fleischgenuß verderblich gewesen, und eine Rückkehr zu einfacher Pflanzennahrung wird wieder gesunde Ruhe und ruhige Kraft bringen. Kennst du so die gefährliche Wirkung der mit der Nahrung eingeführten Reizstoffe, so mußt du auch daran denken, daß die Resterzeugnisse des Verdauungs-, Assimilations- und Stoffwechselvorganges gerade wegen ihres Zerfallscharakters auch nichts anderes als schädliche Reizstoffe sind. Sie müssen den Körper sobald wie möglich verlassen. Nur dann, wenn es geschieht, kann man von einem gesunden Stoffwechsel sprechen. Es geschieht aber nicht immer, und die Zahl der Menschen ist Legion, die an Darmträgheit oder Verstopfung leiden. Über die Ursachen dieses Übels sprachen wir schon. Zu viel Fleischkost und zu wenig Bewegung, also nervöse und Muskelerschlaffung. Später wird die Darmerschlaffung eine Folge des geschlechtlichen Mißbrauches in der Jugend. Mit diesen Ursachen kennen wir zugleich auch die Mittel zur Beseitigung. Notwendig ist diese; denn der gefüllte Darm übt rein mechanisch einen Druck aus, der sich in Geschlechtserregung auslöst. Grobes Brot (Schrot-, Graham-, Simons- oder Molkenbrot), Gemüse, Salate und reichlich Obst führen in den meisten Fällen eine gute Darmtätigkeit herbei. Auch die gefüllte Blase steigert auf reflektorischem Wege den Geschlechtsreiz, und namentlich junge Männer haben am Morgen beim Erwachen meist Gliederregungen, die mit dem Harndrang zusammenhängen. Ist die Harnblase entleert, so ist meist auch die Erregung verschwunden. Im Hinblick darauf sollten junge Männer es vermeiden, am Abend viel zu trinken. Das Trinken ist ja schon an sich sinnlos, aber für die Zurückdrängung der Sinnlichkeit besonders zu beachten. Den alkoholischen Getränken gegenüber entschließest du dich am besten zu vollkommener Enthaltsamkeit. Bier, Wein, Schnaps, Liköre und dergleichen haben keinen Wert als Nahrungsmittel und werden darin von den allereinfachsten Dingen wie Milch, Brot, Käse, Obst und Obstsäften übertroffen. Als Reizmittel aber sind sie dem Nervensystem verderblich, dem Geschlechtstrieb gefährlich, und darum ist es sinnlos, sie zu trinken. Im Kampf mit dem Geschlechtstrieb muß man solche gefährlichen Gegner, wie den Alkohol, zu allererst verscheuchen. Ich will an dieser Stelle einiges über das Bett sagen; denn auf sein Schuldkonto ist manches von den sinnlichen Verirrungen zu setzen. Mit zunehmender Kultur wurden Unter- und Oberbett und auch die Kissen immer weicher, schmiegsamer. Dadurch wird die Berührung dieser Dinge mit dem Körper inniger, und das ist angesichts der großen Empfindsamkeit der äußeren Nerven nicht unbedenklich. Es entsteht unter den Federbetten eine Wärmestauung, und Wärme steigert überall das Empfinden. Wenn nun aus gesteigerter Wärme und äußeren Tastreizen sinnliche Träume entstehen, so geschieht es leicht, daß die Hände die geschlechtlichen Organe berühren und eine Geschlechtserregung unbewußt im Schlafe oder auch bewußt herbeiführen. Mancher junge Mensch wacht plötzlich vom Schlafe auf in einem Augenblicke, wo der onanistische Akt ganz oder teilweise vollführt ist. Diese Gefahr ist ganz besonders groß morgens kurz vor oder nach dem Erwachen, wo die gefüllte Harnblase eine Erregung verursacht und die Bettwärme sinnliche Bilder entstehen läßt. Am Morgen ist namentlich bei nervösen oder sonstwie leidenden Menschen die allgemeine Kraft und besonders die Willenskraft noch gering. Beide wachsen erst an den Arbeitspflichten des Tages. In dem Träumen und Hindämmern im Bett nach dem Erwachen liegt etwas riesig Gefährliches, und es hat wohl schon ungezählte Tausende von jungen Menschen ihrem guten Vorsatz entfremdet. Es gilt hier, wie in so vielen Gefahren des Lebens, der Satz. »_Principiis obsta_«. Widerstehe dem Anfang! Wenn du erwachst, so erhebe dich mit einem mannhaften Entschluß! Stehe frisch entschlossen auf, kleide dich an, bewege dich und beginne zu arbeiten. Gib dich nicht eine Sekunde dem sinnlichen Hindämmern hin. Es ist immer ein Ringen zwischen Trieb und Wille. Je mehr du den sinnlichen Trieb träumend ansteigen lässest, desto schwächer wird dein Wille, bis er schließlich ganz unterliegt. Mache es dir vor allem zum ~eisernen Grundsatz~, die Geschlechtsorgane nur dann zu berühren, wenn die Notdurft des Leibes es verlangt, ~sonst unter keinen Umständen~. Jenes Spielen, das die angenehme leichte Erregung herbeiführt, ist wie ein Zunder in einem Explosionsstoff. Du willst nicht die Explosion, aber es glüht und glüht, bis mit einem Male dein Wille und dein moralischer Widerstand zusammenbrechen unter der angetriebenen Sinnlichkeit, und es -- wieder einmal geschehen ist. _Principiis obsta!_ Widerstehe dem Anfang! Auch Krankheitserscheinungen mancherlei Art gibt es, die geschlechtsreizend wirken. Von den schweren Leiden, wie Lungenschwindsucht, mit ihrer oft verzehrend-fieberhaften Sinnlichkeit, will ich nicht sprechen. Wohl aber von örtlichen Störungen in der Geschlechtsgegend, die von einem mehr oder weniger heftigen Juckreiz gefolgt sind. Entweder finden sich dann Darmparasiten, Eingeweidewürmer mancherlei Art, oder es handelt sich um Hautmilben oder Hautleiden, welch letztere von Blasen-, Knötchen- oder Borkenbildung gefolgt sind und ein oft fürchterliches Jucken und Kratzen veranlassen. Wohl immer sind dies Folgen von Unsauberkeit, und der wohlmeinende Hygieniker hat ernstlich darüber Klage zu führen, daß die wohltätige und gesundheitswichtige Gewohnheit des Badens noch nicht genügend weit im Volke verbreitet ist. Auf ein einmaliges Bad in der Woche bildet man sich schon mancherlei ein. Aber für junge Menschen, die über geschlechtliche Anfechtungen klagen und sich von der Onanie befreien oder freihalten wollen, genügt das keineswegs. Sie sollten die gar zu warmen Bäder meiden und allabendlich eine Waschung des gesamten Unterleibes einschließlich der Oberschenkel und des unteren Rückens mit kühlem Wasser machen und könnten, wenn die sinnliche Erregung nur schwer zu bändigen ist, diesem Wasser etwa ein Fünftel Kampferspiritus beimengen; das kühlt und beruhigt. Namentlich ist es dem jungen Manne ratsam, den vorderen Teil des Gliedes, die Eichel, öfter durch Zurückziehen der Vorhaut freizulegen und kühl abzuwaschen. Dadurch entfernt man jenen Ausscheidungsstoff, der sich hier festsetzt und die Geschlechtsnerven reizt. Die kluge Gewohnheit des Badens wird an Wert und gesundheitlicher Bedeutung noch übertroffen durch das Luftbad. Es schließt eine natürliche Form des Lebens in sich und bringt viel Kraftsteigerung für das Nervensystem. Es gehen viele ins Luftbad, die krank sind und sich von ihren Leiden befreien wollen. Aber klüger ist es wohl, schon -- ehe man krank geworden -- einen Teil der Jugendjahre im Luftbade zuzubringen, um im kräftigenden Reiz der atmosphärischen Luft, im freien Lauf und im frisch-fröhlichen Spiel die sinnliche Lust einzudämmen und umzuwandeln in Spannkraft des Körpers und des Geistes. Die sitzende Lebensweise in den Schulen, Bureaus, Werkstätten und Fabriken führt zu einer Stockung des Blutes und der Säfte in den inneren Organen und zur Erschlaffung der Muskeln und der äußeren Haut; das häufige Luftbaden schafft gründliche Änderung darin und bringt, namentlich wenn es grundsätzlich auch im Winter im Freien genommen wird, mit der Abhärtung zugleich auch einen frischen offenen Sinn, der es für verderblich und unmännlich halten muß, sich schlaffen, sinnlichen Träumereien hinzugeben. Um im Luft- und Sonnenbade ganz richtig zu handeln, dir nicht zu schaden, lies mein Buch »Die Heilkraft des Luft- und Sonnenbades. Rationelle Körperpflege durch Luft, Licht und Wasser«[3]. Du findest darin eine ganz eingehende Darstellung dieses vornehmsten Gesundheitsmittels und genaue Anweisungen für dein Verhalten. Da, lieber Leser, sind wir überhaupt bei der Frage der Muskelarbeit angelangt, und damit bei einer Frage von so großer Wichtigkeit, daß wir darüber noch einiges sagen müssen. Das Leben ist eine wunderbare Einheit, und tief im Innern des Organismus, im Chemismus der Gewebe, werden in geheimnisvoller Weise die Kräfte frei, die das Leben zur Entfaltung bringen. Im ewigen Kampf ums Dasein empfing jedes Lebewesen, empfing auch der Mensch seine ganz bestimmte Form, seine körperliche und geistige Organisation. Der Kampf ums Dasein zog die Kräfte bald hierhin, bald dorthin und hat vor allen Dingen in der Notwendigkeit der Körperarbeit und der körperlichen Anstrengungen die Muskeln stark und leistungsfähig gemacht. Mit einem Male wurde die Muskelarbeit zurückgedrängt. Durch die Entfaltung der Technik, der Industrie, der Wissenschaften, wurden immer mehr geistige Kräfte verlangt, während die Körperkraft im Kampf ums Dasein von Tag zu Tag mehr ihre Bedeutung verliert. Namentlich der Jugend aber, die ihres raschen Wachstums und Stoffwechsels wegen und ihrer ganzen Anlage nach zu körperlicher Bewegung drängt und darauf angewiesen ist, wenn sie sich normal entwickeln soll, ist das viele Stillsitzen gefährlich geworden. Die frei werdenden Kräfte finden keine Verwendung, keinen Ausweg. Würden sie in Körperarbeit verwendet, so würde sich der Körper dabei aufbauen, würde die gelösten Stoffe sich selber als dauernden Besitz anbauen, würde stark und kräftig werden. So aber suchen sich die herrenlosen Kräfte einen Ausweg und werfen sich auf den Geschlechtssinn, den sie erregen und steigern und zur Entladung drängen. So ist vielfach die Onanie eine Entladung von Kräften. Aber diese Kräfte werden dem körperlichen und geistigen Dauerbau entzogen, und statt daß sie in ihrer stetigen Verwertung den Organismus stark machen sollen, führen sie nun ein Anwachsen, eine Züchtung des Geschlechtstriebes herbei. So verstehen wir es, daß eine starke Geschlechtsbetätigung eine verhehrende Wirkung auf Körper und Geist hat. Ja, gerade die in der Gegenwart so beliebt gewordene Methode der frühen geistigen Erziehung der Kinder fördert ihre sinnliche Entwicklung maßlos. Die Freude der Mutter über die regen geistigen Interessen ihrer Lieblinge ist verderbliche Naivität; denn die geistige Regsamkeit ist nervöse Entwicklung. Diese unsinnige Erziehung: geistiger Drill bei körperlicher Trägheit! Unaufhaltsam werden die Kinder der Geschlechtserregung zugetrieben. Die Eltern sind blind, sehen nichts und lassen zwischen ihren Kindern oder zwischen den Kindern und den Dienstboten Dinge geschehen, über die sie entsetzt sein würden, wenn sie nur ein einziges Mal Augen- oder Ohrenzeugen wären. Und dabei sind es oft Väter und Mütter, die mit größtem Ernst, mit sittlichen und religiösen Mitteln ihre Kinder erziehen wollen und doch sie verderben. Nichts ist notwendiger in unserer Zeit, als diesen Kräftestrom wieder in sein natürliches Bett zurückzulenken, die natürlichen Lebensbedingungen wiederherzustellen, körperlich zu arbeiten. Oder, wo das nicht ausgiebig möglich ist, Sport und Gymnastik zu betreiben. Der gesunde Instinkt der Jugend hat das überall erkannt. Und überall in Deutschland begegnet man jetzt den Wandervögeln, den Pfadfindertrupps, sieht man Tennisspiel, Fuß- und Faustball u. a., gibt es Turn- und Sportvereine, Sommer- und Wintersport, Berg- und Wassersport. So ist es recht, und niemand sollte sich davon ausschließen. Ein junger Mensch, der immer zu Hause sitzt und nicht da draußen seine Kräfte übt, seine Lungen weitet, hat keine rechte Jugend gekannt. Und daß gerade die blassen Stillsitzer unter den Onanisten so häufig zu finden sind, beweist die Gefahren der körperlichen Untätigkeit. Die Wandervögel, die Pfadfinder sind an Zahl gewachsen. Aber zehnmal, hundertmal so viel müßten es sein. Ein nationales Erwachen müßte durch das Volk, müßte vor allem durch die Jugend gehen, daß wir mehr von den Büchern und der blassen Stubenhockerei und dem verdammten Kneipen-, Sauf- und Lumpenleben loskommen. Das deutsche Volk wurde vor dem Kriege leider immer reicher an Theoretikern, Maulhelden und Schlafmützen und an jenen ästhetischen, saftlosen Dekadenten, die elegant und blasiert im Café saßen, über Gott und die Welt räsonnierten und überlegen philosophierten, aber selber im Leben nirgendwo einen rechten Platz ausfüllten, sondern nur die Scheu vor der Arbeit allerorten großzogen. Diese schlaffen Kerle kriegen nur Spannung, wenn das Erotische ihr Auge oder ihr Ohr trifft, wenn »die Weiber« das Gesprächsthema bilden. Alles andere vermag ihre ausgelaugte Intelligenz nicht mehr hervorzulocken. Laß dir dies kühl blasierte Gesicht nicht imponieren! Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Laß dir daran gelegen sein, einen kräftigen, gesunden, elastischen Körper zu gewinnen, den diese »moderne« Schlaffheit und Moralfaulheit nicht überwinden kann. Sparst du die Geschlechtskraft, so lenkst du sie um in alle Organe deines Körpers und baust dir aus dem geheimnisvollen Lebensstoff ein Leben, das im Alter die Klugheit deiner Jugend segnet. Es ist wahrlich keine Schwarzseherei, wenn ich darauf hinweise, daß auch das Turnen in mancherlei Hinsicht Gefahren in sich trägt. Die Geschlechtsorgane sind bei vielen, namentlich bei den nervös veranlagten jungen Menschen leicht reizbar. Darum ist es geraten, zum Beispiel beim Klettern an Stangen und Tauen Reibungen der sexuellen Organe zu vermeiden. Wo eine Gefahr besteht, kann man nicht genug auf der Hut sein. In den Schulen und beim Militär wird ja auch auf einen korrekten Kletterschluß geachtet. Vorzügliche Beachtung verdient neben den Wanderungen, die den Körper stärken und den Geist zugleich ablenken und ausfüllen, das ~Schwimmen~. Junge Menschen, deren sinnlicher Trieb sich in den Vordergrund drängt, sollten fleißig das Schwimmen üben; denn es behebt die Blutfülle in den Unterleibsorganen, die oft die unmittelbare Ursache der geschlechtlichen Erregungen ist. Auch werden die sinnlichen Vorstellungen und Träume, die aus solchen Blutstauungen entstehen, durch das Schwimmbad energisch beseitigt und durch den niederschlagenden Kältereiz stets auf einige Zeit zurückgehalten. Ich empfehle aber rasches Auskleiden, energisches Hineingehen ins Wasser und schnelles Wiederankleiden. Nichts aber ist nach allen Seiten hin von so großem Werte wie das tüchtige ~Luftbaden~. Es vereinigt viele Faktoren der Gesundheitspflege und Nervenstählung in sich und stellt die kraftvollste und unmittelbarste Verwirklichung jenes »Zurück zur Natur« dar, das seit Rousseau immer lebendiger in die allgemeinen Lebensanschauungen hineingetreten ist. Zeitweilig und regelmäßig sich im Freien, in abgeschlossenen Luftbädern oder im einsamen Wald, der Kleider zu entledigen und den nackten Körper bei guter und schlechter Witterung der Luft auszusetzen, das ist eine Klugheit und eine Wohltat zugleich. Ein Kraftzuwachs ist der Gewinn dieser Klugheit. Und wenn das Luftbad mit tüchtiger Bewegung, Laufen, Springen, Turnen oder -- wo es geht -- mit Schwimmen verbunden wird, dann verscheucht es sicherlich alle die wirren sinnlichen Phantasien, unter denen der blasse Stubenhocker leidet. Der gewaltige Bewegungsdrang der Jugend will und muß entladen werden, denn dieser Bewegungsdrang ist ja eben Jugend, und in seiner Betätigung liegt das Geheimnis des Wachstums, der Erstarkung. Wird alles Körperliche, Spiel, Sport, Gymnastik, Schwimmen, Luftbad, Turnen, unterbunden, und zwingen Elternhaus und Schule zur Stillsitzerei hinter den Büchern, dann stauen sich die Jugendkräfte und entladen sich da, wo krankhafte Reizbarkeit ihnen ein Tor öffnet, in der Geschlechtssphäre. Wenn so die drängenden, jugendaufbauenden, lebengestaltenden Kräfte in der Onanie einen Ausweg gefunden haben, dann verlangt der erschöpfte Organismus nicht mehr nach körperlicher Kraftentladung. Dem erschlafften Körper ist das Stillsitzen ein Bedürfnis, eine Wohltat, und aus dem Onanisten entwickelt sich oft in der Schule der blasse, folgsame Streber, der der Stolz des Lehrers ist und den doch das Leben später, wenn er nicht mehr so recht vorwärtskommt, darüber belehrt, daß nicht allein geduldiges Sitzen, sondern Entschlußkraft, Mark und Saft dazu gehören, ein Ziel zu erreichen. Dies sind aber Werte, die durch geschlechtliche Reinheit in der Jugend gewonnen werden. Besser noch und richtiger als alles, wovon ich oben sprach, besser als Sport, ist die Arbeit, die rauhe körperliche Arbeit. Der Sport hat noch kein Volk groß gemacht, sondern die Arbeit, die harte, rauhe Notwendigkeit. Denn Sport verleitet überall zu Rekordleistungen, zu Übertreibungen, zu Fexerei und -- Schwindel. Der Sport läßt hier und da nichts mehr von seinem inneren Werte merken und ist zum Schaustück, zur Unterhaltung, zum Nervenkitzel geworden. Das beweisen -- die Wetten und der Totalisator. Die Sucht nach wahnsinnigen Gipfelleistungen ist eine Erscheinung der Neurasthenie eines ganzen Volkes. Schlaffe Nerven antworten nur auf starke Reize. Der Sport ist sicherlich die notwendige und wohltätige Reaktion gegen Schul- und Schreibstuben- und Fabrikarbeit. Aber der Sportmatador hat viel zu sehr die bewundernden Blicke auf sich gezogen und den Sinn abgelenkt von der körperlichen Arbeit, die greifbare Werte schafft. Geh aufs Land hinaus und sieh die Arbeit der Bauern. Sie bestellen den Acker, und von den Erzeugnissen ihrer Arbeit, von Kartoffeln, Kornfrucht, Grünzeug, Obst und Viehzucht nährt sich das ganze Volk. Ist das nicht wertvoller als sechs Tage lang wie ein Besessener im Kreis herumzuradeln und klüger noch, als bei diesem Unsinn zuzusehen? Aber im Frühjahr und namentlich im Herbst ist auf dem Lande Leutenot. Haben wir Deutschen nicht genug Hände zum Arbeiten? Ei, jawohl! Aber sie stecken in den Hosentaschen und sind -- manikürt. Und während der Bauer am Abend sorgend den drohenden Himmel betrachtet und vor Sonnenaufgang aufsteht, um in harter Arbeit, mit Frau und Kindern und mit den wenigen Kräften, die er bekommen kann, den Reichtum seiner Fluren in den Scheunen zu bergen, sitzen in der Stadt Tausende im Kaffeehaus, spielen sie Tennis- und Fußball und tragen in sich den glückseligen Gedanken von der »Gesundheit des Sports«. Ja, gewiß ist er gesund! Aber ließe sich nicht ein weniges von all der spielenden Kraft in Ernst, in Arbeit umwandeln? Sollen wir geschlagenen Deutschen nicht eine ganz neue Zukunft bauen? Könnten nicht die jungen Burschen, die Sportklubs, die Wandervögel und Pfadfinder, zum mindesten in den Ferien, einmal zu den Bauern hinauswandern, um zu arbeiten? Muß man immer spielen? Und vielleicht nur deshalb spielen, weil zu jedem Sport auch gleich ein »schickes« Kostüm erdacht wird? Ja, die kostümlich-dekorative Marke verdrängt oft sehr aufdringlich die innere Kraft der Sache. Die Arbeit auf dem Lande wäre für die jungen Burschen aller Stände nicht nur gesundheitlich förderlich, sondern auch ein kräftiger Faktor ihrer sozialen Erziehung. Das deutsche Volk war vor dem Kriege auf jener Stufe der Degeneration angelangt, wo in einem letzten Aufflackern der Körperkraft der Gedanke an die Arbeit im Sport ästhetisch kultiviert wurde. Alle Welt litt und erkrankte an der körperlichen Untätigkeit und der geistigen und nervösen Überreizung. Alle Welt schaffte sich nicht Hunger und Verdauungskraft in der Arbeit, sondern hatte die Mahlzeiten zu einer Haupt- und Staatsaktion erhoben und litt am zu vielen Essen. Das Geschlechtliche war das Ventil, aus dem die krankhafte Spannung entwich, und der geschlechtliche Mißbrauch folgte der körperlichen Untätigkeit und der Unmäßigkeit des Essens und Trinkens auf dem Fuße. Aber das ging an die Nervenkraft, und alle Welt ging in die Sanatorien, um -- die Zeit weiter totzuschlagen. Das große Heilmittel für die Neurastheniker und die anderen Leidenden, die Körperarbeit, wollte niemand versuchen. Hatte der Arzt eine Überzeugung, so mußte er sie für sich behalten, sonst kostete sie ihn die Kundschaft. Nur wenigen gelang es, sich dem großen Humbug mit Erfolg entgegenzustemmen. Nun hat der Krieg uns aus dem Hindämmern aufgeschreckt, uns den Abgrund gezeigt, an dem wir hintaumelten. Nun soll ernste, strenge, harte Arbeit uns einen ganz neuen Weg führen. Aus Arbeit und rauhen Notwendigkeiten entstieg die Kraft und erblühte das Leben in tausend Schönheiten. Nun war die Kraft im Schwinden, und ihre Wiedergeburt, die Regeneration, muß auch erst wieder durch die rauhe Notwendigkeit der Arbeit, durch Einfachheit, durch Körperstählung und durch geschlechtliche Reinheit hindurchgehen. Die Menschen haben sich an den Anblick der körperlichen und seelischen Leiden und an das häufige und allgemeine Schmerzgefühl so sehr gewöhnt, daß sie glauben, Schmerz und Krankheit lägen in der Natur der Dinge und seien unvermeidliches und unabwendbares Schicksal. Darum ertragen viele ihre Leiden in gedankenloser Ergebenheit oder führen Klage über ihr persönliches Unglück. Die heftigen, impulsiven Naturen murren auch wohl gegen das »Schicksal«. Die wenigsten nur sind es, die bei sich selbst nach den Ursachen spähen und -- durch Erkenntnis klug geworden -- in vorsichtigerer Lebensführung alle die allgemeinen Übel vermeiden. Von nichts aber dürfen wir mehr überzeugt sein als davon, daß bei vernünftiger Lebensführung Krankheiten ganz außerhalb der Lebensgesetze des menschlichen Organismus liegen. Haben wir nur ein klein wenig natürlich denken gelernt, so müssen wir erkennen, daß die Natur Gesundheit und Glück gewollt hat, und die Irrtümer und Fehler des Lebens dem Einzelmenschen schaden und von ihm aus die Gesamtheit angreifen. Die Verletzung der Naturgesetze -- im Geschlechtsleben mehr als anderswo -- verwirrt die Wege der Kraft, der Schönheit und des Glückes, die den Menschen von der Natur gewiesen sind, und bringt Krankheit, Schwäche und Tod. Wir Menschen von heute aber haben etwas, was niemand je vorher besaß, die klare Erkenntnis von den wahren und eigentlichen Ursachen des Verfalls. Wir sehen mit Entsetzen den Geschlechtsmißbrauch die Kraft der Menschen und der Völker zerstören und sammeln alle Kräfte, um dieser zerstörenden Gewalt zu begegnen. Die klare Erkenntnis hat uns Hoffnung, Mut und Wille gegeben, und das Leben, das vor uns liegt, steht im Zeichen einer neuen Zeit, in der in einem gesunden Körper wieder eine gesunde Seele lebt. [Illustration: Dekoration] Zweiter Teil. Der junge Mann und das Weibliche. Rätsel und Irrtümer der Liebe. »Errötend folgt er ihren Spuren Und ist von ihrem Gruß beglückt. Das Schönste sucht er auf den Fluren, Womit er seine Liebe schmückt.« Schiller. Die alten Griechen hatten einen Gott, den sie Janus nannten, und den sie sich mit zwei Köpfen dachten. Wollten wir Menschen die Liebe darstellen, wahrlich, auch sie hätte einen Januskopf; denn kein Empfinden gibt's im Leben, das so sehr Glück und Leid, Jubel und Tränen, Freude und Trauer umschließt, kein Empfinden, das mit so viel stürmenden Hoffnungen begann und mit so viel bitterer Resignation endete. Heiße, große Jugendsehnsucht auf dem einen Gesicht und begrabene und beweinte Wünsche auf dem andern, das ist der Januskopf der Liebe. Aller Jammer, alles Elend, alle Krankheit entspringt dem Irrtum. In den Geschlechtsirrtümern verlieren die Menschen ihre Kraft. 1. Das Erwachen der Liebe. Um das 15., 16. oder 17. Jahr herum geschieht es, daß aus dem Knaben ein junger Mann wird und der Körper alle jene bedeutsamen Veränderungen erlebt, die vereint den Geschlechtscharakter bilden. Der Körper entwickelt besondere Triebkraft im Wachstum, und dieses rasche, oft schußweise Wachsen im Knochenbau, dem die Muskelfülle nicht ganz zu folgen vermag, gibt der Gestalt jene merkwürdige Eckigkeit und Unbeholfenheit, die uns den jungen Mann in den »Flegeljahren« oft so lächerlich ungeschickt erscheinen lassen. Auf der Oberlippe erscheint der erste Bartflaum, die sexuellen Organe entwickeln sich stärker; es mehren sich die Schamhaare; die Stimme verliert den kindlichen Klang; sie »bricht« und gewinnt jenen dunklen, oft rauhen Timbre, aus dem man den »Stimmbruch« eine Zeitlang deutlich heraushört. Dieser ganzen äußeren Entwicklung, die einen ausgeprägt geschlechtlichen Charakter trägt, entspricht auch eine innere Entwicklung. Denn das geistige Leben wird beeinflußt und gespeist von jenen inneren Absonderungen der Keimdrüsen, die in dieser Zeit lebhafter zu arbeiten begonnen haben. Das Geschlechtsgefühl ist nun nicht mehr bloß allgemein körperlich, sondern wird reicher an plastischen, geistigen Vorstellungen. Denn in demselben Maße, in dem das eigentlich Männliche sich in dem jungen Manne ausbildet und äußerlich und innerlich ausprägt, stellt sich sein ganzer männlicher Organismus auf das Weibliche in seiner Umgebung ein. Männlichkeit und Weiblichkeit bilden eben im kosmischen Geschehen jene gewaltige Polarität, aus der das weltenbewegende Wunder der Liebe entsteigt. Jeder Pol sucht seinen Gegenpol, und alle die feinen und starken Ausstrahlungen der Männlichkeit suchen und finden das Weibliche, das sie mit dem gleichen Gesetz anziehen und sich zu verschmelzen trachten. So gewinnt das Weibliche eine gewisse Herrschaft über das Männliche, das sich -- gebändigt durch unklare sinnliche Wünsche -- dieser Herrschaft gern beugt, ja sich manche »süße Tyrannei« eines jungen Mädchens gefallen läßt und aus Liebe und Ritterlichkeit zu jedem Dienst und -- jeder Torheit fähig ist. Das sind etwa so die Tanzstundenjahre. Eine kleine Welt für sich, deren glückliches Hoffen nie wiederkehrt. Je stärker und unklarer diese männliche Sehnsucht ist, desto verlegener und ungeschickter kann der sonst ganz ruhige und sichere junge Mann werden, wenn in der Gesellschaft ein junges Mädchen all seinen stürmend-sehnsüchtigen Gefühlen ein naheliegendes Ziel gibt. Dann ist es mit der Ruhe vorbei. Er möchte den allerbesten Eindruck machen, die Ritterlichkeit in Person sein, glaubt sich von allen Anwesenden beobachtet und möchte sich doch um alles in der Welt vor seiner »Angebeteten« keine gesellschaftliche Blöße geben. Das geringste Mißgeschick bringt ihn in unglaubliche Verwirrung. Er steckt das Tischtuch als Serviette ins Knopfloch, schüttet der Dame die Suppe aufs Kleid, wirft einen Stuhl um und sucht verzweifelt nach einem Gesprächsthema. Das Liebesspiel hat begonnen, und alle die grotesken Verlegenheiten sind nur die grenzenlose Verwirrung, die das Weibliche anrichtet in der Seele des jungen Mannes, dessen erwachte Geschlechtlichkeit sich in dieser neuen Welt noch nicht zurechtzufinden weiß. Und dann ergreift das Weibliche immer mehr Besitz vom Denken und Fühlen des jungen Mannes. Es schärft auf der Straße und in der Gesellschaft seine Augen für Jugend und Schönheit, Grazie und Charme. Es dringt in seine Träume ein, und während der gesunde, wohlerzogene junge Mann die Schönheit dieser Jugendjahre nicht ihres idealen Gewandes entkleidet und die Poesie der jungen Liebe nicht in der sexuellen Gier vernichtet, kämpfen viele -- und namentlich diejenigen, die den onanistischen Geschlechtserregungen verfallen sind -- mit sexuellen Vorstellungen. Und während bei dem einen die ersten Regungen der Liebe zugleich seinen männlichen Stolz und seine sittliche Selbstachtung wecken, und ihm die Liebe zur Waffe gegen seine unreine Verirrung wird, gerät der andere noch tiefer in die Gewalt des krankhaften Triebes. Hier findet der zügelnde Wille und die Klugheit einer gesunden Lebensführung einen besonderen Boden, zumal es sich darum handelt, jene nächtlichen automatischen Samenergüsse, die sogenannten Pollutionen, in ihren physiologischen Grenzen zu halten. Mancher junge Mann wird verwirrt oder erschreckt, wenn er in der Nacht oder am Morgen einen Samenverlust beobachtet, der von einer mehr oder weniger starken Erregung, von mehr oder weniger lebhaften sinnlichen Träumen begleitet war. Den Unwissenden und Ängstlichen mag gesagt sein, daß die Pollutionen nichts Krankhaftes an sich haben, sondern eine normale Entscheinung sind, wenn sie etwa alle 10-20 Tage sich höchstens einmal einstellen. Darüber hinaus und besonders dann, wenn der Pollution am nächsten Tag schlaffes, schlechtes Befinden, blasses Aussehen, Kopfschmerz, Kreuzschmerzen, Nervosität und dergleichen folgen, haben wir es mit nervöser Schwäche zu tun, oder der Samenerguß war durch einen äußerlichen oder innerlichen Reiz, jedenfalls aber durch einen Fehler in der Lebensführung, herbeigeführt worden. In solchen Fällen wirst du gut tun, lieber Freund, alle die Ratschläge zu befolgen, die ich schon zur Heilung der Onanie gegeben habe, und namentlich die Abendmahlzeit nicht nach 6 Uhr einzunehmen und sie nur aus Brot und Früchten bestehen zu lassen. Wenn es möglich wäre, die Menschen in ihrer Allgemeinheit wieder zu einer gesunden und einfachen Lebensweise zurückzuführen, so müßten wahrscheinlich die Pollutionen entweder gänzlich schwinden oder auf ein äußerst geringes Maß zurückgehen. Aber diese Erscheinungen hängen wohl mit der nervös gesteigerten Erregbarkeit des Lendenmarkes, mit körperlicher Untätigkeit und mit einer falschen Ernährung weit mehr zusammen, als man auch nur ahnt. Wenn aber zum Beispiel eine geschlechtliche Erscheinung mit der Ernährung zusammenhängt und zugleich mit dieser geändert werden kann, so ist es doch zum mindesten recht schwer, zu sagen, sie sei so, wie sie ist, normal. Keinesfalls aber läßt sich aus solchen Erscheinungen die Anschauung herleiten, daß nun der Organismus reif sei für die Fortpflanzungstätigkeit, und daß nun die Geschlechtsbetätigung für den jungen Mann zu einem persönlichen Recht und zu einer gesundheitlichen Forderung werde. Denn wenn auch -- was jedenfalls bestreitbar ist -- die Pollutionen normale, physiologische Erscheinungen wären, so könnten sie doch nur eine passiv-automatische Übung und Wachstumssteigerung eines Triebes darstellen, der seiner sozialen Beziehungen und Folgen wegen nicht allein in der körperlichen Entladung begriffen werden kann. 2. Die Sittlichkeitsfrage. Hier haben wir mit einem Male einen Sprung mitten in die sogenannte »Sittlichkeitsfrage« hinein getan. Denn der Begriff des »Sittlichen« hat sich stillschweigend und in seiner ganzen Ausdehnung an das Geschlechtliche angeschlossen. Diese Sittlichkeitsfrage beschäftigt sich im wesentlichen damit, ob es einem jungen Manne erlaubt sein kann, vor der Ehe und in noch jugendlichem Alter geschlechtliche Beziehungen zu unterhalten. Diese Frage ist durchaus neueren Datums. Denn erstens waren die sittlichen Anschauungen von früher strenger und straffer, zweitens hat die Gesellschaft heute in allen Fragen, und somit auch in der sexual-moralischen, die soziale und sittliche Kritik über das gedankenlose Sichgehenlassen gesetzt, und drittens ist gerade mit dem Erwachen dieses kritischen Geistes jener eigenwillige Individualismus großgezogen worden, der über die Rechte der Persönlichkeit hinaus auch die Ungebundenheit des Trieblebens mit »Individualität« und anderen Phrasen verteidigt, die sozialen Wurzelungen lockert und dieses ganze philosophische Vorspiel nur beginnt, um endlich und insbesondere dem vorehelichen Geschlechtsleben eine unbeschränkte Freiheit zu verschaffen. Beiläufig gesagt: nur dem männlichen, nicht dem weiblichen Geschlechtsleben. Denn daß das junge Mädchen vor der Ehe keusch zu leben habe, ist eine so verbriefte, so tiefempfundene sittliche Forderung, daß ein Sturm sich erhob, als einige dem Lager der Frauenbewegung entstammende Schriften auch diese Schranke zu durchbrechen suchten. Nicht nur tiefe und bedeutsame biologische Gründe, sondern schlechterdings der sexuelle Egoismus des Mannes verlangen es, daß das junge Mädchen vor der Ehe seine Jungfräulichkeit bewahre. Der gleiche Sturm der Verwunderung und Entrüstung erhob sich aber auch, als vor nunmehr etwa 30 Jahren in der Öffentlichkeit klipp und klar gesagt wurde, daß es auch für den Mann die sittliche Forderung der Enthaltsamkeit gebe. Das traf die gedankenlosen Gehirne wie ein scharfer Sonnenstrahl, der die Augen blendet. Bis dahin hatte der Mann dasselbe getan, was er noch heute mit der gleichen aufreizenden Selbstverständlichkeit tut: er hatte jede sich bietende Gelegenheit zum Geschlechtsgenuß bereitwilligst benutzt. Die Forderung der Enthaltsamkeit war durchaus nicht neu. Die christliche Religion und auch andere Kulte hatten sie aufgestellt. Nur war die Gedankenlosigkeit des Alltags allmählich über das unerschütterliche Gefüge ethischer Grundgedanken hinweggewuchert. Da fiel wie ein Funke ins Pulverfaß jene Erstaufführung des Björnsonschen Dramas »Der Handschuh« durch die Berliner »Freie Bühne« Ende des Jahres 1889. Die Heldin dieses Dramas, Svava, erfährt, daß ihr Bräutigam früher schon Geschlechtsverkehr mit einem Mädchen hatte, und sagt sich von ihm los. In der reichen literarischen Nachfolge, die diese Arbeit fand, finden wir den gleichen Gedankengang namentlich in »Vera. Eine für viele«. Der starke und imponierende ~Björnson~ hatte also sich selbst zum Wortführer einer geschlechtsmoralischen Forderung gemacht und sie dadurch, daß er sie auf der Bühne abhandelte, in den Brennpunkt des allgemeinen Interesses gerückt. Die Presse griff denn auch diesen -- »Handschuh« wie ein Mann auf, die einen mit Hohnlachen und dem zeternden Wortschwall einer angstvollen Verteidigung, die andern mit wohlwollender Zustimmung. Genug, der Stein war ins Rollen gekommen, und ~Björnson~ selbst sorgte dafür, daß die Sache zumindest in den skandinavischen Ländern nicht so bald zum Stillstand kam. Man erinnert sich seiner eindrucksvollen, faszinierenden Persönlichkeit, die überall den strengen Sittlichkeitsgedanken, ~die monogamische Ehe~, in glänzender Rede gegen jede geschlechtliche Lauheit, gegen jedes psychologisch oder philosophisch umschleierte Triebleben verteidigte. Zur selben Zeit begann die Wissenschaft, die bis dahin scheu und ängstlich dieses Gebiet gemieden hatte, sich doch damit aus biologischen und medizinischen Interessen zu beschäftigen. Die Geschlechtswissenschaft (Sexuologie) spürte den geheimnisvollen Gesetzen dieser menschlichen Leidenschaft nach, um alle Zusammenhänge zu finden. Und mit einem Male übersah man auch klarer als bisher die ungeheuren gesundheitlichen Schäden, die das gedankenlose vielweiberische (polygamische) Geschlechtsleben des Mannes angerichtet hatte. Man erkannte den Einfluß alles Geschlechtlichen auf die Erziehung, das Denken überhaupt, auf alle sozialen Beziehungen, auf die Vererbung, auf Lebensgestaltung und Lebensglück, und es war wie ein jähes Erwachen, das den erschreckend neuen Eindruck von der gewaltigen Bedeutung alles Geschlechtlichen in zahllosen Schriften festhalten zu wollen schien. Und was bis dahin nie und nirgendwo geschehen war: die Frauen hatten aufgehorcht. Sie, die bis dahin in der allgemeinen Komödie der Prüderei die Statisterie gemacht hatten, gewannen nun mit einem Male das Bewußtsein, daß es eine empörende Ungerechtigkeit ist, wenn der Mann vom Weibe voreheliche Enthaltsamkeit verlangt, während er sich selbst doch zu gleicher Zeit recht munter amüsiert und der Frau als Dank für ihre sittliche Bewahrung eine -- Geschlechtskrankheit als Morgengabe in die Ehe bringt. Was Wunder, daß gerade die Frauen sich gegen diesen Zustand auflehnten und mit großer Energie die sexuelle Frage der prüden Umschleierung entrissen. Wir stehen ja noch heute vor der Tatsache, daß junge Männer, wenn sie die Schule und das Elternhaus verlassen haben, oft ohne alle Gewissensbisse von den sich bietenden Gelegenheiten zum Geschlechtsverkehr Gebrauch machen, ohne der moralischen und sozialen Gesetze zu gedenken, welche sich natürlicherweise gegen den eigenwilligen geschlechtlichen Individualismus auftürmen. Denn die Beurteilung eines Triebes, der über den Einzelmenschen hinaus von sozialen Folgen ist, erschöpft sich keineswegs in den Wünschen und Rechten des Individuums, sondern muß notwendigerweise eine soziale sein. Die tiefsitzende Inkonsequenz beginnt aber schon mit der Forderung der Keuschheit der jungen Mädchen, und die sozialen und mehr noch die sittlichen Zwiespalte fallen zusammen mit der gesellschaftlichen und seelischen Verwirrung, die ein Mann im Leben eines Weibes anrichtet, wenn sie der Gegenstand seiner geschlechtlichen Wünsche geworden ist. 3. Geschlechtsleben und Gesundheit. Das jugendliche Geschlechtsleben mit den Forderungen der Gesundheit zu entschuldigen, ist eine jener sophistischen Ungereimtheiten, die nur da entstehen, wo die erotischen Wünsche das Gewissen zum Schweigen bringen wollen. Es gibt gegenwärtig wenige Fragen, in deren Beantwortung so heftige Widersprüche herrschen, wie diejenige des Nutzens oder Schadens der vorehelichen Geschlechtsenthaltsamkeit. Aber selbst wenn die Wissenschaft sich zugunsten der -- Frivolität entscheidet und Fälle von Schädigungen durch Enthaltsamkeit bei der Jugend aufzählt, so müßte sie doch der degenerativen Entwicklung Rechnung tragen. Sie müßte in Rücksicht ziehen, daß die Kultur weit von den physiologischen Gesetzen der menschlichen Natur abgerückt ist, und daß durch geschlechtlichen Mißbrauch, durch die Raffiniertheit und Grenzenlosigkeit der Ernährung, sowie durch körperliche Untätigkeit eine sexualnervöse Reizbarkeit gezüchtet wurde, die das ordnende Urteil trübt. Was aber ein sinnlich gesteigerter Organismus verlangt, das darf die Wissenschaft nicht als allgemeines Geschlechtsrecht im ganzen Volke austeilen. Erkennt man, daß ein Trieb durch Mißbrauch sich im Organismus in den Vordergrund drängte, so muß man den Begriff des »Natürlichen« an diesem Trieb arg beschneiden. Und selbst wenn man, ohne der mißbräuchlichen Steigerung zu gedenken, den Trieb mit Recht »natürlich« nennt, so vermag man ihn doch in keiner Weise zu trennen von den seelischen, sittlichen und sozialen Kräften, die das Wohl der menschlichen Gemeinschaft und ihre Entwicklung bedingen. Wird der Geschlechtstrieb rein körperlich gezüchtet, so bringt er das Menschengeschlecht rückwärts, nicht vorwärts. Wenn ein Mensch ißt und dabei den Zweck des Essens vergißt und zur Eßgier gelangt; wenn er trinkt, nicht weil der Körper Flüssigkeit verlangt, sondern weil er der Leidenschaft des Trinkens verfallen ist, so werden die geistigen Kräfte in demselben Maße schwinden, in dem die körperliche Sucht sich steigert. So bedeutet auch der unerlaubte Geschlechtsverkehr der Jugend, eben weil er die sozialen und sittlichen Kräfte nicht auslöst, eine Hemmung der geistigen und charakteriellen Entwicklung. Daß die geschlechtlichen Erschütterungen und die Samenverluste einen noch nicht ausgereiften Organismus in seiner Entwicklung hemmen, ist eine ganz allgemeine Erfahrung. Es ist schon rein logisch und ohne jeden wissenschaftlichen Beweis einzusehen, warum jene geheimnisvollen Lebensstoffe, deren Entstehung im Körper zu einem solchen Reichtum und Überschwang des Gefühls führt, die das Urgeheimnis der polaren Spannung zwischen Mann und Weib in sich bergen, und die in der Leidenschaft ihrer Vereinigung das Wunder der Menschwerdung vollbringen, warum sie ohnedies dem Organismus, solange er sich in der Entwicklung befindet, seine Spannung geben; denn diese Stoffe, die immer wieder neues Leben auf die Bahn des Werdens schleudern, sind nicht nur Ursubstanz des Lebens, sondern zugleich auch seine feinste Blüte. Sie behalten immer ihre gestaltende Kraft. Und es liegt große Klugheit darin, durch diese gestaltende Kraft zunächst den eigenen Organismus auf den möglichen Höhepunkt seiner Entwicklung zu bringen, ehe man im bloßen Geschlechtsgenuß Rechte sucht, die erst der mit sich selbst fertige, vollendete Organismus besitzt. An den Erscheinungen der Geschlechtsreife (Pubertät) erkennen wir die treibende und gestaltende Kraft jener Lebensstoffe. Ein Ausreifen nach allen Richtungen ist es, das wir beim Erwachen der Liebesempfindung staunend beobachten. Was späterhin das neue Leben formt, das verleiht einige Jahre vorher der Stimme ihren tieferen Vollklang, das treibt den Bart als eins der Zeichen der Mannheit, das gibt dem Charakter seine Festigkeit und dem Geiste Stolz und Kühnheit. Entfernen wir die Keimdrüsen (Kastration) so hört alle diese Entwicklung ins Männliche mit einem Male auf. Die treibenden Kräfte sind unterbunden. Die Stimme bleibt dünn, der Bart wächst nicht, der Charakter bleibt weichlich, ängstlich, tatenlos oder verschlagen. Es mag darüber gestritten werden können, ob wir dem häufigen Samenverlust allein die Schäden, von denen die Rede war, zuschreiben sollen. Keinesfalls dürfen wir aber der gewaltigen allgemeinen Erschütterung vergessen, die der Organismus in der Geschlechtserregung erleidet. Kommt sie schon in der Jugend, noch ehe der Gesamtbau seine ordentliche Kraft und Festigkeit erlangt hat, und wiederholt sie sich zu oft, so verlieren die gar zu stark erregten Nerven, die in der Erregung gar zu oft ausgedehnten Blutgefäße, verliert das stark erregte Herz, verlieren die oft krampfhaft angespannten Muskeln die Fähigkeit, wieder zu vollkommener Ruhe, zur physiologischen Norm zurückzukehren. Alles erschlafft, und diese Erschlaffung ist traurige Widerstandsunfähigkeit und Empfindsamkeit. Und in demselben Maße, in dem die Kraft und die Energie zu tüchtiger Arbeit verloren gehen, bemächtigt sich des Organismus jene lüsterne Träumerei, die selbst am Tage alles Geschlechtliche umkreist und gewissermaßen mit angehaltenem Atem auf der Lauer liegt, um alles Geschlechtliche gierig einzusaugen und selbst das Harmlose im Gespräch, im Leben, in Büchern und Bildwerken, zum Geschlechtlichen zu machen. Dann zehrt die Sinnlichkeit von der körperlichen und geistigen Kraft, und es fehlt meist jenes notwendige Maß körperlichen Ausarbeitens, um die gefährlich wuchernde Sinnlichkeit einzudämmen. Es ist sehr oberflächlich, wenn ein junger Mann seinen Geschlechtsverkehr mit seiner scheinbaren Reife, mit den nächtlichen Pollutionen und mit dem Hinweis auf die Erwachsenen entschuldigt. Denn erstens habe ich gezeigt, daß die scheinbare Reife sehr wohl frühzeitige Triebsteigerung sein kann, die als nervöse Anlage sich genau so erblich überträgt wie irgendeine Krankheit. Daß zweitens die Pollutionen eine recht zweifelhafte Erscheinung sind, und daß wir große, starke und gesunde Männer mit wenig oder gar keinen Pollutionen, dagegen oft schwächere, nervöse, blasse Jünglinge mit häufigen Pollutionen antreffen, sowie, daß die Pollutionen durch Onanie hervorgelockt werden können. Drittens, daß die Jahre der Geschlechtsreife beileibe nicht die Rechte geschlechtlicher Tätigkeit mit sich bringen, sondern durch die Steigerung der Samenerzeugung und der inneren Absonderungen dem Körper die geschmeidige, jugendliche Kraft und Biegsamkeit, dem Geist die Frische und die Fähigkeit schnellen Erfassens und der Seele Tiefe und Wärme verleihen sollen. Es mag als Grundsatz gelten, vor vollendetem Längenwachstum alle sexuellen Kräfte zu sparen. Die Tierzüchter haben reiche Erfahrungen in diesen Dingen gesammelt, und keiner von ihnen wird ein nicht völlig ausgewachsenes Tier zur Fortpflanzung zulassen. Jeder von ihnen weiß, wie schwer dadurch das Tier in seinem ferneren Wachstum aufgehalten und wie empfindlich man schließlich die ganze Rasse schädigen wird. Es mag auch nicht unerwähnt bleiben, daß, wenn man kranken, schwächlichen, nervös erschlafften Menschen Samenflüssigkeit unter die Haut spritzt, sie eine bedeutende Vermehrung ihrer körperlichen und geistigen Frische zeigen. Die Athleten und die Sportsleute, die sich zu besonderen Höchstleistungen vorbereiten, müssen Geschlechtsenthaltsamkeit beobachten. Ja, diese ist ein ganz besonderes Erfordernis des »Trainings«. Wir erkennen daran das Gesetz von der Umwandlung der Kräfte im Organismus, und es darf als sicher gelten, daß die geschlechtliche Selbstzucht nicht nur die körperlichen Kräfte mehrt, sondern vor allem auch Ausdauer und jenen äußersten Willen weckt, der bei besonderen Leistungen den Ausschlag gibt. Sind aber nicht auch die Jahre der Jugend eine Art Training, eine Vorbereitung für tüchtige Leistungen im Leben? Sollte die Jugend nicht ebenfalls alle die Kräfte sparen, deren Besitz die offenbare Quelle für körperliche und geistige Leistungsfähigkeit ist? Wenn die Eltern alle Nahrungssorgen auf sich nehmen, nur damit die Kräfte der Jugend sich nicht zwischen Entwicklung und Daseinskampf zersplittern, hat dann die Jugend ein Recht, diese Kräfte trotzdem zu vergeuden, und zwar in der Geschlechtslust? Die Spannung, die durch Enthaltsamkeit erzeugt wird, ist Triebkraft und hat sowohl hohen kulturlichen wie lebenssteigernden Wert. Nichts ist sicherer, als daß die Geschlechtsenthaltsamkeit der Jugend und die Mäßigkeit der Erwachsenen nicht nur für den Einzelnen Sinn und praktische Bedeutung haben, sondern vielmehr für ein ganzes Volk von einschneidendem kulturlichem Wert sind. Eine Nation, die ihr Gewicht in die Wagschale der Geschehnisse werfen will, muß ihre geschlechtlichen Kräfte sparen. Das mögen wir Deutschen uns für den mühsamen Aufstieg, der die nächsten Jahrhunderte unserer Geschichte ausfüllen wird, und für unsere ganze Zukunft merken. 4. Die Geschlechtsehre. Freilich wird ja ein junger Mann, wenn er ins Leben hinaustritt, in einen argen Zwiespalt gebracht. Aus dem Knaben wird ein »Mann«, und diese »Männlichkeit« ist im dickflüssigen Strom einer geschmacklosen Überlieferung leider gar zu sehr aus geschlechtlicher Abenteuerei und Renommisterei zusammengesetzt worden. Wer ein »Mann« sein will, glaubt, etwas erlebt haben zu müssen und sieht mit Überlegenheit und Spott auf jüngere Kameraden herab, die noch einen Rest des Schamgefühls aus den Erziehungsjahren in sich tragen. Aber die freche Großsprecherei und der Spott der Älteren verwirrt den Jüngeren. Zwar weiß er ganz gut, wie der anständige Mensch zu handeln hat. Aber sein Wissen in diesen Dingen ist Stückwerk, ist unklar, unbestimmt, seine Persönlichkeit ohne Entschiedenheit, ohne Festigkeit. Diesen ewigen Verlockungen, den spöttelnden Angriffen, erliegt schließlich das gute Gewissen. Ja, der dumpfe, nicht gezügelte Geschlechtstrieb setzt sich in einem Augenblicke über Dinge hinweg, die bei ruhiger Betrachtung häßlich, abstoßend und empörend sind, über Schmutz, Roheit und ernste Krankheitsgefahr. Darin liegt die große Niedertracht der Gesellschaft überhaupt, daß einer, der eine Dummheit macht, den anderen zu sich herabziehen will; denn die vergesellschaftete Dummheit erstickt ihren eigenen Vorwurf. Der Pluralis erscheint ihr als Entschuldigung, und so holt sich denn die jugendliche »Männlichkeit« weiter ihr Rüstzeug -- bei der Dirne. Wie ist es doch sonderbar, daß ein junger Mann, kaum daß er in das Leben hinausgetreten ist -- und oft schon vorher -- ein Geheimnis in sein Leben hineinträgt, das ihn in einen inneren Widerspruch zu seiner gesamten Erziehung bringt. Ein Geheimnis, dessen er sich -- würde es offenbar -- vor aller Welt schämen müßte. Ja, er selbst schämte sich, und scheu und angstvoll, daß er um alles in der Welt nicht gesehen würde, umschlich er das geheimnisvolle Haus, das die eigenen Kameraden oder seine lüsterne Neugier ihm gezeigt, und verschwand darin in einem günstigen Augenblick. Wäre nicht der Stolz in der sexuellen Spannung erstickt, so müßte sich die Wirklichkeit des bezahlten Geschlechtsgenusses dem Bewußtsein in ihrer ganzen Widerlichkeit aufdrängen. Ein Weib, das nicht mehr Weib, sondern wahlloser Sinnlichkeitsgegenstand wahllos sich einfindender Männer ist, das oftmals die einfachsten Gesetze der Reinlichkeit übersieht, für eine Weile zu besitzen, kann einen Mann von wahrer Mannhaftigkeit nicht locken. Was die jungen Männer zu diesen frühzeitigen geschlechtlichen Verbindungen treibt, ist ja auch bei aller Sinnlichkeit tief im Innern die Sehnsucht nach Liebe und das urewige Rätsel des Weibes. Aber diese zarten knospenden Empfindungen, die sich in der Ehe, in der Familie, in echter, mannhafter Liebe ausreifen sollen, werden von den jungen Männern in Schmutz und gemeine Niedertracht geworfen. Daher die verkümmerte Empfindungswelt so vieler Menschen, die ihre eigene Lebenspoesie zerstört haben. Wünsche, Träume, Sehnsucht und Vorstellungen dürfen nicht in gar zu häßlicher Wirklichkeit erstickt werden, sonst ist das Ende seelische Erschlaffung, Pessimismus. Die vorehelichen Geschlechtsbeziehungen haben eine so ungeheure Ausdehnung gewonnen, daß viele in ihnen eine Art von normaler Vorschule der Ehe erblicken. Wie riesenweit ist aber der Abstand zwischen Bordell und Familie, zwischen der Dirne und der Mutter, zwischen bezahltem Geschlechtsgenuß und der Liebe zweier Menschen, die miteinander in ihrer Kinder Land einziehen! Kann dies Gemisch von Lüsternheit, geschlechtlichem Schmutz, alkoholischer Frechheit und sittlicher Erniedrigung, das das Dirnenleben durchzieht -- kann das die richtige Vorbereitung sein für die Ehe, in der das Glück der Gatten und das Wohl der Kinder aus Kraft und Reinheit kommen sollen? Man spricht viel und gern von dem Kampf, den die voreheliche Geschlechtsentsagung mit sich bringt. Freilich ist es ja wohl am bequemsten, diesen Kampf durch die erste beste Dirne zu beenden. Aber ist es denn gut, ihn so rasch zu beenden? Ist nicht der Kampf die treibende Kraft aller Entwicklung? Weckt er nicht alle verborgenen Kräfte? Wer die Flinte ins Korn wirft, ist sittlich ein Feigling. Dieser kampflose, bezahlte, bequeme Geschlechtsgenuß vor der Ehe, dessen sich junge Männer und auch junge Mädchen bemächtigen, schadet der Ehe, schadet den Kindern; denn er nimmt dem Leben und dem Geschlechtsgefühl die Hochspannung. Er befriedigt die Wünsche, tötet die Sehnsucht, zerstört Illusionen. Enthaltsamkeit ist biologische Spannung, deren Fehlen man den Kindern vom Gesicht herunterlesen kann. Wie bilden sich denn eigentlich Charaktere? In der Entsagung, im Kampf mit sich selbst. Was ist denn überhaupt ein Charakter? Ein Mensch, der seine tierische Triebwelt unter die Herrschaft seiner sittlichen Erkenntnis gebracht hat und mit festem Willen seiner Erkenntnis folgt, der durch Willenskraft und Folgerichtigkeit sich Selbstachtung und Selbstvertrauen erwarb. Solche Charaktere, solche Persönlichkeiten braucht ein Volk, braucht das Leben; denn sie haben Erfolg. Wie kann aber ein Mensch Selbstvertrauen und Selbstachtung haben, der im Kern seines Wesens, im Geschlechtsgefühl, wider seine bessere Erkenntnis handelt, der in seinem Tun sich immer wieder durch den Geschlechtstrieb vom Wege abreißen läßt? Tausende sagen. »Es ist unmöglich, ihn zu bändigen!« Aber wie viele davon haben's denn ehrlich versucht? Sind nicht die meisten bei der ersten Versuchung umgefallen? Sie haben die Geschlechtserregung kennen gelernt, kennen sie durch die Onanie und manches andere, haben ihre Phantasie mit Sinnlichkeit erfüllt. Das Nervensystem birgt in sich ein Gesetz der Periodizität. Erregungen wiederholen sich periodisch. Das macht den Kampf zunächst so schwer. Wie selbst den Magenkranken die dumme Gewohnheit des dreimaligen täglichen Hungerns quält und seine Heilung stört, so meldet sich im Hirn und Lendenmark das gewohnte Geschlechtsgefühl, und dem Bewußtsein wird der alberne und gefährliche Satz aufgedrückt »Ich kann den Trieb nicht bändigen!« -- Wer freilich den Kampf aufgibt, ehe er ihn begonnen hat, was weiß der von seinen Kräften! Treibe deine Gefühle nur erst ein wenig zurück, siege erst einmal, dann noch einmal, und es wächst das Vertrauen, und es wachsen die Kräfte. Die gesparte Geschlechtskraft speichert sich in dir auf als Spannkraft der Nerven und Muskeln, als Mut und geistige Frische. Das alles sind deine Waffen, die darum immer stärker werden. Wenn's sein kann, sprich dich mit den Eltern, mit dem Lehrer, mit einem guten Freund von gesundem Denken und gutem Charakter darüber aus! Sei nicht wie jene, die im geheimen sündigen und die Nase rümpfen, wenn ein Wort über Geschlechtliches gesprochen wird. Das Geschlechtliche soll weder im bösen noch im guten Sinne das Gesprächsthema sein; aber ein offenes Wort an rechter Stelle hat oft befreiend gewirkt. Ein klares Wort entreißt oft junge Menschen der schwülen Phantasiearbeit. Betrachte das Geschlechtliche als eine besondere Kraft, dich selbst ebenso, und frage dich. »Wer von uns beiden soll herrschen, ich oder du?« ~Du mußt herrschen, immer und allerwege!!!~ Schäme dich nicht dieses Triebes, und sei niemals niedergeschlagen im Kampf. Alles Leben entsteigt dem Liebeswollen. Aber die Zeugung ist nicht die alleinige Lösung dieses Ewigkeitsrätsels. Eine allstündliche, ununterbrochene Neuzeugung im Einzelorganismus ist es, die wir vor allem diesem Triebe verdanken. Der geheimnisvolle Quell der inneren Zeugungsorgane entsendet ununterbrochen Stoffe, die als Spannkräfte wirken, in Körper und Geist. Darum aber darf diese Urquelle nicht verschüttet werden. Wir verstehen jetzt sehr wohl, warum der Lebenslauf mit dem Geschlechtsleben in der Jugend zusammenhängt, warum die Geschlechtssparsamkeit in der Jugend einen Gewinn für das spätere Leben ergibt. Nicht nur für unser kleines, eigenes Leben -- nein, die ganze Menschheit trinkt ihre Verjüngung aus diesem Quell, und ~jeder Einzelmensch ist zum Sachwalter der Menschheitsgesundheit und Menschheitswürde bestellt, weil er einen Teil der kosmischen Liebeskraft in sich trägt~. Der Augenblick, der Mann und Weib in der Liebeserschütterung vereinigt, erzeugt ein neues Leben. Aber nicht dieser Augenblick entscheidet, sondern alles, was Vater und Mutter in ihrem ganzen Leben waren und taten. Davon hängen Kraft und Gesundheit des Kindes ab. Sollte das nicht schon lange vor der Ehe dem Triebe Zügel anlegen, damit er nicht die Kraft vergeudet, die dem Kinde darum fehlen wird? Wer sein Kind anschaut und aus seinem Gesicht die Schwäche liest, muß der nicht niedergedrückt werden, wenn er sich selbst daran schuldig weiß? Wer an seinen Kindern häßliche Züge, Lüsternheit und Verirrungen bemerkt, muß der nicht entsetzt sein, wenn er weiß, daß sie nur seine eigene Jugend von neuem beginnen? Es vererbt sich nicht nur Kraft, sondern auch Schwäche, nicht nur Körperliches, sondern auch Geistiges, nicht nur gutes Denken, reines Empfinden, sondern auch geschlechtlich verirrtes Denken, Charakterlosigkeit und Ausschweifung. Nie kann ein Mensch etwas anderes erzeugen, als was er selber ist. Ein Kind ist wie Vater und Mutter, gut oder schlecht. Darum sei gut, handle gut, damit dein Kind gut sei und gut handle! Laß alles Unsaubere aus deinem Liebesempfinden heraus, damit dein Kind ein schönes, reines Empfinden habe! Gehe nicht den traurigen Weg vom Gott zum Tier, sondern geh den einzig menschenwürdigen Weg, auf dem Gott den Menschen zum Herrn über das Tierische eingesetzt und ihm eine Durchgeistigung und Beseelung seiner Triebe geboten hat. Denn ein geistiger Grundsatz, ein göttliches Gebot, herrscht in der Welt! Erkennst du das, so wird das Geschlechtliche dir zur Lebensschönheit, und du wirst die Kraft sparen, die erst ~deiner~ Reife dienen soll, ehe sie dir in der Ehe und in den reinen Augen deiner Kinder unendliches Glück bringen wird. Es gibt Gründe, die dir die Geschlechtsbeziehungen vor der Ehe entschuldigen und beschönigen wollen. Und gewiß ist, an sich gesehen, nicht alles häßlich, was nicht die Ehe sucht. Aber ob's für diese spätere Dauergemeinschaft gut ist, das ist der Frage innerster Kern. Und wenn auch die Farbenspiele bestechender Gründe den eigensüchtigen Liebesgenuß umstrahlen -- macht uns die Selbsttäuschung besser? Vor dem unbestechlichen Schiedsamt des Menschenwohles sind die schimmernden Entschuldigungsgründe wie Seifenblasen. Stähle die sittliche Kraft deiner Jugend in der Entsagung! Je weniger du den Geschlechtstrieb aufkommen lässest, desto mehr verliert er das körperlich Aufdringliche, ~desto mehr verschmilzt er mit deiner Seele, deinem ganzen Menschen~. Mehr und mehr wirst du dann zu jenen Menschen gehören, deren körperliche Liebe allein aus dem Wunderborn der Seele quillt, und nicht zu denen, deren Seele schweigt, während zugleich ihr Körper von Geschlechtserregung gepeitscht ist. Und du wirst Achtung vor der Frau und vor allem Weiblichen haben. Die Welt ist so, wie wir sie sehen. Siehst du sie gut, so ist sie gut. Siehst du sie schlecht, so ist sie schlecht. Es ist eine traurige Mannhaftigkeit, die sich ihrer Verachtung alles Weiblichen rühmt, weil sie Siege errang, die nur bezahlte Willfährigkeit waren. Wer nur die Dirne kennt, kennt nicht das Weib, und sein Urteil ist Anmaßung. Es ist Zeit, daß anständige junge Menschen den Mut finden, die frechen Zotenreißer und bramarbasierenden Bordellhelden zum Schweigen zu bringen. Wenn ein Mann das Weib, das er liebt, anschaut, so drängen sich dazwischen gar leicht seine früheren Erlebnisse. Dann werden sie begehrlich wieder lebendig, und Augen, die im Stolz leuchten sollten, werden zu Boden gerichtet, weil ein Geheimnis die schöne Wirklichkeit trübt. Wer nur zur Befriedigung seiner Sinnlichkeit den Spuren des Weibes folgte, kann nur schwer die Sinnlichkeit aus seinem Fühlen, seinen Blicken scheuchen. Und er kennt nicht den wunderbaren Einklang zweier Seelen, die in ihrer Liebe unbewußt den Willen zum Guten, die große, allumfassende Menschenliebe in sich tragen. Welch eine Welt von Schönheit verschließt sich mancher Mensch, weil die sinnliche Schwerfälligkeit seines Körpers ihm den geistigen Flug verwehrt! Manche Seele hat sich in diesen rohen Geschlechtsverbindungen verblutet und nur einen gierigen Körper zurückgelassen, in dem alles Zarte, Schöne, alles Weiche und Feine, erstickt ist. Das ist seelische Verarmung -- das allerschlimmste Menschenlos. Es ist ein Leben, das keine Sonne, keine Wärme mehr hat. Warum nur schätzen wir diese wundervolle Spannung der Keuschheit nicht höher? Warum ist die Jugendkeuschheit nur ein Ideal für das Weib und nicht auch für den Mann? Warum warten junge Männer denn geradezu darauf, diese Reinheit von sich zu werfen, und warum muß die vielgerühmte »Männlichkeit« sich denn zuerst auf den gegensozialen Wegen des Dirnentums bewegen? »Ist denn wirklich die Geschlechtsehre des Mannes eine andere als die des Weibes?« sagt ~Vera~ in »Eine für viele«. Und weiter. »Ist die Notwendigkeit der geschlechtlichen Befriedigung in den jüngsten Jahren nicht ein wohlorganisierter Schwindel? Oder ein großes Irren der Ärzte? Kann die Keuschheit je so furchtbare, leben- und glückzerstörende Krankheiten nach sich ziehen wie die Unkeuschheit?« Und weiter. »Der Mann verlangt von dem Mädchen seiner Wahl nicht Keuschheit allein, sondern auch einen unbefleckten Ruf. Mit Recht! Und das Weib soll ihren Gatten mit Straßendirnen teilen? Sie soll die Schmerzen der Mutterschaft tragen, mit dem furchtbaren Bewußtsein, daß der Vater ihrer Kinder in gekauften Umarmungen seine Jugendkraft vergeudete -- -- -- sich nicht scheute vor dem Schmutz, vor ekelhaften Krankheiten, in gemeiner tierischer Sinnlichkeit seine Reinheit fortwarf ... der Vater ihrer Kinder -- sage ich.« -- -- Dies Verabuch war trotz seiner Härten wie eine Fanfare, die eine neue Zeit und eine neue Menschheit ankündete. Die geschlechtssittlichen Forderungen konnten seitdem nicht mehr unterdrückt werden. Wir werden an ihrer Durchführung arbeiten müssen, um den Menschen durch ein reineres Geschlechtsleben eine festere Grundlage des Glückes zu geben. ~Es wird eine Zeit kommen, in der das, was die Menschen heute belachen, wie eine heiße, große Sehnsucht in ihnen lebt. Vielleicht erwächst diese Sehnsucht gerade aus dem Geschlechtselend unserer Tage. Dies Irren, dies Leiden und Dulden in Geschlechtsausschweifungen, die dem Manne Unterhaltung, dem Weibe schandbare Versklavung sind, wird sicher einmal als entsetzliche Last empfunden werden, wenn die Menschen über den stumpfen Materialismus hinaus die feinen, geistigen Gesetze erkennen lernen. Dann erst werden die Menschen das Märchenland der Liebe finden, wenn kein häßliches Erinnern mehr ihre Seele verwirrt.~ Das Leben ist darum nicht verloren, weil die Jugend nicht rein und voll Schönheit war. Ja, mancher Charakter formte sich erst aus trüben Erinnerungen, aus Fehl und Schuld. Aber den meisten hat doch der Dirnengeist die Jugend vergiftet; denn für die Seelenweichheit der Jugend ist das Geschlechtsabenteuer ein starker Eindruck, vielleicht in seiner rohen Sinnlichkeit stärker als das, was später ein reines, liebendes Weib gibt. Und von all den Roheiten der bezahlten Liebe wird etwas ins Erinnern eingefügt und schiebt sich häßlich in all die blühende Schönheit, die die Liebe bringt. Wie viele Frauen bereuen die Ehe, hassen und verachten den Mann, den sie doch einmal über alles geliebt haben. Aber er hat sie getäuscht. Mit ein wenig Charakterlosigkeit und geschlechtlichem Schmutz in seinem Vorleben begann es. Das fraß sich in ihm fest. Das durchwob sein Inneres so, daß ihm die Ehe zu rein, zu langweilig erscheint. Zunächst verschweigt er sein Vorleben. Dann kann dies trübe Geheimnis nichts Gutes für seine Ehe sein. Oder er sagt's seiner jungen Frau. Dann werden ihre Gedanken versuchen, sich in dieser ihr innerlich fremden Welt zurechtzufinden, und unter Tränen, mit viel Weh im Herzen, entwickelt sich die Ehe aus -- einem Verzicht. Oder aber die Frau ist flach und oberflächlich, dann lacht sie, und es ist ihr alles gleichgültig. Die Vera-Naturen aber sind zahlreicher, als man glaubt, Frauen, in deren Innerem in solcher Stunde eine Saite angeschlagen wird, deren Ton für immer dem Ohr verklingt. Sie, deren monogamischer Instinkt höchstes Feingefühl ist, können nicht oder nur mit Überwindung einem Manne folgen, der aus einer ganz anderen, viel gröberen Gefühlswelt kommt, und den die Häßlichkeit geschlechtlicher Ereignisse, ein anderes Weib, ein uneheliches Kind, von ihnen trennt. Zwar leben wir in einer Zeit sittlicher Neuordnung. Und ehe aus dem Streit der Meinungen das feste Gefüge der neuen, gerechteren Moral sich bildet, wird großherziges Verzeihen, auch von seiten der Frau, dem Manne den Weg ebnen von den wirren Geschlechtsirrtümern der Jugend zur Reinheit der Ehe. Wie groß ist aber der Jammer der vielen Frauen, deren Männer das heilige Treuversprechen gebrochen haben, weil die Dirnenerinnerungen wie Unkraut, wie eine böse Krankheit der Phantasie, in ihnen fortwucherten, bis der ganze Schmutz der Untreue und der sittlichen Verlumpung sich auf die Ehe wirft und sie zerstört! Von ungefähr kommen doch diese Eheskandale nicht. Die Untreue, dieses rein körperliche, gemeine, geschlechtliche Veränderungsbedürfnis hat sich der Mann angezüchtet bei den wechselnden Dirnen und der treulosen Zufälligkeit seiner »Verhältnisse«. Und wer festigt dem Weibe den Begriff der Treue, wenn sie als Mädchen einmal in dieses, ein andermal in jenes Mannes Händen war? Die geschlechtliche Treulosigkeit vor der Ehe baut dem Treubegriff der Ehe ein morsches Fundament. Die moralisch-monogamischen Forderungen, die wie eine neue Ordnung -- aber aus uralten Entwicklungsgesetzen heraus -- von Frauen erhoben worden sind, können nicht mehr verstummen. Denn Einehe (Monogamie) ist das Gesetz des Weiblichen, ist der Unterbau der Ehe, die sittliche Grundlage der Erziehung. Prof. ~Albert Heim~, Zürich sagt: »Der monogamische Instinkt ist von der Natur erzüchtet. Bricht ihn die Menschheit im ganzen und dauernd wieder, so bricht sie mit ihm zusammen«. Je willenloser ein Mensch sich dem Geschlechtsempfinden hingibt, desto mehr ist er Sklave seiner unsauberen Erinnerung geworden. Will er die Erinnerung auslöschen, so braucht's einen mannhaften Entschluß: »Bis hierher! Nun nicht mehr weiter!« Wer so ein neues Leben auf dem festen, fröhlichen Willen zum Guten beginnt, den wird das Schlechte, das er getan, nicht in alle Zukunft hinein verfolgen. Es ist abgetan, und schön und rein leuchtet dir die Zukunft. Der Mensch ist Wille! Die Ehe ist ein Idealzustand und trägt in sich den Zweck und die Möglichkeiten einer unendlichen Vervollkommnung der Menschheit. Die Forderung der Treue, die wir für die Ehe aufgestellt haben, entspricht dem uns eingeborenen sittlichen Empfinden, und diese tiefinnerliche Moral ist immer diejenige, welche dem Fortschritt der Rasse dient. Wenn darum Stimmen laut wurden und namentlich gegen das unbedingt folgerichtige Verabuch Schriften über Schriften erschienen, die gerade im Geschlechtsleben ~vor~ der Ehe eine Art von Läuterung und Ausreifung der Persönlichkeit sehen, so ist demgegenüber auf das Wort des positivistischen Philosophen ~Comte~ hinzuweisen, daß man sich nicht durch Unsauberkeiten auf ein Ideal vorbereiten kann. Unsauberkeiten sind es aber; denn alles Häßliche, das das menschliche Geschlechtsleben erfaßt und überwuchert hat, kam aus der Verletzung der moralischen Gesetze. Ja, sicherlich nicht nur für das Geschlechtsleben, sondern für das ganze Menschenleben ist nichts von so furchtbaren Folgen gewesen als diese geschlechtliche Unsittlichkeit, diese Treulosigkeit gegenüber sittlichen Gesetzen, die in der göttlichen Natur des Menschen liegen. Mit jeder Verletzung der Moral schreiten wir rückwärts, durchqueren wir das Weltgesetz der Entwicklung, das nach oben und nicht nach unten, nicht rückwärts, führt. ~Mit jeder Verletzung der Moral greifen wir störend in die Rechte und das Wohl anderer ein. Denn es gibt keine persönliche Sittlichkeit, es gibt nur eine Sittlichkeit, die die Gesamtheit fördert.~ Diese Sittlichkeit haben auch tiefstehende Völker, ja selbst Tiere haben sie; denn wir sehen die Tiere handeln nach Gemeinschaftsgesetzen. Die Gemeinschaft der Lebewesen braucht die Geschlechtskraft, und der blühende Empfindungsreichtum der Zeugung ist das große Wunder der Natur. Aber sie braucht diese Geschlechtskraft natürlich und rein und nicht als einen gegen das soziale Wohl gerichteten Eigennutz. Wer das nicht fühlt, hat darum nicht das Recht für sich. Und der Stolz junger Menschen müßte sich aufbäumen gegen die schlaffe Massenauffassung des Alltags. In hochentwickelten Einzelmenschen nur leben die Sittengesetze als gesunder Rasseninstinkt, und wir andern werden ihnen nacheifern, wenn wir an ~Carlyles~ Wort denken: »Die Menschen leben um des Besten willen!« Prof. ~A. Herzen~ sagt[4]: »Die wirkliche sittliche Handlungsweise ist diejenige, welche man als allgemeine Verhaltungsmaßregel aufstellen kann; und diese Regel wird sofort von jedem normalen kultivierten Menschen angenommen werden, der nicht mit geistiger oder sittlicher, angeborener oder erworbener Unzulänglichkeit oder mit Wahnsinn behaftet ist.« Wenn nun, wie wir wissen, die Zeugungskraft und Liebesfähigkeit ein Hauptstamm des Lebens ist, dessen verschiedene Abzweigungen wir Menschen- und Nächstenliebe, Spannkraft, Begeisterungsfähigkeit, Mut, Ritterlichkeit, künstlerische Kraft usw. nennen, müssen nicht alle diese Kräfte eine Verschlechterung erfahren, wenn die Liebeskraft mit unreinem Denken genährt wird? Diese Besudelung des Liebeslebens ist schlimmer, als die meisten ahnen. Und es ist darum wohl erklärlich, daß heute mehr über diese Dinge gesprochen wird, als dem feinempfindenden Menschen lieb sein kann. Aber wir müssen darüber einmal zur Klarheit kommen, schon deshalb, weil das Wort vom »Sichausleben« zur Phrase geworden ist und unsere Jugend verderbliche Wege führt. Warum bewegt sich die Wirklichkeit dieses Sichauslebens denn nur immer im Rahmen eines unsauberen Geschlechtslebens und richtet sich nicht auf körperliche und geistige Höchstentwicklung? Wüßten die jungen Leute nur erst, wie sie ihr eigenes Glück schädigen, weil die Dirne ihnen die Achtung vor dem Weibe und allem Weiblichen nimmt! Der Glaube an die Mutter hat einmal unsere Jugend verschönt, und diese schöne Erinnerung folgt uns in das Leben. Was hat die Mutter alles für dich getan? Mit Schmerzen hat sie dich geboren, deinetwegen mußte sie auf so vieles verzichten, was dem Manne das Leben vielgestaltig macht. Das Verhältnis von Mutter und Kind ist ein kleines Heiligtum, das der Mann als Gatte und Vater schützt. ~In jedem Weibe aber steckt die Mutter.~ Jedes Weib soll Reinheit dem Manne darbringen, der sie zur Mutter macht. Willst du vorzeitig in dies Heiligtum eingreifen? Willst du, der du als Mann Schützer und ritterlicher Hüter des Weibes sein sollst, ihr Verderber, ihr Verführer werden? Sei gut und voll Achtung zu jedem Weibe, achte und ehre die Mutter in ihr! Du wirst antworten, daß nicht immer der Mann die Schuld trage, sondern oft das Weib die Verführerin sei, und daß die Prostituierte nicht Achtung verdiene, sondern genommen werden müsse, wie sie ist. Ich will die Dirne nicht besser machen, als sie ist. Aber wie viele von denen, die auf den Straßen sich verkaufen, sind durch Verführung, Elend, schlechte Erziehung in das Schandgewerbe hineingetrieben worden! Darfst du die elende Lage, in die ein Mensch durch eigene oder fremde Schuld hineingetrieben wurde, für deine Genüsse mißbrauchen? Und wenn du die Prostituierte gar nicht achten kannst, wenn sie dir verworfen erscheint und du dich darum der Verantwortung überhoben glaubst, so bleibt es für dich entwürdigend, mit einem Menschen in Beziehung zu treten, den du verachtest. Aber mit der Verachtung sollten wir vorsichtig sein. Im Gewoge des Lebens steigt einer nach oben, der andere sinkt unter. Gute erbliche Anlagen erleichtern das Leben, schlechte erschweren es. Dem Weib, das Dirne wurde, gab die Vererbung wohl schlimme Keime. Schlimme Verhältnisse ließen das Schlechte aufblühen. Aber mache sie nicht schlechter! Wenn du ihr Gewerbe benutzest, so bringst du sie -- wie so viele andere -- noch tiefer in den Sumpf hinein. Warum wolltest du das tun? 5. Das »Verhältnis«. Das Erwachen der Liebe bringt der Jugend Gefahren und Irrtümer. Je stärker ausgeprägt der sinnliche Trieb ist, desto lebhafter werden Beziehungen zu weiblichen Wesen gesucht. Wie die Sonne alles in ihre Farben taucht, so umspielt die Erotik Mann und Weib. Eine freudig-festliche Stimmung, Lichterglanz, ein paar Musikakkorde, ein erregter Tanz oder dergleichen, und schon ist der Liebesfunke zur Flamme angefacht. Schon schiebt sich der Begriff »ewig« in das eben geknüpfte Band ein. Manchmal ist's ja ein Band fürs Leben, häufig aber zerreißt's schon früh, und manchmal sieht der andere Morgen schon Ernüchterung und Reue. Aus diesen losen, flüchtigen Beziehungen hat sich das herausgeschält, was Tausende von Männern kennen, und was in unserer Gesellschaft ein öffentliches Geheimnis ist, das »Verhältnis«. Ein im Grunde einfacher Vorgang: eine geschlechtliche Beziehung zu einem Mädchen, das nicht Dirne ist, sondern Bürgerstochter, Verkäuferin, Modistin, Schneiderin oder Ähnliches, und das man eines Tages verläßt, um eine andere zu heiraten. Sie gibt sich ihm hin, weil seine bessere soziale Stellung ihrer Eitelkeit schmeichelt, oder weil er die ihm geschenkte Gunst bezahlt, oder auch, weil -- sie ihn liebt und glaubt, von ihm geheiratet zu werden. Von seiner Seite ist's nicht Liebe, sondern die Gewohnheit des Geschlechtsgenusses. Liebe nur, wenn die sozialen Abstände die Ehe unmöglich machen. Manche Tragik entsprang dieser Wurzel; das sogenannte »Verhältnis« aber ist meist für den jungen Mann ein bequemer Weg des Geschlechtsgenusses, der keine ernstliche Verantwortung mit sich bringt. An sich selbst denkt er, und die Geschlechtserregung mag ihm ja auch Liebe vortäuschen, aber seine Absicht geht gegen ein dauerndes Band. Das kann nicht Liebe sein. Und wenn die Stunde der Trennung kommt, gibt's oft viel Weh im Herzen des jungen Mädchens, viel Jammer und Bitten und Tränen, weil doch die Liebe des Weibes, das seinen Leib hingab, ein Stück von ihrem Leben ist, während der junge Mann sich von seinen Geschlechtserlebnissen oft mit rücksichtsloser Kälte loslöst. Können diese Rohheiten Vorbereitung auf die Ehe sein? Zerstören sie nicht die Gemütstiefe, die einer Ehe Inhalt und Schönheit gibt? Wird nicht die Liebeskraft vergeudet, die ungebrochen einem einzigen Weibe gehören soll? Und was wird aus dem Mädchen, das verlassen ist? Findet sie einen anderen Mann, der sie heiratet, so wird sie verschweigen müssen, was sie erlebt. Was man verschweigen muß, kann nicht gut gewesen sein. Oft aber geht sie aus einer Hand in die andere und endet als Dirne. Denk' einmal, wenn es deine Schwester wäre! Welch ein entsetzliches Geschick für dich und deine Familie! Und viele junge Leute häufen, nur weil sie genießen wollen, solches Leid auf die anderen, die oft schwer daran zu tragen haben. Es liegt im »Verhältnis« eine Unehrlichkeit, die die sittliche Persönlichkeit untergräbt. Du verlierst die Ehrfurcht vor dem Weibe, weil du es nicht mit Achtung als Mensch, sondern mit Sinnlichkeit als Geschlechtswesen genommen hast. Es gibt gewissenlose Schürzenjäger, deren dumme Frechheit jahrelange Erfolge hat, weil selbst unter den Freunden und Kameraden niemand ihnen sagt, daß ihr Tun nicht Mannhaftigkeit, sondern Erbärmlichkeit ist. Wir müßten für mehr Klarheit in unserem Urteil sorgen. An geistig hochstehenden, wertvollen Frauen prallt der schale Witz solcher Laffen ab; sie können sich höchstens ihrer Erfolge bei Dirnen und charakterlosen Elementen rühmen, und auch da sind sie oft betrogene Betrüger, ausgenutzte Dummköpfe gewesen. Das »Verhältnis« ändert seinen durch die Erregung der Sinnlichkeit immer wieder beschönigten Charakter in demselben Augenblick, in welchem die hier ebenso notwendigen wie häßlichen Maßnahmen zur Verhütung der Befruchtung mißlungen sind, und das werdende Kind als eine angstvolle Tatsache da ist, das nun das wohlbehütete Geheimnis dieser Geschlechtsbeziehungen der Öffentlichkeit zu enthüllen droht. -- Und dann? Beim Manne tödliche Verlegenheit, Sorge für Ruf, Stellung, Name, Gedanken an Trennung, weil nun das »Verhältnis« lästig wird. Beim Mädchen jagende Angst, Wunsch nach Schutz, Furcht vor dem Entdecktwerden und dazu körperliche Leiden. Und dasselbe Kind, das zwei sich wahrhaft liebende Menschen in der Ehe erst recht fest aneinanderkettet, trennt meist zwei Menschen, die den bloßen Geschlechtszweck ihres »Verhältnisses« mit dem Worte -- »Liebe« zu entschuldigen suchten. Auf dem Lande und bei der Arbeiterschaft pflegt die unwillkommene Liebesfrucht meist den Entschluß zur Ehe zu erzwingen. Man heiratet sich, und das ist ehrlich. Damit bereitet man dem Kinde ein Nest, ein Heim, und die junge Mutter ist geschützt vor Sorgen und bösen Lästerzungen. Aber in der Stadt besteht für alle »besseren Schichten« die bequeme Einrichtung der »Alimente«. Die Vatersorgen und die anständige Gesinnung werden abgelöst durch ein geringes monatliches Geldopfer. Gewiß, der Gesetzgeber konnte vielleicht nicht anders. Er kann nur einige rechtliche Ordnung schaffen. Aber er hat uns zu viele Möglichkeiten geschaffen, Gemütswerte durch Geldwerte abzulösen. Es wäre falsch, zu sagen, daß der Leichtsinn des »Verhältnisses« die Pflicht zur Ehe in sich trägt, wenn das Kind dem sinnlichen Idyll ein jähes Ende bereitet. Denn dann könnte die Schwangerschaft eine Leimrute sein, mit der ein raffiniertes Weib einen Gimpel fängt. Ich will nur die Verwirrung beleuchten und die Rohheit zeigen, die oft mit dem unehelichen Kind sich entwickeln. Manche himmelstürmende Liebe endet durch die Abtötung der Frucht vor dem Strafrichter. Die Zahl der Totgeburten übersteigt bei den unehelichen Kindern überall in Europa anderthalbmal diejenige bei den ehelichen. Manches eben geborene Kind wird von der ratlosen, verzweifelten Mutter getötet oder an Fremde abgegeben. Das Höchste, Heiligste, was wir Menschen kennen, die Mutterschaft, wird besudelt, entehrt, wird zum Verbrechen. Grenzenloser Jammer erstickt das Gefühl des Mädchens, das Mutter wurde und verlassen wurde. Rings um die großen Städte wohnt in ländlichen Bezirken ein Kreis von Menschen, die sich mit der Pflege unehelicher Kinder gegen einmalige oder periodische Vergütung systematisch und beruflich beschäftigen, systematisch und beruflich aber auch unter dem Deckmantel der Pflege die -- Tötung besorgen. Manchmal weiß das die Mutter nicht, manchmal aber weiß sie es. Das Leid des unehelichen Kindes ist zu oft gesungen worden, als daß ich dazu Mollakkorde geben müßte. Verbrechen und Unehelichkeit, Prostitution und Unehelichkeit, das sind fast unlösbare Zusammenhänge. Der Unterbau des Lebens und der Charakterbildung, die mit Liebe und Achtung durchzogene Ehe, fehlt dem unehelichen Kinde. Gerade in den Kinderjahren, den Jahren der Weichheit und Aufnahmefähigkeit, der Lenkbarkeit, fehlen oft die festen Grundsätze gesunder Erziehung, herrschen oft Willkür, Vernachlässigung und der verderbliche Einfluß der Straße. Der Vater fehlt, die Familie fehlt. Dem Genuß eines Augenblicks entsteigt ein neues Menschenleben, das verfehlt und verdorben ist, weil die Verantwortung fehlte. Es ist oft, als sei im Geschlechtsleben das Rechtsgefühl vollkommen geschwunden, das doch beispielsweise in den kleinsten Geschäfts- und Geldsachen so fein entwickelt ist. Wer ein Geldstück stiehlt, kann ins Gefängnis kommen. Wer aber im Geschlechtsleichtsinn einem andern Menschen Glück und Namen, Ehre und Leben stiehlt, der kann sich auch ohne viel Geschick durch die Paragraphen hindurchwinden. Die gesetzeberatenden und gesetzemachenden Männer haben augenscheinlich zu wenig an das Weib gedacht; denn die Rechtsprechung aller zivilisierten Länder läßt dem Manne überall da Durchschlupfe, wo sich das Weib in den Irrgängen der sexuellen Doppelmoral fängt. Ja, die napoleonischen Gesetze Frankreichs zeigen eine offenbare Verachtung der Frau. Diese Verwirrung in Geschlechtsfragen hat scheußliche Zustände gezeitigt. Irgendein junger Mensch ist der Verführer. Seine sexuellen Wünsche sind lebendig geworden. Er lernt ein Mädchen kennen, und seine Sinnlichkeit treibt ihm betörende Lügen auf die Lippen. Sie glaubt ihm und wird verführt. In irgendeinem verschwiegenen Winkel kommt sie nieder. Alle Welt zeigt mit Fingern auf sie: »sie hat ein Kind.« Warum nicht auch auf ihn? Es ist doch auch ~sein~ Kind. Ein uneheliches Kind kann die Ursache sein, daß die Mutter in Ächtung, Verzweiflung und Tod getrieben wird, daß sie ein Leben lang büßt für eine Stunde voll glühender Worte. Der Mann aber kann am nächsten Tage die gleiche Komödie wiederholen. Und wenn dieser brutale Egoismus soundso oft mal in das Leben von soundso vielen Frauen zerstörend eingegriffen hat, dann deckt leicht eine glänzende Heirat den Schleier der gesellschaftlichen Stellung über die innere Erbärmlichkeit. Wo bleibt hier das Rechtsbewußtsein, die Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft? Wie viele Männer gibt es, Geschäftsleute, Direktoren von Theatern, Gesellschaften, Kaufhäusern usw., die ihre soziale Macht und die soziale Bedrängnis ihrer Angestellten dazu ausnutzen, die hübscheren jungen Mädchen in ihre Hand zu bekommen, die aber bei der Heirat sich doch nach einer Frau »von gutem Ruf« umsehen. Welch ein beschämender Mangel an einfachem Rechtsgefühl! Mancher Mann, der ein unschuldiges junges Mädchen zur Mutter gemacht hat, ist dadurch wie ein wildes Tier in das Glück und den Frieden einer ganzen Familie eingebrochen. Und doch geht uns die Phrase nicht aus den Ohren, die Geschlechtsbeziehungen des Mannes seien weniger verhängnisvoll als diejenigen des Weibes. Wenn die Mädchen, die heiraten, immer wüßten, wie sehr die häßlichen Bilder der Vergangenheit ihres Geliebten den schönen Phrasen des Augenblicks widersprechen, wenn sie wüßten, wieviel himmelschreiendes Unrecht, begangen an anderen, durch die Ehe sanktioniert werden soll, wenn sie wüßten, wie oft es vorkommt, daß abseits von dieser Ehe ein verlassenes, verhärmtes Weib in Not und mit Bitterkeit für das Kind des Geliebten sorgt, dann würden Schatten durch glückliche Gesichter ziehen, und in mancher Frau würde wohl die Erkenntnis reifen, daß für das Glück der Menschen und die Schönheit der Ehe die voreheliche Reinheit des Mannes genau so wichtig ist, wie die Reinheit des Weibes. Immer ist die Liebe die Lebensgestalterin. Sie gestaltet es gut oder schlecht. Darum muß diese gestaltende Kraft rein gehalten werden. An der alljährlichen Zunahme der unehelichen Geburten erkennen wir die ins Grenzenlose gewachsene geschlechtliche Gewissenlosigkeit der Jugend. Der unehelichen Mutter hat das Kind die soziale Lage sehr erschwert. Um so schutzbedürftiger sieht sie nach dem Manne; um so schmachvoller ist es, wenn dieser sie verläßt. Nur die Ehe kann dem mütterlichen Weibe und dem Kinde ein sicherer Hort sein. Darum lockern diese leichtsinnigen Geschlechtsverbindungen das ganze Gebäude unseres sozialen Fühlens, Denkens und Handelns. Geschlechtliche Ungebundenheit ruiniert ein Volk; denn sie ist eine Roheit und eine Gefahr für den Nachwuchs. Sie ist ein ununterbrochener, geheimer und niederträchtiger Kampf gegen die Einehe, die als höchstes Sittenideal unserer in uns schlummernden Ethik entstiegen ist. Alles, was die monogamische Ehe fördert und vorbereitet, ist zugleich sittliche Ordnung, Festigkeit, Gesundheit, Kraft und Menschenglück, alles, was sie stört, bringt Zerfall, Unglück, Proletariat, Krankheit. Das ist ~das uralte und urewige Gefüge der Natur, daß der Mann Hüter und Schützer von Weib und Kindern sein soll.~ Mag auch die Strömung der Zeiten die Frau »emanzipieren«, ihr soziale Selbständigkeit und Unabhängigkeit geben wollen, was vermag dies Eifern vor dem gebietenden Wort der Natur! Das Weib ist Mutter! Das ist sein Glück und sein Ruhm, aber auch die ewige Bedingtheit ihrer Lebensform, ihre ewige und unabänderliche Abhängigkeit vom Mann. Und wer aus der traurigen Nüchternheit und grenzenlosen Banalität vieler Ehen eine Waffe zur Bekämpfung der ehelichen Gemeinschaft überhaupt sich herrichtet und in der »freien Liebe« das Heil sieht, der sollte sich fragen, ob denn die freie Liebe etwas ändert an den ehernen Naturgesetzen, die die Ehe geformt haben, sollte sich fragen, ob denn die Menschen, deren Seelen matt sind und die kraftlos zu einem Liebesideal aufschauen, in einer ungebundenen Liebe die Verjüngung finden, die sie glücklicher machen kann. Das Leben bedarf so sehr dieser ewigen Verschmelzungs- und Verjüngungsprozesse durch Mann, Weib und Kind, daß sich die Forderung der vorehelichen Reinheit, das Ideal der Treue und die Tatsache der monogamischen Ehe als biologische, soziale und sittliche Grundforderungen herausgebildet haben. Der Vergleich mit der geschlechtlichen Wahllosigkeit mancher Ur- und Primitivvölker ist nicht stichhaltig. Sie haben ein auf tiefster Stufe stehendes Geistesleben und kennen darum nicht die Liebe, können uns nicht Maßstab sein. Aber die Liebe ist durch die Jahrtausende hindurchgeschritten und steigerte ständig ihre Seelenkraft, vertiefte und verfeinerte sich, und ward so eine duftige Blüte zartester Seelenkultur. Jeder rohe körperliche Akt, dem die Seele mangelt, treibt sie wieder zurück bis dahin, wo sie angefangen. In dem unbewußten Stammeln der im Selbstvernichtungsrausch versinkenden Liebenden »Nur du«, »ewig du allein«, liegt unbewußt die allerstärkste Betonung der Monogamie. 6. Vor der Ehe. Es kann nur ~einen~ Weg der Vorbereitung auf die glückliche Ehe geben, das ist der der eigenen Reinheit und die bei aller unbewußten Erotik geschlechtslose Beziehung zu Frauen. Wehe dem Manne, der im Weiblichen nur das Geschlechtliche sehen kann, der für dies ~eine~ seinen Sinn steigerte und für alles andere stumpf wurde. Ihm hat auch die Ehe nur Geschlechtsinhalt. Er kennt nicht die höchsten Genüsse, die in der innigen Ergänzung der besonderen geistigen Persönlichkeit des Mannes mit weiblicher Art, weiblichem Denken liegt. Meide den Umgang mit wertlosen Frauen, aber suche und pflege mit der Freundschaft zu guten Menschen besonders die geistigen Beziehungen zu edler Weiblichkeit. Deine Männlichkeit, dein Auftreten, deine Lebensformen werden ausreifen, wenn der Hauch gesunder Weiblichkeit dich umweht. Kannst du deine Interessen mit einer Freundin austauschen, so bekommt deine Anschauung noch eine andere, sich ergänzende Richtung. Und siehst du in der Freundin eines Tages die Geliebte, denkst du sie dir als Gefährtin des Lebens, nun, so war's wohl ein guter Entschluß. Aber prüfe, ehe du dich bindest! Hast du dich entschlossen, so glaube nur nicht, jetzt sexuelle Rechte zu haben! Gerade dies »Poussieren«, diese häufigen Geschlechtserregungen in allen Winkeln und dunklen Ecken, diese Liebkosungen sexueller Art sind so verderblich für das Nervensystem. So wenig Haltung bewahren oft junge Menschen, daß sie jedes Alleinsein zu unsauberem Denken und Tun mißbrauchen, oft nur, weil sie zu geistlos und zu sehr ohne inneren Wert sind, als daß sie das Alleinsein mit Schönerem ausfüllen könnten. Wenn so schon der Jugend die Poesie gestorben ist, sollte man den Schritt zur Ehe nicht mehr wagen; denn die Ehe wird zum Ekel. ~Lerne bewundernd zu lieben, ohne zu begehren!~ Dann wird das, was du liebst, dir lange, lange das Schöne bleiben! Liebe ist Wunsch, ist Sehnsucht, ist Spannkraft der Seele. Töte das alles nicht, indem du vorschnell an dich reißest, was deiner Sehnsucht lebendiges Ziel sein soll. Mag auch ein sinnliches Begehren dich zu dem Mädchen, das du liebst, hinreißen, falle ihm nicht zum Opfer. Ihr entschleiert das Bild zu Saïs! Solange die unerfüllten sinnlichen Wünsche ~in~ dir leben, beschwingen sie deine Liebe und treiben dir Worte der Poesie auf die Lippen. Du siehst alles, alles schön und farbenprächtig, idealisierst die Wirklichkeit, hast Jugend in dir; denn Jugend ist Wunsch und poesievolle Spannung. Die befriedigte Liebe aber, wenn sie nur körperliches Begehren war, wird arm an Worten, und es ist die tiefe Tragik der Liebe, daß sie in ihrem höchsten Begehren stirbt. Sie kann sich selbst bekämpfen, in der eigenen Glut aufzehren, und es braucht klare Augen und einen festen Willen, sie in Schranken zu halten. Wieviel unglückliche Ehen entsteigen dieser geschlechtlichen Voreiligkeit! Die Erregung raubt Besonnenheit und Urteil. Ein Kind ist entstanden und treibt die zwei leichtsinnigen Menschen in die Ehe hinein, den Mann oft gegen seinen Willen. Was freieste Entschließung und seelische Hochspannung zweier Menschen sein sollte, wird eine Zwangsmaßnahme, die aus innerer Angst und aus Furcht vor dem Skandal geschah. Gerade wenn der Wunsch nach dem Weibe die Sinne füllt, sollte man mit Entschlüssen zögern. Was wir gar zu heftig begehren, sehen wir nur in seinen Vorzügen, nicht auch in seinen Schwächen und Mängeln. Und manches Mädchen, das für den Geliebten »göttlich« war, wird für den Gatten, wenn der Alltag der Ehe den Morgentau der Liebe abstreifte, mehr als irdisch. Darum prüfe dich lange und zähme immer deine Sinnlichkeit. Denn durchbricht sie die Schranken, so entscheidet sie oft über Dinge, die noch gänzlich unentschieden sind, und knüpft oft ein Band, das besser ungeknüpft bliebe. So betrachtet, wird dir die Liebe zur beschwingenden Kraft. Aus dem Gegenspiel von Erotik und ihrer Beherrschung erwächst dir die Achtung vor dir selbst und vor der Weiblichkeit. Je größer diese doppelte Achtung ist, desto weiter rückst du ab von der Prostitution und allem, was aus ihr entspringt und mit ihr zusammenhängt. 7. Schadet der Jugend die Enthaltsamkeit? Es wird viel und gern davon gesprochen, daß die geschlechtliche Betätigung vor der Ehe eine Notwendigkeit sei, eine Forderung der Gesundheit. Diese letztere solle Schaden nehmen in der Enthaltsamkeit. Die einen stellen diese These auf und verteidigen sie mit Hartnäckigkeit, die anderen bestreiten sie energisch. Ich zögere keinen Augenblick, zu sagen, daß es viele Fälle von Schäden der Enthaltsamkeit gibt, Schäden, die sich bei der geistigen Arbeit, im Schlaf, im ganzen geistigen und körperlichen Leben überhaupt zeigen. Es wäre falsch und widerspräche der Wissenschaft und den alltäglichen Vorkommnissen, einer sittlichen Absicht zuliebe physiologische Erscheinungen rundweg leugnen zu wollen. Das erzeugt Widersprüche, die zu Waffen in der Hand der Gegner werden. Aber derartige Schäden treten erst bei der Geschlechtsenthaltsamkeit der Erwachsenen auf und haben für die Jahre der Entwicklung, für die Jugend, nicht die mindeste Geltung. ~Für die Jugend ist die Enthaltsamkeit nicht nur nicht schädlich, sondern eine Grundbedingung vollkommener Entwicklung.~ In der Tierzucht ist es ein ganz selbstverständlicher Grundsatz, Tiere niemals vor vollendeter Reife zur Geschlechtsbetätigung zuzulassen, weil man dadurch das Tier schwächt, seine Leistungsfähigkeit (z. B. bei Rennpferden, Jagdhunden, Lasttieren) vermindert und schließlich die ganze Rasse herabzüchtet. Zwischen Fortpflanzungstrieb und Lebensdauer besteht eben ein unlösbarer Zusammenhang. Ganze Völker versinken in der Widerstandslosigkeit gegen den Geschlechtsreiz. Den Indiern hat nichts so sehr die Kraft genommen, als die frühen Heiraten, die schon von Kindern geschlossen werden. Es kann niemals gut sein, wenn ein Trieb sich so entwickelt, daß er alles beherrscht. Eine Schwächung des Ganzen muß die Folge sein. ~Noch nie, solange die Welt steht, hat die Keuschheit so ungeheuren und entsetzlichen Schaden angerichtet, wie die Ausschweifung.~ Die Schäden, von denen man spricht, sind aufgebauscht und werden zur bequemen Entschuldigung für den Geschlechtstrieb, den zu zügeln man nicht die Kraft und den Willen hat. In diesem Punkte gibt es so viele Täuschungen, als es Behauptungen gibt. Denn alle die Zustände, die man in den bequemen und gedankenlosen Begriff »nervös« zusammenfaßt, die Unruhe, Schlaflosigkeit, Arbeitsunfähigkeit, allgemeine Schlaffheit, Verdauungsträgheit, Mißmut, Gemütsbedrücktheiten u. dergl., die fast alle aus völlig unnatürlicher Lebensart sich ergeben, wenn die Freuden der Tafel über die Bedürfnisse des Lebens hinausgehen und der Körper nicht genug Bewegung hat, diese Zustände werden gern und vorschnell dem Mangel an Geschlechtsgenuß zugeschrieben, weil man so die Sinnlichkeit, mit Gründen wohl versorgt, auf den glatten Boden eines vergnügten Lebens hinausschicken kann. Denn um ein Vergnügen handelt sich's wohl bei all den jungen Männern, die ihre leichtfertigen Liebesabenteuer mit der Flagge der bedrohten Gesundheit verteidigen. Die gesamte Art der Menschheit, zu leben, zu arbeiten, zu essen und zu trinken, und demgemäß zu denken und zu fühlen, ist so grundfalsch, so von den natürlichen Gesetzen abgewichen, auf Abwege geraten, daß auch unser Urteil über den Geschlechtstrieb und seine Äußerungen notgedrungen falsch sein muß. Wie kann man aus ungesunden Lebensformen physiologische Gesetze folgern wollen? Es ist wohl gut, auf einige Äußerungen von Männern hinzuweisen, die auf Grund ihres wissenschaftlichen Urteils und ihrer Lebenserfahrungen gehört zu werden verdienen. Dabei will ich verzichten auf die Wiedergabe des bekannten Schreibens der medizinischen Fakultät der Universität Christiania, erstens, weil es aus dem Jahre 1887 stammt, und vor allem, weil mehrfach angezweifelt worden ist, ob in der Tat die ~ganze~ Fakultät es unterzeichnete. Tatsache aber bleibt, daß die jüngeren norwegischen Ärzte in ihrem Fachblatt das erwähnte Urteil der Fakultät zu ihrem eigenen gemacht haben. Der bekannte Nerven- und Irrenarzt Prof. _Dr._ ~Aug. Forel~ sagt: »Die angebliche Nervosität resp. physische Erregbarkeit, Abspannung usw., welche die Keuschheit nach sich ziehen soll, wird als ein Hauptargument zur Verteidigung der staatlichen Fürsorge für weiberbedürftige Männer herangezogen. Ich bin in meiner ärztlichen Laufbahn von zahlreichen jungen Neurasthenikern und Hypochondern konsultiert worden, welche früher keusch waren, erst auf ärztliche Anordnung hin Bordelle besuchten und vielfach dort venerisch angesteckt, jedoch weder von Neurasthenie noch von Hypochondrie kuriert wurden. Einen irgendwie nennenswerten Erfolg von dieser Therapie habe ich selbst nie beobachtet. »Zweifellos dagegen ist es, daß der ausposaunte angebliche Schutz gegen Syphilis (von einem Schutze gegen gonorrhöische Infektion wagt niemand zu sprechen), verbunden mit den zahllosen Lockungsmitteln, welche die in diesen Geschäften pekuniär interessierten Personen zur Vermehrung ihrer Kundschaft anwenden, die Zahl der sich prostituierenden jungen Männer ungeheuer steigert; es bildet sich unter denselben allmählich die >Suggestion<, daß die Keuschheit ein unmögliches Ding sei, daß ein keuscher Jüngling kein >Mann< sei u. dergl. mehr. -- Zwar liefert überall die Landbevölkerung, ohne daß wir an unsere Vorfahren zu appellieren brauchten, den Beweis, daß ohne regulierte Prostitution und ohne Prostitutionshäuser die Männer existieren und gesund bleiben, sogar viel gesünder werden können. Es beweisen ferner zahlreiche Einzelfälle, daß die Keuschheit ohne Nachteil für die Gesundheit bestehen kann ... Doch wird dies meist ignoriert. »Die Prostitution ist kein Heilmittel gegen die Onanie. Beide bestehen sehr oft nebeneinander...... Tatsache ist ..., daß der Geschlechtsreiz durch vermehrte Befriedigung sich steigert, zu einem immer häufigeren Bedürfnis wird. Das erklärt die weitere Tatsache, daß ... sehr viel Exzedenten daneben noch onanieren oder nächtliche Pollutionen haben... »~Nie habe ich eine durch Keuschheit entstandene Psychose gesehen, wohl aber zahllose solche, die die Folgen von Syphilis und Exzessen aller Art waren~... »Wir müssen dabei bleiben, daß für den jungen Mann bis zu seiner Verehelichung die Keuschheit nicht nur ethisch und ästhetisch, sondern auch der Prostitution gegenüber hygienisch das Zuträglichste ist.« Auch der hervorragende Psychiater Prof. _Dr._ ~Eulenburg~ bezweifelt in seiner »_Neuropathia sexualis_«, »daß schon irgend jemand bei sonst vernünftiger Lebensweise durch geschlechtliche Abstinenz allein krank, speziell neurasthenisch oder sexual-neurasthenisch geworden ist.« Er sagt weiter: »Ich halte diese immer wiederkehrenden, phrasenreichen Behauptungen für völlig leeres und nichtssagendes Gerede, wobei es sich nur um gedankenloses Miteinstimmen in den allgemeinen Chorus oder -- noch schlimmer -- um ein bewußtes Kniebeugen vor Vorurteilen handelt... Jene im Laienpublikum außerordentlich beliebte und leider auch von gewissen Ärzten laut oder stillschweigend gebilligte Meinung von der unbedingten Schädlichkeit geschlechtlicher Abstinenz wirkt zumal auf die heranwachsende Jugend in hohem Maße verderblich; sie treibt diese dem illegitimen Geschlechtsverkehr, d. h. der Prostitution, geradezu in die Arme...« Das Wort von den Schäden durch Enthaltsamkeit ist am lautesten im Munde derjenigen, die die Venus Anadyomene (sinnliche Liebe) kennen und ihr nicht entsagen wollen. Sie wissen nicht, daß das zur Periodizität neigende Rückenmark aus einem gewöhnlichen Reiz ein gebieterisches Recht macht. Findet man nicht im Essen, im Trinken, im Rauchen und in allen Lebensgewohnheiten genau dasselbe? Man entziehe nur einmal einem starken Esser oder Trinker sein gewohntes Quantum, und er wird -- obwohl die Entsagung seinem Organismus höchst dienlich ist -- Unbehaglichkeiten, ja Qualen erleiden. So ergeht's dem Raucher, so dem Morphinisten. Ist darum in ihren Wünschen, ihren Gefühlen, ihren Ansichten auch nur ein Schimmer von Recht? Wer das Geschlechtsgefühl häufiger kennen lernte, hat seinen Organismus sozusagen darauf eingestellt. Wie Wellenlinien durchzieht's die Nervenzentren, periodisch sie erregend. Dann bringt zunächst die Enthaltsamkeit Beschwerden, wie allen, die unbeherrscht und triebhaft leben. Aber nur zunächst. Bald stellt sich das Nervensystem mit dem ganzen Organismus auf diese neue Marschroute ein, und die inneren Absonderungen vermehren bald merkbar die Spannkraft des Körpers und des Geistes. Ja, wer beobachten kann, findet bald heraus, daß der die Geschlechtskraft sparende Organismus mit einem geringeren Maß von Schlaf und Nahrung auskommt, weil er trotz erhöhter Leistungsfähigkeit sparsamer wirtschaftet. Für viele, viele Menschen ist der Geschlechtsgenuß ein jedesmaliger Kraftverlust, sie erschlaffen tagelang nachher, und Menge und Wert ihrer Arbeit leidet. Sie brauchen Tage, um durch Ruhe und Sorgfalt in der Ernährung wieder auszugleichen, was sie in einer Minute verloren haben. Trotzdem aber können sie nicht loskommen von dem entnervenden Glauben an die Notwendigkeit geschlechtlichen Lebens. Freilich bedingt ein so besonders beherrschtes Leben auch veränderte Lebensgewohnheiten. Wenn du an Kopfschmerzen leidest, an unruhigem Herzen, an Schlaflosigkeit und wüsten Träumen, oder durch Pollutionen erschlafft wirst und in all diesen Dingen Gründe für ein voreheliches Geschlechtsleben siehst, dann handelst du wie ein Kind, das die eine Dummheit durch die andere beseitigen will. Du sollst deine Eßgewohnheiten ändern, den Alkohol meiden, das Rauchen einschränken, Gewürze und gewürzte Nahrung fortlassen und alles das beachten, was wir schon beim Kapitel der Onanie miteinander besprochen haben. Und wenn der Arzt in all den eben genannten Störungen die Zeichen eines zu hohen Blutdruckes erkennt, so sollte er seinen Patienten nicht auf den gefährlichen Weg zur Dirne senden, sondern den Blutdruck durch den gesünderen und klügeren Rat der fleischlosen Nahrung, der Vermeidung von Kaffee und Tee und Alkohol herabsetzen. Kann diese gedankenlose Suggestion der Dirnennotwendigkeit sich bei der ärztlichen Autorität ihr Lebensrecht holen, dann ist es kein Wunder, wenn die Köpfe junger Männer erfüllt sind von wilden, ungezügelten und schmutzigen sexuellen Vorstellungen, die den erregten Körper zu nächtlichen Samenergüssen und damit zur Erschlaffung mit Rückenschmerzen, Verdauungsschwäche und Melancholie treiben! Ein straffes Halt der lüsternen Phantasie gebieten, Geist und Körper in ernste, energische Arbeit einspannen, das hält den Geist sauber und den Körper gesund! In Klöstern, wo die Frauen arbeiten, hat man selten Hysterie gefunden; bei Prostituierten dagegen ist sie häufig. Du wirst einsehen, daß gerade die wunderbare Tatsache der ~inneren~ Drüsenabsonderungen der Jugend die Pflicht der Keuschheit auferlegt. Denn der Organismus, der diese Drüsensekrete zu seiner Entwicklung gebraucht, kann nicht zu seiner vollen Entwicklung kommen, wenn ihm vorher das Wachstumsmaterial entzogen wird. Und wenn dem Körper die Kraft genommen ist, wie sollte er Kraft seinen Nachkommen geben können? Dem eigenen Leichtsinn folgt die Schwäche der Nachkommen, und sie ist ein drückender Vorwurf für den, der noch ein Gewissen hat. Es ist nicht geschickt, zur eigenen Entschuldigung auf die Männer hinzuweisen, die trotz ihrer sexuellen Ausschweifung geistig groß, bedeutend und machtvoll waren. Denn erstens sind solche Männer in der Minderzahl, zweitens hätten sie bei größerer Selbstzucht noch Größeres erreicht. Die Zahl der Großen aber, die ihr persönliches Leben unter die ordnende Macht sittlicher und gesundheitlicher Gesetze gestellt haben, ist wesentlich größer, und man braucht nur auf ~Immanuel Kant~, auf ~A. v. Humboldt~ hinzuweisen, um sexuelle Enthaltung und geistige Größe eindrucksvoll nebeneinander zu sehen. Jedenfalls hat frühzeitiger Geschlechtsverkehr noch keinen großen Mann gezeitigt. Dagegen fällt das Auge überall auf Menschen, die durch vorzeitige Vergeudung der Zeugungskräfte an Körper und Geist verarmt und verkümmert und zu jedem geistigen Hochflug unfähig geworden sind. Obermedizinalrat Prof. _Dr._ ~Gruber~ in München sagt: »An eine Schädlichkeit der Zurückhaltung des Samens im Körper ist nicht zu denken.« Er weist darauf hin, daß die Samenflüssigkeit, wenn sie als Auszug aus Tierhoden unter die Menschenhaut gespritzt wird, die Leistungsfähigkeit der Muskeln erhöht und diese sich rascher erholen. Er weist ferner auf die Enthaltung von Gelehrten und Künstlern hin und sagt: »Während der Zeit der Enthaltung wird sicherlich Samen aufgesaugt, und seine Bestandteile gelangen ins Blut. Dies wirkt nicht schädlich, sondern günstig.« -- Zweifellos gibt es Menschen von so heftiger geschlechtlicher Begierde, daß sie sich wie ein Wesenszug ihrer besonderen Persönlichkeit ausprägt und oft ihrem Handeln eine bestimmte Note gibt. Sie können sich nicht bezähmen, sondern werden von ihrer Begierde beherrscht. Solchen Menschen erscheint der Gedanke an geschlechtliche Entsagung lächerlich, und sie sind es auch, die, von ihrem eigenen Zustand ausgehend, ihren jugendlichen Kameraden die Gefahren der Keuschheit anschaulich machen wollen. Sie geben oft einer Unterhaltung den Ton, und die anderen schämen sich, ihre Unschuld zu zeigen oder gar zu verteidigen. Wir wollen nicht Pharisäer sein und Steine werfen auf diejenigen, deren heftige, unstillbare Begierde die Selbstbeherrschung übersteigt. Aber man soll in diesen Dingen das Herdenmäßige niederhalten, damit nicht der eine zur gefährlichen Antriebskraft für die anderen wird, die zu spät den gefährlichen Weg, den Krankheitsjammer und das moralische Elend erkennen, in das ihre durch ein paar verführende Worte angefachte Sinnlichkeit sie hineingetrieben hat. Man kann, durch ein Irrlicht geleitet, leicht in einen Sumpf geraten. Ob aber die Kraft zum Herauskommen später noch da ist, ist nicht vorherzusagen. Prof. _Dr._ ~Albert Heim~ hat in einer kleinen Schrift, »Das Geschlechtsleben des Menschen vom Standpunkt der natürlichen Entwicklungsgeschichte«, vortrefflich nachgewiesen, daß diese sexuelle Planlosigkeit und Willkür, die wir in der »zivilisierten« Menschheit finden, nicht einmal beim Tiere existiert, daß für das in Freiheit lebende Tier durchaus keine Geschlechtsfreiheit besteht, daß es vielmehr in polygamischer oder monogamischer Ehe lebt. Er sagt: »Und indem allmählich die zeitliche Beschränkung der Geschlechtsliebe auf Brunftzeiten verschwunden ist, die Zeit der Brutpflege und der Erziehung der Nachkommen sich immer verlängert hat, wird die Familie fester und dauernder und dadurch die ~lebenslängliche Einzelehe~ immer ~natürlich-notwendiger~. In geschichtlicher Zeit sehen wir in der Menschheit selbst alle Stufen von Unregelmäßigkeit, polygamischer, monogamischer Ehe sich fortschreitend entwickeln bis gegen die Alleinherrschaft der lebenslänglichen Einzelehe in Praxis, in Sitte und in Gesetz. Was die Natur schon am Tierreiche in verschiedenen Zweigen aufsteigend entwickelt und mit verstärkter Notwendigkeit dem Menschen als Erbe überbunden hat, das wird sie nicht zurücknehmen können. Es gibt kein anderes Rückwärtsschreiten als dasjenige zum Untergang. »Die ~monogamische Lebensehe~ ist in ihrer Ausbildung ein allgemeines Naturgesetz, und indem das Sittengesetz der Menschheit dieselbe fordert und anstrebt, ist es eben nicht ein Stück »zivilisatorischer Unnatur«, sondern ein ~Stück Natur~. ~Ein ungehemmtes Verfolgen seiner Triebe ist kein Naturrecht. Die freie Natur gibt dies bei höheren Tieren nirgends zu.~ Auch das Tier würde bei Geschlechtsfreiheit rasch zugrunde gehen. Der außereheliche Geschlechtsverkehr ist in der Natur gar nicht vorgesehen; er ist nur eine unglückliche Abirrung der Zivilisation, ein Irrtum! Je intensiver der Geschlechtstrieb, je beseligender seine Befriedigung wird, desto bestimmtere und engere Schranken setzt ihm die Natur, desto höher und heiliger aber auch gestaltet sie die geschlechtliche Verbindung; sie wird zur Liebe, zur Ehe. Beim Menschen gibt uns Liebe und Gegenliebe, nicht der Geschlechtstrieb, Recht aus Geschlechtsgenuß. »Das Gerede vieler Männer von der Unnatur der Enthaltsamkeit und der monogamischen Lebensehe ist also eitel Säbelgerassel und steht im grellsten Widerspruche mit den Leitlinien der natürlichen Entwicklung. Diesem Gerede zuliebe wird die Natur nicht umkehren, sondern wer ihren Entwicklungsgedanken zuwider lebt, der wird an seinem Laster verderben! Aus der Natur, aus ihren Gesetzen, kommen wir nimmer heraus!« [Illustration: Dekoration] Dritter Teil. Die Geschlechtskrankheiten. Ja, wenn noch aus all dieser lüstern-lockenden Welt der geschlechtlichen Ungebundenheit Glück und Kraft und Schönheit käme! Wenn die Wege des Genusses nicht zur Reue führten, die oft fassungslose Verzweiflung ist! Denn das voreheliche Geschlechtsleben hat einen Januskopf. Auf der einen Seite das lächelnde Antlitz des Augenblicksgenusses und auf der anderen die grause Kehrseite der venerischen Krankheiten, allen voran Tripper (Gonorrhöe) und Syphilis. Weißt du, welche Schrecken diese Krankheiten für den Einzelnen, welche Geißel sie für das Volk sind? Ruinierte Kräfte, zerstörte Leben auf der ganzen Linie. Nur ein paar Zahlen sollen den Umfang der venerischen Seuche zeigen: Das Kultusministerium in Preußen versandte im Jahre 1900 Fragebogen, die Geschlechtskrankheiten betreffend, an die Ärzte. Aus der Beantwortung derselben ergab sich, daß am 30. April des genannten Jahres 41000 Geschlechtskranke sich in ärztlicher Behandlung befanden. Darunter waren allein 11000 an frischer Syphilis Erkrankte. Berlin zählte allein 11600, darunter 3000 frisch Syphilitische. Es kamen somit in Preußen auf 10000 Einwohner = 28 Geschlechtskranke, in Berlin 142. Berücksichtigt man, daß ein Drittel aller Ärzte die Fragebogen unbeantwortet gelassen hatte, und daß zahllose Erkrankte ohne eine Ahnung von ihrem Leiden herumlaufen oder aber leichtsinnigerweise nicht zum Arzt gehen, so kann man sehr wohl für Preußen eine Zahl von 100000 Geschlechtskranken am Tage annehmen. Professor ~Brentano~ sprach 1903 in München auf dem Kongreß der »Gesellschaft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten« sogar von 170000. Diese Krankheiten kosten dem Volke an Mindereinnahmen und Mehrausgaben (für Behandlung) viele Millionen. Das Elend, das diese Zahlen in sich einschließen, ist kaum zu schildern und hat etwas Grauenhaftes, wenn man sieht, daß ihm die Menschen mit lächelndem Leichtsinn entgegeneilen. Denn fast alle Geschlechtskrankheiten (90%) entstehen bei der Prostitution oder durch die flüchtigen »Verhältnisse« mit Kellnerinnen und dergl. _Dr._ ~Iwan Bloch~-Berlin berichtet (»Sexualleben«), daß in Berlin alljährlich ein Drittel aller Kellnerinnen als geschlechtskrank aufgegriffen werden, daß unter den Geschlechtskranken folgende Skala besteht: 30% Kellnerinnen, 25% Studenten, 16% Kaufleute, 9% Arbeiter, 4% Soldaten. Daß die Studenten gleich hinter den Kellnerinnen stehen, spricht für ihren bodenlosen Leichtsinn. Der verstorbene Leipziger Nervenarzt _Dr._ ~Möbius~ sagt (»Vermischte Aufsätze«, 1898): »Der, der Erfahrung hat, muß zugeben, daß wenigstens acht von zehn, die durch Dirnen angesteckt worden sind, nicht durch Leidenschaft dazu gekommen sind, sondern einfach durch Leichtsinn und Übermut, Verführung und Betrunkenheit. Ja, viele setzen sich kaltblütig der Gefahr aus, bloß weil man ihnen eingeredet hat, regelmäßiger Geschlechtsverkehr sei zur Gesundheit nötig. »Wüßten die Leute ganz klar, wie groß die Gefahr ist, daß sie bei jedem Verkehr mit Dirnen die Gesundheit, ja das Leben auf das Spiel setzen, so würden gewiß viele sich zurückhalten. Deshalb halte ich es für eine ernste Pflicht aller Wohlmeinenden und ganz besonders der Ärzte, so oft und so nachdrücklich wie möglich die Wahrheit über die venerischen Krankheiten anszusprechen, ja den Menschen ins Ohr zu schreien. Jeder bedenke, welche Verantwortung er auf sich lädt, wenn er diese Dinge leichtsinnig behandelt. Sollten Ärzte lächelnd von >Kinderkrankheiten< reden, oder wohl gar zum Besuche der Dirnen ermuntern, so darf man von ihnen sagen, daß sie >viel schlimmer als die Pest< wirken.« Weil Wissen überall die starke Waffe der Sittlichkeit ist, wollen wir hier kurz die häufigsten und schrecklichsten Geschlechtskrankheiten darstellen. Es sind dies 1. der Tripper (Gonorrhöe), 2. der weiche Schanker, 3. die Syphilis. Der ~Tripper~ ist eine uralte Krankheit, die schon ~Moses~ zu ernsten Maßregeln veranlaßte. Das Mittelalter hat eine große Ausdehnung des Trippers erlebt, aber die großen Irrtümer über diese Krankheit waren für die Kranken von sehr trüben Folgen. Klarheit brachte erst die im Jahre 1879 gemachte Entdeckung von Prof. ~Neisser~-Breslau, daß der Tripper eine zunächst lokale Entzündung der Harnröhrenschleimhaut ist, die auf bestimmten Mikroorganismen (Kleinwesen), den _~Gonoccoci Neisseri~_ oder Tripperkokken, beruht. Es gibt keine andere Ursache für den Tripper oder die Gonorrhöe als den Geschlechtsverkehr. Was man sonst darüber redet, ist falsch. Man kann ohne weiteres sagen, daß alle käuflichen Dirnen geschlechtskrank sind, und daß die sittenpolizeiliche Kontrolle (Reglementierung) nicht den geringsten Schutz gegen die ungeheure Ansteckungsgefahr gewährleistet. Ein oder mehrere Tage nach der Ansteckung macht sich ein lästiges Brennen und Jucken in der Harnröhre bemerkbar, das häufige Gliederektionen mit erhöhtem Schmerzgefühl bewirkt und besonders beim Harnlassen sich steigert. Zugleich beginnt ein schleimiger Ausfluß, der in kurzer Zeit zu einem mehr oder weniger übelriechenden grünlich-gelben Eiter wird. Die Menge dieser eiterigen Absonderung hängt von der Heftigkeit der Erkrankung und von der gesamten Kräfte- und Säftebeschaffenheit des Patienten ab. Die Harnröhrenmündung erscheint gerötet. Wird bei der Untersuchung der Harn in ein Glas gelassen, so senkt sich der Eiter darin in dicker Schicht zu Boden, und man kann die Gonokokken darin mit Sicherheit feststellen. Die schmerzhaften Gliederregungen, der gestörte Schlaf, das Angegriffensein des ganzen Nervenapparates, sind natürlich für den Patienten sehr angreifend. Der Verlust an Säften und Kräften läßt sich wohl auch bei jedem heftigen Tripper an dem schlechten Aussehen des Patienten erkennen. Je nach Umständen läßt nach 3-4 Wochen die Heftigkeit des Ausflusses nach. Der Eiter verliert seine Dickflüssigkeit und gewinnt wieder das Aussehen wie zu Beginn der Krankheit; er wird wässeriger und heller. Es kommt vor, daß ein leichter Tripper verhältnismäßig lange Zeit besteht und hartnäckig erscheint, daß aber andrerseits hin und wieder ein sehr heftig auftretender Tripper in kurzer Zeit verschwindet. Das hängt ganz von Konstitution und Lebensweise und von der im Körper wirkenden Heilkraft ab. Meist hat der Tripper seinen Sitz zunächst in dem vorderen Teil der Harnröhre. Durch unrichtiges Verhalten, vor allem durch unzweckmäßige Behandlung, verbreitet er sich aber über den hinteren Teil der Harnröhre, und damit beginnt sein ernster Charakter, beginnen die Gefahren des Blasenkatarrhs, der Nebenhoden- und Prostataentzündung usw. Jetzt können Schäden entstehen, die im ganzen Leben nicht wieder gutzumachen sind, wenn nicht mit allem Ernst die Behandlung in die Wege geführt wird. Wird die zweckmäßige Behandlung versäumt, so geht der frische (akute) Tripper in das chronische Stadium über. Damit gewinnt diese Krankheit ihren wahrhaft heimtückischen Charakter. Man kann deshalb nicht ernst genug raten, sofort nach dem Ausbruch der Krankheit einen Arzt aufzusuchen. Warnen muß man vor allem vor der Selbstbehandlung, die junge Männer auf den Rat »erfahrener« Freunde beginnen, weil sie sich schämen, zum Arzte zu gehen, oder weil sie Störungen in ihrem Berufe und Entdeckungen seitens der Angehörigen fürchten. Wer sich nicht schämte, sich die Krankheit bei der Dirne oder einem sonstwie unerlaubten Geschlechtsumgang zu holen, der sollte auch den Mut besitzen, sich durch einen erfahrenen Arzt ausheilen zu lassen, um sich selbst und seine spätere Familie vor schlimmen Folgen zu bewahren. Die Selbstbehandlung ist ein Leichtsinn und eine Unklugheit, weil durch sie oft die Krankheit erst ins chronische Stadium hineingetrieben wird. Übrigens schützt das ärztliche Berufsgeheimnis den Patienten vor jedem bösen Klatsch und vor gesellschaftlicher Ächtung. Das ist bei der herrschenden besonderen Auffassung der Geschlechtskrankheiten doppelt wichtig. Zwischen der medikamentösen Behandlungsweise und der naturgemäßen entscheide ich mich unbedingt für die letztere, die in der ärztlichen Praxis mehr und mehr an Anerkennung und Würdigung gewinnt. Ist der Tripper erst einmal chronisch geworden, so bietet er der Behandlung weit größere Schwierigkeiten. Im allgemeinen kann man die Erkrankung als chronisch ansehen, wenn sie einer zweckmäßigen Behandlung nicht innerhalb drei Monaten weicht. Dann wird der Tripper zu einem langwierigen, schleichenden Leiden, das monate- und jahrelang, ja durchs ganze Leben hindurch bestehen und schließlich tödliche Erkrankungen hervorrufen kann. Jedenfalls haben die neueren klinischen Erfahrungen das Gesamtbild des Trippers ganz wesentlich gefahrvoller erscheinen lassen, als man es früher glaubte. Subjektiv sind die Beschwerden zunächst nicht sonderlich groß und bestehen im wesentlichen darin, daß morgens die Harnröhrenmündung verklebt ist und auf Druck einen grau-weißlichen Schleimtropfen absondert, in welchem die bakteriologische Untersuchung manchmal Gonokokken, manchmal aber auch nur Eiter nachzuweisen vermag. Das Urinieren ruft häufig, besonders nach dem Genuß scharfer Speisen, Schmerzen hervor. Was aber dem chronischen Tripper erst seinen heimtückischen Charakter gibt, das sind seine Folgeerscheinungen, von denen vorerst die gefährlichen Strukturen, das sind Verengerungen der Harnröhre durch Bindegewebswucherungen, zu nennen sind. Dieselben sind oft ungeheuer schmerzhaft, erschweren das Harnlassen und können zu schweren Nervenstörungen führen. Zum zweiten ist zu nennen die sogenannte ~Prostatitis~; das ist eine Entzündung der zwischen Harnröhre und Blase liegenden Vorsteherdrüse, die große Schmerzen hervorruft und mit einem starken Eiterausbruch endet. Auch diese Krankheit kann chronisch werden und ist dann verhängnisvoll für die Geschlechtstätigkeit, da sie sexuelle Neurasthenie hervorrufen kann. Bei Vernachlässigung, namentlich aber bei der leichtsinnigen Selbstbehandlung und dem Gebrauch innerlicher, reizender Mittel, schließt sich dem Tripper ein ~Blasenkatarrh~ an, ein im akuten Stadium äußerst schmerzhaftes Leiden, das mit fortwährendem Harndrang verbunden ist und sehr leicht chronisch werden kann. Dann kann es monate- und jahrelang bestehen, ja während des ganzen Lebens eine Schwächung der Blase und ihres Schließmuskels hinterlassen und so zu einem ganz außerordentlich lästigen und hinderlichen Leiden werden. Ja, in der chronisch erkrankten Blase bildet sich der entsetzlich schmerzhafte Blasenstein, der die den Strukturen folgende Harnverhaltung unter Umständen zur Ursache schwerster Blutvergiftungen, Vereiterungen und tödlicher Prozesse werden lassen kann. Zu den schlimmsten Folgekrankheiten des Trippers gehört die ~Nebenhodenentzündung~, bei der im Zeitraum von einem oder mehreren Tagen einer der beiden Hoden anschwillt auf das Zwei- und Dreifache seiner normalen Größe, sich heiß und äußerst schmerzhaft anfühlt und das Gehen, sowie jede Bewegung unmöglich macht. Wird die Behandlung dieses Entzündungsprozesses nicht energisch, bei völliger Bettruhe, in die Hand genommen, so bleiben Verhärtungen zurück, die jahrelang oder auch während des ganzen Lebens bestehen bleiben. Vor allem aber besteht die Gefahr, daß die Entzündung ~beide~ Hoden ergreift und dann durch Zerstörung des Hodengewebes, das wir als die Brutstätte der befruchtenden Samenzellen anzusehen haben, zur dauernden Unfruchtbarkeit führt. Das geschieht tatsächlich in 85% aller Fälle von doppelseitiger Hodenentzündung. Man stellt dann entweder ~Azoospermie~ fest, d. i. gänzliches Fehlen von Samenfäden (Spermatozoen), oder aber unbewegliche, also tote, zur Befruchtung unfähige Samenfäden. So kann der Leichtsinn des vor- und außerehelichen Geschlechtslebens eine fürchterliche Strafe finden, kann ein Augenblick der ungezügelten Sinnlichkeit, der zum Haus der Dirne trieb oder eine jener zufälligen und wahllosen Geschlechtsverbindungen bewirkte, mit dem Verlöschen der Zeugungsfähigkeit enden. Das Wort »Vater« verliert seinen Klang, und alles, was es an Schönheit und Freude in sich einschließt, ist begraben, ehe es ins Leben treten kann. Die edelste Kraft wird eingebüßt, und diese Möglichkeit allein müßte jeden Leichtsinn im Keim ersticken. Aber mit diesen festumrissenen Folgekrankheiten erschöpft sich der Tripper nicht, und wir werden noch sehen, welch ein furchtbarer Leichtsinn es ist, vom Tripper lächelnd als von einer »Kinderkrankheit« zu reden, wie es unter jungen Leuten oft geschieht. Es besteht ja die verhängnisvolle Anschauung, daß man einmal ein »kleines Tripperchen« gehabt haben müsse, um gegen spätere Ansteckungen gefeit zu sein. Das direkte Gegenteil ist richtig; denn wer einmal einen Tripper hatte, neigt in außerordentlichem Maße zu weiteren Ansteckungen, weil die Schleimhäute ihre Widerstands- und Abwehrkraft eingebüßt haben. Leider bleibt der Tripper nicht einmal auf die Entzündung der Geschlechtsorgane beschränkt; vielmehr wird durch den Blut- und Säftestrom das Trippergift überall im Körper umhergetragen und kann an allen Organen schwere Entzündungen hervorrufen. Seit man bei gewissen Krankheitsformen den ~Neisserschen~ Gonokokkus gefunden hat, liegen die Zusammenhänge klar zutage. Darüber sagt Prof. Dr. ~Wyß~-Zürich[5]: »So ist vor allem der Tripperrheumatismus als eine sicher durch Transport von Gonokokken durch die Blutbahn von der erkrankten Schleimhaut der Harnröhre nach den serösen Häuten der Gelenke bedingte Entzündung anzusehen; wir verstehen, daß auch andere seröse Häute erkranken können; wir wissen, daß gewisse schwere Entzündungen der Herzklappen unter Umständen mit all ihren weiteren Komplikationen: Nierenerkrankungen, Gehirnerkrankungen, Lungenerkrankungen usw., die Folge einer Gonorrhöe sind; doch auch ohne Beteiligung des Herzens können akute eiterige Entzündungen im Gehirn und Rückenmark oder deren Häuten durch den Gonokokkus sich ereignen und unrettbar den Tod herbeiführen. Gewisse Nasen- und Ohrenerkrankungen, Dickdarmerkrankungen, Speicheldrüsen- und Knochenhautentzündungen sind durch ihn bedingt. Somit ist der Tripper für den Mann oft als eine lebensgefährliche Krankheit erkannt worden, und zwar zuweilen selbst dann noch, wo er örtlich keine Erscheinungen mehr oder nur noch ganz unbedeutende gemacht hat.« -- Bliebe der Tripper auf sich selbst beschränkt, so könnte man den Gedanken hegen, daß der Schuldige büßen muß für Unwissenheit, Fehl, Leichtsinn und Gewissenlosigkeit. Zwar ist oft die Strafe zu hart; denn nicht immer ist der Einzelne schuld an seinem Tun, wenn ihm ein warnendes Wort von Eltern und Lehrern fehlte. Und wenn die alkoholische Lustigkeit einer Tafelrunde bei der Dirne endete, so büßen viele ihr Leben lang den Augenblick des Leichtsinns, der ausreichte, eine Geschlechtskrankheit zu übertragen. Mit Tränen in den Augen haben sie oft vor mir gestanden, die jungen Männer, die körperlich und seelisch an der geheimen Häßlichkeit ihrer venerischen Krankheit leiden. Gar zu hart hatte sie's betroffen. Was aber sollen wir sagen, wenn die Unschuldigen leiden müssen, büßen für den Leichtsinn eines andern, büßen ein Leben lang, büßen ohne Schuld, leiden, wo sie liebten oder wo die Liebe ihnen das Leben gab? Denn der Tripper ist ansteckend, ist übertragbar auf die Frau, die liebend und voll Vertrauen dem Manne in die Ehe folgt und von demselben Manne, dem sie all ihre Jugend, ihre Frische dargeboten, den Krankheitskeim empfängt, der sie von der gleichen Stunde ab zur leidgequälten Frau macht. Das Gefährliche des weiblichen Trippers besteht darin, daß er sich nicht auf die Harnröhre beschränkt, sondern alle äußeren und inneren Geschlechtsteile auf das heftigste erfassen kann. Das alles sind äußerst schmerzhafte, quälende, störende Leiden, die sehr verschiedenartige Erscheinungen machen können, so daß man früher oft eine andere Diagnose stellte, wo heute eine Tripperansteckung zweifelsfrei feststeht. Ja, von den sogenannten »Frauenleiden« beruhen drei Viertel wohl auf nichts anderem, als auf venerischer Ansteckung durch den Mann. Denn der Tripper geht tiefer in die inneren Organe hinein und befällt besonders die Gebärmutter, am Hals derselben beginnend und allmählich sie ganz überziehend, so daß in solchen Fällen die Unfruchtbarkeit der Frau eine unausbleibliche Folge ist. Wieviel Jammer und Tränen hängen mit dem Worte Unfruchtbarkeit zusammen! Wieviel ungestillte Muttersehnsucht, wieviel bittere Entsagung schließt es in sich ein! Ich habe Frauen gesehen, die weinten, wenn sie Kinder sahen, sie herzten und küßten, weil ihnen selbst dies größte Frauenglück versagt geblieben war. Und wie oft regnet es Vorwürfe von seiten des Mannes auf die arme Frau herab, deren Herz nach einem Kindchen jammert, deren mütterliche Kraft aber im Keim erstickt wurde durch eine Tripperinfektion. Entweder leidet der Mann an Azoospermie (Fehlen von Samentierchen) infolge von tripperhafter Hodenentzündung, oder aber die inneren Organe der Frau sind durch die Ansteckung angegriffen. Die heimtückische chronische Form des Trippers bietet selbst beim Schwinden der Symptome keine unbedingte Sicherheit für den Glauben an Heilung. Chronische Tripper können in furchtbarer Heftigkeit wieder akut werden. Ja, es kommt vor, daß ein chronisch tripperkranker Mann mit einer Frau Umgang hat, diese aber gesund bleibt, und die abgelagerten Gonokokken beim nächsten Mal rückwirkend beim Manne einen akuten Tripper erzeugen. Unwissenheit und Schamgefühl hindern das weibliche Geschlecht mehr noch als das männliche, den Tripper gleich nach Ausbruch ärztlich behandeln zu lassen. Das ist der Grund, warum der Tripper bei der Frau so verheerend wirkt. Denken wir nun daran, daß der Tripper so ungeheuer verbreitet ist, daß nach den Angaben des amerikanischen Arztes ~Noegerath~ von 1000 Männern 800 einmal in ihrem Leben an Tripper erkrankt gewesen sind, und daß die meisten davon ihn nie wieder verloren, so sehen wir mit einem Schlage, daß es sich hier nicht um eine Einzelkrankheit handelt, der man bisher mit lächelndem Spott gegenübergestanden hat, sondern um eine furchtbare Seuche, die der Kraft eines ganzen Volkes Wunden schlägt. Man lachte über ~Noegerath~, hielt ihn für einen ideologischen Schwarzseher. Aber seine aus der Praxis des Arztes gewonnenen unerbittlichen Zahlen vermochten doch schließlich unter den deutschen Ärzten den Indifferentismus und den Gleichmut zu beseitigen, womit man bisher diesen Dingen gegenüberstand. Man sah genauer hin, beobachtete schärfer, arbeitete gleichfalls statistisch und -- fand, daß ~Noegerath~ recht hatte. Man erkannte mit einem Male, daß man mit der angeblichen Heilbarkeit des Trippers gar zu optimistisch umgegangen war, daß der Tripper geradezu ungeheuer häufig chronisch wird und auch dann noch bestehen kann, wenn ihn selbst der Arzt für geheilt erklärt, daß er dann noch ansteckend auf die Frau oder auf den Mann wirkt. Man sah von da ab auch die Frauenleiden mit ganz anderen Augen an und fand in weit größerem Umfange als bisher als Ursache -- den Tripper. Von den leichten Formen des Weißflusses an, der sich oft schon ganz kurz nach der Hochzeit einstellt, bis zu den schweren Entzündungen der Eileiter, Eierstöcke, der Gebärmutter und selbst des Bauchfells, überall fand man den Gonokokkus, und -- manches Rätsel war gelöst. Prof. _Dr._ ~Wyß~-Zürich sagt darüber[6]: »Während der Geschlechtsapparat des Mannes nach dem Bauchfellraum hin abgeschlossen ist, kommunizieren die inneren Schleimhäute der Geschlechtsorgane im weiblichen Organismus direkt mit dem Peritoneal- oder Bauchfellsack. Infolgedessen greift der Entzündungsprozeß, den der Tripper auf der Schleimhaut des Geschlechtsapparates der Frau erzeugt, leicht auch auf das Bauchfell über. Sowohl für sich, als auch in Verbindung mit anderen Mikroben (Bakterien) werden dadurch akute und chronische Entzündungs- und Eiterungsprozesse bedingt, welche die Frau schwer erkranken machen, und welche leider oft in kürzerer oder erst nach längerer Zeit den Tod herbeiführen, mindestens aber monate-, ja jahrelanges Kranksein und oft fürs ganze Leben Leidendsein bedingen. Da diese Zustände oft einsetzen im Anschluß an eine Geburt oder einen anderen physiologischen oder auch pathologischen Vorgang (Menstruation, Abortus, vorzeitige Geburt), so hat man früher, als man die Krankheitserreger noch nicht kannte, jene Vorgänge der Ätiologie beschuldigt, die wahre Ursache nicht erkannt. Erst seit der Gonokokkus in solchen Entzündungsprodukten mikroskopisch nachgewiesen werden konnte, ist man auf die richtige Fährte gelangt und weiß man, daß viele früher auf eine »böse Geburt« zurückgeführten tödlichen Erkrankungen oder heutzutage oftmals zu schweren Operationen oder in anderen Fällen auch wiederum zu langem Siechtum führenden Affektionen junger, blühender, bis zu ihrer Verheiratung absolut gesunder Frauen -- auf einen nicht ausgeheilten oder geheilt erschienenen Tripper des Herrn Gemahls zurückzuführen sind.« So finden wir's in allen Gesellschaftsschichten. Wann wird es eines Tages gelingen, diese fürchterlichen Tatsachen in die Herzen der männlichen Jugend einzugraben, damit sie abläßt vom gewissenlosen geschlechtlichen Leichtsinn! In die Ohren müßten wir's ihr hineinschreien, wieviel Jammer das sexuelle »Amüsement« in die Welt bringt. Als Prof. ~Bumm~ in Leipzig einst unter den Hörern seines Kollegs Fragezettel bezüglich eines etwaigen Trippers verteilte, antworteten 36 von 53 Studenten mit »Ja«. Das waren 70%. Die übrigen 30% werden ihn leider früher oder später auch noch bekommen haben. Wie viele von diesen Trippern bleiben ungeheilt, werden chronisch und richten in der Ehe körperliche und seelische Verwüstung an! ~Noegerath~ hält den Tripper überhaupt für -- unheilbar!!! Das ist zum Teil die Folge seines medikament-medizinischen Standpunktes, den wir nicht teilen. Aber daß überhaupt ein ernster Forscher und warmherziger Menschenfreund wie ~Noegerath~ zu einer solch furchtbaren Auffassung kommt, das ist's, was uns erschreckt. Tatsächlich trotzen viele Tripper jeder Behandlung. Der Patient ist eine Zeitlang trostlos. Dann gewöhnt er sich an den Krankheitszustand, hält ihn für immer weniger ernst, heiratet und -- steckt seine Frau an. Damit beginnt dann für die Frau und für die Ehe die lange Leidenskette, schwere Unterleibsleiden und unter Umständen Unfruchtbarkeit. Prof. ~Flesch~-Frankfurt a. M. sagt: »In meiner ärztlichen Tätigkeit habe ich es nur zu oft erlebt, daß unglückliche Frauen der ärmeren Klassen, wenn Hunger und Sorge wegen ihrer andauernden Arbeitslosigkeit >wegen Unterleibsentzündung< eingezogen waren, daß Frauen der bemittelten Klassen, wenn Kinderlosigkeit die Ehe vergiftete, sich den Tod herbeiwünschten, sich den schwersten Operationen unterzogen, und ihre Männer noch um Verzeihung baten, weil sie ihren Mann unglücklich machten. Und der um Vergebung Angeflehte war fast immer, ohne es zu ahnen, der Urheber des Unglücks.« Aber auch damit macht der Tripper nicht halt. Das Trippergift, das in den Geburtswegen einer Frau abgelagert ist, kann während des Geburtsaktes in die Augen des Kindes kommen. Dann entsteht eine Bindehautentzündung, die das Augenlicht zerstört. 60 von 100 Blinden haben ihr namenloses Unglück aus dieser lebentötenden Quelle. Gibt es Worte für soviel Jammer? Tausende büßen mit Blindheit den Jugendleichtsinn ihrer Väter. Und dieses gedankenlose »Vorleben« wird immer noch entschuldigt! Immer noch finden sich Stimmen, die von »Männlichkeit« sprechen, wenn ein junger Mann geheime Wege geht. Wären diese qualvollen »Frauenleiden« nicht allesamt vorher »Männerleiden«, oder bliebe die Krankheit auf den Mann beschränkt, so könnte er sündigen, wenn er für sich allein büßen will. Aber Unschuldige büßen! Unschuldige zu Hunderttausenden! Hört ihr's, ihr jungen Männer? Laßt dies Leid der Unschuldigen nicht größer werden! Das junge Mädchen, das still und in den Träumen der Jugend im Elternhaus lebte, vergiftet ihr! Ihre Augen leuchten, wenn ihr Liebesworte sprecht! Und ihr Herz weiß nicht, was ein junger Mann im Haus der Dirne sah und tat. Es liegt ein böses, aufreizendes Unrecht in diesem Vorleben. Mit einer niederträchtigen Disharmonie beginnt die Ehe: ~sie~ geschlechtlich unschuldig oder harmlos, ~er~ weiterfahren, sexuell blasiert und -- mit einem chronischen Tripper behaftet. Nach kurzer Ehe sind die frohen Hoffnungen der Brautzeit zusammengefallen. Aus dem fröhlichen Mädchen wurde eine müde, kranke Frau, gereizt, übellaunig oder todestraurig. Wir denken an das Wort ~Noegeraths~, der sagte: »Es ist so weit gekommen, daß junge Damen sich fürchten, in die Ehe zu treten, weil sie wissen, daß alle ihre Bekannten erkrankt und nicht wieder gesund geworden sind.« Die zweite in dem Trio der Geschlechtskrankheiten ist ~der weiche Schanker~ (_Ulcus molle_). Er ist ein meist an der Eichel oder der Vorhaut des Geschlechtsgliedes durch Ansteckung beim Geschlechtsverkehr entstehendes Geschwür, das ein bis fünf Tage nach der Ansteckung sich mit Jucken und Brennen bildet und meist eine durch Unreinlichkeit oder sonstwie verletzte, eingerissene Stelle der Schleimhaut zur Voraussetzung hat. Bei Sauberkeit und unverletzter Schleimhaut findet das Schankergift keinen Eingang. An der entzündlich geröteten Ansteckungsstelle bildet sich ein Bläschen, das nach seinem Zerfall einen Eiter absondert und einen wulstigen aber weichen, ein wenig ausgezackten Rand bildet. (Das syphilitische Erstgeschwür hat harte Ränder; daher »harter Schanker« genannt.) Sehr häufig schwellen die Drüsen in der Schenkelbeuge, die sogenannten Leistendrüsen, an (Bubonen), ja, es kann zu Vereiterungen derselben und zum Durchbruch des Eiters nach außen kommen. Ist auch der weiche Schanker nicht von so ernstem und gefährlichem Charakter wie der harte, so darf er doch nicht leichtsinnig aufgefaßt werden, weil einerseits üble und häßliche Folgeerscheinungen auftreten können, wie namentlich der phagedänische (d. i. der weiterfressende, gewebszerstörende) Schanker, und andrerseits alle venerischen Krankheiten so merkwürdig vielgestaltig auftreten, daß selbst der erfahrene Arzt nicht sicher vor Täuschungen bleibt. Konstitution und zweckmäßiges Verhalten entscheiden darüber, ob der weiche Schanker harmlos bleibt und schnell ausheilt, oder ob er der Ausheilung hartnäckigen Widerstand entgegensetzt. Unsere ganz besondere Aufmerksamkeit aber verlangt ~die Syphilis~ (_Lues venera_), zumal ihr Charakterbild nach jeder Richtung hin in der Geschichte und in der Gegenwart schwankt. Die Erscheinung der Syphilis ist der sogenannte ~harte Schanker~ (_Ulcus dure_), der in den weitaus meisten Fällen durch den geschlechtlichen Verkehr mit einer syphilitischen Person entsteht, und zwar dadurch, daß das syphilitische Gift durch eine kleine Schrunde, einen kleinen Riß in der Haut eintritt. Die Möglichkeit, daß eine solche kleine Hautverletzung besteht oder beim Geschlechtsumgang entsteht, ist allerdings so groß, und die Ansteckungsfähigkeit der Syphilis so ungeheuer, daß der geschlechtlichen Verbindung mit einer syphilitisch kranken Person fast stets eine Ansteckung folgt. Das Ansteckungsfeld ist zumeist der uneheliche Geschlechtsverkehr. _Dr._ ~Blaschko~-Berlin erzählt, daß einmal von 1129 Geschlechtskranken in seiner Poliklinik (1009 Männer und 120 Frauen) die Männer ihre Syphilis fast ausschließlich außerhalb der Ehe, die Frauen innerhalb der Ehe von den Männern erworben hatten. Welch eine furchtbare Anklage bedeutet das für den Mann, welch ein entsetzliches Martyrium schließt das für die Frau ein! Der Jugendleichtsinn des Mannes, den Weib und Kind in der Ehe büßen müssen! Die Verbreitung der Syphilis hat Zahlen angenommen, die Entsetzen wecken. Sie ist eine der furchtbarsten Volkskrankheiten geworden, die das Interesse der ärztlichen Wissenschaft und der behördlichen Organe unausgesetzt beschäftigt. Unsummen gehen in Heilungskosten auf, und das Ende dieses unseligen Zerstörungsprozesses in der Menschheit ist nicht abzusehen. In großen Städten schleicht das Gespenst der Syphilis durch alle Straßen. Wo die Menschen dichter zusammenwohnen, steigert sich das Leben, vermehren sich auch die Krankheiten. Und die Prostitution, die die Moral der Männer verschlingt, speit dafür die Geschlechtskrankheiten, Tripper und Syphilis, auf die Menschheit aus. Dieser Gifthauch trifft auch die Bewohner des Landes, dessen junge Söhne in den Städten als Soldat dienen oder ein Handwerk, ein Geschäft lernen und ausüben oder die Schulen, die Universität besuchen und mit der Kultur der Stadt auch die Syphilis in die Heimat bringt. Der vierjährige Feldzug hat die Zahlen der Geschlechtskrankheiten ins Fürchterliche gesteigert. Die Syphilis beginnt mit einem kleinen Knötchen, das 2-4 Wochen nach erfolgter Ansteckung auftritt (sogenannter Primäraffekt) und bald zu zerfallen beginnt. Dabei bildet sich ein tiefer fressender Untergrund und ein etwas erhöhter Randwulst. Beide sind hart, weshalb man hier vom harten Schanker spricht. Auch Schwellungen der Leistendrüsen stellen sich ein. Die Ansteckungsfähigkeit der Syphilis ist eine ganz außerordentliche. Jedes Hautritzchen genügt, um das syphilitische Gift eindringen zu lassen, und zwar nicht nur an den Geschlechtsteilen, sondern überall am Körper. Es gibt demnach eine außergeschlechtliche Syphilis, die bei 4% aller Syphilitiker vorliegt. Dieselbe wird ungemein leicht erworben, beispielsweise durch Küssen, Händedrücken, durch Benutzung von Handtüchern, Bettwäsche, Kissen, Polstern usw., die vorher mit syphilitischen Geschwüren in Berührung kamen. Eine sekundenlange Berührung genügt -- und das Gift ist in den Körper eingedrungen und spielt seine verderbliche Rolle. Wenn's Schuld war, kann man von Sühne sprechen. Was aber sagt ihr zu den Unglücklichen, die ohne Schuld, ganz ohne Liebe und Geschlechtsumgang die Syphilis erwarben? Die unwissend, schuldlos und wehrlos ein zerstörendes Gift empfangen und es womöglich monate- und jahrelang in sich tragen, ohne den Charakter der Leiden zu ahnen, die sie nacheinander heimsuchen? Ist das syphilitische Erstgeschwür ausgeheilt, so beginnt etwa nach 8-10 Wochen die sekundäre Syphilis, meist als roter Fleckenausschlag, als Knötchen (Papeln) oder eiterige Pusteln, die sich über den ganzen Körper verbreiten und namentlich in Hautfalten (Schenkelbeuge, Geschlechtsgegend, zwischen den Fingern usw.) als nässende Wunden auftreten können. Die Absonderungen dieser Ausschläge haben eine starke Ansteckungsfähigkeit. Dazu gesellt sich ein Schorf auf der behaarten Kopfhaut, der das Haar büschelweise zum Ausfallen bringen kann. Dazu stellt sich Fieber ein, Mattigkeit, Abgeschlagenheit der Glieder, rheumatismusähnliche Schmerzen in den Gelenken und den Knochen (namentlich in den langen Arm- und Schenkelknochen), am Tage Frostschauer und in der Nacht Schweiße, dazu schwere Gemütsverstimmungen. In den Schleimhäuten zeigen sich vielerlei Störungen, vom einfachsten Katarrh angefangen bis zu den Papeln, die zu eiterigen Wucherungen (sogenannten Kondylomen) werden können. Diese treten vor allem gern im Rachen und im Munde auf und haben eine ungeheure Ansteckungsfähigkeit. Nie ist beim Besuch einer Prostituierten der Besucher sicher, daß nicht irgendwo am Körper ein Kondylom ihm die tückische Krankheit überträgt. Häßlicher und schlimmer noch sind die syphilitischen Geschwüre, die noch in dem sekundären Stadium auftreten und als schmerzhafte Gewebszerstörungen überall im und am Körper auftreten können. So namentlich an den Nasenflügeln und dem Nasensteg, in den Mundwinkeln, am Zahnfleisch, an der Zunge, den Stimmbändern, dem Zäpfchen usw. Wie viele Redner, Sänger, Schauspieler usw. haben schon durch diese fressenden Geschwüre ihre Stimme und damit ihre Existenz und ihre Lebensfreudigkeit verloren! Wieviel Entstellungen des Gesichts, wieviel Sprachstörungen haben allein diese Ursache! Wohl selten ahnt jemand, daß der leichtfertige Augenblicksgenuß bei der Dirne oder das zufällige Geschlechtserlebnis der Straße ein so grauenhaftes Ende nehmen kann. Manchmal, wenn der Kranke sich schon ganz oder fast ganz geheilt glaubt, bricht mit einem Male die Krankheit in voller Stärke wieder aus. Der ganze körperliche und seelische Jammer ist wieder da, und es ist wohl zu verstehen, von welch grenzenloser, dumpfer Verzweiflung oft die Unglücklichen befallen werden. Glaubt man aber die sekundäre Syphilis völlig geheilt, ja, versichert sogar der Arzt, daß sie völlig geheilt sei, so liegt auch darin nicht eine Spur von Sicherheit; denn nach Jahren oder Jahrzehnten bricht die Syphilis mit völlig verändertem Charakter wieder aus und wird dann in der Tat furchtbar. Sie ist in ihr drittes (tertiäres) Stadium eingetreten und nimmt insofern einen gänzlich anderen Weg, als die sekundäre Syphilis ausschließlich die Haut und die Schleimhäute befällt, während im tertiären Stadium vorwiegend die inneren Organe (Knochenhaut, Muskeln, Darmsystem, Leber, Nieren, Lungen, Gehirn und das ganze Nervensystem) erkranken. Bei der tertiären Syphilis erscheinen runde oder ovale Papeln, die bald geschwürig zerfallen und rotbraune Färbung gewinnen. Man nennt solch ein Geschwür Gumma. Mehrere Gummata können zu einem einzigen Geschwür sich vereinigen, das sich tief in das Gewebe hineinfrißt. Das ist gerade das Entsetzliche dieser Gummata, daß sie die tieferen Gewebsschichten und die inneren Organe angreifen und diese zu geschwürigem Zerfall bringen. So wird häufig die Nasenscheidewand durchgefressen, und die im Innern abgefressenen Gewebsteile werden beim Räuspern oder Husten ausgestoßen. Von den vorkommenden Kehlkopfzerstörungen ist wohl ein reichliches Teil auf tertiäre Syphilis zurückzuführen. Die schrecklichen und widerlichen Verwüstungen der Nase kann man ja hin und wieder auf der Straße beobachten. Die Knochen erfahren Auftreibungen und Verdickungen und werden stellenweise ausgefressen, ausgehöhlt, so daß dauernde und auffallende Veränderungen zurückbleiben. Ja, es kann beispielsweise der lange Unterschenkelknochen so weit durchgefressen werden, daß er bei irgendeiner Gelegenheit bricht. Besonders schmerzhaft und gefährlich ist das Gumma, wenn es am Schädelknochen sitzt. Dann frißt es sich bis zu den Hirnhäuten durch, durchlöchert also die Schädeldecke und kann das Leben zerstören. Schwere Nieren-, Leber-, Lungen- und Herzerkrankungen treten bei der tertiären Syphilis auf und können gleichfalls den Tod herbeiführen. Ergreift die tertiäre Syphilis das zentrale Nervensystem, so ist der Kranke unrettbar dem Tode verfallen. Das am Schädel sitzende Gumma frißt sich durch den Knochen hindurch oder treibt ihn auf; daraus erklären sich die Vorboten jener fürchterlichen Krankheit, der Gehirnerweichung, die wohl in den meisten Fällen den Charakter der tertiären Syphilis trägt. Diese Vorboten sind: dauernder Kopfschmerz, Schwindel, Ohnmachtsanfälle, Gedächtnisschwäche, tiefe Gemütsverstimmung und die lange Reihe jener merkwürdigen, unüberlegten und sinnlosen Handlungen, die oft bei einem früher klugen, geistvollen Menschen auftreten und den Gehirnparalytiker verraten, ehe noch die schreckliche Krankheit zum furchtbaren Ausbruch kommt. Daß ein sonst sparsamer Mann auf einmal ein unruhiger Verschwender wird, ein sittenstrenger Mann zum wüsten, ausschweifenden Erotiker, erklärt sich nur durch teilweisen und fortschreitenden Verfall des Gehirns. Bei der Rückenmarksschwindsucht ist ihr Zusammenhang mit der Syphilis (oder mit ihrer Quecksilberbehandlung?) so offenbar, daß man fast von Ausnahmslosigkeit sprechen kann. Die bei Tabes des oberen Rückenmarkes auftretenden Sehstörungen, namentlich Augenlähmungen und Entzündungen der Iris, sind fast alle syphilitischen Charakters. Es gibt keinen Teil am und im Körper, der nicht von der Syphilis ergriffen und zerstört werden könnte. Zwar trifft die Krankheit nicht jeden so schwer; aber sie ist heimtückisch und unberechenbar, und wenn ein von dieser Krankheit befallener Körper nicht genügend Lebenskraft hat, sich vernachlässigt und noch dazu ein ausschweifendes, nervenzerstörendes Leben führt, so kann ihn die Krankheit bei lebendigem Leibe zum Verfaulen bringen. Die Syphilis ist erblich, das ist ihr größtes Schreckbild. Die Nachkommen empfangen das Gift im Keim, und dieser angefaulte Keim wird -- wenn er nicht abstirbt -- zu einer faulen Frucht. Dies ist das Schrecklichste im Leben, der grauenvolle Leichtsinn, mit dem ein syphilitisch Kranker das Gift auf Weib und Kinder überträgt und Leben erweckt, das morsch, faul und unglücklich ist. Wieviel jammervolle Menschen laufen umher, denen die Syphilis des Vaters oder der Mutter die Kraft nahm und die Flügel gebrochen hat! Das ist die fluchwürdigste Tat, deren ein Mensch fähig ist. Die erbliche Übertragung der Syphilis geschieht durch syphilitische Vergiftung der Keimzellen. Die Folgen sind Absterben der Frucht, Frühgeburten und Fehlgeburten oder ganz elende, schwächliche und erbärmliche Kinder. Prof. ~Neumann~ machte im »Archiv für Kinderheilkunde« folgende Angaben über die geradezu verheerenden Wirkungen der vererbten Syphilis: »Es gebaren 71 Mütter im sekundären Stadium der Syphilis insgesamt 99 Kinder, d. h. es standen so viele Fälle zur Beobachtung. Dabei fanden sich: 40 mal Abortus, 4 Frühgeburten, 3 Totgeburten, 24 Kinder, die gleich nach der Geburt starben, 5 waren lebend, aber syphilitisch, und nur 2 schienen gesund zu bleiben. ~Die Sterblichkeit war also 98 Prozent!!~ Dies große Kindermorden bezeichnet überall den Weg der Syphilis. Zwar mildert sich das Bild, wenn die syphilitische Ansteckung der Mutter nicht vor der Befruchtung oder zugleich mit ihr, sondern später erfolgte. Zwar ist dann immer noch die Gefahr für das Kind groß; aber es bleibt wahrscheinlich am Leben. Ist aber einmal die Syphilis im Körper einer Frau, so ergreift sie die Keimzellen, die im weiblichen Organismus in den Eierstöcken von Jugend auf fertig ausgebildet sind, und jedes nachher geborene Kind wird geschädigt. Darin liegt die Furchtbarkeit der Syphilis beim Weibe. Die Samenzellen des Mannes werden fortdauernd neu gebildet, so daß beim Ausheilen der Syphilis auch die Erblichkeit erloschen ist. Das ist beim Weibe nicht der Fall, weil immer in den fertigen und auf Befruchtung wartenden Eizellen Syphiliskeime zurückgeblieben sein können. Eine einmal syphilitisch gewesene Frau sollte darum nie wieder Kinder bekommen. Und gerade hier sieht man die ganze Schrecklichkeit dieser Krankheit, erkennt man, wie sie alles Mutterglück für alle Zeit ersticken kann, und wie ein unschuldiges Weib krank und unsagbar unglücklich werden kann, weil der Mann ihr in schrecklichem Leichtsinn den Keim einer Krankheit übertrug, die er in einer Stunde des bloßen Vergnügens erwarb. Arme, arme, bejammernswerte Frauen, die nichts Böses taten und so schwer leiden müssen! Wie kam so bitteres Unrecht in die Welt? Und wie ist es auszudenken, daß es Männer gibt, gewissenlos und verbrecherisch genug, wissend Leib und Seele einer Frau zu zerstören! Ein syphilitisch erblich zerstörtes Kind ist das Grauenhafteste, was man sich vorstellen kann. Ein jammervolles Leben, das schuldlos eine schwere Bürde trägt. Eine Haut, die unter Umständen mit roten Flecken, Blasen, nässenden Wunden und Eiterbeulen bedeckt ist, kranke, wuchernde Schleimhäute, chronische Nasen- und Ohrenkatarrhe mit eiternden, stinkenden Ausscheidungen, dazu wohl auch Taubheit, Blindheit, Knochenentzündungen und Knochenauftreibungen mit schrecklichen Formänderungen und ein rascher Zerfall der Zähne. Gehirn und Rückenmark sind meist bei solchen unglücklichen Kindern angegriffen, und es zeigen sich schon früh teilweise oder vollständige Lähmungen, Krämpfe, Zuckungen, Epilepsie und vielerlei geistige Störungen, von einfachstem Gedächtnisschwund und der Gemütsbedrückung angefangen bis zu Wahnvorstellungen, fixen Ideen, furchtbaren Ausbrüchen und völliger geistiger Zerrüttung. [Illustration: Dekoration] Vierter Teil. Der Kampf um Sittlichkeit und Gesundheit. Das ist das Schreckbild der Geschlechtskrankheiten, und wer je offene Augen hatte, der wird nichts für Übertreibung halten. Du kennst nun die Gefahr. Und die Gefahr wird deinen starken Willen wecken, und du beginnst den Kampf. Den Kampf? Gegen was? Gegen alles, was dich bedroht; denn ohne Kampf geht es nicht ab. Wahrlich, es gibt einen Kampf zwischen triebhaftem Leib und sieghaftem Willen. Mensch sein, heißt ein Kämpfer sein, und dieser Kampf ist der Menschheit urewiges Erbstück. Schmiede Waffen für diesen Kampf! Und willst du die wirksamsten kennen, so suche sie im Widerstreit der Kräfte in deinem eigenen Körper und Geist. Auf ~Arbeit~ sind alle deine Kräfte eingestellt. Sinnliche Verschwendung zehrt an deiner Arbeitskraft, macht dich schlaff, unlustig, geistlos. Die Arbeit aber zähmt und bändigt deine sinnlichen Triebe. Darum stelle dein Leben auf Arbeit ein! Stecke dir ein Ziel, und setze an die Erreichung dieses Zieles alle deine Kräfte. Dann wird die Arbeit Inhalt und Halt deines Lebens, sie wird dir Sittlichkeit und Grundlage der Persönlichkeit werden. Völker sind durch Arbeit groß geworden, sind mit ihrer Arbeit gewachsen, und es war stets ein Zeichen des Niederganges, wenn ein Volk sich teilte in Arbeitende und Müßiggänger. Denn unter diesen Müßiggängern, die nicht einen einzigen Tag mit ernsten Pflichten erwachen, sondern sich treiben lassen von ihren Stimmungen und Einfällen, führt die Sucht nach Unterhaltung über Sport und Spiel zu Liebesabenteuern und Geschlechtserregungen. Und je weniger der Körper durch den strengen Willen und die rauhe Notwendigkeit der Arbeit gebändigt ist, desto weichlicher und haltloser wird der Charakter, desto ungebärdiger und zügelloser die Phantasie, und eine wirre, unsaubere Sinnlichkeit erfüllt den Geist, dem durch Mangel an Arbeit die straffen Zügel genommen sind. Sicherlich gibt es Menschen von ruhelosem Arbeitsdrang, Menschen, denen die Arbeit zum Laster, zur Krankheit, zu einem neurasthenischen Zwang wurde, die ruhelos arbeiten müssen, um die gejagten Nerven zu befriedigen und um sich über die entsetzliche Leere ihres Inneren hinwegzutäuschen. Solche Menschen sind uns nicht Vorbild. Sie sind die eine Ausschreitung, der Müßiggänger die andere. Wie wohltuend steht dazwischen der ruhig und kraftvoll Arbeitende! Das, was er schafft, gibt ihm Ernst und Würde, gibt ihm Stolz, und in dieser Würde, diesem Stolz liegt die große Widerstandskraft gegen alles Schlechte. Die Arbeit ist eine innere Spannung, die über Mißgeschick hinweghilft und eine stille Fröhlichkeit um sich verbreitet. Wer sein Geld durch Arbeit erwarb, wird es höher schätzen, wird sparsamer sein als der Müßiggänger, der mit des Vaters ererbtem Gelde seine Stunden totschlägt und aus Überdruß nach vielen Genüssen nur noch den Geschlechtsgenuß kennt. Dann ist's mit der Arbeit vorbei, denn Arbeit verlangt Kraft und innere Stählung, und nichts zerstört diese Kraft so sicher, wie die Sinnlichkeit, wenn sie unbeherrscht und krankhaft in Leib und Sinn wühlt. Niemand wird eine gesunde Sinnlichkeit abtöten können. Und niemand soll es tun. Aber sie soll als bewegende Kraft in der beherrschenden Kraft des Willens liegen und nicht durch beständigen Anreiz zu einer triumphierenden und den Menschen versklavenden Macht werden. Ernste Arbeit entzieht dich vielen solchen Anreizen, und ein festes Lebensziel fesselt deinen Willen an diese Arbeit. ~Schopenhauer~ schrieb 1813 in sein Tagebuch: »An den Tagen und Stunden, wo der Trieb zur Wollust am stärksten ist, ... gerade dann sind auch die höchsten Kräfte des Geistes, ja das bessere Bewußtsein zur größeren Tätigkeit bereit, ob zwar in dem Augenblicke, wo das Bewußtsein sich der Begierde hingegeben hat und davon voll ist, latent; aber es bedarf nur einer gewaltigen Anstrengung zur Umkehr der Richtung, und statt jener quälenden, bedürftigen, verzweifelnden Begierde (dem Reich der Nacht) füllt die Tätigkeit der höchsten Geisteskräfte das Bewußtsein (das Reich des Lichts). In besagten Zeiten ist wirklich das kräftigste, tätigste Leben überhaupt da, indem beide Pole mit der größten Energie wirken. Dies zeigt sich bei ausgezeichnet geistreichen Menschen. In besagten Stunden wird oft mehr gelebt als in Jahren der Stumpfheit.« Schiller hat diesen Gedanken in wundervolle Worte gekleidet: Leidenschaften sind schäumende Pferde, Angespannt an den rollenden Wagen. Wenn sie entmeistert sich überschlagen, Zerren sie dich durch Staub und Erde. Aber lenkest du fest den Zügel, Wird ihre Kraft dir selbst zum Flügel, Und je ärger sie reißen und schlagen, Um so herrlicher rollt dein Wagen. [Illustration: Dekoration] Dein Leben gelte der Arbeit! In diesem Zeichen wirst du siegen. Aber es gilt, auf der Hut zu sein, um alles zu vermeiden, was eine Geschlechtserregung herbeiführen könnte. Je gesünder und normaler der Organismus, desto gleichmäßiger sind seine Kräfte in den Nervenzentren verteilt. Der nervöse, überhaupt der geschwächte Mensch hat meist eine Schwäche und leichte Erregbarkeit im Lendenteil des Rückenmarkes. Hier ist der hauptsächlichste Sitz des Geschlechtsgefühls. Alles, was stark auf den Organismus einwirkt, trifft am meisten dies schwache und wegen seiner Schwäche leicht erregbare Fundament. Darum werden nicht nur rein geschlechtliche Dinge hier gefährlich, sondern auch ungünstige Einwirkungen durch Essen und Trinken, Überanstrengung, Trägheit, d. h. Mangel an Arbeit, falsche Lektüre, seelische Erregungen usw. Natürlich ist der rein geschlechtliche Reiz der weitaus stärkste, weshalb denn für diese oft vorhandene Schwäche des Lendenmarkes nichts unheilvoller und verhängnisschwerer wird als Onanie oder vorzeitiger Geschlechtsumgang. Das Nervensystem neigt zur Periodizität, und jede Übung steigert die Reizempfänglichkeit. Es ist deshalb nicht ohne weiteres richtig, zu sagen, daß die Betätigung den Trieb befriedigt. Nein, durch die Geschlechtsbetätigung wird oft erst ein Bedürfnis geschaffen, was in gleicher Stärke vorher nicht vorhanden war. Über die rein körperlichen Ursachen der Geschlechtserregung haben wir schon im ersten Teile gesprochen. Meide also das viele Stillsitzen, das den Unterleibs- und Geschlechtsorganen eine stockende Blutüberfüllung gibt und das Nervensystem in einen Zustand von Gereiztheit versetzt. Gerade das in den Schulen, in allen Studienanstalten und in allen Schreibstuben geübte dauernde Stillsitzen ist eine verbreitete Ursache der Onanie und aller sinnlichen Erregung überhaupt. Bei hoher geschlechtlicher Reizbarkeit sind auch gewissen Sportsübungen sinnlichkeitsreizende Gefahren nicht abzusprechen. Das ist z. B. das Klettern, das Reiten und das Radfahren. Die Bewegungen und Reibungen der Geschlechtsorgane sind bei vielen erregbaren jungen Menschen nicht unbedenklich. Der beste Kenner dieser Dinge in Deutschland, _Dr._ ~Rohleder~ in Leipzig, behauptet, daß infolge des Reitens die Onanie bei der Kavallerie ungeheuer verbreitet sei. Und noch eins ist zu erwähnen, das ist der Tanz. Er hat schon entwicklungsgeschichtlich so viel geschlechtlich-symbolische Züge, daß man auch seine sexualerregende Wirkung wohl verstehen kann. Wenn du durch ihn in dieser Richtung gefährdet bist, so schränke ihn ein. Ja, bringe unter Umständen deiner Gesundheit das Opfer, ihn ganz zu lassen. Jedenfalls bringe nicht Tanz und Alkohol zusammen; denn das leicht erregbare Nervensystem ist diesem doppelten Reiz nicht gewachsen. Achte auf das Bett, wie ich schon früher sagte. Laß dein Lager kühl und hart sein und schlafe nicht länger, als es dir dienlich ist. Vor allem träume nicht im Bett in die Morgenstunden hinein. Bade fleißig! Halte den Körper und namentlich die Geschlechtsorgane sauber. Schwimme und turne, wandere, singe und sei fröhlich! An erster Stelle soll in der Pflege deines Körpers das Luftbad stehen. Ich hab's genau beschrieben in einem anderen Buche: »Die Heilkraft des Luft- und Sonnenbades«[7]. Nackt in der Luft stählst du die Nerven. Nur meide die starke Sonne und träges Herumliegen in der Sonne. Es erschlafft den Körper und kann sinnlich erregen. Hat es dich erschlafft, so nimm ein kühles Fluß- oder Brausebad. Überhaupt sind kühle Bäder und kühle Waschungen zuträglich, wenn die Gefahr der sinnlichen Erregung naht. Hast du morgens beim Erwachen Erektion, so stehe rasch auf, mache eine kühle Abwaschung und kleide dich rasch an. Aber übertreibe diese Dinge niemals, weil sonst Schwächung eintritt, die doch wieder zu sinnlicher Erregung führt. Übertreibe auch nicht bei gymnastischen und sportlichen Dingen, bei Wanderungen und ehrgeizigen Wettveranstaltungen. Alles Übermaß führt zur Disharmonie, und nur in der Harmonie aller Kräfte liegt die Möglichkeit zu ihrer Beherrschung. Und sei einfach und mäßig in deiner Nahrung. Denke daran, daß jedes Übermaß deine Geschlechtsbegierde steigert, und daß namentlich Fleisch, Fleischbrühe, Wurst, Eier und alter, scharfer Käse, sowie Gewürze, die Sinnlichkeit erregen und den Kampf gegen diese namenlos erschweren. Wir Menschen haben meist keinerlei Vorstellung davon, wie eng unser ganzes geistiges und Gefühlsleben mit den Stoffen zusammenhängt, die wir als Nahrung zu uns nehmen. Nichts zeigt unsere Erdgebundenheit mehr, als diese unbestreitbare Abhängigkeit. Namentlich das Abendessen sei einfach und mild. Du mußt es früh einnehmen, damit nicht die Arbeit der Verdauung deinen Schlaf stört und eine Phantasietätigkeit weckt, die dir gefährlich werden kann. Die einfachsten Speisen sind die zuträglichsten. Ein gesunder Geist und ein gesunder Körper neigen zur Einfachheit. Schwache Nerven erzeugen Unmäßigkeit und die Sucht nach Pikantem. Auch erregende Getränke haben direkten und unzweifelhaften Einfluß auf Körper und Geist und namentlich auf die Geschlechtlichkeit. Und nichts gibt es, das in dieser Hinsicht so verderblich, so furchtbar niederreißend ist wie der Alkohol. Er ist ja innerhalb der menschlichen Gesellschaft geradezu der Quell aller unerlaubten, unsauberen Beziehungen, alles unehrlichen, schlechten Denkens und aller niedrigen, gemeinen Handlungen geworden. Der Alkohol ist des deutschen Volkes angestammtes Laster. Schon die alten Deutschen verkauften im Trunk Haus und Hof, Weib, Ehre und Freiheit. Das Trinken ist Gewohnheit, Gesellschaftskodex, eiserner Bestand, historisches Gesellschaftsrecht geworden. Es herrscht überall und drückt allem Handeln der Deutschen seinen besonderen Stempel auf. Eine fluchwürdige Entwicklung, in der man nicht weiß, was man mehr verachten soll, die Schlaffheit derjenigen, die immer weiter trinken, oder die Gewissenlosigkeit des Braukapitals, das an allen Straßenecken zum Trinken verleitet. Nirgendwo aber spielt der Alkohol eine so verheerende Rolle, wie im Nervensystem der Menschen und vor allem im Geschlechtsleben. Der Alkohol ist, weil ein dem Körper durchaus fremder, nicht assimilierbarer Stoff, ein Überreiz, der nicht nur den Körper schwächt, sondern vor allem höchst merkwürdige Wirkungen an Geist und Seele entfaltet. Er bewirkt eine Erregung, die sich als gesteigerte Phantasie, als erhöhter Mut, als Fessellosigkeit des Denkens, als sexuelle und allgemeine Unternehmungslust äußert, in Wirklichkeit aber Schwäche ist, denn der klaffende Spalt zwischen gesteigertem Wollen und geschwächtem Können ist eine wesentliche alkoholische Merkwürdigkeit. Vor allem aber reißt der Alkohol das nieder, was die Menschheit in jahrtausendealter Kulturentwicklung aufgebaut hat und was das Ziel aller Erziehung und aller Persönlichkeitsentwicklung ist, jene feinen und klaren Unterscheidungen zwischen Gut und Böse und jene Hemmungen der Einsicht, der Moral und des Willens, die sich gegen das Schlechte, das Niedrige und Rohe aufrichten. Fällt das alles, so tritt der Mensch in seiner ursprünglichen Roheit und Brutalität wieder hervor, wie wir es ja in der Alkoholwirkung tatsächlich sehen. Wo anders kann das deutlicher sich zeigen als in den geschlechtlichen Dingen? Hier steigert der Alkohol die Begierde und wird zum Kuppler, weil er das Verantwortlichkeitsgefühl tötet, die sittliche Würde und Selbstbeherrschung zurückdrängt und zu Geschlechtsverbindungen treibt, die in solcher Art und solcher Häufigkeit bei nüchternem Kopfe undenkbar wären. Der Alkohol verleitet tatsächlich zu den leichtsinnigsten Geschlechtsverbindungen und gefährlichsten Abenteuern. Tausende von jungen Männern erwerben ihre Geschlechtskrankheit, wenn sie angeheitert zum Haus der Dirne gehen. Ja, die meisten haben wohl die Bekanntschaft der Prostitution erst mit erleichternder Hilfe des Alkohols gemacht. ~Forel~ machte unter seinen geschlechtskranken Patienten eine Statistik und fand, daß 75% davon sich unter dem Einfluß des Alkohols angesteckt hatten. Je höher der Alkoholgehalt eines Getränkes, desto stärker auch seine Wirkung. Aber von den Getränken mit geringem Alkoholgehalt, wie z. B. Bier, werden oft solche Mengen getrunken, daß trotzdem stärkste Wirkungen, Trunkenheit, leichtsinnige Geschlechtsverbindung, venerische Ansteckung, geschlechtliche Verirrungen u. dergl. zustande kommen. Und die Statistik lehrt, daß die Zahl der unehelichen Geburten mit dem Bierverbrauch in den einzelnen Städten steigt und sinkt. Von den Sittlichkeitsdelikten kommt ein sehr hoher Prozentsatz aus dem Alkoholgenuß. Und was diesen vielen und vielerlei Ausschreitungen, Fehlern, Unbesonnenheiten und Vergehen an Unglück, Familienjammer und sozialem Elend folgt, das ist kaum zu übersehen. Hier gibt's für den einsichtsvollen Menschen nur einen Weg, den der Enthaltsamkeit vom Alkohol. Wie Schreck fährt's manchem durch die Glieder, wenn es heißt, er soll kein Bier mehr trinken. So fest sitzt es in seinen Lebensbegriffen, daß ihn der Verzicht ungeheuerlich anmutet. Und doch gibt's nicht den kleinsten Vorteil, der im Alkohol wohnt, sondern nur Nachteil, unbedingten, unbegrenzbaren Schaden. Was schädlich ist, geht wider die menschliche Vernunft. Darum räumen wir etwas aus dem Weg, was die Menschen in ihrer gesamten Entwicklung hindert, und verzichten auf den Alkohol. In diesem Verzicht liegt Selbstachtung, Stolz, Würde. Gute Entschlüsse machen den Menschen reifer, willenskräftiger, sittlich freier. Und der Verzicht auf den Alkohol ist ein guter Entschluß! [Illustration: Dekoration] Meidest du den Alkohol, so meidest du von selbst jene häßlichen Stätten, wo der Alkohol bewußt und planmäßig zur sinnlichen Anreizung gebraucht wird, die Animierkneipen und alle anderen Kneipen »mit Damenbedienung«. Es liegt etwas unsäglich Häßliches und Niedriges, etwas namenlos Gemeines in diesen Kneipen, und es ist mir völlig unverständlich, wie ein junger Mann in der Dunstwolke dieser alkoholischen Geilheit auch nur einen einzigen Atemzug tun kann. Hier stehen wir auf der Grenze, wo die körperlichen Anreize der Geschlechtlichkeit in die geistigen übergehen. Und so, wie du den Körper freihalten mußt von unsauberen Dingen, so gib auch dem Geist nur und ausschließlich gute Nahrung. Leicht mag das nicht sein. Denn die erotische Hochspannung der Kultur hat auch in die Literatur und in die Kunst einen erotisch-neurasthenischen Ton hineingetragen. Die Betonung des Sexuell-Sinnlichen kommt dem Interesse der Menge entgegen. Sexuelle Dinge werden breit, mit zynischer Behaglichkeit oder mit geschickt und elegant verborgener Lüsternheit geschildert oder gemalt. Vor nichts scheut man zurück, und die Schamlosigkeit macht sich breit unter dem Deckmantel des »Realismus«. Wir wollen ganz absehen von Kolportageromanen, die auf die niedrigsten Instinkte spekulieren. Nein, auch fähige Schriftsteller, begabte Bildhauer und Maler haben sich der Erotik verschrieben und prostituieren ihre Kunst, um den billigen Beifall der Menge zu erhaschen. Wieviel Unheil richten sie in jugendlichen Köpfen an! Unruhige sinnliche Wünsche werden geweckt, sittliche Begriffe gestürzt; denn das, was ohne Zweifel schlecht ist, wird durch diese erotische Literatur »interessant« gemacht. Wieviel schlechte Handlungen entsteigen der durch schlechte Lektüre verwilderten Phantasie! Wie oft erfährt der Richter, daß ein schlechtes Buch den Antrieb zu einer sittlichen oder strafrechtlichen Entgleisung gab! Die Zahl der scheußlichen Witzblätter ist groß, und selbst Witzblätter, denen manch ernstes Wort eine Bedeutung gab, haben sich dem erotischen Zynismus mit Haut und Haaren verschrieben. Die Inseratenseiten wimmeln von Anzeigen erotischer Literatur, von Anpreisungen von »Aktzeichnungen«, die angeblich nur für »Kenner« oder »Künstler« bestimmt sind. Aller Schmutz kann in solchen Inseratteilen abgeladen werden, und die vielen Anzeigen von Heiratsgesuchen, von Wohnungen »mit separatem Eingang« und dergleichen sind nur eine schwungvolle geldliche Ausnützung der allgemeinen Lüsternheit. Schmach und Schande über eine Presse, die sich ihrer erzieherischen Pflicht so wenig bewußt ist! Am meisten hast du dich zu schützen vor jener Literatur, die angeblich »Aufklärung« verbreiten will in geschlechtlichen Dingen und mit allerlei unverfänglichen oder auch verfänglichen Titeln die Neugier der Jugend erregt. Ich weiß aus vielen Berichten, die mir zugegangen sind, wie solche Bücher Schaden anrichten. Die Lüsternheit und Sinnlichkeit des Verfassers steigt zwischen den Zeilen auf und teilt sich dem Leser -- ihn erregend -- mit, so daß mancher mir schon berichtete, wie sehr ihn gerade diese Aufklärungsliteratur zur Onanie und sinnlichen Gesprächen verleitete. Auch da, wo der Inhalt des Buches an sich richtig und gut ist, kann diese Gefahr bestehen, denn hier macht der Ton die Musik, und ich stehe keineswegs bei denjenigen, die da meinen, man müsse aus Gründen der »Natürlichkeit« den letzten zarten Schleier der Schamhaftigkeit von den geschlechtlichen Dingen hinwegnehmen. Nicht das restlose Wissen, nicht die absolute Entschleierung ist der beste Schutz, sondern die zarte, poesievolle und doch kraftvoll-gesunde Auffassung vom Liebesleben, jene innere, tiefe und wahrhaftige Schamhaftigkeit. Nicht im Verstand liegt die Sittlichkeit, sondern in der Seele. Darum haben diejenigen die höchsten sittlichen Kräfte, die die stärksten Glaubenskräfte haben. Prostituiert ist auch die bildende Kunst. Vorbei ist die Hoheit der griechischen Meister, die mit der Darstellung der Nacktheit höchste Schamhaftigkeit und sittliche Würde verbanden. Wir leugnen gar nicht die sinnlichen Elemente des Kunstgenießens. Aber die Kunst soll unsere Sinnlichkeit idealisieren, durch das körperlich Schöne den Enthusiasmus der Seele wecken, nicht aber die rohe Sinnlichkeit entflammen und den aufstrebenden Geist in die Fesseln der quälenden Körperlichkeit bannen. Eine gemeine Kunst verführt zu einsamen Triebverirrungen, zu Lüsternheit und Ausschweifung. Es ist nicht ratsam, in Kunstfragen den Staatsanwalt und die Polizei zur obersten Instanz zu machen. Bessere Richter einer gesunkenen, feilen und geilen Kunst sind guter Geschmack, anständige Gesinnung und Selbstachtung. Das Angebot wird durch die Nachfrage hervorgelockt, und jeder vernünftige Mensch sollte es für unter seiner Würde halten, ein Bildwerk zu betrachten oder gar zu kaufen, das die Lüsternheit herausfordert. Der Stolz müßte sich auch aufbäumen gegen den Schmutz, der sich in photographischen oder literarischen Pikanterien breit macht. Warum gehen junge Männer nicht diesen gemeinen Anreizen aus dem Wege? Warum erschweren sie sich den Kampf und lassen sich immer mehr herabziehen? Nicht die gewissenlosen Händler sollte man anklagen, sondern die charakterlosen Männer, die den Schmutz begehren. Das Denken in geschlechtlichen Dingen ist sehr wohl ein Maßstab der allgemeinen Kraft und Sittlichkeit eines Volkes überhaupt, und es ist charakteristisch, wenn wir aus Frankreich hören, daß dort die Väter ihren beim Militär dienenden Söhnen zur Unterhaltung pornographische Photographien senden. Was aber soll man dazu sagen, wenn sogar die dramatische Kunst, die den stärksten Einfluß auf das Volk hat, ihre Verantwortlichkeit verliert und im sexuellen Zynismus landet? Die Kunst geht nach Brot, und wenn der Brotherr, das Publikum, einen verkommenen Geschmack hat und mit gierigem Blick nach Lüsternheiten Ausschau hält, dann darf man sich nicht wundern, wenn die Bühne französische Ehebruchsdramen und zynisch-erotische Vaudevilles aufführt. Da ist der Held der Bühne nicht der stolze, edle Mensch, nicht Tell, Tasso oder Posa, sondern der seine Frau betrügende Ehemann, der weichlich-erbärmliche Don Juan, der in tausend Ängsten vor dem Entdecktwerden und in tausend Nöten von einer jammervollen Situation in die andere gerät, und der uns dann als von den Frauen besonders begehrt dargestellt wird. Sieht man, wie vollbesetzt diese Theater sind, und wie im Publikum die Mienen ohne alle Selbstbeherrschung gierig-lüstern werden, so kann man das Gefühl von Scham und Empörung nicht unterdrücken über ein Volk, das so seine großen Männer vergißt, und über Menschen, die so sehr alles Edle, Schöne, Menschliche von der Geilheit überwuchern lassen. Schule deinen Geschmack und deinen ganzen inneren Menschen an echter, edler Kunst und sei zu stolz, ein Spielball dieser lüstern-geschäftlichen Spekulationskunst zu werden. Halte dich auch fern von den auf niedriger Stufe stehenden Varieté-Theatern, wo der Humorist ein privilegierter Zotenreißer ist und die Tänzerinnen mit dem Mangel an Kleidung den noch größeren Mangel an Können verdecken, wo ein rauch- und bierdunstiges Lokal bis zum letzten Platz mit Männern angefüllt ist, und sogar Frauen sich nicht scheuen, ihr eigenes Geschlecht auf der Bühne prostituiert zu sehen. Warum sind die Varietés, die Singspielhallen, die Konzertcafés mit erotisch-winselnder Geigenmusik überfüllt, und warum können sich ernste Bühnen so schwer halten? Weil die Massen korrumpiert sind, und weil die wachsende Degeneration die Sinnlichkeit triumphieren läßt und zugleich die Selbstkritik schweigen heißt. Diese bedrohlich angewachsene Sinnlichkeit wird von dem Kapital in raffinierter Weise ausgeschlachtet. Ganze Industrien rechnen ja mit dieser Sinnlichkeit. Aber wieviel Unheil richtet sie an! Wieviel Nervenkraft und Menschenglück wird dabei zerstört! Es ist nicht ehrlich, Geld zu verdienen, wenn ein anderer dabei geschändet wird. Aber niemand ist genötigt, sich diesen Schäden hinzugeben. Setze an die Stelle dieses wirren und wüsten Treibens deinen Stolz, deine Würde, dein besseres Ich und eine ernste Arbeit mit festem Lebensziel, dann wird die Gefahr deine Kräfte stählen. Die Arbeit ist die Grundlage deines Lebens, und die Stunden, die nicht deinen Pflichten gehören, sondern dir selbst, die sollst du ausfüllen mit Schönem, mit guter Lektüre. Unser deutsches Schrifttum ist reich an guten Büchern. Du sollst die freien Stunden benutzen, gute Kunst kennen zu lernen. In Museen und Galerien ist Gelegenheit dazu. Und vor allem sollst du die Natur, deine Heimat, kennen lernen und wandern, damit dein Körper stark und dein Geist fröhlich werde. ~Geh allem aus dem Wege, was dich herabzieht. Schaue nur Schönes, denke nur Gutes, handle nur edel, dann wirst du den Sinn und die Schönheit des Lebens in dir selbst finden, weil du in Harmonie mit dem Weltprinzip bist.~ [Illustration: Dekoration] Schlußwort. So bist du mir nun gefolgt, lieber junger Freund, und wir haben das Gebiet durchwandert, das gleicherweise Glück und Unglück, Jubel und Tränen, Schönheit und Grauen umschließt, in das fast alle Menschen mit Kraft und Sehnsucht einziehen, und in dem wir sie weiterwandern sehen mit Krankheit, Schwäche, gebrochener Seele, verlorener Jugend und beladen mit wirren und schwülen Geheimnissen. So viel Jammer entsteigt der Unwissenheit! War's da nicht recht, deine Augen sehend zu machen? Ich habe dir nicht nur Häßliches zeigen und dich vor Gefahren warnen wollen, nein, auch die Schönheiten des Liebesgefühls habe ich in dir keimen lassen, weil ich weiß, daß alle Lebensschönheit nur in der Natur steckt und die Natur auch im Menschen wohnt. _Naturalia non sunt turpia!_ Nicht das ist die wahre Sittlichkeit, die einen Gegensatz zwischen Mensch und Natur errichtet, die vom Menschen ein Abtöten seiner Natur verlangt und ihn in einen letzten Endes vergeblichen Kampf zwischen Tun und Willen stürzt. Nein, die wahre Sittlichkeit liegt im Erkennen der erdgeborenen Natur des Menschen und in dem festen Willen, schrittweise und allmählich auf höhere Stufen zu gelangen. Weder haben diejenigen recht, die leichtsinnig in den Tag hineinleben, die alles, so wie es ist, für gut halten und vom Baume des Lebens so viel Früchte herabnehmen, wie sie erhaschen können, noch können wir denjenigen folgen, die in düsterem Pessimismus alle Lebensschönheit nicht sehen wollen und sich auf den Himmel vorzubereiten wähnen, während doch zugleich ihr Aszetismus ein göttliches Gebot in den Staub zieht. Zwischen diesen zwei Irrenden steht der wahrhaft sittliche Mensch, der sein Leben und seine Persönlichkeit reich und kraftvoll entfaltet, aber nicht eingreift in die Rechte der anderen und nicht das Wohl der Nachgeborenen untergräbt. Dem die tiefe Erkenntnis der biologischen Zusammenhänge ein starkes Selbstverantwortlichkeitsgefühl aufzwingt, und der seine Wünsche schweigen heißt, wenn ihre Befriedigung die feinen geheimnisvollen Fäden verwirrt, die alle Menschen in Glück und Unglück miteinander verbinden. Da sehen wir die strengen Grenzen zwischen individueller und sozialer Ethik. Die eine lebt sowohl im Aszetismus wie in der Vergnügungssucht der Masse, die sich in ihrem oberflächlichen Individualismus eine Kollektivethik geschaffen hat. Beide aber maßen sich an, selbst Richter aller Dinge zu sein. Hoch über beiden steht die soziale Ethik, die von Einzelnen in das Volk getragen wird, von jenen Einzelnen, in denen die schreiende sexuelle Not der Menschen ein Echo fand, und in denen das Menschheitsgewissen, jene feine und sichere Unterscheidungskraft zwischen Gut und Böse, lebte. Diese soziale Ethik nimmt einem natürlichen Triebe alles, was ihn häßlich macht und die Menschennatur herabwürdigt, und sie gestaltet sein Äußern so, wie es das Wohl der sozialen Gesamtheit verlangt. Alle Ethik hat ihre Wurzeln im Geschlechtsleben. Denn das Geschlechtsgefühl ist die eigentliche Urquelle aller menschlichen Sympathiegefühle und aller sozialen Organisationen überhaupt. Ist daher das Geschlechtsleben krank und verdorben, so muß der ganze Bau des Menschendaseins erschüttert werden. Das Geschlechtsleben ist die höchste und stärkste Entwicklungskraft der Menschheit. Es hat der Religion Nahrung gegeben, hat Kultur, soziale Gemeinschaft und Kunst entwickelt und dem Geist seine feinsten Blüten gegeben. Aber es ist auch die Kraft, die wie keine andere die Menschen hinabstößt in Schwäche und Elend, in Verwilderung und Versumpfung, in leiblichen und geistigen Tod. Das Geschlechtsgefühl ist dem Menschengeschlecht Himmel und Hölle zugleich. Darin liegt sein tiefer, eherner Ernst. Aus dem Geschlechtsgefühl quillen Menschenwerte. Ein niedriges Geschlechtsleben schafft Krankheit und niedriges, schlechtes Denken. Ein reines Geschlechtsleben dient der Gesundheit, adelt den Menschen und veredelt die Rasse. Diese Reinheit vereinigt Natürlichkeit mit feinstem Schamgefühl, gesunde Kraft mit zartschöner, idealistischer Auffassung. Das ist's, wozu ich dich mit diesem Buche hinführen wollte. Nicht die »Natürlichkeit« in jenem stumpfen Sinne einer seelenlosen Nüchternheit, die das Geschlechtliche zu einer Alltagsgebärde stempelt. Die dem Liebesgefühl seine Gefahren dadurch nehmen will, daß man es in der Nüchternheit körperlicher Selbstverständlichkeit erstickt. Nein, diejenige Natürlichkeit will ich dich lehren, die zwar den körperlichen Untergrund aller Dinge sieht, aber alle Körperkultur nur als Ausgangspunkt einer kraftvollen Seelenkultur erkennt. Dem Seelenkultus dienen wir! Der rohe Körperkult dient letzten Endes der Form- und Zügellosigkeit, wenn der Seele feinste Strömungen nicht das körperliche Tun durchwehen. Die Seele allein birgt die wahre Scham, des Geschlechtsempfindens zarteste Blüte. So habe ich dir die Wege deines Tuns gewiesen. Unbeirrt und klaren Auges kannst du in das Leben hinaustreten. Trenne dich von der Masse, von denen, die ideallos geworden sind, folge dem Stern deines besseren Ich, schreite mutig und siegreich durch alle Gefahren! Vermehre nicht das Unglück und den Kummer der Menschen, sondern sei in deiner sittlichen Kraft wie ein Licht, das ins Dunkle strahlt und auch anderen Menschen das Leben verschönt. ~So trenne ich mich von diesem Buche und trenne mich von dir.~ ~Lebe wohl!~ ~Dein Leben sei rein und ehrlich und voll Glück! Und daß es so sei, gehe den einsamen Weg der Guten!~ ~Lebe wohl!~ [Illustration: Dekoration] Fußnoten: [1] Man lese »Arbeit, Kraft und Erfolg«, Wege zur Steigerung der Leistungsfähigkeit in körperlichem und geistigem Schaffen. Von Emil Peters. Mk. 4.25. Zu beziehen durch den Volkskraft-Verlag, Konstanz am Bodensee. [2] Volkskraft-Verlag, Konstanz am Bodensee. [3] Volkskraft-Verlag, Konstanz am Bodensee, geh. Mk. 2.75, geb. Mk. 4.50. [4] Wissenschaft und Sittlichkeit, Berlin 1908. [5] Die Gefahren des außerehelichen Geschlechtsverkehrs. 2 Aufl. München 1904. A. Müller. [6] a. a. O., S. 6. [7] Volkskraft-Verlag Konstanz am Bodensee, geh. Mk. 2.75, geb. Mk. 4.50. Porto 25 Pfg. * * * * * * Anmerkungen zur Transkription: Schreibweise und Interpunktion des Originaltextes wurden übernommen; lediglich offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert. Einige Ausdrücke wurden in beiden Schreibweisen übernommen: andererseits (Seiten 38 und 39) und andrerseits (Seiten 26, 31, 97 und 106) gesunderen (Seite 34) und gesünderen (Seite 90) gesunder (Seite 19) und gesünder (Seiten 88 und 116) Folgende offensichtliche Druckfehler wurden korrigiert: geändert wurde "Daß ist die große" in "Das ist die große" (Seite 18) geändert wurde "Buche »Der nervöse Mensch«." in "Buche »Der nervöse Mensch«.[1]" (Seite 34) geändert wurde "den _~GonoccociNeisseri~_ oder" in "den _~Gonoccoci Neisseri~_ oder" (Seite 96) geändert wurde "führt zur Dishamonie, und" in "führt zur Disharmonie, und" (Seite 118) geändert wurde "Volkskraf-Verlag, Konstanz am Bodensee, geh. Mk. 2,75, geb. Mk. 4,50." in "Volkskraft-Verlag, Konstanz am Bodensee, geh. Mk. 2.75, geb. Mk. 4.50." (Fußnote 3) ***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK JUGEND, LIEBE UND LEBEN*** ******* This file should be named 44368-8.txt or 44368-8.zip ******* This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/dirs/4/4/3/6/44368 Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from public domain print editions means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the General Terms of Use part of this license, apply to copying and distributing Project Gutenberg-tm electronic works to protect the PROJECT GUTENBERG-tm concept and trademark. Project Gutenberg is a registered trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you receive specific permission. 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